6:2! Bayerns Salzburger Festspiele
Dinge, die aufgefallen sind
1. Alaba-Posse
Der FC Bayern bemühte sich um eine Vertragsverlängerung mit David Alaba. Scheinbar nicht genug, glaubt man den Äußerungen von Alaba bei SKY am Montag. Es fehlte ihm die Wertschätzung. Frei übersetzt: Der FC Bayern hat zu wenig Geld geboten. Dass der Verein jetzt nicht an seine Grenzen geht, hat Alaba wohl als Kränkung empfunden. Das ist verständlich und sein gutes Recht. Auf der anderen Seite musste die sportliche Führung des FC Bayern sich überlegen, ob Alaba in ihren Augen ein Top-3-Spieler ist. Angesichts von Neuer, Lewandowski, Kimmich, Müller und Goretzka, können unterschiedliche Positionen durchaus nachvollziehbar sein. Dass die Verhandlungen zu sehr in die Öffentlichkeit getragen wurden – inklusive der jetzt stattfinden Schlammschlacht, wirft auch auf den Verein kein gutes Licht. Am Ende sehen beide Parteien nicht gut aus.
2. Erste Elf
Es war ein Fingerzeig. Hansi Flick setzte gegen Salzburg auf die erste Elf. Lediglich Leon Goretzka (Wadenprobleme) und vielleicht Niklas Süle (COVID-Erkrankung) wären aktuell Startelf-Kandidaten. Der Bayern-Trainer hat die Partie ernst genommen. Es bot sich die Chance, einen großen Schritt Richtung Achtelfinale zu gehen. Aus der B-Elf, die ihre Chance in Köln bekommen hatte, drängte sich kein Spieler auf. Das hat viele Ursachen, zeigt aber den Status quo im November 2020.
3. Schlechter Start
Der FC Bayern kam nicht gut in die Partie. Das Pressing griff nicht, Salzburg konnte sich befreien und ging mit dem 1. Torschuss in Führung. Die Restverteidigung der Münchner sah dabei nicht gut aus. Alaba hob das Abseits auf und Boateng fälschte dann noch unglücklich den Ball ab, sodass Berisha frei vor Neuer zum Abschluss kam. Auch nach der Salzburger Führung blieb die Heimmannschaft gefährlich. Sobald die Österreicher in die Bayern-Hälfte kamen, wurde es gefährlich. Das lag meist daran, dass die Bayern Ballverluste in den Halbräumen hatten und wenig zweite Bälle im Mittelfeld erobern konnten. Hier hatte sich Jesse Marsch viel von Hoffenheim abgeschaut.
Salzburg hatte über das ganze Spiel hinweg immer wieder Torchancen und scheiterte zu häufig an Neuer.
4. Chancenverwertung
Zur Wahrheit (Punkt 3) gehört aber auch, dass die Bayern einige Chancen liegen gelassen haben. Gnabry (11. und 45.+1, 61.), Lewandowski (37.) und Coman (64.) vergaben exzellente Möglichkeiten. Hinzu kam ein Abseits-Tor von Gnabry und ein zurückgenommener Elfmeter. Es brauchte einen weiteren Elfmeter (Lewandowski, 21.) und ein Eigentor (Kristensen, 44.), um die Führung zur Pause zu sichern. Gelang es den Bayern das Pressing von Salzburg zu umspielen, wurde es sofort gefährlich. So ergab sich zum Teil ein offener Schlagabtausch, der nicht im Interesse des FC Bayern sein kann.
In der zweiten Halbzeit war es eine Standardsituation, die die Bayern wieder in Führung brachte. Boateng traf per Kopfball nach einer Kimmich-Ecke. Anschließend war jeder Schuss drin. Sané, Lewandowski und Hernández (!) durften sich noch in die Torschützenliste eintragen.
5. Pavards verpatzte Generalprobe
Pavard bekam in den letzten Wochen viele Pausen von Hansi Flick. Nach seiner Verletzung, die ihm große Teile des Champions-League-Finalturnieres gekostet haben, kommt der Franzose noch nicht richtig in den Tritt. Die Generalprobe vor dem Dortmund-Spiel war auch nicht vollends geglückt. Pavard hatte große Probleme mit dem Pressing. Salzburg hat ihn als Schwachstelle in der Bayern-Viererkette ausgemacht. Weiterhin hatte er Probleme in der Defensive mit dem Stellungsspiel. Je länger das Spiel lief, desto mehr Angriffe kamen über seine Seite. Zugegeben – Pavard bekam wenig Unterstützung von Müller und Gnabry. Pavard hatte so einige Unterzahlsituationen zu überstehen. Die frühe gelbe Karte tat dann ihr Übriges. Am Ende stand folglich eine Zweikampfquote von 33 %. Zu wenig für das Spiel gegen Salzburg. Zu wenig für Dortmund.
6. Boateng mit Statement-Spiel
Sein 3:2-Treffer brachte die Bayern zurück auf die Siegerstraße. Boateng krönte seine Leistung mit einem Kopfball-Tor nach einem Eckball. Bis dahin hatte erheblichen Anteil, dass Bayern “nur” zwei Gegentore gefangen hat. Boateng rückte immer rechtzeitig raus, versuchte aktiv zu verteidigen und gab der Viererkette Stabilität. Eine starke Leistung, die er sich mit zwei Wochen Urlaub während der Länderspielpause versüßen kann.
Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten.
Erinnerte frappierend an das Spiel gegen Tottenham. Gegner eigentlich auf Augenhöhe, etwas glückliche Halbzeitführung und ein nur auf dem Papier vollends überzeugender Sieg. 3:2 wäre gerechter gewesen. Pavard nur noch ein Schatten seiner Selbst. Würde mich nicht wundern, wenn Sarr gegen BVB spielt und bei den Lücken im Mittelfeld hätte uns die Laufbereitschaft eines Goretzka besser getan als Tolisso. Hoffe der ist gegen Dortmund wieder fit. Dafür Sané mit geilem Traumtor, der macht uns noch viel Freude, wenn er bei 100 Prozent ist. Aber egal: Atletico hat Remis gespielt und wir sind mit mehr als einem Bein im Achtelfinale. Und Kompliment an Salzburg: Dieser schon im Vorfeld so hochgelobte Szoboszlai wird ein Großer.
Meinte natürlich 2:3. Also, dass ein Sieg für uns mit einem Tor Unterschied gerechter gewesen wäre.
von mir aus kann die Saison auch gern so enden wie die vom Tottenhamspiel.
Ich fühlte mich gestern währdend des Spiels auch ein bisschen an das 3:3 gegen Ajax im Dezember 2018 erinnert. Dieses Spiel war ähnlich spektakulär wie gestern mit Torchancen hüben wie drüben. Damals haben wir übrigens nur nicht gewonnen, weil es noch keinen VAR gab, der das klare Abseitstor von Ajax in der Nachspielzeit kassiert hätte. Im Nachhinein betrachtet sind die Parallelen zu Amsterdam und Tottenham dann aber doch nicht so groß, denn in beiden Spielen war der Gegner die aktivere Mannschaft und wir haben uns mehrheitlich auf Konterfußball beschränkt. Das war gestern dann doch ganz anders. Salzburg kam eigentlich fast nur durch Umschaltsituationen zum Abschluss, während Tottenham und Ajax uns doch ziemlich in die Defensive drückten. Auch fielen unsere Tore in diesen beiden Spielen fast nur aus Umschaltsituationen, während gestern auch Situationen dabei waren, in denen wir aus längerem Ballbesitz heraus gefährlich wurden.
Ein wildes Spiel war es trotzdem, aber das waren ja auch unsere CL-Siege gegen Barca und Lyon zumindest in der Anfangsphase. In diesen beiden Spielen hätten wir uns über den ersten Rückstand in einem CL-Spiel unter Flick auch nicht beschweren dürfen.
Auch ich fand Salzburg sehr erfrischend gut und man muss ihre Leistung vom Ergebnis abgekoppelt einschätzen. 2-6 entspricht nicht dem Spielverlauf und nach dem 2-2 hätte man sich nicht beschweren können, wenn das Spiel mit 3-2 verloren geht. Die Bayern waren souveräner ohne wirklich besser zu sein. Grundsätzlich sollte die Scoutabteilung auf jeden Fall nun des Öfteren nach Salzburg fahren!
