3:1 für Bayern: Zirkzeelarbeit in Freiburg

Justin Trenner 18.12.2019

Doch erstmal alles auf Anfang: Trainer Hansi Flick hatte nicht viele Optionen, mit denen er seinen Gegner hätte überraschen können. Dementsprechend war die Aufstellung seiner Bayern diesmal auch relativ vorhersehbar.

Falls Ihr es verpasst habt:

Mit Boateng und Martínez saßen nur noch zwei etablierte Profis auf der Bank. Auf dem Platz stand alles, was Flick noch aufzubieten hatte: Kimmich rückte zurück auf die Rechtsverteidiger-Position, Pavard und Alaba spielten innen. Thiago übernahm die Rolle der Sechs und vor ihm sollten Müller, Coutinho, Perišić, Gnabry und Lewandowski für die Tore sorgen. 

Auch Streich überraschte nicht. In einer 3-4-3-Grundordnung, die je nach Situation flexibel in ein 4-4-2 überging, ließ er seine Mannschaft zunächst im höheren Mittelfeldpressing, teilweise sogar im Angriffspressing anlaufen. 

Die Bayern begannen ähnlich druckvoll wie in den letzten Wochen. Coutinho war bereits nach wenigen Sekunden frei vor dem Freiburger Kasten, sein Lupfer konnte aber kurz vor der Linie geklärt werden (1.). Nur fünf Minuten später scheiterte Pavard nach einer Ecke per Kopf nur knapp (6.).

Flicks Mannschaft wirkte zu Beginn wach und auch in der Rückwärtsbewegung sicher. Auch mit dem flexiblen Pressing der Freiburger gab es erstmal keine größeren Schwierigkeiten. Die Bayern kombinierten sich sogar mehrfach sehenswert durch die Schnittstellen nach vorn.

Und so kam es nach nur 16 Minuten auch schon zur Führung der Münchner. Zunächst war Freiburg in einer guten Umschaltsituation nach Ballgewinn. Thiago schaltete jedoch schnell und eroberte den Ball zurück. Über Neuer verlagerten die Bayern das Spiel auf die linke Seite, wo Davies nach einer Steil-Klatsch-Kombination die ganze Bahn entlang laufen konnte. Der Kanadier setzte sich dabei klasse durch und bediente letztendlich Lewandowski, der nur noch in den Ball grätschen musste. Die verdiente Führung nach toller Mannschafts- und Einzelleistung.

Im Vergleich zu den letzten Wochen blieben die Bayern diesmal aber auch trotz Führung weiter am Drücker. Lewandowski (21.) und Coutinho (23.) vergaben weitere Halbchancen. Nach 26 Minuten hatte der FCB 76 % Ballbesitz und acht Torschüsse, Freiburg erst zwei, die jeweils ungefährlich waren.

Rund um die 30. Minute hatte der Sport-Club erstmals längere Ballbesitzphasen, die auch direkt zu einer Großchance führte. Neuer parierte allerdings den Abschluss von Höler (31.). Wenige Minuten später kamen die Breisgauer wieder gefährlich vors Tor der Bayern. Erneut spielte sich Freiburg auf der Seite von Davies durch, in der Mitte verzog Grifo aber per Volley (37.). Das Spiel war nun deutlich offener.

Coutinhos Fernschuss verfehlte das Tor nur knapp, war aber auch die erste gefährliche Aktion der Bayern seit mehreren Minuten (39.). Gegen Ende des ersten Durchgangs beruhigte sich das Geschehen wieder etwas. Und so ging es mit einer knappen 1:0-Führung der Bayern in die Kabinen.

Die zweite Halbzeit begann ähnlich, wie die erste aufgehört hatte. Bayern schaffte es zwar, das Spiel etwas zu beruhigen, doch Freiburg war deutlich besser drin und konnte den einen oder anderen Nadelstich setzen. So auch in der 59. Minute als Grifo den Ausgleich erzielte. Wieder kombinierten sich die Breisgauer auf die Davies-Seite, wo die Flanke den Angreifer fand. Neuer blieb chancenlos.

