Spieler des Monats Dezember: Kingsley Coman

Daniel Trenner 27.12.2020

Zwei müde Remis, dazu zwei hauchzarte Siege in der Bundesliga, garniert von zwei vollkommen irrelevanten Spielen in der Champions League. Der Dezember dieses Jahres liest sich genau so, wie er auch war. Anstrengend.

Das Spiel des Rekordmeisters stand dem in Nichts nach. Das Mittelfeld existierte kaum, hinten rettete regelmäßig unser Spieler des letzten Monats in Welttorhüterform, vorne ließ es Lewandowski klingeln. Doch so großartig die Abschlüsse des auch offiziell besten Spielers der Welt sein mochten, die Tore kreieren, tat ein anderer.

Bild von Alexander Hassenstein/Getty Images

Als Leistungsträger schon abgeschrieben

Die Geschichte für Kingsley Comans Saison schien bereits geschrieben. Nachdem man jahrelang auf ihn als Stammspieler setzte, schien der Verein im Sommer etwas desillusioniert zu sein. Das Vertrauen in Coman war zwar da, erstmals in Comans Bayern-Laufzeit, verpflichtete man mit Leroy Sané jedoch einen klaren Außenspieler mit Stammplatzambitonen.
Coman war zwar immer mal wieder für ein großes Ausrufezeichen gut, sei es etwa im Pokalfinale 2019 oder dem Finale der Champions League in Lissabon, doch waren diese Highlights selten geworden.

Gerade der 2018 zum Team gestoßene Serge Gnabry zeigte mit Nachdruck, was man von einem Flügelspieler Bayerns, der nicht Franck Ribéry oder Arjen Robben hieß, erwarten konnte. 37 Scorerpunkte sammelte Gnabry in der Triple-Saison, Coman nur 15. Immer wieder wurde Coman von Verletzungen zurückgeworfen, doch im Endeffekt spielte Gnabry auch nur knapp 1.000 Minuten mehr in der Saison. Nicht genug, um die Differenz in der Effektivität der beiden Spieler, zu erklären.

Selbst wenn Coman auf dem Platz stand, hinderten ihn seine Verletzungen auf indirekte Art und Weise. Oft brach er das Dribbling kurz vor dem schmerzhaften Körperkontakt noch ab, zog noch zurück. Furcht hemmte sein Spiel.
Als es in der Champions League um alles ging, bekam sein eigentlicher Back-Up Ivan Perišić den Vorzug. Der kroatische Routinier galt als der härtere Arbeiter, der Alphonso Davies’ Offensivläufe besser absichern konnte. Auf der Gegenseite bestätigte Serge Gnabry mit Toren gegen Barcelona und Lyon eindrucksvoll , wer die Nummer eins auf den Flügeln Bayerns war.

Im Finale änderte sich jedoch die Geschichtsschreibung, als Coman seine Konkurrenz klar in den Schatten spielte. Allerdings notierten ebenso alle, dass es die klare Ausnahme in der Saison darstellte. Bei aller Dankbarkeit für “Mr. Lissabon”, waren gerade Anhänger des FC Bayerns in freudiger Erwartung auf den Neuankömmling Leroy Sané. Ich war meistens im Reinen mit dem verletzungsanfälligen Franzosen, doch gerade Gnabrys Impact in großen Spielen, zeigte für viele Comans Limitationen auf. Viele hatten einfach Genug von den ihrer Ansicht nach “blinden” Flanken, inkonsequenten Abschlüssen und ständigen Verletzungspausen. Wer nun spielen würde, schien gar nicht erst zur Debatte zu stehen. Diskutiert wurde höchstens, ob das neue Flügelduo “Sanbry” oder “Gnané” heißen würde.

Endlich konstanter Unterschiedsspieler

Doch mit dem Kopfballtor in Lissabon änderte sich tatsächlich alles. Serge Gnabry sollte der kräfteraubenden Saison Tribut zollen und hat völlig seine einstige Effektivität verloren, ist bereits seit über 50 Tagen torlos. Bei Sané hingegen müssen sich einige eingestehen, dass sie vielleicht doch unterschätzt hatten, was eine ganze Saison ohne Fußball, denn nun eigentlich heißt. Geplagt von den Spätfolgen seiner Verletzungen und angekommen in einer völlig überspielten Mannschaft, braucht der Neuzugang noch Zeit.

Auch andere Säulen des Münchener Offensivspiels leiden derzeit unter dem vollen Spielplan, Thomas Müller schwankt, Leon Goretzka muss anderswo aushelfen und Joshua Kimmichs Körper gab ganz bei, zwang dem Herzen von Bayerns Spiel zu seiner ersten echten längeren Verletzungspause.