Eine Frage zu Sané. Ein schönes Tor keine Frage. Dennoch stört mich persönlich seine Körpersprache. Er vermittelt mir, dass er eigentlich keine Lust hat. Körpersprache ist sicher nicht alles, aber dennoch wundere ich mich. War das wirklich immer so bei ihm? Sehen das andere auch ähnlich?
Vielleicht brauchst Du einen Körpersprache-Dolmetscher? ;-)
Im Ernst: was genau stört Dich denn an ihm? Mir wäre nichts Negatives aufgefallen.
„War das wirklich immer so bei ihm?“
Zumindest wurde das seit vielen Jahren, von vielen Seiten an ihm bemängelt. Das Thema ist gesetzt und wird ihn wohl für den Rest seiner Karriere begleiten, unabhängig davon wie er sich nun tatsächlich gibt.
Davon ab ist das natürlich auch sehr stark von den jeweiligen Vorlieben oder Vorurteilen des Betrachters abhängig. Hängen die Schultern zu tief, trägt er den Kopf zu hoch? Und was hat das dann konkret für die Person, oder sein Spiel zu bedeuten?
Spannender wird es, wenn man mit Körpersprache eine durch konkrete Handlungen auf dem Spielfeld zu beobachtende Einstellung meint.
Da hat es bei Sane durchaus noch die eine oder andere Macke. Mir fällt da eine Szene aus dem letzten Spiel ein, in der er 25 Meter vor dem eigenen Tor den Ball verliert. Er bleibt dann stehen, wendet sich ab und schaut demonstrativ zum Schiri, um dem (oder meinetwegen der ganzen Welt) zu signalisieren, dass das doch ein Foul gewesen wäre.
Ehrlich, da falle ich vom Stuhl. So oder so ähnlich ist das bisher nicht nur einmal passiert.
Allerdings will ich deswegen nicht den Stab über ihn brechen. Das sind Dinge die trainierbar sind. Und wie ein Heynckes Robbery dazu gebracht hat, auch in dieser Hinsicht „dabei“ zu bleiben, traue ich das auch einem Flick zu. Und vielleicht genau so sehr seinen Mitspielern, von denen ihnen viele ja nun auch schon seit Jahren kennen. Da wird er im Fall der Fälle sicher auch den einen oder anderen Spruch zu hören bekommen.
Also ich denke, das wird schon.
Sanés Körpersprache ist wie sie ist und auch wenn es dazu verleitet: man sollte dadurch nicht auf seine Einstellung schließen. Denn dann müsste man es auch tun bei anderen Aktionen, etwa wie er Boateng Tor bejubelt hat, wie er grinsend mit Lewandowski gefeiert hat usw.
Ja ich gebe zu da auch sehr drauf zu achten und es ist nicht so, dass man bei ihm da den letzten Willen rauslesen kann aber wer sagt, dass das die ganze Wahrheit (oder auch nur ein Teil davon) ist. Solange die Leistung stimmt kann uns das Wurst sein und die gefällt mir von Einsatz zu Einsatz besser. Er wird immer mal Ballverluste haben, das wusste man auch vorher. Aber dafür hat er einen genialen linken Fuß, der uns noch den ein oder anderen Sieg bescheren wird.
RBS hat schon manchen Gegnern die Hosen runtergezogen. Man erinnere sich an die Spiele gegen den BVB. Und dafür das sie jedes Jahr aufs neue die besten Spieler gehen lassen müssen stellen sie immer wieder eine verblüffend gute Mannschaft zusammen.
Ihre größte Stärke ist gleichzeitig auch ihre größte Schwäche, nämlich das läuferrisch intensive Spiel, sehr hohes aggressives Pressing und sobald sie den Ball haben gehts im Höchsttempo Richtung gegnerrisches Tor. Da kann ein Gegner schon mal unter die Räder kommen, kostet aber auch viel Substanz die nach hinten raus fehlt. Spielstarke Mannschaften wie der FCB können das für sich nutzen, vor allem wenn man ordentlich Qualität auf der Ersatzbank hat. Von daher spiegelt das 6:2 das Spiel nicht wirklich wieder aber geht so auch in Ordnung. Es war auf alle Fälle ein tolles Spiel zum anschauen. Ein kleiner Wehrmutstropfen war die teilweise schlechte Defensivleistung aber zu meckern gibts immer was.
Das war Boateng, der den Ball zu Mergim Berisha abfälschte.
Und vor dem Schuß, denke ich, hätte Boateng heraus rücken müssen, um den Salzburger zu stellen. M. M. n. sein einziger Fehler heute!
Insofern ist Christophers Einschätzung vom _Statement-Spiel_ völlig richtig. Er haute sich rein und hielt den Laden zusammen. Boateng wird auch am Samstag voll da sein.
Nächster Pflichtsieg
Weiter so :)
Es ist schon sehr erstaunlich, was Christopher hier leistet.
Regelmäßig berichtet er innerhalb kürzester Zeit seriös von den Spielen der Bayern, ohne sich dabei in den Vordergrund zu schieben – und all das scheinbar ohne persönliche Ambitionen.
So einen Typ hätte Hansi Flick bestimmt gerne in seiner Mannschaft.
Wieso? Er hat doch mehrere davon.
Bei dem engen Spielplan kann der Kader nicht groß genug sein. Und Christopher würde sich wahrscheinlich auch ohne zu murren ab und zu mal auf die Bank setzen und wohl auch nicht so ein riesen Theater machen wegen der ein oder anderen Million mehr oder weniger.
Vermute ich zumindest anhand seiner Beiträge.
Ja klar; ich schließe mich dem Lob am Christopher und das gesamte MSR-Team ausdrücklich an.
Und natürlich kann man im Fußball von Teamplayern dieser Art, die sozusagen auf Knopfdruck ihre Leistung bringen, eigentlich nie genug haben. Aber gerade unter Hansi Flick scheinen doch selbst schwierigere Charaktere bislang relativ geräuschlos auch mal einen Platz auf der Bank zu ertragen :-)
@Alain Sutter
yo, grandiose Arbeit vom MSR-Team in dieser englischen Saison.
Vielleicht kann sich der ein oder andere mehr aufraffen MSR mit einer Spende über Patreon zu unterstützen. 2, 3 Euro tun keinem weh.
Guter Punkt!
Wird gemacht!
Ich finde Alaba und Hernandez sollten die Positionen tauschen, das würde vielleicht unserer Innenverteidigung mehr Stabilität verleihen weil Hernandez resoluter in die Zweikämpfe geht und Alaba auf außen noch mehr Druck nach vorne entwickeln kann weil er spielerisch besser ist.
Kimmich benötigt dringend mal eine Pause, die Fehler bei ihm werden häufiger.
Gegen Dortmund kann man ihn natürlich nicht draußen lassen. Danach ist Länderspielpause da wäre es sinnvoll, vielleicht hat er ja auch mal so ein Wehwehchen wie es zB bei Reus öfter der Fall ist.
Ich fand Hernandez gestern einen Lichtblick! Gerade auch in der (viel kritisierten) Vorwärtsbewegung hatte er etliche Aktionen und Pässe „mit einer Message“, wie Neuer sagen würde. Und das habe ich schon lange vor dem Tor so wahrgenommen, nicht dass das jetzt so klingt, als würde ich die Leistung daran messen.
Insgesamt stimme ich einem „Vorredner“ zu. Nach dem 2:2 hätte man sich über einen 3. Gegentreffer nicht beschweren dürfen. Wahnsinn, dass so ein Spiel dann 6:2 ausgeht.
Ich sehe momentan Hernandez auch stärker als Alaba, jedoch denke ich Alaba ist derjenige der die Abwehr organisiert und von ihm aus der Spielaufbau beginnt. Spielt Boateng, kann ich mir Hernandez an seiner Seite gut vorstellen. Neben Süle dann doch lieber mit Alaba in der IV.
Gegen tief stehende Mannschaften kann ich mir Süle und Hernandez geimsam schon vorstellen.
