Miasanrot-Awards: Spieler der Saison 2018/19

Justin Trenner 10.06.2019

Um den Bayern-Angreifer wurde in den letzten Monaten und Jahren sehr angeregt diskutiert. Er treffe in wichtigen Spielen zu selten, seine Chancenverwertung sei allgemein ausbaufähig und ohnehin tue er so, als wäre er auf einem Level mit Messi und Ronaldo. Vor allem seine Körpersprache, wenn ein Mitspieler den Ball nicht zu ihm brachte, regte viele Fans auf.

Doch das ist nur ein Teil der Dinge, die dafür sorgen, dass Lewandowski zwar oft respektiert, aber nur selten richtig geliebt wird. Vor der Saison kursierten abermals Gerüchte, dass seine Berater einen Wechsel nach Madrid forcieren würden. Um die lange Geschichte abzukürzen: Lewandowski tauschte seinen Berater Cezary Kucharski aus. Sein Ersatz: Pini Zahavi – einer der wichtigsten Akteure beim Neymar-Wechsel zu Paris.

Was zunächst beunruhigend klang, brachte letztendlich nur kurzfristig neuen Wind in die Gerüchte. Lewandowski blieb und zeigte erneut, dass er zu den wichtigsten Spielern des Kaders zählt. Doch es ist nicht die rein sportliche Perspektive, die uns dazu bewegt, den mittlerweile 30-Jährigen nach seinem Spieler-des-Jahres-Award 2016 nun zum Spieler der Saison 2018/19 zu küren.

(Fotos v.l.n.r.: Adam Pretty / Bongarts / Getty Images | Christof Stache / AFP / Getty Images | Patrik Stollarz / AFP / Getty Images)

Lewandowskis besondere Entwicklung

Robert Lewandowski ist bekannt geworden als ein Spieler, der sich nicht viel aus emotionalen Beziehungen zu seinen Klubs macht. Ihn zieht es dort hin, wo er sportlich und finanziell möglichst gute Perspektiven hat. Sein Abschied aus Dortmund war damals auch deutlich weniger schlimm für die meisten BVB-Fans als der von Hummels oder Götze.

In München entstand über die Jahre ein ähnliches Arbeitsverhältnis. Vom Großteil der Fans wird er respektiert und für seine Tore wertgeschätzt. Fragt man nach den Lieblingsspielern, dürfte er in einer Rangliste aber eher weniger Chancen auf die Top-Platzierungen haben.

Lewandowski liebäugelte im Sommer 2018 nicht zum ersten Mal mit einem Wechsel. Doch die Bayern blieben hart und auch Niko Kovač hatte mit seinen persönlichen Gesprächen Anteil daran, dass der Pole in München blieb. Seine Wertschätzung schien dem Angreifer zu imponieren.

Statistiken zeigen: Lewandowski war so stark wie lange nicht mehr!

In 47 Pflichtspielen gelangen Lewandowski 40 Tore. Ein Treffer weniger als im Vorjahr (bei einem Spiel weniger) und sein schwächster Gesamtwert seit der Saison 2014/15 (25 Tore in 49 Pflichtspielen). Dafür stehen 13 Assists auf seinem Konto – persönlicher Höchstwert gemeinsam mit den Spielzeiten 2014/15, 2013/14 und 2012/13 (allerdings in allen drei Jahren mit deutlich weniger eigenen Treffern).

Die 53 Torbeteiligungen konnte er nur in der Saison 2016/17 erreichen (damals 43 Tore und 10 Assists). Im Schnitt war Lewandowski in dieser Saison alle 78,84 Minuten direkt an einem Treffer der Bayern beteiligt. Das ist ein Top-Wert, den er bisher nur in der besagten Saison 2016/17 (alle 75,86 Minuten) unterbieten konnte. Auch im europäischen Vergleich steht er damit gut da: Nur Mbappé (PSG, alle 62,5 Minuten), Tadić (Ajax, alle 77,3 Minuten), Dabbur (RB Salzburg, alle 69,13 Minuten) waren unter den Menschen besser und Messi (Barcelona, alle 55,1 Minuten) kommt sowieso von einem anderen Planeten. Damit ließ Lewandowski aber Spieler wie Ronaldo, Agüero, Suárez, Salah, Benzema oder Sterling hinter sich.

4 Tore erzielte der Stürmer in 2 Spielen gegen Borussia Dortmund, 2 in 2 Spielen gegen Champions-League-Halbfinalist Ajax und auch im DFB-Pokal glänzte er mit 7 Toren (2 im Finale gegen RB Leipzig, 2 im Halbfinale gegen Bremen) und 3 Assists (2 im engen Duell mit Hertha BSC). Er hatte also in den wichtigen Momenten durchaus seinen Finger im Spiel. Dass er gegen Liverpool in 2 Spielen nur 2 ungefährliche Abschlüsse hatte, kann man ihm zum Vorwurf machen, doch dann verklärt man, dass der Einfluss eines Stürmers insbesondere dann stark begrenzt ist, wenn die eigene Mannschaft kaum nach vorn kommt.

