VfL Wolfsburg - FC Bayern München Frauen 1:1, c: @fcblogin

Bayern-Frauen vergeben den Auswärtssieg in Wolfsburg spät

Jolle Trenner 20.02.2016

Die Bayern-Frauen reisten mit einem äußerst komfortablen Zwölfpunktevorsprung zum VfL nach Wolfsburg, der sich zum Ziel gesetzt hatte, den Abstand auf den Deutschen Meister zu verringern. Zudem wollten die Wölfinnen das erste Team sein, das die Bayern nach 36 Spielen der Unbesiegbarkeit in der Liga wieder schlägt. Beides gelang nicht.

Der Tabellenzweite empfing den Ersten. Das Top-Team der vergangenen Jahre im europäischen Frauenfußball stand der neuen Kraft aus dem Süden gegenüber. Es spielte die beste Offensive der Liga gegen die beste Defensive. Und auch wenn die Bayern den Sieg in der Nachspielzeit noch aus den Händen gaben, so brachten sie doch ihr Spiel durch, sind nun seit 37 Spielen ungeschlagen und konnten den VfL auf Distanz halten. Das beste Angriffsteam konnte die Bayern nicht einmal zuhause aus der Reserve locken — und das spricht Bände.

Falls Ihr es verpasst habt:

Thomas Wörle schickte dasselbe Team in die Partie, das bereits in München den 1:0-Sieg gegen Wolfsburg eingefahren hatte. Tinja-Riikka Korpela im Tor, Dreier-/Fünferkette mit Nora Holstad zentral, links Viktoria Schnaderbeck, rechts Caroline Abbé, auf den Außenbahnen ergänzt um Gina Lewandowski links und Leonie Maier rechts. Auf der Doppelsechs wie gewohnt die zwei Melanies: Behringer und Leupolz. Ganz vorne im Angriff spielte Sturmtanker Vivianne Miedema, im offensiven Mittelfeld agierten Sara Däbritz und Lisa Evans.

Ralf Kellermann passte seine Mannschaft im Vergleich zum Hinspiel etwas an. Nationalkeeperin Almuth Schult kehrte nach langer Verletzungspause zurück zwischen die Pfosten, Babett Peter und Nilla Fischer räumten in der Innenverteidigung auf.

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„"/ Linksaußen verteidigte Noëlle Maritz, die im Hinspiel noch auf der gegenüberliegende Seite gespielt hatte. Dort lief diesmal Lara Dickenmann auf, die auch offensiv mit phänomenalen Qualitäten ausgestattet ist. Vor ihr auf der rechten Außenbahn hatte ihre Schweizer Kollegin Ramona Bachmann ihren Wirkungskreis — bzw. hätte sie diesen dort haben sollen — links als direkte Gegenspielerin von Leonie Maier agierte die Ungarin Zsanett Jakabfi, die auch in vorderster Linie in aller Regelmäßigkeit für Torgefahr sorgt. Dort teilten sich an diesem Tage allerdings Alexandra Popp und Caroline Hansen die Aufgaben. Auf der Wolfsburger Doppelsechs fand sich neben Lena Goeßling Élise Bussaglia wieder, da Vanessa Bernauer erst vor einigen Tagen die Weisheitszähne entfernt bekommen hatte.

Bayern wollte natürlich auch gegen diesen Top-Gegner die eigene Klasse beweisen, konnte allerdings tiefenentspannt in die Partie gehen. Schließlich waren sie die Gejagten und Wolfsburg ihnen nicht gerade brenzlig dicht auf den Fersen. So überraschte es, dass Bayern sofort in ein hohes Angriffspressing ging, um Wolfsburg von Beginn an zu demonstrieren, dass es für die Hausherrinnen alles andere als einfach werden würde. Nach einiger Zeit ergab sich dann allerdings das Bild, das schon eher zu erwarten gewesen war. Bayern verteidigte in einem hervorragend organisierten 5-4-1, bei dem zunächst Miedema die ersten Aufbaupässe nach außen leitete — in dieser Funktion rochierte sie allerdings mit Däbritz und Evans — Behringer und Leupolz ihre Sechser-Pendants gegnerorientiert verfolgten und trotz der breiten Fünferkette extrem die Mitte verdichtet wurde. Man nahm also in Kauf, dass Wolfsburg mit dribbelstarken Akteuren wie Bachmann, Jakabfi, Hansen und Popp über die Flügel angreifen konnte, um in der Mitte kompakt zu stehen.