Freiburg war nun sogar die bessere Mannschaft und erspielte sich drei weitere gute Chancen in nur drei Minuten. Flick reagierte und brachte Javi Martínez für Thomas Müller (63.). Das beruhigte die Situation auch etwas. Trotzdem blieb Freiburg auf Augenhöhe. Die Bayern taten sich schwer, zurück zu ihrem Spiel zu finden.

Ein Tor hätte dabei sicher geholfen, doch das blieb den Münchnern in der 78. Minute verwehrt, als Gnabry den Ball im Tor unterbrachte, Lewandowski aber direkt neben ihm in Abseitsposition stand und mit seiner Bewegung eingriff. In der Schlussphase gab es keine Tendenz mehr, wie das Spiel ausgehen könnte.

Freiburg blieb gefährlich und hatte gerade in engen Situationen immer wieder gute Lösungen parat. Bayern hingegen tat sich schwer, zu guten Chancen zu kommen. Es erinnerte vieles an alte Zeiten, in denen der Rekordmeister noch nicht die Liga nach Belieben dominierte. 

Doch einen letzten Doppelschlag hatten die Bayern noch. In der Nachspielzeit war es der mittlerweile eingewechselte Joshua Zirkzee, der seiner Mannschaft den Sieg bescherte. Kurz darauf machte Gnabry den Sack zu. Das 3:1 war letztlich ein Ergebnis, das dem Spielverlauf kaum gerecht wurde. Nach der starken ersten halben Stunde der Bayern kam Freiburg immer besser ins Spiel und hatte sich zum Schluss sogar ein Unentschieden verdient. Die App “infogol” kam am Ende auf rund 2,2 Expected Goals für den Sport-Club und auf rund 4,5 für die Bayern, wobei die beiden Tore in der Schlussphase zusammen schon rund 0,8 ausmachten. Freiburg war nah dran. Und das sollte den Bayern dann doch zu denken geben.

Lewandowki mit dem Dank an Davies.
(Bild von Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Dinge, die auffielen

1. Alaba und sein Klon?

Als David Alaba in der ersten Halbzeit kurzzeitig behandelt wurde, dürfte Hansi Flick starke Schweißausbrüche bekommen haben. Denn der Österreicher ist im Moment einer der wichtigsten Spieler beim FC Bayern. Sein Tempo ist wertvoll gegen die schnellen Konterspieler der Bundesligisten, sein Auge in Ballbesitz sorgt für wichtige Durchbrüche vom ersten ins zweite Drittel. Mehrfach kombinierten sich die Bayern gegen Freiburg sehenswert nach vorn, weil Alaba eine kluge Initialaktion einbrachte. Mal dribbelt er an und verkürzt somit clever den Abstand zu den Mittelfeldspielern, mal spielt er aber auch Davies an und bewegt sich dann so, dass sein Gegenspieler einen diagonalen Passweg für den Linksverteidiger öffnet. Alaba spielt souverän, macht kaum Fehler und ist eine sichere Bank gegen und mit dem Ball. Er ist aktuell sogar ein Unterschiedspieler.

Dass der Linksverteidiger gerade im Zentrum so überzeugen kann, liegt aber auch daran, dass auf seiner eigentlichen Position jemand spielt, der teilweise stark an ihn selbst erinnert. Klar, Alphonso Davies ist als ausgebildeter Angreifer kein Eins-zu-eins-Ersatz für Alaba. Der Kanadier bringt eine unfassbare Dynamik nach vorn mit und ist im Antritt noch explosiver als sein Teamkollege. Sein Drang nach vorn ist nochmal stärker als der von Alaba. Aber da sind auch Parallelen: Wie der junge Alaba strotzt auch Davies nur so vor Selbstbewusstsein und Mut. Fehler? Kein Problem, dann eben in der nächsten Situation besser. Davies zieht sein Spiel durch und wächst an Rückschlägen. Seine Entwicklung in den letzten Wochen ist bemerkenswert. Wenn er sich bei Alaba noch eine Sache abschauen könnte, dann ist das aber wohl die Balance aus Offensive und Defensive. Hier fehlt es dem 19-Jährigen manchmal noch an der richtigen Positionierung, um Konter rechtzeitig antizipieren zu können.