Für Hernandez innen spricht die Zweikampfstärke. Seine ungestüme Vorgehensweise könnte allerdings auch für deutlich mehr Fouls in gefährlichen Bereichen sorgen und damit die Anzahl an Freistößen in Tornähe oder sogar Elfmetern ziemlich erhöhen. Die Fähigkeiten in der Spieleröffnung sind bei Alaba natürlich höher. In Spielen, in denen wir gegen tief stehende Abwehrreihen antreten (also fast immer) würde ich derzeit eher Alaba in der Mitte vorziehen. Bei der Verteidigung eines Vorsprungs oder in Spielen, in denen der Gegner sich nicht einigelt, könnte ich mir Hernandez in der Mitte schon sehr gut vorstellen. Ausprobiert werden sollte es – wie ich schon vor ein paar Wochen geschrieben habe – auf jeden Fall möglichst bald, weil man wissen muss, ob Hernandez nächste Saison in unserem System als IV zurecht kommt. Nur weil er das bei Atletico sehr gut machte und deshalb gekauft wurde, heißt das nicht, dass er in einem komplett anderen System ähnliche Leistungen bringen kann. Bei Werner war man ja auch skeptisch bzgl. einer Verpflichtung, weil man ihm trotz seiner überragenden Torquote nicht zutraute, in unserem System eine Verstärkung darzustellen. Ähnlich groß ist der Unterschied in Sachen Abwehrarbeit, wenn man Atletico und den FCB vergleicht. Von daher kann es durchaus sein, dass Hernandez einfach nicht so in ein System passt, in dem Stellungsspiel und Spielaufbau mehr zählen als Zweikampfstärke und Aggressivität.
Für Alaba auf links spricht mMn derzeit nicht viel. Im Passspiel ist er sicherlich stärker, aber seine Werte in Sachen Torbeteiligungen waren alles andere als überragend als er dauerhaft auf links spielte. Ich finde sogar, dass seine Chip-Pässe aus dem Zentrum besser und gefährlicher sind als seine Flanken von Außen. Freistöße schießen kann er zudem als LV und IV. Einen offensiven Mehrwert sehe ich dementsprechend nicht. Defensiv war er immer schon ziemlich passiv in der Zweikampfführung. Somit würde die linke Seite sicherlich nicht besser abgedichtet sein als mit Hernandez.
Bitte nicht den David nach außen stellen sonst findet er sich wieder nicht wertgeschätzt und ruft schwer enttäuscht beim Zahavi an und will aus Trotz ne Millionen mehr….
https://m.spox.com/de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern/2011/Artikel/medienbericht-einzelgespraech-mit-sportvorstand-salihamidzic-wusste-david-alaba-von-bayerns-rueckzieher.html
Also ich fand speziell nach dem 2:2 Ausgleich war das eine bockstarke Vorstellung unserer Truppe. Das Spiel drohte komplett zu kippen aber dem haben wir relativ schnell und dann deutlich eine Absage erteilt. Im Grunde war die Szene zum 2:2 die einzig erwähnenswerte für RB in HZ2. Die Bayern hingegen spielten wie aus einem Guss und bei besserer Chancenverwertung hätte es noch früher noch deutlicher ausgesehen und das gegen einen wirklich sehr unangenehmen Gegner.
14 CL-Siege am Stück sprechen eine deutliche Sprache. Da kann man gewiss über Einzelheiten diskutieren aber in Summe ist das eine überragende Bilanz, auch für Flick.
Das Thema Alaba nervt etwas und ich glaube dem Verein mehr, als dem Spieler. Die Verpflichtung von Zahavi spricht in meinen Augen schon Bände und bedarf keiner Kommentare mehr. Alaba selbst kann ich insofern nicht richtig glauben und irgendwas scheint in dem Prozess bei ihm gewaltig schief gelaufen zu sein. Jedenfalls scheint das Tischtuch zerschnitten und es deutet auf Abschied hin. Ich persönlich weine ihm keine Träne nach, weich ich der Meinung bin, dass es sowohl als IV als auch erst recht auf AV Alternativen gibt. Mir stößt die Posse etwas sauer auf weil ich nicht glaube dass der Verein ihn unter Wert verkaufen will. Seinen Statements hingegen fehlt die Glaubwürdigkeit. Soll er gehen von mir aus wenn ihm das Geld das Wichtigste ist. (die Doppelmoral in Bezug auf seinen überbordenden Glauben lasse ich an der Stelle mal weg…)
Ich habe eine Frage an euch – natürlich wie immer OT und irgendwie ziemlich belanglos, aber sie beschäftigt mich immer mal wieder und da ich selbst eigentlich kein richtiger Fan bin, sondern mehr ein interessierter Zuschauer mit Vorlieben, befürchte ich, dass ich die Angelegenheit prinzipiell nicht richtig begreife und mich womöglich durch die Frage selbst schon irgendwie disqualifiziere.
Verspürt ihr gegenüber Fußballern Sympathie? Oder manchmal auch ‚persönliche‘ Abneigung? Kann man Antipathie gegen jemanden aus der eigenen Mannschaft heilen? Geht ihr mit den ‚eigenen‘ Leuten ähnlich streng ins Gericht wie mit ‚fremden‘ Spielern? Oder ist das grundsätzlich eine allzu sentimentale Sichtweise für einen professionellen Fan, die im rauen Liga-Alltag nichts zu suchen hat?
Mit meinen mittlerweile 50 J kann ich sagen: Ja – zumindest was die Sympathie betrifft. Schweinsteiger war MEIN Spieler. Den habe ich verfolgt von seinen Anfängen über Auf und Abs bis zum Karriereende. Alonso war auch so ein Spieler, den ich unheimlich mochte, obwohl der nur 3 Jahre da war.
Antipathien hatte ich jetzt noch nicht wirklich. Es gab aber durchaus Spieler, die mir gleichgültig waren.
Es gab vor kurzem mal einen Trainer beim FCB, der von einem Teil der Leute hier regelrecht gehasst wurde. So eine Antipathie hatte ich gegenüber einem Projektleiter, der mal bei Bayern gearbeitet hat. Da war er aber selber Schuld, weil er meinen Helden, Sepp Maier und Oli Kahn, übel mitgespielt hat. Ich mag ihn immer noch nicht :-)
Wenn ich davon ausgehen, dass Du im ersten Teil Kovac meinst: der wurde und wird doch nicht gehasst. Kritisiert ja, vielleicht auch manchmal zu heftig. Aber Hass finde ich völlig deplatziert. Im Gegenteil: in vielen Kommentaren wurde er immer wieder charakterlich positiv gesetzt.
Klinsmann fand ich u Beginn als Idee sehr interessant. Er hat aber zu viele Fehler gemacht. Mit einem Co-Trainer der weder Liga noch Sprache kannte uvm…
Bei einigen Usern war das mehr als zu heftige Kritik. Bei einem besonderen, der hier Narrenfreiheit hat, war das schon nah dran an Hass. Oder hast du die 819 diffamierenden Kommentare dieses Spezialisten nicht mitbekommen?
Gegenfrage:
Hast Du jemals Mannschaftssport betrieben?
Immer (außer in den letzten Monaten) und immer unter Freunden und Bekannten; Sport als Fitness- und Wohlfühl-Oase.
Das hat so viel oder wenig mit medialem Sport-Konsum zu tun wie mit FIFA auf der Playstation.
Gerade auch du trägst einiges zu meiner Fan-Identitätskrise bei.
Wenn ich sehe, wie flexibel du mit Standpunkten umgehst und deine Meinungen oft kurzfristig der Tagespolitik und Spielergebnissen anpasst, dann frage ich mich zweierlei: Muss das wirklich so sein und kann man nur mit einer solchen ideologischen Geschmeidigkeit als Fan up-to-date und at-the-forefront bleiben? Und wie nimmt der Betroffene – also du selbst – das wahr?
Bitte erleuchte mich
@Alain Sutter
Wegen unserem Forumshelden brauchst du keine Fan-Identitätskrise haben. Der hat von Fans sovie Ahnung ein Fisch vom Überleben in der Wüste. Sein Betätigungsfeld ist das Internet. Ein Stadion dürfte er vom Innen noch nie gesehen haben.
Wenn die Glühbirne durchgebrannt ist, kannst du den Lichtschalter so oft wechseln wie du willst, es wird nichts leuchten.
Die Beziehung, die wir zu den Spielern unterhalten, fällt in den Bereich, den man medienwissenschaftlich als „parasoziale Interaktion“ beschreiben würde. D.h. wir behandeln die Spieler einerseits so als würden wir mit ihnen eine soziale Beziehung unterhalten, zB schreien wir ihnen ja gelegentlich durch den Fernseher etwas zu („Schieß!“). Zugleich gibt es aber ‚eigentlich‘ natürlich keine soziale Beziehung und keine Interaktion (abgesehen von Autogrammen, irgendwelchen Facebookseiten o.ä.) und wir wissen das (jedenfalls meistens) natürlich auch in unserem Handeln.