Für die eigene Offensive taten die Bayern in Halbzeit eins nicht viel. Somit war Wolfsburg klar die tonangebende Mannschaft und hatte im Gegensatz zu den Gästen auch einige hochkarätige Torchancen aufzuweisen. Hansen feuerte einen Freistoß aus gut 30 Metern von halbrechts an den linken Pfosten (26.). Jakabfi konnte sich sehr gut über den linken Flügel bis zur Grundlinie durchsetzen und verpasste Hansen mit dem Zuspiel vor dem Tor nur denkbar knapp (36.). Eine Führung der Wolfsburgerinnen zur Halbzeitpause wäre daher nicht unverdient gewesen, doch auch das 0:0 ging aufgrund der konzentrierten Defensivleistung der Bayern in Ordnung.

Zur zweiten Halbzeit wurden die Bayern dann auch offensiv etwas stärker. Im geordneten Herausspielen aus der Defensive heraus leisteten sie sich nun weniger Fehler, bekamen durch noch klügere Positionierung auch im Kampf um die zweiten Bälle besseren Zugriff, während Wolfsburg etwas von der Rolle schien. Die Küchenpsychologin attestiert: so sieht es aus, wenn die einen bloß können dürfen und die anderen müssen. So kam Däbritz sehenswert zum Abschluss (51.), bevor sich Behringer hervorragend im Zehnerraum durchsetzte und den Ball mit viel Zeit und Platz mit einem ordentlichen Huf in die lange Ecke drosch (58.). Viele Torraumszenen hatten sich die Roten wahrhaftig nicht herausgespielt, doch ob Standard oder Schuss aus der zweiten Reihe — für so ein Ding ist die FCB-Kapitänin immer mal gut. Das Tor spielte der Herangehensweise der Bayern natürlich maximal in die Karten. Sie konnten sich noch mehr auf das Verteidigen konzentrieren, während die Wolfsburgerinnen nun noch mehr gefordert waren und sich etwas öffnen mussten.

Hansen hatte das als erstes kapiert und gab direkt im Anschluss einen vielversprechenden Schuss aus der Distanz ab (60.). Kurz drauf musste Korpela alles geben, um die gefährliche Flanke von Dickenmann noch an der Latte vorbeizuwischen und ihrem Team den Vorteil zu bewahren. Es folgten die üblichen Wechselspielchen. Kellermann wechselte die blass gebliebene Bachmann aus und brachte Isabel Kerschowski positionsgetreu ins Spiel. Diese wechselte auf die linke Seite, als Anna Blässe für Jakabfi auf den Rasen kam. Wörle verstärkte seine Mittelfeldreihe mit Carina Wenninger und nahm dafür die abgekochte Vivianne Miedema raus, so dass nun Däbritz eine Reihe nach vorne rückte. Später kam noch Nicole Rolser für Evans ins Spiel und ging in die Spitze.

