Pokal-Vorschau: Chemnitzer FC – FC Bayern München

Justin Trenner 10.08.2017
(Foto: Alexander Hassenstein / Bongarts / Getty Images)

Für die optimale Einschätzung des Gegners haben wir uns einen Experten eingeladen. Markus Herwig ist Journalist und unter anderem bei der Sportschau sowie für Telekom Sport tätig. Im MDR ist er Bestandteil von „Sport im Osten“, weshalb er sich mit dem Chemnitzer FC bestens auskennt.

Hallo, Markus. Am Wochenende spielt der FC Bayern gegen den Chemnitzer FC. Was war dein erster Gedanke, als Du davon erfahren hast?

Ich habe mich sehr gefreut für die Fans hier aus der Region, die dem Chemnitzer FC die Daumen drücken. Im DFB-Pokal gibt es für die unterklassigen Teams immer zwei Szenarien. Entweder man hofft auf einen Gegner, der unter Umständen irgendwie schlagbar ist, oder man möchte sich wenigstens gegen ein echtes Schwergewicht der 1. Liga verabschieden. Der FC Bayern ist in der 2. Kategorie das non plus ultra und von daher denke ich, dass alle Fans sich über dieses Los freuen und das finde ich toll. Zudem kann der Verein mit einer vollen Kasse rechnen. Das wird vielleicht nochmal für notwendigen Spielraum sorgen, um auf dem Transfermarkt zuzuschlagen.

Viele Fans des Rekordmeisters werden gar nicht wissen, was sie erwartet. Wer sind deiner Meinung nach die Schlüsselspieler der Chemnitzer?

Maurice Trapp, Marc Endres und Laurin von Piechowski. Die neue 3er-Abwehrkette muss sich stabilisieren. Nach dem 1:0 zum Auftakt gegen Zwickau, kassierte der CFC in drei Spielen acht Gegentore. Das ist zu viel. Die alte Weisheit, dass die Abwehr vorne beginnt, ist nicht von der Hand zu weisen, aber trotzdem müssen die drei Jungs hinten sicherer werden, sonst ist gegen die Bayern eine ganz schnelle Entscheidung im Spiel nicht ausgeschlossen.

Offensiv hat Chemnitz Spieler, die auch in dieser Saison schon Torgefahr ausgestrahlt haben. Daniel Frahn muss nach dem Weggang von Toptorjäger Fink die Lücke im Sturm schließen und kommt mit der größeren Verantwortung als Sturm-Leader auch gut zurecht. Dennis Grote hat in der Bundesliga schon gegen den FC Bayern getroffen und Neuzugang Florian Trinks für Bremen und Greuther Fürth immerhin 14x im Oberhaus gespielt. Zuletzt wurde er mit Ferencváros Budapest Pokalsieger in Ungarn. Wenn diese Spieler gegen Bayern München ihr Leistungsvermögen ausschöpfen, ist auch vom CFC durchaus mit Torgefahr zu rechnen.

Im Sommer gab es einen Umbruch. Der Trainer wurde gewechselt und einige Neuverpflichtungen wurden vorgestellt. Lassen sich zum Saisonstart schon sportliche Veränderungen feststellen?

Die augenscheinlichste Umstellung ist der Wechsel von Viererkette auf Dreierkette in der Abwehr. Damit soll das Mittelfeld gestärkt werden, um offensiv mehr Druck zu entwickeln. Sechs Tore in 4 Spielen ist auch kein schlechter Wert. Auf der anderen Seite sind die Lücken defensiv eben etwas größer wenn das Mittelfeld mit schnellem Umschaltspiel des Gegners überbrückt wird. Offensiv wird die Last auf mehrere Schultern verteilt, wobei Daniel Frahn von Florian Hansch unterstützt wird. Das Sturmpaar muss sich noch finden, aber beide haben durchaus das Potenzial, um in der 3. Liga zweistellig zu treffen. Ob es für ein Tor gegen die Bayern reicht muss man abwarten.

