Spieler des Monats November: Manuel Neuer

Katrin Trenner 07.12.2020

Momentan fühlt es sich oft so an, als würden die Bayern auf dem Zahnfleisch gehen. Dennoch lautet die positive Bilanz für November: vier Siege, ein Unentschieden. Dass die Mannschaft noch immer die Bundesliga-Tabelle anführt und in der Champions League bereits als Gruppensieger feststeht, hat sie vor allem auch Manuel Neuer zu verdanken. Woche für Woche bewies Bayerns Kapitän, warum er noch immer der beste Torhüter der Welt ist, wie auch gerade von der IFFHS (International Federation of Football History & Statistics) bestätigt. Es ist bereits das fünfte Mal, dass Neuer diese Auszeichnung erhält. Nur Iker Casillas und Gianluigi Buffon gelang dies bereits vor ihm.

(Bild von Alexander Hassenstein/Getty Images)

„Man tut ja, was man kann,“ kommentierte Neuer lapidar nach seiner herausragenden Partie gegen den RB Salzburg am 25. November, als er seine Gegner ein ums andere Mal mit Glanzparaden zur Verzweiflung brachte. Zum Glück kann Neuer eine ganze Menge, und wenn sich der 34-jährige in Bestform befindet, das wissen wir spätestens seit dem Champions-League-Finale gegen PSG, ist das fast „ein bisschen Wettbewerbsverzerrung.“

Vorne top, hinten Neuer: Die Spiele im November

Bereits im Hinspiel in der Gruppenphase der Champions League am 3. November taten sich die Münchner gegen den RB Salzburg schwer, obwohl sie die Partie 6:2 gewannen. Erst nach dem 3:2 in der 79. Minute durch Jérôme Boateng brachen die Salzburger ein und kassierten drei weitere Gegentore. Vorher musste Neuer einige Male in höchster Not retten. Tatsächlich standen am Ende 21 Torschüsse der Bayern 18 der Salzburger gegenüber, und nur Neuer war es zu verdanken, dass die Österreicher lediglich zwei Tore erzielen konnten.

Bereits vier Tage später musste Bayern zum Spitzenspiel nach Dortmund, das viel Spektakel und Unterhaltung bot. Neuer zeigte eine ordentliche Partie und musste das ein oder andere Mal die Fehler seiner Vorderleute ausbügeln, wie zum Beispiel in der 62. Minute, als Giovanni Reyna von einem Abwehrfehler Bouna Sarrs profitierte, Boateng tunnelte und somit frei vor Neuer auftauchte. Einige Minuten später scheiterte auch Marco Reus am Münchner Schlussmann. Das Spiel gewannen die Bayern mit 3:2 (verloren aber Joshua Kimmich).

Nach der Länderspielpause ging es für die Bayern am 21. November weiter gegen Werder Bremen. Auch hier spielte der Torwart in seinem 400. Pflichtspiel für den FC Bayern groß auf: in der 16. Minute konnte Neuer eine Doppelchance von Joshua Sargent und Ludwig Augustinsson parieren. Beim Gegentor durch Eggestein, der Javi Martínez überlaufen hatte und von Leon Goretzka nicht entscheidend gestört wurde, war Neuer machtlos. Kurz vor Schluss vereitelte Neuer eine weitere Großchance von Sargent und bewahrte seine Mannschaft so vor einer Niederlage.

Am 25. November folgte das zweite Spiel gegen den RB Salzburg in der Champions League, welches die Bayern mit 3:1 für sich entscheiden konnte. Doch eklatante Fehler der Abwehrspieler und riskante Fehl- und Rückpässe im und aus dem Mittelfeld setzten Neuer ein ums andere Mal unter Druck – und der Torwart zeigte, dass er hellwach und zur Stelle war, ganz im Gegensatz zu den Arbeitsverweigerern in der Abwehr.