Was durch diese parasoziale Interaktion entsteht, ist aber eine Form sozialer Bindung, eine Vertrautheit, die sich der zeitlichen Dauer dieser parasozialen Interaktion verdankt: Wir wissen, dass Kimmich gerade Vater geworden ist; wir kennen die schelmischen Gesichtsausdrücke von Thomas Müller; wir können sehen, ob sich Lewandowski ausgelassen oder doch nur routiniert über ein Tor freut, usw. Eine geteilte Sprache hilft natürlich beim Aufbau dieser Bindung, daher ist die Präferenz für deutschsprachige Spieler aus dieser Perspektive sehr verständlich. Die meisten Beispiele für Spielersympathien, die wir beibringen werden, werden daher sicherlich deutschsprachige Spieler sein, die lange beim Verein waren (deutschsprachig im weitesten Sinne, da würde Ribéry sicherlich auch drunter fallen, der ja halbwegs verständlich die Sprache gelernt hat). Es kommen aber natürlich noch andere soziale Markierungen hinzu, die die Sache individuell verkomplizieren, etwa Bildungsgrad, Generation, ethnische Zugehörigkeit, Habitus, etc. In zwei Punkten heben sich Fußballer aber vom Rest des sozialen Feldes ab: Einkommen und Berühmtheit. Sofern ihr nicht selbst berühmte Millionäre seid (Spoiler: Ich bin keiner…), eröffnet diese Differenz sicherlich ein erhebliches Potential zur negativen Wertung dieser Bindung. Daher ist es für Fußballer sicherlich ratsam, ihren Reichtum nicht zu stark auszustellen (s. Max Kruse).
Wie jede Bindung kann diese parasoziale Interaktion daher immer auch ein negatives oder positives Vorzeichen haben. Rein negative Beziehungen sind aber sehr selten, denn sie setzen voraus, dass man mit jemandem vertraut ist und diese Vertrautheit aber zugleich radikal ablehnt (in Familiensystemen kann das zT passieren). Gerade die sehr unverbindliche, einseitige Natur parasozialer Interaktion verbunden mit dem Leistungscharakter des Sports, der immer auch Wertung impliziert, führt sicherlich dazu, dass diese Vorzeichen sehr schnell kippen können, etwa bei schlechten Leistungen, oder – siehe Alaba – anderen wahrgenommenen Malheurs. Dass man einen Spieler trotz dauerhaft schlechter Leistungen sympathisch finden kann, dürfte daher sicherlich auch eine absolute Ausnahme sein.
Bei mir war es, dass die Triple-Mannschaft von 2013 „meine“ Mannschaft war, mit der „ich“ die Dortmunder Dominanz, Klopp (negative Bindung) und die schmerzhaften Niederlagen der Vorjahre überwinden konnte und die mir altersmäßig größtenteils sehr nah war. Die jetzige Mannschaft ist wesentlich jünger als ich es bin und ich merke schon deutlich, dass es mir schwerer fällt, hier intensive Bindung aufzubauen, weil ich mich zB generationell nicht mehr zugehörig fühle.
War als Antwort auf Alain Sutter gedacht.
@Alain Sutter:
Vielen Dank für deine ausführlichen und sehr persönlichen Einblicke in deine Biographie. Ich bin überwältigt. Eigentlich kann ich dem, was du gesagt hast, nichts mehr hinzufügen. Dem _ist_ nichts mehr hinzuzufügen. Wenn du damit einverstanden bist, lasse ich deine Ausführungen daher so stehen. Ich wollte bloß nicht unhöflich sein und deinen mit viel Zeit und Mühe verfassten Text vollkommen kommentarlos an mir vorüberziehen lassen wie ein paar versprengte Wolken im lauen Sommerwind. Und so wie ich uns beide einschätze, wird sich uns sicherlich zu einem späteren Zeitpunkt die Gelegenheit ergeben, den ein oder anderen Punkt noch einmal aufzugreifen und weiterzuspinnen.
@Liza: Ein sehr schöner Beitrag. Es lohnt sich vielleicht noch zu erwähnen, dass sich eine parasoziale Beziehung in aller Regel entlang von oberflächlichen Merkmalen aufbaut (aufbauen muss), die von der Berühmtheit gezielt zur Erstellung eines positiven Bildes seiner selbst gesteuert werden können (und werden), was zur Folge hat, dass der Beziehungspartner am anderen Ende – der Fan – eine sehr hohe Erwartungshaltung an das Handeln der Berühmtheit auch über ihren unmittelbaren Wirkungsbereich Spielfeld oder TV-Bildschirm hinaus entwickelt, der noch auf die ohnehin schon hohe Erwartungshaltung an das Handeln besonders reicher oder berühmter Persönlichkeiten an sich oben draufkommt.
Viele Fans legen an ihre ‚Beziehungspartner‘ auf dem Platz auch im alltäglichen Leben einen moralischen Maßstab an, dem sie selber niemals gerecht werden würden und sind dann schnell rechtschaffen erzürnt, wenn sie diese Erwartungen nicht in jedem Aspekt ihres Lebens erfüllen (können). Ich glaube, das liegt zum Teil an einer Art inneren moralischen Buchführung: „Wer berühmt ist und viel Geld hat, soll dann zum Ausgleich bitte wenigstens moralisch perfekt sein“; und zum Teil an einer Differenz der Lebenswelten und des Habitus, so dass das konkrete Hineinversetzen in die Lebens- und Entscheidungsumstände des parasozialen Beziehungspartners schwierig bis unmöglich ist und es damit zu Verzerrungen in der Bewertung seines Handelns kommt.
Ja, sehr richtige Ergänzungen: Berühmtheit hat den Preis, dass sie an gestiegene (oder überstiegene) Erwartungen geknüpft ist. Das gilt für Fußballer ebenso wie für zB Politiker. Die Fußballer verdienen zusätzlich halt auch noch exorbitant gut, weshalb an sie nicht nur Leistungserwartungen (auf dem Platz), sondern auch alle möglichen anderen Erwartungen geknüpft werden. Das ist für Menschen in dem Alter natürlich kaum alles handelbar, daher der Boom der Beraterbranche und die tendenziell immer glattere Selbstpräsentation, der versucht, Erwartungsbrüche zu minimieren.
Das sind sehr interessante Gedanken, in denen zweifellos viel Wahrheit steckt.
Aber wie sieht die Sache praktischerweise konkret aus?
Wenn der Verein einen Paradigmenwechsel von beispielsweise der Effenberg-Van Bommel-Ära in das Alonso-Thiago-Zeitalter vollzieht, muss und kann der Fan mit diesen Entwicklungen einfach so Schritt halten? Gehört es für einen echten strammen Fan zum Job sich bis zu einem solchen Grad zu verbiegen? Oder sind das letztlich ganz organische Entwicklungen, die sich klammheimlich in die Fan-Psyche einschmuggeln und problemlos assimilieren?
Auch der FC Bayern war vor nicht allzu langer Zeit, in der man Taktik noch als Notlösung für finanzschwache Vereine verspottet hat, eine Heldentruppe, bevor dann mit van Gaal der Systemfußball Einzug hielt, der in Guardiolas Extrem-Ballbesitz-und-Spielkontroll-Fantasie mündete, während wir heute ein Hybrid-System präferieren, das zur guten Hälfte auch aus Kloppschen Ideen besteht, die vor etwa 10 Jahren noch das Gegenmodell darstellten. [Wäre die Kovac-Episode erfolgreich gewesen, hätte man noch eine weitere komplette Neuausrichtung vollzogen.]
Dass man das als waschechter Fan jeweils gut und alternativlos finden muss, ist klar. Aber ist das auch verkraftbar? Moralisch vertretbar? Glaubwürdig?