Vom eitlen Star zum Führungsspieler

Hier liegt vermutlich auch der Hauptgrund dafür, dass nicht wenige Fans eher zwiegespalten sind, wenn sie Lewandowskis Saison bewerten müssen. Für einen Stürmer ist es extrem schwer, in einem System zu agieren, das offensichtliche Probleme in der Gestaltung der Offensive hat. Die Münchner waren oft von zufälligen oder individuell überragenden Aktionen abhängig.

Lewandowski gab dennoch alles, um sich dem anzupassen. Seine abkippenden und ausweichenden Bewegungen führten einerseits zu Entlastungsphasen im offensiven Mittelfeld und andererseits zu Räumen, die beispielsweise Gnabry, Coman oder Müller für sich nutzen konnten. Dass Bayerns Nummer 9 auch als etwas abkippender Spielmacher beziehungsweise sogar als Falsche 9 glänzen kann, ist gewiss nicht neu.

Neu waren allerdings die Konsequenz und die Körpersprache, mit der Lewandowski voran ging. Dass er zwischenzeitlich Kapitän war, ist kein Zufall. Er hat sich als Mensch und als Führungsspieler in diesem Jahr weiterentwickelt. Nebensächlichkeiten spielten keine übergeordnete Rolle mehr. Lewandowski fokussierte sich darauf, wie er dem Team am meisten helfen kann, ohne sich in Eitelkeiten zu verrennen.

Robert Lewandowski muss sich in der abgelaufenen Saison wegen des wenig nachhaltigen Offensivkonzepts oft allein gefühlt haben. Abgetaucht ist er deshalb nicht.
(Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Lewandowski übernimmt Verantwortung

Vielleicht ist Lewandowski auch der Spieler, auf den Niko Kovač in dieser Saison den positivsten Einfluss hatte. Seine Arbeitsrate auf dem Platz ist enorm und er ist sich in keiner Pressingsituation zu schade, den Gegner zu jagen. Dass er hin und wieder auch mal abwinkt oder unzufrieden damit ist, wenn ein Mitspieler den Ball nicht zu ihm bringt, gehört einfach zur Mentalität eines Top-Stürmers dazu.

Wie Lewandowski aber auch Tore von seinen Mitspielern feierte und selbst zum Vorlagengeber wurde, ist bemerkenswert. Mehrfach gab es zudem Szenen, in denen der Top-Torjäger der Bundesliga seinen Kollegen nach misslungenen Aktionen applaudierend Mut zusprach.

Man muss aus Robert Lewandowski jetzt keine Identifikationsfigur machen, die er nie zu 100% sein wird. Aber als Mensch und als Spieler ist er in diesem Jahr gewachsen. Er übernimmt Verantwortung auf und neben dem Platz und hat gezeigt, dass er zu den besten Stürmern der Welt gehört.

Der nächste Schritt

Mit 30 Jahren wird Lewandowski nun in die Schlussphase seiner Karriere einlenken. Was ihm noch fehlt: Ein großer internationaler Titel. Obwohl der FC Bayern gerade nicht den Eindruck macht, als würde er in den nächsten 1-2 Jahren wieder zu den Top-Favoriten auf den Henkelpott zählen, scheint er sich aber für die Münchner entschieden zu haben.

Gerüchte machen die Runde, dass sogar eine weitere Vertragsverlängerung winken könnte. Sicher zählt auch das zur Entwicklung des Robert Lewandowski dazu. In der abgelaufenen Saison war er an so vielen Toren beteiligt wie lange nicht mehr. Er dürfte zudem zu den wichtigsten Spielern des Kaders zählen, wenn es um die Struktur der Mannschaft auf dem Platz geht. Wie gut ist dieser Mann erst, wenn sich das Offensivkonzept der Bayern verbessert und er selbst noch mehr aus seinen Chancen macht?

Denn Fakt ist auch: Die Seite understat berechnet alleine für seine Bundesliga-Saison 33,14 Expected Goals. Mit 22 Toren hat er hier trotz aller Schwankungen des Modells sehr wahrscheinlich unterperformt. Bei 53 Torbeteiligungen in 47 Pflichtspielen dürfte das ein Kritikpunkt sein, den man nur bei den ganz Großen festmachen kann. Und obwohl er bei weitem nicht perfekt ist, zählt er in diese Kategorie.

Die Redaktion gratuliert Robert Lewandowski jedenfalls zum wichtigsten Titel des Jahres: Dem Miasanrot-Award für den Spieler der Saison 2018/19!