VfL Bochum – FC Bayern München: Aller schlechten Dinge sind drei
In der Bundesliga nach dem 0:3 gegen Leverkusen abgehängt und in der Champions League nach dem 0:1 in Rom mit dem Rücken an der Wand – nach einer Horror-Woche reisten die kriselnden Münchner nach Bochum, um im Ruhrpott wieder in die Spur zu finden.
Der VfL ist ein Lieblingsgegner der Bayern, konnte man in den letzten fünf Duellen doch drei Mal mit 7:0 gewinnen. Zu sicher sollten sich Tuchel & Co. jedoch nicht sein, verlor man doch vor knapp zwei Jahren 4:2 in Bochum.
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FC Bayern in Bochum: Der Spielverlauf
Nach den beiden Niederlagen startete Tuchel mit zwei Neuen: Upamecano und Sané fielen beide für einen Startelfeinsatz aus. Laut dem Trainer hatte der Offensivspieler Schmerzen beim Abschlusstraining, während der Abwehrmann nach seiner Verletzung noch nicht die Fitness für drei Spiele habe. De Ligt und Choupo-Moting, der etwas überraschend den Vorzug vor Tel bekam, rutschten in die Startelf.
Nachdem die ersten Torschüsse und Halbchancen den Hausherren gehörten, hatten die Bayern nach zwölf Minuten die erste Chance nach einer Ecke. Diese bekam der VfL nicht ausreichend geklärt und Musiala schoss nach Pass von Goretzka gnadenlos ins kurze Eck ab (14.). Der wichtige frühe Führungstreffer. Nur fünf Minuten später verpasste Kane nach Traumpass des Torschützen das 2:0.
Nach circa zwanzig Minuten kam es zur obligatorischen Unterbrechung aufgrund der andauernden Fan-Proteste. Die Wehrhaftigkeit der Fanszene ist sicherlich das letzte verbliebene Rückgrat des deutschen Fußballs. Während der Zwangspause machte sich Upamecano intensiv warm und ersetzte Mazraoui als Rechtsverteidiger.
Die Münchner schienen jedoch mit der Pause ihren Faden verloren zu haben und so kam es, wie es diese Saison schon oft kam: Nach einem Ballverlust, kam Kimmich im Mittelfeld nicht in einen Zweikampf. Losilla schickte Asano steil, der mit mehr Geschwindigkeit sich gegen De Ligt durchsetzte und flach ins lange Eck abschloss (38.). Nur fünf Minuten später kam es noch dicker, als Schlotterbeck nach einer Ecke quasi ohne Gegenspieler zur 2:1-Führung einköpfte (44.). Nach vierzehn Minuten Nachspielzeit ging es mit dem Rückstand in die Kabine.
In der zweiten Hälfte schafften es die Bayern weder vor noch direkt nach einer erneuten Unterbrechung aufgrund von Fan-Protesten das Spiel wieder in die Hand zu nehmen. Nach einer knappen Stunde kamen Sané und Neuzugang Zaragoza für Choupo-Moting und Kimmich. Letzterer setzte sich mit einem fassungslosen Blick auf die Bank.
Anstatt des erhofften Sturmlaufes der Münchner, wurde Upamecano nach einem Luftzweikampf mit Schlotterbeck mit Gelb-Rot vom Platz gestellt. Für den Franzosen nach vier Tagen ein Deja-vu. Den fälligen Strafstoß verwandelte Stöger zum 3:1, obwohl Neuer den Ball noch erwischte. Nach dem erneuten Rückschlag brachte Tuchel Dier für die Defensive und Tel für den Angriff.
Vor allem Sané und Tel brachten etwas mehr Schwung in die Defensive. In der 87. Minute ging der Franzose im Strafraum ins Dribbling und konnte nach einem misslungenen Schuss auf Kane querlegen. Der Engländer staubte zum Anschlusstreffer ab. Auch trotz acht Minuten Nachspielzeit sollte es dabei bleiben.
Drei Dinge, die auffielen:
1. Täglich verängstigtes Murmeltier
Das Skript der letzten Wochen ähnelt sich so stark, den Spielbericht hätte unser Autor auch fast vor dem Spiel schon schreiben können. Die Bayern starteten gut in die Partie, hatten (Halb-)Chancen und gingen heute sogar in Führung. Anschließend führte eine Aktion zum Rückschlag: Letze Woche war es die Führung der Leverkusener, heute der Ausgleich von Asano. Und danach? Fällt das Team zusammen…
Der Rekordmeister, ein Team aus gestandenen Profis, die nationale Meistertitel und europäische Titel gewonnen haben, wirkt in diesen Wochen eher mental instabil wie ein Abstiegskandidat. In den Aktionen der einzelnen Spieler ist eine Verunsicherung sichtbar. Selbst in den dunkelsten Tagen unter Ancelotti und Kovac wirkten die elf Akteure auf dem Platz nicht so ratlos wie in dieser Saison. Unter den beiden angesprochenen Trainern fehlte einer guten Mannschaft der taktische Werkzeugkoffer um das individuelle Potential als Team zu maximieren. Die aktuelle Phase ist etwas vollkommen anderes, dazu passen auch die Aussagen von Führungsspielern wie Müller nach der Niederlage gegen Leverkusen.