Es gibt sicherlich (und das ist ja zT auch hier im Forum beobachtbar), Fans, die damit fremdeln und zwar aus nachvollziehbaren Gründen, die bei der geteilten Sprache anfangen, über Gender (Effenberg ist offensichtlich ein anderer Typus Mann als zB ein Thiago) bis zum Spielstil (Kämpfer vs. Künstler) reichen. Erwartet wird sicherlich seitens des Vereins, dass die übergeordnete Erwartung von Fans an den Verein der Erfolg ist. Dieser rechtfertigt ggf. auch Kulturwechsel und führt zur schleichenden Akzeptanz anderer Spielertypen. Bleibt der Erfolg aber natürlich dauerhaft aus, so kann das schnell natürlich in so ein kulturelles Register. Als Bayern München ist man aber natürlich viel weniger einer (Arbeiter-)Kultur von Kampf, Einsatz, Wille, Underdogtum verpflichtet als zB historisch Borussia Dortmund oder der MSV Duisburg, sondern kann darauf bauen, dass die Fans eine gewisse (bürgerliche) Erwartungshaltung an nicht nur erfolgreiches, sondern auch schönes, gepflegtes, kultiviertes Spiel hegen. Entsprechend war dieser Kulturwechsel für den Verein glaube ich recht unproblematisch.
Für Borussia Dortmund finde ich das schon schwieriger: Während Klopp mit seinem Auftreten und dem extrem laufintensiven Spielstil den Spagat zwischen Arbeiterkultur und taktisch anspruchsvollem Fußball noch sehr gut auflösen konnte, ist das ja heutzutage doch eine Mannschaft technisch hochbegabter Teenager, die alle in 4-5 Jahren wahrscheinlich woanders kicken, und einem eher distinguierten Trainertyp. Mit Arbeiterklassenfußball hat das jedenfalls nicht mehr viel zu tun. Aber die Arbeiterklasse im herkömmlichen Sinn gibt es ja vielleicht eh nicht mehr, daher passt es dann vielleicht auch doch wieder.
@Alain Sutter: An deinen Fragen und Aussagen erkennt man wirklich, dass du kein Herzblut-Fan bist, sondern nur „ein interessierter Zuschauer mit Vorlieben“.
Ich halte es in diesem Fall immer mit Nick Hornby, der das Fan-Dasein mit der Liebe vergleicht.
Ich weiß nicht ob du verheiratet oder sonst in einer langjährigen festen Beziehung bist, aber stell dir mal vor, du bevorzugst grundsätzlich mal blonde, langhaarige schlanke Frauen, die Fußbal mögen. Du triffst eine bei der dies alles zutriffst, ansonsten ist sie auch toll, verliebst dich, heiratest sie. Nach einigen Jahren ist sie das ewige Haarefärben leid, läuft erst brünett rum, als die Haare grau werden, wird rot gefärbt. Irgendwann wird es eine Kurzhaarfrisur. Nach dem zweiten Kind geht die Figur auch etwas aus dem Leim. Zum Fußball geht sie auch nicht mehr mit, geht Samstag Nachmittag jetzt zum Kaffeklatsch.
Liebst du sie trotzdem noch?
Ich hab mich mit 12 in den FC Bayern verliebt, so wie ich mich mit 20 in meine Frau verliebt habe. Und ich liebe beide immer noch.
Trotz Paradigmenwechsel und Kurzhaarfrisur.
Und übrigens: Du wirst es nicht glauben, aber Taktik gab es im Fußball und auch beim FC Bayern schon vor van Gaal. Ich sag nur Pal-System oder AC Mailand-Viererkette. Das sich der Fußball immer weiterentwickelt ist schon klar, aber zu behaupten früher hieß es nur „gehts raus und spielts Fußball“ ist blanke Arroganz. In 20 Jahren werden die jungen schlauen Leute über den Pressingfußball der frühen 20er-Jahre lachen und diesen in die Fußball-Steinzeit verorten.
„Und übrigens: Du wirst es nicht glauben, aber Taktik gab es im Fußball und auch beim FC Bayern schon vor van Gaal.“
Natürlich.
In der Corona-Pause hat der FCB verschiedene Klassiker ins Netz gestellt. Ich hab mir das EC-Finale 1974 gegen Atletico gegönnt.
Zuerst nur just for fun. Aber im Laufe der Partie habe ich dann (überrascht) immer genauer hingeschaut und mich tatsächlich gewundert.
Da sah man nach heutiger Sprachregelung in verschiedenen Phasen eine Dreierkette, ein freies Radikal, eine falsche Neun, asymmetrische Außen.
Tja, Respekt Herr Lattek, dachte ich mir zum Schluss.
Spannende Diskussion, die Alain Sutter hier angestoßen hat. Ich glaube, das Ganze ist schon sehr stark eine Frage der Persönlichkeit. Was mich betrifft, kann ich mich sehr viel mehr für die Sache an sich als für Personen begeistern und neige deshalb nicht zur Heldenverehrung.
Beispielsweise kann ich völlig in Musik aller Genres versinken, also bei einer kraftvollen Rocknummer ausflippen oder bei einem einfühlsam interpretierten Chor- oder Orchesterwerk wahlweise schweben oder zum Heulen anfangen … aber nicht wegen der handelnden Personen, sondern aufgrund der Musik selbst. Beim Fußball ist es ähnlich: wenn ich temporeiche Spiele auf höchstem Niveaus sehen kann, ist das Genuß pur; da hab ich dann schon noch eine in der Jugend geprägte Vorliebe für unsern FC Bayern, aber die ist keinesfalls bedingungslos, sondern an die Qualität des Spieles gekoppelt. Die Spieler, die mit dem Ball Dinge leisten, von denen ich selbst in meiner aktiven Zeit nur träumen konnte, bewundere ich dafür – aber deswegen nicht automatisch auch als Person. Dafür müssen sie dann schon, so weit man das von außen beurteilen kann, eben auch persönlich stringent und integer, gerne auch etwas pointiert in ihren Äußerungen sein.
Denen gönne ich dann auch ihren Reichtum, insbesondere wenn sie ihn nicht heraushängen lassen. Also sagen wir mal, mindestens Kimmich, Goretzka, Müller, Gnabry, Neuer (und natürlich Flick) finde ich in dem Sinne sympathisch. Aber wenn die, so wie jetzt Alaba, Dinge tun würden, die bei Zig Millionen Jahreseinkommen einfach für uns Normalos obszön rüberkommen, würde ich Ihnen auch keine Träne nachweinen. Das sind alles höchstbezahlte Gladiatoren, für die ich keine persönlichen Gefühle empfinde.
@wohlfarth
Du hast wie immer recht – das sage ich ohne Ironie und möchte dir deshalb inhaltlich auch nicht widersprechen. Gemessen an deinen Maßstäben bin ich wirklich ein Fake-Fan, sozusagen ein Troll-Supporter.
PS. Ohne sie näher zu kennen bin ich davon überzeugt, dass deine Frau etwas Besseres verdient hat als Gefühlssurrogate auf Hornby-Alaba-Niveau.
PPS. Ich habe Uli Hoeneß immer als Taktik-Verhinderer verstanden. So wenig wie er selbst gerne in Gruppen gearbeitet hat, so sehr hat er Starspieler, Einzelaktionen und Standardsituationen bevorzugt; Taktik als Stärke des Kollektivs fand er wohl ziemlich suspekt, geradezu sozialistisch. Entsprechend gilt: Während in Mailand schon lange die Viererkette praktiziert wurde, spielte der FC Bayern noch viele Jahre mit Libero.
@Liza
So sehr ich dir in allem gerne zustimme, so möchte ich doch in einem Punkt ziemlich energisch widersprechen: Die (langen) Jahre unter Uli Hoeneß waren größtenteils nicht durch wie du sagst „schönes, gepflegtes, kultiviertes Spiel“ geprägt, sondern eher durch „gewinnen – egal wie.“
Ich hatte nie das Gefühl, dass der Verein zu jener Zeit so etwas wie eine übergreifende fußballerische Identität hatte – all das, was an Kultur und Schönheit in dieser dunklen Zeit erreicht wurde, war viel mehr das Werk einzelner Spieler und Trainer, die sich sozusagen gegen die verordnete Unkultur aufgelehnt haben.
@Alain Sutter: Du bindest die Identifikation mit einem Verein entweder unbewusst oder weil es dir selber so geht an die Spieler auf dem Platz und die Spielweise, was beides sehr konkrete, greifbare, aber auch fluide Charakteristika sind.
