Ist der Transfersommer der Bayern schon vorbei?

Justin Trenner 12.07.2017

Grundsätzlich hat Karl-Heinz Rummenigge natürlich recht, wenn er davon spricht, dass die Münchner bereits im vergangenen Jahr sehr gut besetzt waren. Dennoch haben sich in der entscheidenden Phase einige Problemstellen im Kader ergeben, die teils personell, teils aber auch an der Spielpraxis festzumachen waren.

Sind alle Positionen doppelt besetzt?

Will man die Frage nach der Besetzung angehen, muss natürlich erstmal geklärt sein, welche Ausgangsformation die Bayern nutzen möchten. Nachdem das 4-3-3 sich nicht durchsetzen konnte, hat Ancelotti auf ein 4-2-3-1 umgestellt. Dieses wird er sehr wahrscheinlich beibehalten. Auf der Pressekonferenz deutete er an, unbedingt an zwei Sechsern festzuhalten und auch seine Aussage vor einigen Wochen, dass eine Dreierkette kein Thema sei, lässt tief blicken.

Mit den Transfers von James (links) und Tolisso waren die Bayern vielleicht das letzte Mal aktiv. Reicht das?
(Foto: Sebastian Widmann / Bongarts / Getty Images)

Wie statisch diese Formation besetzt sein wird, sei erstmal dahingestellt. Die Frage für die Kaderplanung sollte sein, ob jede Position ausreichend besetzt ist. Im Tor steht dies nicht zur Debatte, wenngleich hier natürlich klar ist, dass Ulreich ebenso wenig Eins-zu-Eins-Ersatz für Neuer sein wird wie Früchtl. Davor wird es aber schon interessanter.

Die Abwehr

Die Bayern kamen mit drei Innenverteidigern zuletzt häufig an ihre Grenzen. Auch gegen Real Madrid war die Personallage ganz sicher ein Faktor, obwohl Hummels und Boateng ihre Sache angeschlagen sehr gut erledigten. Mit Niklas Süle kam nun ein vierter Spieler hinzu, der nicht nur jung ist, sondern darüber hinaus enorme Qualitäten gegen und mit dem Ball mitbringt. Es wird allerdings spannend, wie viele Spiele der Nationalspieler machen wird, falls sich niemand verletzt.

Auf der linken Außenbahn der Viererkette bleibt wahrscheinlich alles wie gehabt. Bernat dachte laut Medienberichten zwar über einen Wechsel nach, wird sich dem Duell mit Alaba aber wohl erneut stellen. Die Aussicht auf einen Stammplatz sollte gering sein, aber der Spanier ist ein zuverlässiger Back-Up. Rechts hat Philipp Lahm hingegen eine große Lücke hinterlassen.

Kimmich soll sein Erbe antreten und zunächst als Stammspieler in die Saison starten. Ihm ist diese Aufgabe zuzutrauen, doch sollten auch Fehler eingestanden werden. Der 22-Jährige braucht eine positive Fehlerkultur, damit er sich optimal entwickeln kann. Speziell gegen den Ball hat er noch einige Probleme. Es wird für ihn darauf ankommen, eine gute Balance aus Offensive und Defensive zu finden und nicht zu linear zu agieren. Wenn er immer wieder in das Zentrum schiebt, wie es auch Lahm gelegentlich tat, wird er mehr Einfluss nehmen und helfen können. Sein Ersatz ist Rafinha, aber auch Rudy ist in der Lage einzuspringen.

Das defensive Mittelfeld

Im nächsten Mannschaftsteil hat sich ebenfalls eine Lücke aufgetan. Erstmals seit längerer Zeit muss der FC Bayern einen spielstarken Sechser kompensieren. Die natürliche Lösung dafür ist Thiago, der mehrfach bewiesen hat, dass er Alonsos Fehlen kompensieren kann. Sebastian Rudy wäre genauso eine Option. Der Deutsche hat für Hoffenheim sehr gute Spiele auf der tiefsten Mittelfeldposition gemacht und bewiesen, dass er das Geschehen lenken kann. Seine strategischen Fähigkeiten sind vielerorts massiv unterschätzt.

Es ist durchaus denkbar, dass die beiden ein Duo bilden werden, das sich die Spielminuten in der Liga aufteilen könnte. Beide zusammen auf dem Platz zu sehen, wäre aber genauso reizvoll. Zusätzlich stehen im Kader der Bayern noch Neuzugang Tolisso, den wir im Portrait bereits vorgestellt haben und Arturo Vidal.

Der Chilene war beim Confed-Cup in höherer Position deutlich stärker, als in tiefer Rolle beim FC Bayern. Ihn als offensivste Option der vier zu sehen, wäre trotz der technischen Fähigkeiten der anderen ein legitimer Gedanke. Bei Renato Sanches wird man sehen müssen, ob er noch verliehen wird. Vieles deutet darauf hin.

Die Offensive

Letztendlich bleiben für die letzten vier Positionen noch sechs Spieler. Lewandowski ist als Stürmer gesetzt. Sein Back-Up dürfte wiedermal Müller sein. Zwar waren viele Fans mit dieser Lösung nicht zufrieden, doch eine andere wäre vermutlich zu komplex. Alexis Sanchez wird sich höchstwahrscheinlich nicht mehr realisieren lassen und würde ohnehin für eine Überbesetzung sorgen.

