Sommer-Zeit an der Säbener Straße – ein guter Transfer für den FC Bayern
Vor knapp sechs Wochen verletzte sich Manuel Neuer beim Skifahren schwer. Seitdem arbeitete der FC Bayern an einem Transfer für die Torhüterposition. Nur mit Sven Ulreich und den unerfahrenen Nachwuchstorhütern wie Johannes Schenk würde man nicht in die zweite Saisonhälfte gehen. Mit Yann Sommer wurde es nach zähen Verhandlungen die kolportierte Wunschlösung.
Yann Sommer zum FC Bayern
Die Transfermodalitäten
Yann Sommer hat beim FC Bayern einen Vertrag für zweieinhalb Jahre bis zum 30. Juni 2025 unterschrieben. Die Ablöse beträgt laut “kicker” acht Millionen Euro plus eine Million Euro Boni.
Der 34-jährige Schweizer trainierte am Donnerstag bereits mit der Mannschaft und trug die Rückennummer 27. Aller Voraussicht nach soll er bereits Spiel in Leipzig auflaufen.
Sportvorstand Hasan Salihamidžić stellte Yann Sommer als „einen der besten europäischen Torhüter“ vor und betonte seine Erfahrung und Spielstärke.
Deshalb war der Wechsel so kompliziert
Kein Verein gibt in der Winterpause gerne seinen Stammtorhüter ab. Das gilt vor allem dann, wenn sportliche Ziele gefährdet sind. Das ist bei Borussia Mönchengladbach der Fall. Vor zwei Jahren schied die Borussia im Achtelfinale der Champions League gegen Manchester City aus. Seitdem warten die Fohlen auf die Rückkehr nach Europa. Eine Rückkehr, die dringend nötig ist, um nicht dauerhaft im Mittelfeld der Bundesliga festzustecken. Eine Rückkehr, die diese Saison möglich ist. Der Rückstand auf einen Platz in der Conference League beträgt drei Punkte, auf die Champions League fünf Punkte.
Entsprechend war nachvollziehbar, dass Sportdirektor Roland Virkus und Trainer Daniel Farke ihre langjährige Nummer Eins nur dann abgeben würden, wenn die finanzielle Kompensation üppig und die Nachfolgersuche vielversprechend wäre. Jonas Omlin von Montpellier HSC – in der Schweizer Nationalelf bisher Ersatz von Yann Sommer – soll die Nachfolge Sommers antreten.
Auch aus Sicht des FC Bayern war die Suche nach einem Torhüter nicht einfach. Sollte Salihamidžić einen Torhüter für sechs Monate, achtzehn Monate oder mehrere Jahre suchen? Wie würde Manuel Neuer auf welche Art von Neuzugang reagieren? Fraglos hat Neuer mit seiner Verletzung die Misere des FC Bayern ausgelöst. Kapitän und ein verdienter Spieler bleibt er dennoch. Und Störgeräusche oder eine schlechte Stimmung im Torhüterkorps würden dem FC Bayern nicht helfen.
Nur für Yann Sommer war die Entscheidung vermutlich einfach. Die Chance, im Herbst der Karriere nochmal zu einer der Branchengrößen zu wechseln und dort mindestens ein halbes Jahr lang als Stammtorhüter um nationale und internationale Titel mitzuspielen, ist zu verlockend, um sie auszuschlagen. Auch finanziell sollten sich zweieinhalb Jahre FC Bayern lohnen.
Yann Sommer im Kurzprofil
Der im Dezember 34 Jahre alt gewordene Sommer verfügt über viel Erfahrung. Für seine Vereine Zürich, Vaduz, Basel und Mönchengladbach stand er 592-mal zwischen den Pfosten. Auch auf dem internationalen Parkett ist Sommer zu Hause. Für die Schweizer Nationalelf lief er 80-mal auf, während er 89 Europapokalspiele bestritt.
In seinen achteinhalb Jahren in Gladbach gehörte Sommer konstant zu den besseren Bundesligatorhütern. Insbesondere in direkten Duellen mit dem FC Bayern hat er mehrmals seine Stärke auf der Linie bewiesen. Laut fbref.com hat Sommer in seiner Karriere durchschnittlich 74% aller Schüsse abgewehrt (Manuel Neuer 77%).
Seit Erfassung von Post-Shot Expected Goals, die im Unterschied zu normalen Expected Goals die Qualität der abgegebenen Schüsse berücksichtigen, liegt er auch hier knapp über dem Durchschnitt. Statt 249 erwarteten Gegentoren hat er in den letzten fünfeinhalb Jahren 248 kassiert. Manuel Neuer konnte im gleichen Zeitraum fünf erwartete Tore verhindern (135 kassiert aus 140 erwarteten.) Letztere Statistik ist mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Bei den meisten Torhütern fluktuieren die Werte von Saison zu Saison stark.
