Die Hinrunde durchgerechnet

Maurice Trenner 02.02.2020

Michael Karbach bereitet als @BStat auf Twitter regelmäßig Statistiken zur Bundesliga grafisch auf und postet diese auch auf seiner Homepage. Obwohl er sich eigentlich auf Borussia Mönchengladbach fokussiert, sind auch immer wieder spannende Einblicke über den FC Bayern oder die gesamte Liga zu gewinnen. 

Weiterhin dominant

33 Punkte und nur Tabellendritter – das war die Bilanz nach den ersten 17 Spieltagen der Bundesliga-Saison 2019/20. Damit stand die schlechteste Hinrunde seit 2010/11 zu Buche. Eine Saison, die man mit Feuerwehrmann Andries Jonker gerade noch mit der direkten Champions-League-Qualifikation rettete. Die Dominanz der vergangenen Tage scheint verloren.

Nach der Hinrunde dominiert der Rekordmeister sowohl bei der Torschuss-Differenz als auch im Ballbesitz die Liga.
(Quelle: Michael Karbach)

Blickt man allerdings auf die Statistiken, zeigt sich, dass der FC Bayern durchaus noch dominanten Fußball spielt – auch wenn sich das als Zuschauer teilweise anders anfühlt. Sowohl in den Metriken Ballbesitz als auch Torschussdifferenz führt man mit großem Vorsprung die Liga an. Nur bei dem Freakspiel gegen Eintracht Frankfurt hatte der Gegner am Ende des Spiels mehr Torschüsse als der Rekordmeister. Im Schnitt steht ein Ligabestwert von 18,6 Torschüssen pro Spiel zu Buche. Zweiter in dieser Statistik sind eben jene Frankfurter mit 17,2 Schüssen. Bei den zugelassenen Torschüssen liegt man mit 9,8 Schüssen ebenfalls auf dem Spitzenplatz. Hier ist Bayer Leverkusen mit 10,2 ärgster Verfolger.

Hinrunden-Übersicht

Die Spiele gegen Frankfurt und Bremen stellen die absoluten Ausreißer in der Hinrunde bezüglich xGoal-Differenz dar.
(Quelle: Michael Karbach)

Schaut man sich die Spiele einzeln an, verfestigt sich das Bild. In dieser Grafik wird die Expected-Goals-Differenz zwischen Bayern und dem jeweiligen Gegner dem Ballbesitz gegenübergestellt. In der Metrik xGoals outperformen die Münchner im Schnitt um 1,58 Tore pro Spiel ihren Gegner. Auch das ist Ligabestwert. Erneut bildet die Niederlage gegen Frankfurt den einzigen Ausreißer. Wobei auch das Unentschieden gegen Leipzig nach xGoals ausgeglichen verlief. Selbst bei den Niederlagen gegen Gladbach, Hoffenheim und Leverkusen sahen xGoals die Münchner vorne. Gleich vier Mal schafften es die Bayern, eine xGoal-Differenz von +3 zu übertreffen. 

Der Flick-Effekt

Eine interessante Statistik zeigt die Anzahl der Sprints. Ligaweit sprintet nur der FC Schalke mehr als der Rekordmeister. Eine interessante Trendwende in der Saison ist hierbei dieser Grafik zu entnehmen. In der oberen roten Linie sind die Sprints der Münchner pro Spiel eingezeichnet. Die untere markiert die Anzahl der Sprints des jeweiligen Gegners. Nach dem Trainerwechsel zum 11. Spieltag ist hier ein deutlicher Anstieg bemerkbar. Von den ersten sieben Spielen unter Trainer Hans-Dieter Flick sind sechs die Spiele mit den meisten Sprints des FCB in der Vorrunde.

Gegen Mainz sprintete man so wenig wie in keinem anderen Spiel, nach dem Trainerwechsel gegen Dortmund war das Team extra motiviert.
(Quelle: Michael Karbach)

Dies kann auf zwei Ursachen zurückgeführt werden. Zum einen führte Flick ein konsequentes Gegenpressing ein, was automatisch in mehr schnellen Läufen resultiert. Zum anderen kann dies auch an eine gestiegene Motivation der Spieler geknüpft werden, die gemeinsam an einem Strang ziehen.

Bei der Laufdistanz (unteres Linienpaar) weist Bayern fast schon traditionell niedrige Werte auf, wobei auch hier nach der Übernahme von Flick ein kleiner Anstieg wahrnehmbar ist. Generell lässt der Rekordpokalsieger jedoch lieber den Gegner laufen. Ganze 3,7 km laufen die Kontrahenten in Spielen gegen die Münchner mehr. Dies ist für eine souveräne Mannschaft durchaus sinnvoll, da sich so der Gegner verausgaben muss, während man selbst große Distanzen auf dem schnellsten Weg – nämlich per Pass – überbrückt. Generell ist die Abhängigkeit zwischen Siegchance und Laufdistanz eher gering.

Zufällig schwache Defensive?

Ganze 22 Gegentore musste der FC Bayern in der Hinrunde hinnehmen. Das stellt die schwächste Defensive seit 2008/09 dar. Seitdem hatten die Münchner in ganzen fünf Saisons am Ende so viele oder sogar weniger Gegentreffer gefangen. Auch hier lohnt sich ein detaillierter Blick auf die Statistik.