Horst Steffen ist in Chemnitz der neue Mann an der Seitenlinie.
(Foto: Karina Hessland / Bongarts / Getty Images)

Du hast es bereits angesprochen: Die Defensive ist schon vergangene Saison das große Problem gewesen. Nun sind es wieder 8 Gegentore in den ersten 4 Partien. Ist der offensive Stil zu gefährlich oder liegen die Ursachen für die fehlende Balance woanders?

Die Umstellung von Viererkette auf Dreierkette ist noch nicht ganz vollzogen. In der 3. Liga ist das Gegenpressing sehr beliebt und dafür braucht man ein Übergewicht im Mittelfeld, um schnell Druck auf den ballführenden Spieler des Gegners ausüben zu können. Aus diesem Grund wird ein Spieler aus der Verteidigung abgezogen und bei Angriff des Gegners müssen die Außenspieler im Mittelfeld mit zurückarbeiten. Bei Paderborn kann man sich anschauen, wie es aussieht wenn es gut funktioniert. In Chemnitz muss dahingehend noch etwas trainiert werden.

Welche Ziele hat sich der Verein nach dem Umbruch kurz-, mittel- und langfristig gesteckt und was hältst Du für realistisch?

Ich denke jeder Verein will besser abschneiden, als in der Vorsaison. Kurzfristig muss es darum gehen, die Ideen von Trainer Horst Steffen zu verinnerlichen und das Spiel mit Dreierkette und 5er-Mittelfeld zu perfektionieren. Dann wird es hinten weniger Gegentore geben und folglich mehr Punkte auf dem Konto landen. Mittelfristig sollte der Chemnitzer FC eine Mannschaft werden, mit der man in der 3. Liga immer im oberen Drittel der Tabelle rechnen muss. Das Stadion ist wunderbar, die Stimmung ordentlich, aber zu viele Leistungsschwankungen haben in der Vergangenheit zu oft jegliche Träumereien von höherklassigem Fußball weggewischt.

Langfristig muss der Verein den Blick nach oben richten. Nach 5 Jahren in der 3. Liga wäre es wirtschaftlich wichtig, auch mal die TV-Gelder aus den Zweitligatöpfen anzuzapfen. Inwieweit die Vereine von den neuen TV-Verträgen profitieren, die ab der Spielzeit 2018/19 ausgehandelt worden sind, kann ich nicht sagen, aber die 2. Liga wird wirtschaftlich immer attraktiver bleiben als die 3. Liga.

Sollte Chemnitz sein Leistungsvermögen abrufen, halte ich das obere Drittel der Tabelle durchaus für realistisch und dann wäre alles möglich – auch im Kampf um den Aufstieg. Eine Übermannschaft ist der CFC aber nicht.

Am Wochenende ist der große FC Bayern zu Gast. Wie kann der Chemnitzer FC ein bestmögliches Ergebnis erreichen und gibt es ein Szenario, in dem Du einen Sieg der Chemnitzer siehst?

Die Dreierkette braucht Unterstützung. Vielleicht sollte Horst Steffen mit einer Fünferkette beginnen, bei der sich die Außenspieler mit Ballbesitz nach vorne orientieren. Also die Grundordnung bleibt ähnlich, aber die Verteidigung bekommt direkt mehr Unterstützung. Und wenn sich dann mal die Chance auf einen Angriff bietet, wird von Fünferkette auf Viererkette aufgelöst, nicht auf Dreierkette. Das macht das Spiel des CFC ausrechenbarer, aber mit großen Seitenverlagerungen würde ich ohnehin nicht rechnen. Dann hätte aber die Abwehr auch bei schnellem Ballverlust zumindest immer einen vierten Spieler.

Als Drittligist gegen den FC Bayern zu gewinnen ist vergleichbar mit einem 5er-Treffer im Lotto. Natürlich ist das möglich, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Liegt die Chancenverwertung beim CFC bei 100% und die der Bayern bei unter 20% könnte es vielleicht spannend werden.

Vielen Dank an Markus Herwig!

Der Chemnitzer FC hat kein einfaches Jahr hinter sich. Über den Sieg im Landespokal qualifizierten sich die Sachsen aber immerhin für den DFB-Pokal, wo nun der große FC Bayern zu Gast sein wird.