Ich glaube, das geht nicht allen Menschen so. Vermutlich ist bei ganz vielen Fans die Verbundenheit zu ihrem Verein viel tiefer als die Frage, welche Spieler gerade gegen den Ball treten oder welches System gespielt wird. Wenn ich z.b. mal in mich selber hineinhorche, kann ich dir gar nicht genau sagen, warum ich die Bayern mehr mag als alle anderen Fußballvereine. Es hängt jedenfalls nicht vom jeweiligen Trainer und seinem System oder bestimmten Spielern ab, solange sich das in normalen Parametern bewegt. Wahrscheinlich ist es einfach so, dass ich sie als Kind als ersten Verein bewusst im Fernsehen beim Siegen wahrgenommen habe – und das hat mich für immer für sie gewonnen. Ich bin also ein echter Erfolgsfan. ;-) Aus der Medienpsychologie weiß man, welch prägenden Einfluss Werbung auf kleine Kinder hat. Postive Marken-Anker, die im jungen Alter einmal gesetzt werden, begleiten die Menschen oft ein Leben lang. So geht’s mir wohl mit den Bayern.
Ich kann mir gut vorstellen, dass für andere Menschen wiederum andere Kriterien entscheidend sind. Manche mögen die Bayern vielleicht, weil sie sich basierend auf ihrer Historie schon immer engagiert gegen Antisemitismus eingesetzt haben. Wieder andere sind als kleine Kinder mit ihren Eltern beim FC Bayern im Verein sportlich aktiv gewesen usw. So etwas baut Bindungen auf, die weit über das jeweils aktuelle Personal auf dem Feld oder die Taktik hinausgehen und nur sehr schwer wieder zu lösen sind.
Hinzu kommt meiner Beobachtung nach noch eine für den Verein günstige Asymmetrie der Wertschätzung, nämlich dass sportliche Erfolge des Teams im Kopf des Fans auf die Markenbindung einzahlen, seine Verbundenheit des zum Verein also noch steigern, wohingegen Misserfolge häufig einzeln Spielern oder Trainern zugeschrieben werden, die Liebe und Zuneigung zum Verein insgesamt aber nicht reduzieren. Die Aktiven fungieren somit sozusagen als Blitzableiter für negative Emotionen des Fans im Zusammenhang mit dem Verein und helfen dabei, dass die Verbundenheit des Fans zu seinem Verein insgesamt unbeschädigt bleibt.
Bist du persönlich jemand, der spürt, dass seine Verbundenheit zum FC Bayern in Abhängigkeit von der Spielweise oder den Spieletypen auf dem Platz variiert?
@GS [@Liza und @Alexander]
Ich hatte immer schon die Vermutung, dass es hier im Kommentarbereich einige Interessierte gibt, die eine eher persönliche und quasi objektive Fankultur an Stelle der strengen Orthodoxie leben, wobei man das in Regel natürlich nicht allzu laut kommuniziert.
Aber müsste man nicht – nach logischen Gesichtspunkten – als Fan, der sich vor allem für Sport und den sportlichen Wettkampf interessiert, die gleichen Prinzipien und Wertmaßstäbe, die das Geschehen auf dem Platz bestimmen, auch an sich selbst als Zuschauer anlegen? Sollte es also nicht selbstverständlich sein, dass unabhängig von aller emotionalen Verbundenheit und Loyalität der Bessere gewinnen möge? Sollte nicht ein feiner Spielzug seiner fußballerischen Klasse wegen geschätzt werden, unabhängig davon, welche Mannschaft ihn ausführt. Und sollte man sich nicht grundsätzlich als aufgeklärter Mensch bewusst und ausdrücklich immer ein wenig von der offiziellen Vereinspolitik entfernen, um seine eigene Integrität zu bewahren?
Der Fußball selbst mag noch wesentlich der Gleiche sein, der er immer war, aber der Markt, in dem er stattfindet, hat eine so ungeheuerlich verzerrte Gestalt angenommen, dass ich mich als Fan doch nicht mehr naiv dem Spektakel hingeben kann ohne mich als Liebhaber des freien und ursprünglichen Spiels zu diskreditieren.
Zudem ist der Fußball weit über den reinen Wettbewerb hinaus ein so künstlich aufgeblasenes und in seinen Grundzügen und seinem eigenen Selbstverständnis entsprechend geradezu verlogenes Produkt geworden, dass man sich als Zuschauer, der prinzipiell bereit wäre das Geschehen mit Leidenschaft und Aufrichtigkeit zu verfolgen, unwillkürlich veralbert vorkommt.
Auch bei mir ist die Sympathie für den FC Bayern seit frühester Kindheit vorhanden und stand und steht als solche auch nie in Frage. Aber genau so wie man sich als Mensch weiterentwickelt und lieb gewordene Gewohnheiten und Überzeugungen aus der Kindheit kontinuierlich einem sich vergrößerndem Erfahrungs- und Erkenntnishorizont anpassen muss, so sollte man auch fähig sein die Entwicklungen in der (Fußball-)Welt ständig neu zu erfassen und zu bewerten.
Und wenn ich zu der Einsicht gelange, dass mir bestimmte Lebensbereiche nach ökonomischen Kriterien womöglich optimiert, aber nach ethischen Maßstäben fragwürdig erscheinen, dann sehe ich es als meine sowohl persönliche wie auch bürgerliche Pflicht an, mir diese vermeintlichen Fehlentwicklungen bewusst zu machen und auch als solche zu benennen. Nur führt genau das dann u.a. in eine Identitätskrise für mich als traditionellen Fan: die alte kindliche Zuneigung ist zwar noch intakt, aber die geforderte Loyalität scheint mir mehr als fragwürdig. So wird Fußball dann zu einer Operettenveranstaltung, zu einem Spiel im Spiel, das nach wie vor amüsiert, aber bei weitem nicht mehr die Kraft hat zu erschüttern.
@Alain Sutter:
„Gemessen an deinen Maßstäben bin ich wirklich ein Fake-Fan, sozusagen ein Troll-Supporter“
Ich habe da keine Maßstäbe, geschweige denn bin ich der Maßstab, bezüglich Fan-Dasein. Jeder wie er will. Ich will mir von keinem halbstarken Ultra erklären lassen wie ein Fan zu sein hat, genauso wenig will ich ihm meine Art aufzwingen. Und wenn du nur interessierter Zuschauer bist und im Moment Bayern bevorzugst. Ok.
Mit Libero spielen ist übrigens auch eine Taktik. So sind wir 2001 CL-Sieger geworden und Griechenland 2004 Europameister. Die Bälle nach außen, Flanke, Kopfball, Tor eventuell auch?
@Alexander
Nein, für mich ist der FC Bayern eine persönliche Weltbühne. Alle meine Weltbezüge werden durch das Prisma FC Bayern gebrochen und in meinem Verein quasi stellvertretend aufgeführt.
Es geht um mein Selbst- und Weltverständnis, das ich auch über und durch die Geschehnisse im Verein reflektiere. Während ich in der Kindheit über diese Schiene stark geprägt wurde und den Entwicklungen wohl gesinnt und emotional involviert verfolgt habe, hat sich die Balance inzwischen verändert. Während ich für mich selbst – quasi als Selbst-Rettung – zunehmend einen individuellen, einen historischen und damit letztlich zunehmend überzeitlich-abstrakten Standpunkt einnehme, um meine Lebenswirklichkeit in einer Art und Weise zu strukturieren und zu verstehen, die es mir ermöglicht bewusst, zuversichtlich und positiv zu agieren, nehme ich andererseits wahr, dass mein Herzensverein einen anderen Weg eingeschlagen hat und im Rahmen ökonomischer und sportlicher Logik ein zunehmend zynisches Schauspiel inszeniert.
Das Schauspiel selbst hängt natürlich wesentlich von den aktuellen Akteuren, Systemen usw. ab, auf dieser Grundlage bewerte ich den jeweiligen status quo; aber darüber verfolge ich die Entwicklung des Vereins über längere Zeiträume sehr intensiv, denn es ist quasi meine eigene Geschichte: die Geschichte meiner eigenen Entfremdung.
@Alain Sutter. Fair enough. Das harmoniert mit dem, was du sonst so von dir gibst. Ich persönlich habe moralisch kein Problem mit dem Spielfeld, auf dem sich die Bayern bewegen. Für mich ist der Profifußball je höher man kommt, desto stärker ein Wettbewerb nach ökonomischen Kriterien sowie ein Showbusiness und Teil der Unterhaltungsbranche und kein sportlicher Wettkampf im ursprünglichen, unverfälschten Sinne wie du ihm nachhängst.