Ein anderer Spieler, der in den meisten Begegnungen auf der Bank sitzt und im Ernstfall besser als Müller ist, wird nicht existent sein. Vielleicht muss der FC Bayern hier akzeptieren, dass dies die einzige große Schwachstelle des Kaders ist.

Auf den Flügeln werden Ribéry und Robben weiterhin viele Spiele absolvieren. Ein ähnlicher Spielertyp ist Kingsley Coman. Die Anzahl an Einsätzen sowie die Frage, wie der Franzose sie nutzen wird, werden bereits darüber entscheiden, ob er eine längere Zukunft in München hat. Im Zentrum ist Thomas Müller zu Hause. Auch für ihn steht ein wichtiges Jahr an. Wenn der Angreifer ein ähnliches Formtief offenbart wie in der vergangenen Saison, dann wird er es schwer haben.

Doch es ist genauso vorstellbar, dass Müller an der Konkurrenz wächst. Der 27-Jährige ist in Topform weiterhin wichtig für die gesamte Offensive. Arjen Robben, aber auch Robert Lewandowski profitierten in der Vergangenheit enorm vom Deutschen. Carlo Ancelotti wird kaum auf ihn verzichten können, wenn er wieder sicherer in seinem Spiel wird.

Neuzugang James Rodríguez wird voraussichtlich alle drei Positionen hinter der Sturmspitze mal bespielen dürfen, weshalb er keinesfalls nur als Konkurrenz zu Müller gesehen werden sollte. Bei seiner Vorstellung wurde untermalt, dass er überall spielen kann.

Rechts dürfte seine Rolle der von Robben ähneln und im Zentrum gibt es ebenfalls wenig Erklärungsbedarf. Auf der linken Seite hat Ancelotti aber endlich zwei Spielertypen, die in sein System passen.

Ribéry blühte zuletzt auf, als er immer wieder einrückte. Diese Asymmetrie zum rechten Flügel ist für den Trainer typisch, war sie doch auch in Madrid zu seiner Zeit ein Merkmal. James kann dies ebenfalls entgegen kommen.

Sowohl der Franzose, als auch der Neuzugang sind nicht (mehr) dafür bekannt, ihre Gegner über lange Sprints zu schlagen. Eingerückt können sie ihre spielgestalterischen Fähigkeiten ausspielen, das Mittelfeld unterstützen und ihre Mitspieler in Szene setzen. James wird dort zwar die ideale Positon für seine Distanzschüsse genommen, doch dafür kann er präzise Flanken schlagen, die Alaba und Costa in den letzten Monaten nicht hinbekamen.

Es ist ohnehin denkbar, dass der Trainer zwischen Müller, Robben, Ribéry, Coman und James hin und her rotiert.

FC Bayern München vs. SV Darmstadt, GrundformationenDer Bayern-Kader ist auf fast allen Positionen ausreichend besetzt.

Die Leistungen werden dann darüber entscheiden, wer sich Hoffnungen in den großen Spielen machen darf und wer von der Bank kommt. Der Italiener wird auf allen Positionen mehr rotieren müssen als in seiner Debütsaison, damit auch die Akteure auf der Bank in den wichtigen Monaten fit sind.

In der Vergangenheit haben wir oft darüber diskutiert, Ribéry eine Teilzeitrolle in der Endphase seiner Karriere zu geben. Mit der Verpflichtung von James könnte sich das bewahrheiten. Der Franzose wäre dann ein wertvoller Einwechselspieler, der in den letzten Minuten eines fiktiven Champions-League-Halbfinals vielleicht den Unterschied machen könnte.

Serge Gnabry ist eigentlich der siebte Offensivspieler, wird jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit noch verliehen. Sowohl Berater, als auch Spieler sind sich einig, dass dies besser für die Entwicklung wäre und auch Rummenigge bestätigte, dass Verhandlungen laufen.

Ist der FC Bayern bereits fertig?

Alles in allem ist der Kader der Münchner bereits jetzt herausragend besetzt. Mit der Leihe von Gnabry würde die Anzahl an Feldspielern auf 19 sinken. Hinzu kommen mit Benko, Dorsch, Friedl und Götze noch vier Feldspieler aus dem Jugendbereich, die sich aber aller Voraussicht nach keine Einsatzzeiten ausrechnen können. Sollte Sanches auch noch ausgeliehen werden, würde man mit derzeit 18 Feldspielern in die Saison gehen – einer weniger als im ersten Ancelotti-Jahr.

Natürlich ist der Italiener bekannt dafür, mit einem kleinen Kader in die Saison zu gehen, doch war der FC Bayern schon vor einem Jahr nicht zufrieden damit. Daher ist es schwer vorstellbar, dass die Münchner mit 18 Spielern starten.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch etwas passiert. Ob der Rekordmeister eine Lösung für das Lewandowski-Problem findet, wird sich zeigen, aber selbst wenn nicht, haben sie wieder sehr gute Chancen, in der Champions League einiges zu erreichen sowie die Meisterschaft zu gewinnen.

Der Kader ist ausgewogen und gut gestaltet – sowohl in der Breite, als auch in der Spitze. Insgesamt dürften die Münchner nicht nur jünger, sondern in der zweiten Reihe auch stärker aufgestellt sein als zuletzt. Wenn Ancelotti das richtige Maß an Rotation findet, sollten dies gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Saison sein.