Die größten Erfolge der Vereinsgeschichte erlebte der CFC vor vielen Jahren. So reichte es 1967 sogar zur Teilnahme am Europapokal der Landesmeister. 1989 und 1990 nahmen die Sachsen am UEFA-Pokal teil. Auf nationaler Ebene stehen die DDR-Meisterschaft 1967 sowie die DDR-Vizemeisterschaft 1990 zu Buche. Zwischen 1991 und 1996 sowie zwischen 1999 und 2001 spielte der Chemnitzer FC zudem in der 2. Bundesliga. Danach rutschte man sogar in den Amateurbereich ab.

Gegnervorschau

2011 feierte der CFC mit der Regionalliga-Meisterschaft schließlich die Rückkehr in den Profifußball. Seitdem hatten sie mit dem Abstieg nichts zu tun. Die Vorbereitung auf die aktuelle Saison lief allerdings alles andere als geradlinig. Zum einen gab es Lizenzprobleme, die erst im zweiten Versuch geregelt werden konnten, zum anderen gab es den bereits im Interview erwähnten Umbruch.

Es gab Veränderungen auf allen Ebenen. Elf Spieler wechselten vom Chemnitzer FC zu anderen Vereinen, darunter Björn Jopek (jetzt Würzburger Kickers), der im zentralen Mittelfeld eine wichtige Rolle einnahm. Dafür kamen bisher elf neue Akteure, die sich erst finden müssen. Das bekannteste Gesicht unter ihnen dürfte Florian Trinks (ehemals Werder Bremen) sein.

Dabei ist auffällig, dass das Durchschnittsalter der Abgänge 27,0 beträgt, während die Neuzugänge im Schnitt 23,7 Jahre alt sind. Der Chemnitzer FC hat sich also eindeutig verjüngt. Darüber hinaus hat sich der Verein aber auch in der sportlichen Führung sowie an der Seitenlinie neu aufgestellt. Steffen Ziffert heißt der neue Sportvorstand und Horst Steffen will das Team stabilisieren.

Was erwartet den FC Bayern am Wochenende?

Wie so oft, muss sich aber auch der Chemnitzer FC noch gedulden. Die Saison startete mit vier Punkten aus den ersten vier Spielen eher mäßig. Die angesprochenen Defensivprobleme gilt es in den Griff zu bekommen. Während sein Vorgänger noch auf ein klares 4-2-3-1 setzte, das sehr offensiv interpretiert wurde, versucht Horst Steffen Überzahl in der Zentrale zu generieren.

Beim Saisonauftakt gewann der Chemnitzer FC 1:0 gegen den FSV Zwickau. Danach gab es zwei Niederlagen und ein Unentschieden.
(Foto: Karina Hessland-Wissel / Bongarts / Getty Images)

Dafür nutzt der Chemnitz-Trainer das 3-5-2-System, das zwar ebenfalls sehr angriffslustig interpretiert wird, aber mit der Zeit eine bessere Balance aus Defensive und Offensive bringen soll. Am Wochenende ist es wahrscheinlich, dass der Trainer von der offensiven Ausrichtung abweicht.

In einem 5-3-2 oder alternativ auch 5-4-1 könnten die Chemnitzer sich zurückfallen lassen und so auf Konter lauern. Auch mit Sechserketten machte der FC Bayern in den frühen Pokalrunden schon das ein oder andere mal Bekanntschaft. Die Sachsen werden versuchen, die Räume im eigenen Drittel so eng wie möglich zu gestalten, um dann aggressiv um jeden Ball zu kämpfen.

Der vielleicht größte Vorteil der Chemnitzer dürfte sein, dass sie bereits mitten in der Saison stehen. Beim Rekordmeister hatte man zuletzt nicht das Gefühl, dass die Fitness auch nur annähernd bei 100% ist. Will man sich also irgendeinen Strohhalm für einen spannenden Pokalfight greifen, dann ist es wohl dieser.

Die Bayern hingegen müssen nur auf sich selbst achten. Spielen sie ihre Überlegenheit im Angriffsdrittel konsequent aus und nutzen sie ihre Chancen, dürfte der Deckel früh drauf sein. Für den Rekordmeister geht es eigentlich nur darum, eine Woche vor dem Bundesligastart den eigenen Rhythmus zu finden und die nächste Runde so klar wie möglich zu erreichen.