In diesen düsteren Zeiten gab es ein Fanal, dass auf einmal zu leuchten begann. Dass Kingsley Coman hell strahlen konnte, wussten alle, doch zum ersten Mal in seiner Karriere tut er es derzeit ohne groß flackern zu müssen. Vorbei scheinen die dunklen Tage, wo sich gute und schlechte Aktionen scheinbar in Waage hielten. Vorbei die Zeiten, wo andere Spieler ihm vorgezogen wurden, weil sie besser verteidigten. Vorne sorgt er für den Unterschied, hinten hilft er emsig mit.
Über einen längeren Zeitraum, war er zuvor nur unter Jupp Heynckes konstanter Unterschiedsspieler, doch selbst diese Zeit endete abrupt mit einer weiteren Verletzung. Etwas zu wenig für die Ansprüche des FC Bayerns. Nun hat er bereits vier Spieltage vor der tatsächlichen Liga-Halbzeit, einen persönlichen Vorlagenrekord aufgestellt.

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Fünf Vorlagen in Folge

Fünf dieser sieben Vorlagen gab er im Monat Dezember. Allesamt hintereinander. Lewandowskis Siegtor am 16. Dezember gegen den VfL Wolfsburg war das erste Bundesligator des Monats, ohne direkten Input Kingsley Comans. Gleich drei Assists gelangen ihm im Topspiel gegen RaBa Leipzig.

Ein Spiel, wie ein Mikrokosmos um Comans Reifeprozess eindrucksvoll aufzuzeigen. Hätte er früher vielleicht noch die finale Aktion erzwungen, verkompliziert er vor Musialas Ausgleichstor die Dinge nicht zu sehr. Manchmal ist weniger nunmal mehr. Wie hier nunmal der Querpass, nachdem er die Gegenspieler auf sich ziehen konnte.

Und manchmal ist mehr tatsächlich mehr, wie das zweite Tor zeigt. Ein Schnittstellenpass zur rechten Zeit und die möglicherweise beste Defensive der Liga ist offen. Und um das Bild des weiterentwickelten Comans abzurunden, haben wir natürlich noch eine perfekt gezielte Flanke beim finalen Ausgleichstor. Comans Art die Gegner auszuspielen, nur um dann blindlings eine Flanke in die Mitte zu jagen, hat in Fankreisen zuweilen schon Spott auf sich gezogen. Jupp Heynckes arbeitete mit ihm einst an dieser Problematik, doch ganz aus seinem System, bekam er es nicht. Komplett weg ist diese Unart nicht, aber die beiden Flanken jeweils zum 3:3 gegen Leipzig und ein paar Tage später zum 1:1 gegen Wolfsburg, zeigen Comans Weiterentwicklung.

Kingsley Coman ist der erste Spieler, der fünf Bayern-Tore in Folge auflegen konnte, das Highlight dieser Assist-Serie, ist wohl seine vierte Vorlage zum 1:1 gegen Union Berlin. Der Franzose bekommt auf links den Ball und erzwingt aus einer scheinbar ungefährlichen Situation ein Tor. Spielend leicht lässt er zwei Gegenspieler stehen, geht zur Grundlinie und legt zurück. Dabei erinnert die Sequenz frappierend an den wohl besten Bayern-Assist des Jahres, Alphonso Davies’ mittlerweile legendäres Dribbling gegen die halbe Mannschaft des FC Barcelona. Nun ist Union nicht Barcelona und Comans Dribbling war nicht ganz so krass, aber daran hat ja Coman keine Schuld. Ohne Joshua Kimmich spielte Bayern praktisch ohne Mittelfeld, offensive Impulse mussten woanders herkommen und der Franzose übernahm Verantwortung.

Verantwortung, das ist der große Unterschied. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen Coman bloß ein Rotationsspieler für wenige lichte Momente war. Über einen beträchtlichen Zeitraum in dieser Hinrunde, inklusive dem gesamten Dezember über, war er praktisch der wichtigste Offensivspieler Bayerns. Dabei ist er mittlerweile weit mehr, als bloß ein flinker Sprinter. Seine Vorlagen kamen aus überlegten Dribblings, Pässen und Flanken zustande, nicht weil er seinen Gegenspielern einfach davon rannte.
In einer Saison, wo das Drehbuch zu seiner Degradierung ins zweite Glied bereits geschrieben schien, trumpft er ganz groß auf. Vielleicht ist Leroy Sanés Transfer ja doch schon jetzt ein Erfolg. Vielleicht war es die letzte Motivationsspritze, die Coman zum Explodieren brauchte.