Bayern nutzte die Räume geschickt, warf nicht alles nach vorne, spielte viele Angriffe nicht komplett zu Ende sondern nahm bei Ballbesitz mit klugen Pässen eher Zeit von der Uhr, als aufs zweite Tor zu gehen. Dennoch ergaben sich gute Möglichkeiten wie die riesige Kopfballchance von Nora Holstad (89.). Wolfsburg schien sich die Zähne auszubeißen, wurde immer nervöser und ungehaltener, verzweifelte über die Schiedsrichterleistung und ließ jegliche Coolness vermissen. Doch eine Patrone hatte Kellermann noch, brachte Tessa Wullaert für Maritz, die den Gastgeberinnen in der Nachspielzeit noch den durchaus verdienten Ausgleichstreffer bescherte. Hansen konnte sich über den rechten Flügel durchsetzen, in der Mitte rutschte alles an Bayernverteidigung am Ball vorbei und am zweiten Pfosten schlug Wullaert eiskalt zu. Etwas unnötig aus Bayernsicht, allerdings allein mit Blick auf die Uhr. Vom Kräfteverhältnis her geht das Unentschieden vollkommen in Ordnung. Gerade mit Blick auf die Willensleistung und das späte Finish dürfte der Treffer wichtig für die Wolfsburger Moral sein. Doch eigentlich ist es zu wenig. Wenn sie die Bayern nochmal hätten angreifen und sich den zweiten Platz mit Blick auf die Champions League sichern wollen, drei Punkte hätten es sein müssen. Bayern kann es gleich sein. Es gehört sich nicht, das auszusprechen, aber: Das Meisterschaftsrennen ist gelaufen und ihre größten Widersacher haben in deren heimischen Stadion vor knapp 2.000 Zuschauern nicht mehr als einen Punktgewinn anzubieten.

3 Dinge, die auffielen:

1. Bayern lässt Wolfsburg auflaufen

Zwar war auch in diesem Spiel bei eigenem Ballbesitz die Dreierkette Bayerns klar zu erkennen, doch häufiger als in anderen Partien formierte sich die Bayern-Defensive zu einer Fünferkette, vor der eine weitere Viererkette agierte. Durch die angesprochenen Räume, die man auf den Flanken offen ließ, stand man so horizontal äußerst kompakt und nahm Wolfsburg Platz für Kombinationen durch die Mitte. Im Verschieben zeigten sich die Bayern dabei äußerst laufstark und diszipliniert. War die erste Kette geschlagen oder über außen überwunden, fand sich Wolfsburg dennoch einer Vielzahl an Bayern-Verteidigerinnen gegenüber. Auch wenn Behringer, Leupolz oder Miedema die aufbauende Sechserin — z. B. Goeßling — mal näher persönlich ins Visier nahmen, ließen sie sich nicht aus ihrer Formation locken.

Das bedeutete allerdings nicht, dass die Roten durchweg am eigenen Strafraum festklebten. Mit lautstarken „Zu! Zu!“-Rufen peitschte Wörle sein Team bei tiefem Wolfsburger Ballbesitz ins hohe Mittelfeldpressing bzw. im Umschaltmoment nach Ballverlust ins Gegenpressing. So griff Bayern Wolfsburg immer wieder auch in hohen Zonen an. Besonders auffällig war, wie hoch und synchron die Doppelsechs Behringer/Leupolz hierbei innerhalb der Mittelfeld-Viererkette das Zentrum schloss. Hierbei standen die Abwehrketten durchaus hoch, aber stets auch vertikal kompakt.

2. Schwachpunkt Aufbauspiel Abbé

Die Wölfinnen versuchten ihrerseits, die Bayern früh an ihrem Kombinationsspiel zu hindern. Dazu ließen sie den Pass auf Caro Abbé zu, verschoben dann stark auf ihre linke Abwehrseite und spannen ein engmaschiges Netz um die Passoptionen in Ballnähe. So erzwangen sie besonders in der ersten Halbzeit viele halblange Bälle, die Abbé in der Hoffnung auf Befreiung die Linie entlang schlug. Viele Bälle gingen dabei verloren, da Wolfsburg auch für das Gewinnen der zweiten Bälle besser positioniert war. Hier merkte man, dass Bayern in der defensiveren Staffelung notgedrungener Maßen Zugriff im zweiten Drittel vermissen ließ. Gefühlt liefen vor dem Seitenwechsel auch das Gros der Bayernangriffe über die rechte Seite, da die Kugel den Weg von Abbé nicht über das defensive Mittelfeld ins Zentrum oder auf die linke Seite fand.