Sommer ist kein Neuer, aber auch er spielt mit.
Neben klassischen Tugenden stehen bei einem Torhüter des FC Bayern mitspielende Eigenschaften im Vordergrund. Die Einbindung ins Aufbauspiel ist ein wichtiges Werkzeug fürs eigene Positionsspiel und gegen gegnerisches Angriffspressing. Klärungsaktionen außerhalb des Strafraums sind wichtig bei Kontersituationen nach eigenen Ballverlusten. In beiden Disziplinen ist Manuel Neuer seit über einer Dekade führend und hat das moderne Torwartspiel entscheidend geprägt.
Kein neuer Torhüter würde komplett an Manuel Neuers Werte heranreichen, aber Yann Sommer schneidet auch hier deutlich überdurchschnittlich ab.
Manuel Neuer spielt 80-90% seiner Abstöße und Pässe kurz, Yann Sommer rund 75%. Der Bundesligaschnitt liegt bei 50-60%. Sommer klärte in der laufenden Saison 1,3-mal pro Spiel außerhalb des Strafraums und liegt damit ungefähr im Ligadurchschnitt, Manuel Neuer 1,9-mal. Neuers Bestwerte lagen hier in der Vergangenheit allerdings schon bei über drei klärenden Aktionen außerhalb des Strafraums pro Spiel.
Einschätzung: kluger Transfer vom FC Bayern
Der FC Bayern wollte mit dem neuen Torhüter ins Trainingslager nach Katar fliegen. Das klappte nicht. Mit der früh gesetzten Deadline hatten die Verantwortlichen selbst Druck aufgebaut, weshalb nach Verstreichen ebendieser und Gladbachs erster öffentlicher Absage an einen Transfer leichte Nervosität aufkam. Dabei hätte klar sein können, dass der Dreieckswechsel inklusive Gladbachs Nachfolgersuche Zeit brauchen würde. Abgesehen von diesem kleinen Malus ist die Verpflichtung und der Fokus auf den Wunschkandidaten positiv zu sehen.
Sommer ist gemessen an Kosten, Machbarkeit und sportlichem Niveau eine ideale Lösung.
Nach Neuers Verletzung rückte zunächst die Idee einer Rückholaktion des an Monaco ausgeliehen Alexander Nübel in den Blickpunkt. Doch Nübels Rückkehr zum FC Bayern, zurück zu Torwarttrainer Tapalović, zurück zu Manuel Neuer, wäre mit Risiken verbunden gewesen, noch vor dem ersten Gegentor.
Dieses potentielle Minenfeld ist umschifft, und auch in der Personalie Alexander Nübel scheint damit eine endgültige Klarheit gewonnen zu sein: Seine Zeit beim FC Bayern ist vorbei. Das war im November klar. Das ist jetzt wieder klar.
Zuletzt machten lose Gerüche zu Diogo Costa und Gregor Kobel die Runde. Beide wären die große und langfristige Lösung gewesen. Aber auch komplizierte und wenn überhaupt machbar sehr teure Lösungen.
Eine kleine Lösung mit Sven Ulreich als Nummer Eins und einem reinen Backup für die Kadertiefe wurde vom FC Bayern anscheinend nie ernsthaft verfolgt.
Rein sportlich hat bisher keiner der anderen gehandelten Kandidaten nachgewiesen, besser zu sein als Yann Sommer. Sollte er die vollen zweieinhalb Jahre beim FC Bayern bleiben, wirken die acht oder neun Millionen Euro Ablöse nochmal niedriger, zu verschmerzen sind die für den FC Bayern ohnehin.
Sommer bringt Flexibilität und Zeit für die langfristige Nachfolgersuche.
Yann Sommer hat bis Juni 2025 unterschrieben. Wer in den zweieinhalb Jahren wie oft das Tor des FC Bayern hüten wird, ist offen. Viel hängt von Manuel Neuers Genesung ab. Sommer bringt dem FC Bayern wichtige Flexibilität, um für alle Szenarien gewappnet zu sein.
Kommt Neuer rechtzeitig zur neuen Saison zurück und in Form, wird Sommer ins zweite Glied rücken. Dann hätte der FC Bayern einen der besten Ersatztorhüter im internationalen Fußball und eine Absicherung, falls Neuer erneut ausfallen würde.
Kommt Neuer nicht mehr zurück oder nicht in Form, hat der FC Bayern mit Yann Sommer einen Torhüter, mit dem er unbesorgt in die Saison 2023/24 gehen kann. Ab dann fraglos mit dem klaren Auftrag der Nachfolgersuche. Käme diese neue langfristige Lösung ab 2024, Sommer könnte mit seinem Vertrag den Übergang noch ein Jahr als Back-up begleiten.