Diese wussten bei wem sie sich zu bedanken hatten. Schon während des Spiels wurde Neuer von seinen Vorderleuten begeistert geherzt und abgeklatscht, und im Anschluss erhielt er von Boateng über Social Media ein Extra-Lob. Auch Trainer Hansi Flick weiß natürlich um die exzellenten Fähigkeiten seines Kapitäns und sagte im Interview nach dem Spiel: „Ich finde einfach, er ist in der Form seines Lebens.“

Bei der nächsten Bundesliga-Partie gegen den VfB Stuttgart am 28. November sorgte besonders eine Szene kurz vor der Halbzeitpause für Aufsehen: beim Stand von 1:1 verschätzte sich Neuer, verlor den Ball, und Philipp Förster konnte zur Führung einschieben. Doch das Tor zählte nicht, da Tanguy Coulibaly den Keeper vorher leicht am Arm berührt hatte, und Neuer etwas zu leicht zu Boden ging. Erkenntnis des Tages: Einen Welttorhüter foult man nicht, und sein Reklamierarm hat immer recht. Bayern konnte auch diese Begegnung mit 3:1 für sich entscheiden, aber Neuers überdramatischer Free Fall soll seine Leistung über den gesamten November nicht schmälern.

Das Torwart-Paradox

Nach dem letzten Bundesliga-Spiel im November belegten die Bayern zwar noch immer den ersten Tabellenplatz, hatten aber nach neun Spieltagen bereits 13 Gegentore kassiert. Zum Vergleich: In der Saison 2015/16 zum Beispiel musste der FC Bayern nur 17 Gegentore über die gesamte Spielzeit hinnehmen.

Dies ist das Paradox des Torhüters: Funktioniert die Abwehr und lässt kaum Torchancen der gegnerischen Mannschaft zu, hat ein Torwart oft nicht viel zu tun. Erst wenn Fehler unterlaufen und dadurch Torgefahr entsteht, hat der Schlussmann die Gelegenheit dazu, sich auszuzeichnen.

Nach einer längeren Verletzungspause in der Saison 2017/18 sah man, dass selbst ein Manuel Neuer Fehler machte und durchaus zu schlagen war. Inzwischen jedoch strahlt er wieder die Selbstsicherheit aus, die man aus seinen besten Jahren kennt. In Kombination mit seinen teilweise unglaublichen Reflexen und verrückten Paraden kann eine solche „Aura des Unüberwindbaren“ schon mal dazu führen, dass Neuer für Spieler der gegnerischen Mannschaft größer und breiter aussieht, als er es tatsächlich ist.

Dass Neuer ein hervorragender mitspielender Torwart mit guter Übersicht und Spielverständnis ist, ist allgemein bekannt. Auch im vergangenen Monat bewahrte Neuer in den meisten brenzligen Situationen einen kühlen Kopf und ließ sich durch heraneilende Stürmer nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn die eigenen Verteidiger noch meilenweit entfernt waren. In 1:1-Situationen bestach er durch gutes Stellungsspiel und oft ideale Positionierung im Fünfmeterraum. Bei den meisten der (durchaus vielen) Gegentore war er machtlos.

Der einzige Wermutstropfen für Neuer im November war das 0:6 gegen Spanien mit der deutschen Nationalmannschaft – und das ausgerechnet in dem Spiel, das ihn zum alleinigen Rekord-Nationaltorwart beförderte. Doch, soviel sei gesagt, das Debakel in der Nations League ist sicherlich nicht Neuer anzukreiden. Selbst der beste Torhüter der Welt kann nichts ausrichten, wenn seine Vordermänner ein kollektiv desolates Abwehrverhalten an den Tag legen. FC Bayern, take note.

Übrigens: Schon 195 Mal hat Neuer in der Bundesliga zu null gespielt, bei einer weiteren Begegnung ohne Gegentor würde er mit Oliver Kahn gleichziehen. Das versucht er allerdings schon seit Oktober. Wir heben empört den Reklamierarm!

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