Wie steht die Bayern-Defensive im nationalen Vergleich dar?
(Quelle: Michael Karbach)

Fünf Mannschaften stellten in der Hinrunde eine bessere Defensive. Und das obwohl die Bayern die wenigsten Torschüsse auf das eigene Tor zulassen. Auch die Metrik der erwartbaren Gegentore (Gegen-xGoals) weist die Münchner als vermeintlich stabile Defensive aus. Hier liegt man ligaweit mit RB Leizpig gemeinsam auf dem zweiten Platz.

Wobei man anmerken muss, dass die Werte höher liegen als in der Vergangenheit. In den Jahren unter Pep Guardiola lag die Anzahl der zugelassenen Torschüsse pro Spiel bei etwa 7,5. Unter Ancelotti lag der Höchstwert bei 8,9. Diese Saison liegt das Team mit 9,6 Torschüssen pro Spiel nochmals deutlich über diesem Wert. Ein Unterschied von zwei Torschüssen ist definitiv signifikant.

Erschreckend ist jedoch vor allem, wie viele Torschüsse zu einem Torerfolg führen. Hier liegt man plötzlich ligaweit abgeschlagen im hinteren Mittelfeld. Ganze 13% aller Schüsse resultieren in einem Treffer des Gegners – und vermutlich in einem Reklamierarm von Manuel Neuer. Mit dieser Quote liegt man auf dem 12. Platz in bester Gesellschaft der Abstiegskandidaten wie Düsseldorf und Paderborn. Der Blick auf Gegen-xGoals pro Tor verfestigt diesen Eindruck.

Doch was kann man daraus schließen? Die niedrige Anzahl der zugelassenen Torschüsse spricht dafür, dass der Rekordmeister insgesamt nicht viele Chancen zulässt. Der weiterhin relativ niedrige Wert der Gegen-xGoals sagt zudem aus, dass diese Chancen auch nicht zwingend erfolgversprechend sind. Spielt Manuel Neuer also eine schwache Saison? Mitnichten. Der Keeper hat die Bayern sogar vielmals mit Paraden im Spiel gehalten. 

Vielleicht haben die Gegner der Münchner auch einfach besonders viel Glück im Abschluss? Laut understat.com ist diese Saison die zweite des Rekordmeisters, in der die Gegen-xGoals niedriger sind als die tatsächlichen Gegentore. Die andere? 2018/19. Nur Zufall kann das nicht sein.

Wo steht die Offensive?

Blicken wir abschließend noch auf die Offensive des FC Bayern. 46 eigene Treffer zum Jahreswechsel konnte man letztmals in den späten 70er-Jahren übertreffen. Läuft die Offensive also wie geschmiert? 

Offensive Effizienz in der aktuellen Spielzeit 2019/20
(Quelle: Michael Karbach)

Mit 2,82 xGoals pro Spiel liegt man vor RB Leipzig (2,62) ligaweit auf Rang Eins. Die Roten Bullen kommen allerdings auf 48 Treffer zur Winterpause. Interessant ist daher erneut der Blick auf das Verhältnis von xGoals zu tatsächlich erzielten Toren. Hier liegt der FC Bayern unter 100%. Das bedeutet, dass nicht jedes erwartete Tor auch zu einem Treffer führt. Ligaweit ist man in dieser Metrik erneut nur im Mittelfeld. Ein Trend, der sich von letzter Saison, siehe untere Grafik, fortsetzt.

Effizienz in der letzten Saison 2018/19
(Quelle: Michael Karbach)

Konstant stark hingegen hier die Dortmunder. Fast schon traditionell schlagen Favre-Mannschaften diese Metrik. Auch Freiburg und Augsburg halten sich konstant im oberen Drittel. Die Bayern begehen hingegen Neuland. Unter Heynckes, Guardiola und selbst Ancelotti hatte man in dieser Statistik konstant overperformt.  

Eine mögliche Antwort darauf könnte die Qualität der Chancen sein. Dafür blicken wir auf den Wert xGoals/Torschuss in den letzten Jahren. In den letzten beiden Jahren lag dieser Wert für Chancen aus dem Spielverlauf bei 0,17 bzw. 0,16. Blickt man auf die Jahre davor lag er unter den oben genannten Trainern relativ konstant niedriger bei 0,13. Das bedeutet, dass die Bayern sich in den letzten Jahren tendenziell sogar bessere Chancen erspielt haben. 

Ein Fazit

Im nationalen Vergleich steht der FC Bayern immer noch sehr gut da. Das untermauern alle Statistiken relativ deutlich. Die Dominanz vergangener Tage ist jedoch etwas abgeschwächt. Sowohl in der Offensive als auch in der Defensive hat man insofern abgebaut, dass man im Vergleich zu den xGoals underperformt. Dass man dennoch eine der besten Offensiven sowie Defensiven der Liga stellt, kann eher als Warnung für die Bundesliga gedeutet werden. 

Der Trainer-Wechsel zu Flick zeigt definitiv Wirkung. Die gesteigerte Intensität auf dem Platz scheint der Mannschaft zu helfen. Schafft es der Trainer jetzt noch, die Chancenverwertung in der Offensive zu steigern, sind die Bayern bei der Statistikgrundlage Favorit auf den Titel.  

Die Statistiken sind auf dem Stand zum Zeitpunkt der Winterpause. Bei den expected Goals kann es Ungenauigkeiten geben, da diese Metrik noch relativ neu ist und sich stetig weiterentwickelt.

Weitere Bayern-Statistiken von Michael Karbach und anderen Accounts findet ihr auf unserem Miasanrot-Stats-Account auf Twitter.