So war es auch wenig überraschend, dass die Münchner in der zweiten Hälfte kein Feuerwerk abbrannten und mit Zorn die Bochumer an die Wand spielten. Vielmehr waren die es die Hausherren, welche die besseren Chancen und überraschend viele Spielanteile hatten. Bis zum 3:1-Treffer der Bochumer hatten die Münchner 0,23 erwartete Tore in der Hälfte – wohlgemerkt nicht gegen Manchester City in Führung liegend, sondern bei einem Rückstand in Bochum. Erst in den letzten zehn Minuten mit dem Mut der Verzweiflung – und frischem Wind durch Tel und Sané – wurde die Offensive wiederbelebt.
2. Musiala auf weiter Flur
In den zehn Minuten vor der Zwangspause zeigte Musiala alles, was ihn zu einem der spannendsten Talente im Weltfußball machte und was er aber auch in den vorherigen Spielen zu selten zeigte. Mit viel Spielwitz, Übersicht, Laufbereitschaft und Zug zum Tor kurbelte er die Bayern-Offensive an. Vor seinem Führungstreffer tanzte er auf engstem Raum Tange mit der linken Bochumer Seite, bevor er nach Goretzkas Pass abgezockt einschoss. Doch das wahre Highlight war sein Zuckerpass auf Kane in der 19. Minute, der mit Schnitt hinter der blauen Abwehrkette und genau im Lauf des Engländers landete. Eigentlich musste dieser Pass in einem Tor enden.
In der Folge hatte Musiala dann aber häufiger zu kämpfen. Immer wieder ging er in Dribblings – oft gegen zwei Spieler. Durch das Aufrücken und Hinterlaufen von Guerreiro wurden diese Situationen zu einem hohen Risiko im Aufbauspiel. Der Bochumer Ausgleich entstand aus einer solchen Situation genauso wie der Eckball, der zum Rückstand führte.
Muss man dies dem jungen Nationalspieler nun zum Vorwurf machen? Nein, denn Bambi war der einzige offensive Aktivposten in seiner Mannschaft im Ballbesitz. An dem zentralen Choupo-Moting lief das Spiel in der ersten Hälfte komplett vorbei. Der nominelle Rechtsaußen Müller zeigte wie so oft Licht und Schatten. Auf seiner Seite wurden keine nennenswerten Aktionen eingeleitet, auch weil Mazraoui und später Upamecano absichernd agierten.
3. Eckenzuordnung mit Folgen
Bereits letzte Woche hatte es einige staunende Blicke gegeben, als bei gleich mehreren Eckbällen der bullige Jonathan Tah nicht etwa durch Upamecano oder Dier verteidigt wurde, sondern von dem 1,78m-großen Boey. Gegen den Tabellenführer kam man mit einem blauen Auge davon, doch heute nicht.
Als es nach 44 Minuten Stöger die Ecke für Bochum hoch in die Mitte schlug, war Schlotterbeck überraschend frei. Kane war dem Deutschen wohl zugeteilt, räumte ihm aber definitiv zu viel Platz ein und De Ligt eilte deutlich zu spät heraus. Im Englischen heißt es: Fool me once, shame on me. Fool me twice, shame on me.
Die Daten zum Spiel
Tore: 0:1 Musiala (14.), 1:1 Asano (38.), 2:1 Schlotterbeck (44.), 3:1 Stöger (78.), 3:2 Kane (87.)
Gelbe Karten: Bernardo, Losilla / Kim, Goretzka
Gelb-Rote Karte: Upamecano
VfL Bochum: Riemann – Oermann (46., Gamboa), Ordets, K. Schlotterbeck, Bernardo – Masovic, Asano (89., Förster), Losilla (95., Loosli), Stöger, Antwi-Adjei (79., Kwarteng) – Broschinski
FC Bayern: Neuer – Mazraoui (28., Upamecano), de Ligt, M.-J. Kim, Guerreiro (79., Dier) – Kimmich (63., Zaragoza), Goretzka, T. Müller (79., Tel), Choupo-Moting (63., Sané), Musiala – Kane