2. Steil-Klatsch

Gegen Freiburg bestätigte sich der Trend, dass die Bayern sich vor allem über Steil-Klatsch-Kombinationen nach vorn bewegen. Das bedeutet, dass im Spielaufbau häufig ein Vertikalpass gespielt wird, der sofort vom Empfänger in den Zwischenlinienraum klatschen gelassen wird. Da steht dann meist ein weiterer Bayern-Spieler, der das Spiel nun vor sich hat. Auch die Wege von außen nach innen funktionieren häufig nach diesem Mechanismus. Ein Beispiel: Gnabry spielt den Ball auf den einrückenden Lewandowski, der den Ball klatschen lässt und es so ermöglicht, dass Gnabry in zentralerer Position andribbeln kann. In den letzten Monaten gab es solche Situationen auch schon. Seit der Übernahme von Hansi Flick kommen sie aber immer regelmäßiger und erfolgreicher vor. 

3. Fehlender Ruhemodus

Läuft alles nach Plan, sind die Bayern nur schwer zu stoppen. Auch gegen Freiburg gaben sie über die meisten Phasen des Spiels den Ton an. Doch der Mannschaft von Hansi Flick fehlt noch die absolute Kontrolle über ein Spiel. Viele Angriffe drohen bei Ballverlusten in gefährliche Konter zu laufen und plötzlich entsteht ein Chaos, das dem Rekordmeister eher schadet. Freiburg hatte jeweils zur 30. Minute und rund um den Ausgleich zu viele Spielanteile, weil die Bayern keine Ruhe in ihre Ballzirkulation bekamen. Sie verfielen eher noch in Hektik und brachten den Sport-Club damit unnötig ins Spiel. Manchmal ist es besser, den Gegner ein wenig zu bewegen, bevor man die Vertikalität sucht. Die Bayern hingegen sind fast schon Dauervertikal und gehen damit ein Risiko, das einerseits zu Spektakel, andererseits aber auch zu vielen unnötigen Ballverlusten führt. Ein Ruhemodus täte den Münchnern gut.

4. Umgang mit veränderten Spielsituationen

Punkt 3 und 4 gehen etwas Hand in Hand, doch es ist schon auffällig, dass die Bayern in der gesamten Saison nicht in der Lage sind, auf veränderte Spielsituationen angemessen zu reagieren. Sei es eine Umstellung beim Gegner, ein Rückschlag in Form von Gegentoren oder plötzliche Ungenauigkeiten im eigenen Spiel – Bayern funktioniert nur dann, wenn alles glatt läuft und kommt selten schnell genug zurück in die Spur. Das wissen auch die Gegner, die wie Freiburg bis zum Schluss an ihre Chance gegen die Bayern glauben. In der Winterpause kommt hier viel Arbeit auf das Trainerteam zu. Grundlagenarbeit, die womöglich nicht mal da aufzuholen ist. Vielleicht hilft aber der späte Sieg gegen Freiburg auf dem weiten Weg, den der FC Bayern noch zu gehen hat.

5. Ausgerechnet …

An diesen Kritikpunkten ändern auch die späten Siegtore nichts. Umso erfreulicher ist es aber, dass eines davon Joshua Zirkzee gelang. Schon gegen Tottenham hatte er in der Schlussphase ein paar vielversprechende Ballkontakte. Gegen Freiburg rettete er die Bayern vor weiteren Punktverlusten. Zirkzee ist ein großes Talent und könnte in mittelfristiger Zukunft als Backup für Robert Lewandowski eine wichtige Rolle spielen. Dass er in der 3. Liga bisher nicht traf und erst auf zwei Vorlagen kommt, liegt auch daran, dass er häufig als Zehner eingesetzt wird und mit Wriedt einer auf der Neun spielt, der regelmäßig trifft. Zirkzee gehört jedoch die Zukunft. Vielleicht verhilft ihm das Tor zu mehr Vertrauen bei Hansi Flick. 

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