Ich respektiere und erkenne die Bayern dafür an, dass sie auf dieser Ebene besser, geschickter und erfolgreicher agieren als die meisten anderen Clubs. Meine positiven Emotionen ziehe ich aus ihren überzeugenden spielerischen Darbietungen, auch und obwohl sie sozusagen nicht viel mehr als eine logische Konsequenz der wirtschaftlichen Überlegenheit des Vereins darstellen. Das macht mir nichts aus. Im Gegenteil. Es ist für mich als Gesamtpaket schlüssig und stimmig und „schwingt“. Für mich sind die Bayern einfach Gewinner an allen im Profifußball relevanten Fronten und das imponiert mir.
Macht mich das zu einem schlechten Menschen?
@Alexander
Nein, zu einem großartigen Menschen!
Zum einen geht es mir nicht im Geringsten darum Menschen in gute und schlechte einzuteilen. Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden oder zumindest überleben. Auch ich nehme mir das Recht heraus meinen Lebensentwurf ziemlich frei und zuweilen schräg an meine Bedürfnisse anzupassen.
Zum anderen bin ich immer wieder tief erstaunt und bewegt, wie du die Widersprüchlichkeit (scheinbar ungestillter) anthropologischer Grundbedürfnisse und rationaler Wirklichkeitsmodelle auf so hohem geistigen Niveau ohne offensichtliche Schäden aushältst.
Ich halte es (nicht im wissenschaftlichen, eher im hausbacken-handgestrickten Sinn) für ziemlich allgemeingültig, dass der der Mensch als sentimentales Individuum sich nach einem harmonischen, geschlossenen und sinnvollen Lebens- und Sinnzusammenhang sehnt, einer Heimat im mehrdeutigen Sinn, die ihm Rahmen, Stabilität, Kraft und Richtung für seinen täglichen Lebensvollzug gibt.
Gleichzeitig ist es ihm als denkendem Wesen aufgrund unzureichender Denk- und Bewusstseinsfunktionen nicht möglich sich selbst einen solchen Kosmos zu ergründen oder zu erschaffen. Brauchbare Ergebnisse erzielt er auf diesem Weg des Denkens nur, indem er die Welt vergegenständlicht und als ein Fremdes begreift.
Diese Grundsituation schafft eine innere Spannung und Widersprüchlichkeit, die jeder Einzelne für sich irgendwie lösen muss – und sei es auch nur, dass er sie bewusst nicht lösen will.
Dein Ansatz, dein Heim bewusst in dieser Fremde zu errichten und den Trost einer versöhnlichen Gesamtschau zugunsten der klaren Gedankenführung zu vernachlässigen, halte ich für eine herkulische Bravour, der ich persönlich nicht fähig bin.
Für mich sind die rationalen Modelle in ihren (im weitesten Sinne) ökonomischen weltlichen Erscheinungsformen kein Anathema, sondern entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip dort, wo sie unersetzlich sind, willkommen, aber überall dort, wo ich mich selbst für eine Welt und deren Verständnis im Rahmen meiner kritischen Möglichkeiten verbürgen kann, beiläufig. Einfach weil mir die erforderliche Souveränität und Selbstlosigkeit fehlen um mich und meine Bedürfnisse entsprechend zurückzunehmen.
Verstehe mich nicht falsch, ich mag das wissenschaftliche und wertneutrale Denken zutiefst und übe mich auch zuzeiten darin; und sobald ich für eine größere soziale Gruppe Verantwortung trage ist es auch meine erste Anlaufstelle. Aber in meinem persönlichen Bewusstseinsstrom bin ich viel mehr dem Historischen, dem Symbolischen und Allegorischen zugetan, denn dort finde ich ein Gewebe von Informationen, Eindrücken und Empfindungen, das mir als existenzielles Netz unter den Füßen dient. In der reinen Wissenschaft hingegen sehe ich unter mir nur ein nichtiges Nichts.
Da der FC Bayern seit meiner frühesten Kindheit eine relativ zentrale Position einnimmt und ich in früheren Jahren durchaus viel Energie, Zeit und Gefühle in den Klub investiert habe, ist er so im Laufe der Jahre Teil meiner Persönlichkeit geworden, auch wenn ich dem ganzen Theater inzwischen viel distanzierter gegenüber stehe. Aber aufgrund der vielen tief in meinem Bewusstsein verankerten Erlebnisse kann ich dieses Thema nicht mehr ausgliedern; ich muss es behandeln, als ob es ein persönlicher Teil meines Selbst wäre.
@Alain Sutter: Ohne offensichtliche Schäden? Sag das nicht zu laut… ;-)
Ich möchte dir in einem Punkt widersprechen, der mir auch schon in früheren deiner Nachrichten aufgefallen ist. Du gehst immer davon aus, dass die ökonomische Perspektive, wie du sie nennst, nicht eigentlich trostspendend oder sinnstiftend sein kann in dem ganzheitlichen, tiefen, ursprünglichen Sinne, wie du ihn meinst. Das, was die Ökonomie berührt, ist ‚vergiftet‘. Außerdem steht Ökonomie für dich für eine wissenschaftliches Weltbild basierend auf Ratio, Logik und Fakten, frei von jeglichem Modikum an Heimeligkeit, Geborgenheit und Wärme. Das Wissenschaftliche versus das Historische, das Rationale versus das Menschliche.
Mal unabhängig von meiner Person, wieso bist du dir da so sicher? Wieso kann nicht jemand dasselbe Maß an emotionaler Befriedigung und Geborgenheit und dasselbe Gefühl von Resonanz mit der Welt erfahren wie du beim Verfolgen eines ursprünglichen sportlichen Wettkampfs an sich, wenn er das Geschick und die Bemühungen der Bayern im ökonomischen Bereich oder durch eine primär ökonomisch gefärbte Brille betrachtet? Warum kann für jemanden beim Blick auf die neuesten Rekordzahlen in der Bilanz am Ende eines Geschäftsjahres oder die Tatsache, dass die Bayern auf dem Transfermarkt drei enge Konkurrenten im Kampf um einen begehrten Spieler ausgestochen haben, nicht eine ebenso authentische Quelle der Befriedigung sein wie ein hart umkämpfter Sieg auf dem Spielfeld? Gehorchen die ups and downs von Asset-Kurven auf dem Aktienmarkt anderen ästhetisch-emotionalen Kategorien als die schwitzenden Körper in einem sportlichen Wettkampf? Sind die Leistungen und Siege auf dem sportlichen Spielfeld notwendigerweise von einer qualitativ anderen (weniger reichhaltigen, wertneutraleren) emotionalen Qualität, wenn sie zuvor durch entsprechende Leistungen und Siege auf dem ökonomischen Spielfeld ermöglicht worden sind?
Vielleicht ist es aber auch einfach nur so, dass Fußball für mich in meinem Leben nicht denselben Anker von „Stabilität, Kraft und Richtung für seinen täglichen Lebensvollzug“ bedeutet wie für dich und nicht im selben Maße zur Befriedigung meiner „anthropologischen Grundbedürfnisse“ beiträgt. Ich habe mit dem Fußball höchstwahrscheinlich nicht dieselbe existenzielle Verbindung wie du, er zieht sich nicht in derselben bedeutungsvollen Art und Weise wie ein roter Faden durch die Historie meines Lebens wie für dich. Insofern kann ich den Wandel des Fußballs ganz sicher losgelöster als du betrachten, mehr mit offener Neugier und ehrlicher Begeisterung für die konstante Evolution des Sports in gespannter Erwartung, was wohl als nächstes passiert. Auch gibt es für mich nicht dieses Moment der Entfremdung wie für dich, weil ich den Fußball von Beginn an niemals als eine Form des reinen, sauberen, ursprünglichen Sports wahrgenommen habe, so wie du ihn für dich wahrgenommen hast und dem du nachtrauerst. Für mich ist der Profifußball schon immer eine große Showveranstaltung gewesen, die von ihren endlos wiedererzählten Geschichten viel stärker lebt als von einem vermeintlich puren sportlichen Geschehen auf dem Platz. Das Spiel ist letztlich nur der Broker und der Transmissionsriemen der Storymaschine „Fußball“, der in 90 Minuten Wochendende die Fäden, die der Fußball unter der Woche gesponnen hat, gleichzeitig als Klimax und Katharsis bündelt, auflöst und wieder aufs neue freisetzt, in einem ewig wiederkehrenden Zyklus, zu dem viel mehr gehört als „nur“ das Spiel.