Manuel Neuer und Arjen Robben waren zwar beispielsweise schon wieder im Mannschaftstraining, doch wer von den Verletzten und Angeschlagenen gegen Chemnitz schon wieder zurückkehrt, ist ein großes Fragezeichen. In jedem Fall wird Carlo Ancelotti auf ein schlagkräftiges Team zurückgreifen können. Spannend dürfte die Personalie Coman sein. Der Franzose saß im Supercup zunächst auf der Bank, während Tolisso eine im Ancelotti-System neue Rolle bekleidete.

Neuzugang Tolisso, hier im Duell mit Dortmunds Castro, glänzte zuletzt in neuer Rolle.
(Foto: Alex Grimm / Bongarts / Getty Images)

Der Neuzugang spielte eine Art Hybrid-Position aus halbrechtem Achter, rechtem Mittelfeldspieler und rechtem Verteidiger. Seine Aufgabe war es, Joshua Kimmichs Offensivläufe abzusichern und ihm den nötigen Platz zu verschaffen. Der Rechtsverteidiger, aber auch Thomas Müller profitierten sehr vom 23-Jährigen. Eine Rolle, die aus der Not geboren wurde, aber zumindest in Dortmund funktionierte. Es wird interessant zu sehen, ob Ancelotti darauf im Laufe der Saison zurückgreift.

Vor allem gegen den Ball brachte Tolisso auch einiges an Stabilität mit, die Coman so vermutlich nicht hätte geben können. Ob dies am Wochenende gegen einen Drittligisten notwendig ist, ist natürlich fraglich, aber es ist eine Option, die man in Zukunft nicht vergessen sollte.

In Chemnitz freut man sich jedenfalls auf ein 90 Minütiges Fußballfest und – wer weiß schon, was alles passieren könnte – vielleicht sogar auf mehr.

Wissenswertes zum Duell

  • Mit dem Chemnitzer FC machte die Profimannschaft des FC Bayern noch keine Erfahrungen. Allerdings setzte sich die zweite Mannschaft des Rekordmeisters 1994 in der zweiten Runde des DFB Pokals gegen die Sachsen durch. Nach einem 2:2 ging es ins Elfmeterschießen, wo die Münchner mit 4:1 gewannen.
  • Der Chemnitzer Dennis Grote hat bereits vier Mal gegen Bayern München gespielt und dabei zwei Tore erzielt. Mit dem VfL Bochum gelang ihm 2008 dabei sogar ein 3:3-Unentschieden. Die anderen drei Duelle gingen verloren.
  • Der FC Bayern schied zuletzt 1994 in einer ersten Runde des DFB-Pokals aus. Damals gewann der TSV Vestenbergsgreuth mit 1:0.

Expertentipp

Im Expertentipp tippt ein externer Experte den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem zweiten Expertentipp, der vom Autorenteam von Miasanrot.de kommt. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Experten mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.

Für die erste Pokalrunde schicken wir Jan aus der Miasanrot-Redaktion ins Rennen, um gegen Interviewgast Markus Herwig anzutreten. Luca Gierl hat in der vergangenen Woche einen Bayern-Sieg vorausgesagt, wenngleich dieser erst im Elfmeterschießen zu Stande kam. Das heißt, dass er die Experten mit 1:0 in Führung gebracht hat.

Markus Herwig: Der FC Bayern hat das Spiel vom Anpfiff an fest im Griff und geht verdient bis zur Pause mit 3:0 in Führung. Danach nimmt Bayern das Tempo raus und Chemnitz kommt nach einer Standardsituation noch zum Ehrentreffer. Am Ende gewinnt Bayern souverän, aber „nur“ mit 3:1, auch weil CFC-Torhüter Kevin Kunz noch einige Male glänzend pariert.

Jan: Bayern wird forsch loslegen und dann läuft es wie jedes Jahr in der ersten Pokalrunde: 1-2 Tore vor der Halbzeit, anschließend das Sparprogramm anwerfen. Eventuell macht Chemnitz noch einen Treffer und Bayern legt spät nach. 4:1 für den Rekordmeister.