Sand haut die Bayern aus dem Pokal
Mehr als 2.000 Zuschauer waren zu dem kleinen Sportplatz an der französischen Grenze gepilgert und das waren schon mehr, als in dem 1.800-Seelenörtchen wohnen. Obwohl sich der SC Sand über die letzten Monate hinweg im ersten Drittel der Bundesligatabelle etablieren konnte, waren die Bayern die klaren Favoriten in diesem DFB-Pokalhalbfinale. Schließlich hatte man auch das Ligaspiel im November mit 2:0 gewonnen.
Während die Spitze der Bundesliga ein gutes Stück weg ist von den Sander Ambitionen, so hatte sich das Team um Trainer Alexander Fischinger den Pokal als den Wettbewerb auserkoren, in dem man etwas erreichen wollte. Der Plan ging auf, denn verdient steht Sand nun im Finale von Köln, wo der SC auf den VfL Wolfsburg treffen wird, der sich wiederum gegen Freiburg durchsetzen konnte. Auf dem Weg nach Köln ließ Sand den Deutschen Meister über der Klinge springen.
Falls Ihr es verpasst habt:
Der Underdog kam von Beginn an engagiert auf den Platz und dennoch kontrollierte der FCB die Anfangsphase des Spiels. Auch die Roten waren auf den Punkt konzentrierten und zogen ihr Pass- und Positionsspiel mit mehr Präzision und Übersicht auf, als ihnen das noch in der letzten Ligapartie gegen Freiburg gelungen war.
Zur Mitte der ersten Halbzeit wurden sie etwas nachlässiger, wodurch nun auch Sand zu mehr Spielanteilen und Drangphasen kommen konnte. Im Bayernstrafraum waren die Gastgeberinnen dennoch selten bis nie zu sehen. Sämtliche Chancen hatten sie nach Standards oder aus der Distanz.
Die größte Gelegenheit verzeichnete Sand in Person von Jana Vojteková, deren Ball — halb Flanke, halb Schuss — sich gefährlich ins lange Ecke zu senken drohte, bevor Tinja-Riikka Korpela das Leder noch über die Latte lenken konnte (27.). Noch bevor sich die Bayern so richtig verunsichern lassen konnten, zogen sie das Momentum jedoch durch die 0:1-Führung nach Konter zurück auf ihre Seite. Sand hatte bis zu diesem Moment nicht viel zugelassen, doch Chioma Igwe verlor den Ball im Mittelfeld an Leupolz, die nach Verletzung überraschend von Beginn an auf dem Platz stand und sofort ihre Spiel- und Zweikampfstärke mit einbrachte. Nach Leupolz’ Balleroberung gegen Igwe spielte sie mustergültig auf Miedema in der Tiefe, die Torhüterin Kristina Kober cool verlud und abgeklärt einschob. Bayern war auch zuvor zu der ein oder anderen Torchance gekommen, doch richtig Zwingendes war nicht dabei.
Für Sand würde es dennoch schwer werden, dem souveränen Meister die Führung wieder abzuringen, doch sie waren fest entschlossen, genau das zu schaffen, während sich Bayern etwas auf dem Vorsprung und den eigenen Passstafetten ausruhte. So verwundert es nicht, was anschließend passierte. Ausgerechnet die ballsichere Kapitänin Behringer leistete sich unbedrängt im Sechserraum einen katastrophalen Fehlpass. Alle inkl. ihr eigener Körper rechneten mit einer Verlagerung nach links außen, doch Miedema in der letzten Linie schien Behringer plötzlich das attraktivere Passziel zu sein. Herauskam eine Mischung aus beiden Pässen und folgerichtig ein Pass auf Anne van Bonn, die nach kurzem Doppelpass einen wunderschönen Ball über Leupolz und Holstad hinweg auf Jovana Damnjanović in der Spitze brachte, die die Vorlage verwerten konnte.
Eine halbe Stunde vor Schluss war Sand zurück im Spiel, doch die Bayern schienen den Schuss nicht gehört zu haben. Zwar drückten sie in der Folge und schienen weiterhin die besseren Kombinationen auf Lager zu haben. Doch schien man sich auch in der Gewissheit zu wiegen, der erneute Führungstreffer sei schlicht eine Frage der Zeit. Dem war nicht so. Stattdessen legte Sand eine zügige Kombination über Linksaußen Nina Burger aufs Feld, Caro Abbé bekam zwar noch den Kopf an den Ball, den Abpraller sammelte jedoch Dominika Škorvánková ein, legte ab für van Bonn: 2:1, Spiel gedreht.
Nun waren noch acht Minuten zu spielen. Aus dem „früher oder später“ war für die Bayern ganz plötzlich ein „möglichst schnell“ geworden. Die Hektik tat den Angriffen allerdings nicht gut, so dass der Außenseiter die Führung über die Zeit bringen konnte. Während bei den Bayern der Traum vom Double platzte, ging für Sand der vom Underdog-Wunder in Erfüllung.