Doch Bayern gelang es, diese Schwachpunkte in der zweiten Halbzeit abzustellen, gefällig hinten rauszukombinieren und vermehrt Angriffe über Gina Lewandowskis und Sara Däbritz’ Seite zu fahren. Was über die rechte Seite allerdings gut klappte, war das Zusammenspiel von Evans und Maier. Maier, die im DFB-Trikot zuweilen offensiver und inverser, also mit mehr Zug zur Mitte, zu bewundern ist, steht bei den Bayern oft weniger im Fokus und übernimmt weniger spielaufbauende Aufgaben. Evans wiederum war in den bisherigen Spielen für Bayern vor allem durch Tempovorstöße über den Flügel aufgefallen. Beide ergänzten einander hervorragend. Maier machte Vorstöße nach vorne und bot sich immer als kombinationssichere Anspielstation an, während Evans auch im Vollsprint nach hinten eilte, um Wolfsburgs Flügelangriffe durch Doppeln zu unterbinden.

3. Keine Experimente

Dass Bayern hier nicht gewinnen musste, Wolfsburg würde kommen müssen und die Aufgabe des Tages nicht darin bestehen würde, einen dicht gestaffelten Abwehrriegel zu knacken, drückte sich auch darin aus, dass mit Däbritz und Leupolz zwar kreatives Personal für die Acht auf dem Feld stand, aber keine Zehn für die ganz feinen Durchsteckpässe und Dribblings im Sechzehner. Sowohl Mana Iwabuchi als auch Vero Boquete nahmen auf der Bank Platz. Auch für eine weitere Einwechslung des Neuzugangs Claire Falknor sah Wörle nicht den passenden Tag. Vielmehr setzte der Bayern-Coach in der Schlussphase alles daran, die Führung über die Zeit zu bringen und mit Carina Wenninger für Miedema eine weitere zentrale defensive Kraft ins Spiel zu bringen. Zudem schien man einiges an Respekt vor der Lufthoheit Wolfsburgs im Strafraum zu haben. Keine schlechte Idee, wenn die Gegnerinnen dort Alexandra Popp und Nilla Fischer heißen. Dies führte vor allem in der ersten Halbzeit dazu, das die Bayern ihre Standards fast ausschließlich flach und kurz ausführten. Erst in der zweiten Halbzeit versuchten sie, ihre eigene Kopfballstärke ins Spiel zu bringen, was sich mit der Kopfballchance Holstads fast bezahlt gemacht hätte.

Alles in allem eine ordentliche Leistung beider Teams. Bei Wolfsburg lief auffällig viel über Hansen, während Ramona Bachmann fast gar nicht in die Partie kam. Bei den Bayern lieferten vor allem Behringer, Däbritz, Lewandowski und Korpela eine Top-Leistung ab, während die Abwehrspielerinnen sowie Leupolz und Evans eher die stillen, aber immens wichtigen Arbeiten im Hintergrund erledigten. Miedema ist schon deswegen Gold wert, weil sie den Gegner um den Verstand bringt. Nächste Woche empfängt der FCB dann den SV Werder Bremen in der HGK. Vielleicht ja wieder ein Spiel für Vero oder Mana.

VfL Wolfsburg Frauen – FC Bayern München Frauen
Wolfsburg Schult – Maritz (81. Wullaert), Peter, Fischer, Dickenmann – Jakabfi (75. Blässe), Goeßling, Bussaglia, Bachmann (65. Kerschowski)- Popp, Hansen
Bank Frohms, Pajor, Bernauer, Šimić
Bayern Korpela – Lewandowski, Schnaderbeck, Holstad, Abbé, Maier – Behringer, Leupolz – Däbritz, Evans (87. Rolser), Miedema (76. Wenninger)
Bank Zinsberger, Boquete, Iwabuchi, Falknor, Beckmann
Tore 1:0 Behringer (58.), 1:1 Wullaert (91.)
Karten Gelb: Hansen (31.) / Evans (75.)
Schiedsrichterin Inka Müller-Schmäh (Potsdam), Katia Kobelt (Berlin), Annett Unterbeck (Berlin)
Zuschauer 1.979