[An dieser Stelle Sätze mit Pokal und Gesetzen und was und wie Fußball ist denken.]
3 Dinge, die auffielen:
1. Sand wechselt defensiv zwischen 4-2-1-3 und 4-4-2
Obwohl die Aggressivität und auf dem kleineren Feld sicher auch die Ausdauer für ein Angriffs- oder zumindest ein hohes Mittelfeldpressing gehabt hätte, entschied sich Fischinger, die Bayern eher zurückhaltend in Empfang zu nehmen. Dabei gab es immer wieder Phasen, in denen Sand sich im 4-4-2 formierte, indem sich die Flügelspielerinnen Vojteková und Burger im Mittelfeld auf einer Linie der Doppelsechs Igwe-van Bonn einreihten und dafür die Spielmacherin oder hängende Spitze Škorvánková in die erste Linie neben Damnjanović aufrückte. Je nach dem, über welche Seite Bayern dann das Spiel mit dem zweiten Ball von Holstad eröffnete, rückte die entsprechende Sechserin auf, um Druck auf die Ballführende zu erhöhen. Ziemlich gut abgestimmt auf diese Bewegungen rückten auch die Sander Flügel mit vor — niemals aber alle gleichzeitig, wodurch es dem SC gelang, keine Lücken zwischen den Mannschaftsteilen klaffen zu lassen.
Alternativ verteidigte Sand auch mit den zwei Flügeln plus Stürmerin Damnjanović zentral zu dritt in der ersten Linie und Škorvánková balancierte deren Bewegungen sowie die der Sechserinnen im zentralen Mittelfeld aus. Mit dieser gemäßigten Herangehensweise verhinderte man einerseits, tief in der gegnerischen Hälfte von den Bayern überspielt zu werden, man konnte zurückgezogen in der Defensive kompakt und geschlossen verteidigen und man ließ sich selbst so offensiv Raum für Gegenstöße.
2. Schwachpunkt Bayern: Mittelfeld
So hatte zwar die hinterste Linie der Bayern viel Ruhe am Ball, weiter vorne wurde es dann aber auch schon enger. Eigentlich ein Spiel wie gemacht für die technisch versierten Mittelfeldspielerinnen aus München. Während Leupolz nach ihrer Verletzungspause überraschend stark involviert war und das Spiel an sich zog, und auch Sara Däbritz im Übergang zum letzten Drittel sehr kluge und gelungene Aktionen in den Halbräumen hatte, blieben Behringer und Mana Iwabuchi hinter ihrem Potenzial zurück. Behringer war einige Male hart angegangen worden und zu Boden gegangen, doch warum auch Iwabuchi mehrfach die Bälle herschenkte und zusätzlich im Anschluss keinerlei Anstalten machte, sie sich im Gegenpressing wieder zurück zu erobern, bleibt offen. Wörle wechselte mit Rolser dann mehr Präsenz ins Spiel, allerdings nicht ins zweite Drittel. Leupolz konnte die vollen 90 Minuten noch nicht gehen und Carina Wenninger in ihrer Rolle die offensive Anbindung innerhalb der disziplinierten Formation Sands nicht herstellen.
3. Hektik in der Schlussphase
In Rückstand und mit wenig verbleibender Zeit brach bei den Gästen dann die Panik aus. Hoch und weit war die Devise und darunter litt die Verwertbarkeit der Anspiele. Möglichkeiten, sich in die Verlängerung zu retten, gab es zwar, doch verdient wäre der erneute Ausgleich nicht gewesen.
Bayern hatte zwar mantraartig wiederholt, dass man Sand nicht unterschätzen dürfe, so richtig überzeugt hatten sie sich selbst dadurch wohl nicht.
Das hat das Team von Alexander Fischinger für sie übernommen.
SC Sand – FC Bayern München Frauen | |
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SC Sand | Kober – Sandvej, Vetterlein (90+2. Veth), Zirnstein, Savin (90. Meyer) – Igwe, van Bonn – Vojteková, Škorvánková, Burger – Damnjanović |
Bank | Korenčiová, Stoller, Migliazza, Amann |
Bayern | Korpela – Schnaderbeck, Holstad, Abbé – Lewandowski, Behringer, Leupolz (76. Wenninger), Maier (88. Beckmann) – Däbritz, Miedema, Iwabuchi (63. Rolser) |
Bank | Zinsberger, Boquete, Falknor, Evans |
Tore | 0:1 Miedema (34.), 1:1 Damnjanović (60.), 2:1 van Bonn (83.) |
Karten | Igwe (63.) / Maier (65.), Schnaderbeck (70.) |
Schiedsrichterinnen | Kathrin Heimann (Gladbeck), Nadine Westerhoff (Bochum), Annika Paszehr (Schwerte), Marina Wozniak (Herne) |
Zuschauer | 2.215 (ausverkauft) |