@Alexander
Es ist wohl grundsätzlich ein Problem, dass man bei dem Versuch sich ernsthaft über Lebensprobleme zu unterhalten schnell ins Uferlose abdriftet, weil es sich ihrer Natur nach um komplexe Themen handelt, die sich dem einfachen Erfassen und Verstehen generell widersetzen: „Wir fühlen, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.“ (Wittgenstein)
Aber natürlich ist man trotzdem bemüht, vor allem in einem Kontext wie dem hiesigen Kommentarbereich, seinen Standpunkt möglichst prägnant und anschaulich zu formulieren, um die allgemein anerkannten Kommunikationsregeln einzuhalten und auch die Geduld des ja unbekannten Gegenüber nicht über Gebühr zu strapazieren. Das führt dann allerdings schnell dazu, dass man sich trotz aller Bemühungen und gebotenen Seriosität plötzlich in einer Gesprächssituation wiederfindet, in der die beiden Positionen so überzeichnet sind, dass sie in ihrer Einseitig- und Engstirnigkeit unfreiwillig komisch wirken. In dieser Gefahr befinden auch wir uns beide. Aber wohlgemut, voran!
Unabhängig von einzelnen Sachfragen scheinst du ein viel stärkeres und gesünderes Grundvertrauen in unsere Kultur und Zivilisation zu haben, vertraust dich scheinbar den gegenwärtigen Entwicklungen, Strukturen und Angeboten zuversichtlicher an, als ich das kann. Das ist wohl letztendlich eine Gemüts- und Charakterfrage, keine qualitative und wahrscheinlich auch keine pathologische. Jeder entwickelt ja im Laufe seines Lebens durch Versuch und Irrtum ein Gespür dafür, was er braucht, was ihn wirklich interessiert und was ihm gut tut.
Ich habe dir vor nicht allzu langer Zeit geschrieben, dass das freie Spiel der Gedanken dann kein beliebiges wird, wenn wir ihnen „das Gewicht unserer Existenz beilegen“. Deswegen möchte ich dir – ohne deshalb meine Identität preisgeben oder mich psychologisch entblößen zu wollen – kurz meine Herkunft und Sozialisation schildern, damit du siehst, dass ich nicht über irgendwelche wahllos aufgegriffene Ideen spreche und dass der von dir bereits öfters kritisch bestaunte Wille zur Vereinheitlichung kein theoretisches Konzept, sondern ein in meiner Identität, Erfahrung und Lebenswelt gründendes und erlebtes Grundmotiv ist.
Ich bin ganz in der Nähe des von dir kürzlich beiläufig, aber bestimmt nicht zufällig genannten Wilhelm Diltheys geboren und aufgewachsen in einem Milieu von Klein- und Kleinstunternehmern, die alle als Selbständige ihr Leben in einem Familienbetrieb organisiert haben. Das waren durchweg bescheidene, aber ganz stabile und seriöse Geschäfte, weit weg vom modernen Boom-and-bust, Synergien, Skalierungen, Bail-outs, Fremdkapital, Hebeleffekten und Investoren. Es ging in erster Linie um viel und ehrliche Arbeit, die fair entlohnt wurde und ein jeder hat dabei mit seinem Namen und seinem Vermögen für sein Tun gehaftet.
Das ist aber vor allem deshalb hier von Interesse, weil sich auf dieser wirtschaftlichen Grundlage ein Typ Bürger entwickelt (oder besser gesagt erhalten) hat, der einerseits eigenständig, liberal und (eigen)interessenorientiert war, andererseits aber auch verantwortungsbewusst und solidarisch. Das Zusammenleben in den Gemeinden war nicht von Verdrängungswettbewerb, The-winner-takes-it-all-Mentalität geprägt, sondern von der ständigen Suche nach Ausgleich und Koexistenz. Dazu gab es einen stetigen Diskurs, in dem Probleme und Wünsche (oft auch informell) angesprochen und gelöst wurden.
Mag sein, dass meine Kindheitserinnerungen bereits allzu nostalgisch sind, aber verglichen mit modernen und akzeptierten Denkmustern und den darauf gründenden tatsächlichen Entwicklungen waren das ausgesprochen stabile und ausgeglichene soziale Gebilde, die mehr an die Buddenbrooks von Johann senior und Tocquevilles Beschreibung der Demokratie in Amerika erinnern, als dass sie mit den aktuellen Tendenzen kompatibel wären. Entscheidend ist für mich dabei, dass sich in diesem Milieu wie selbstverständlich eine demokratisch-republikanische Mentalität entwickelt (oder erhalten) hat, in der Transparenz, öffentlicher Diskurs und Eigenverantwortung gewünscht und auch unentbehrlich waren. Eine Welt, in der – nebenbei erwähnt – wohl auch Uli Hoeneß aufwachsen ist.
Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen, du ahnst wahrscheinlich schon, warum ich solchen Nachdruck auf von dir mit Recht monierte Konzepte wie ‚vergiftete Ökonomie‘, Wissenschaft versus Geschichte, Rationalität versus Menschlichkeit, Spiel versus Story und vor allem Einheitlichkeitsgedanke lege.
Ich bin nicht grundsätzlich antimodern, wirtschafts-, wissenschafts- oder medienfeindlich; aber ich wurde geprägt von einer gelebten Wirklichkeitskonzeption, in der wirtschaftliche, soziale, politische und kulturelle Dimensionen unzertrennbar in der Person ihres Trägers verankert waren. Es wäre beispielsweise nicht nur unwahrscheinlich, sondern geradezu widersinnig gewesen sein Vermögen in amerikanische Technologie-Aktien zu investieren, nicht weil das im moralischen Sinne anstößig gewesen wäre, sondern weil diese Logik aus einer anderen Lebenslogik hervorgeht, die konsequent weitergedacht die eigene Existenzgrundlage in Frage stellen würde. Es ging und geht dabei nicht um Kulturkampf, sondern um Autonomie.
Wenn ich dann beispielsweise deinen Satz „Meine positiven Emotionen [gegenüber den Bayern] ziehe ich aus ihren überzeugenden spielerischen Darbietungen, auch und obwohl sie sozusagen nicht viel mehr als eine logische Konsequenz der wirtschaftlichen Überlegenheit des Vereins darstellen. Das macht mir nichts aus. Im Gegenteil. Es ist für mich als Gesamtpaket schlüssig und stimmig und “schwingt”. Für mich sind die Bayern einfach Gewinner an allen im Profifußball relevanten Fronten und das imponiert mir“ lese, dann denke ich unweigerlich, dass solche in sich bewusst widersprüchliche Konzepte das Potenzial besitzen, die menschliche Persönlichkeit zu fragmentieren in dem Sinn, dass man sich teilweise als Konsument, teilweise als Denker, als Familienmensch, Arbeiter, Freund, Künstler, Investor und Liebhaber begreift, aber durch die jeweils inhärenten und unterschiedlichen Logiken der verschiedenen Lebenssphären nicht mehr zu einem einheitlichen Konzept der eigenen Persönlichkeit gelangt, aufgrund derer man eher auch Gestalter als nur Rezipient seines Schicksals ist. Homo oeconomicus und homo politicus sind komplementäre Konzepte.
Meine Vorbehalte gegenüber der modernen Zivilisation speisen sich zudem aus dem Umstand, dass die handelsüblichen Denkmuster, die sich in den Medien, der Literatur, im Bildungswesen und darüber hinaus im öffentlichen Diskurs generell manifestieren, den von mir vorgetragenen Bedenken wenig Rechnung tragen. Ich persönlich hatte das Glück und Möglichkeit mich auf die Suche nach Quellen solch monistischer Lebens- und Denkweisen zu machen, um mich davon zu überzeugen, dass es sich dabei nicht um ein utopisches Hirngespinst handelt, sondern um eine konkrete, wenn auch recht seltene und fragile Blüte menschlicher Kultur. Einer Kultur, die man weder lehren noch verordnen oder wählen kann, sondern die aus dem alltäglichen Lebensvollzug heraus sich entwickelt und allein durch ihre Träger Bestand hat.
Ich bin also durchaus unter den gegebenen Umständen gewissermaßen ein Kulturpessimist, aber meiner Natur nach ein Existenzoptimist; der Tod interessiert mich nur mäßig, weil ich daran im konkreten Sinn sowieso nichts ändern kann, aber meine Lebenszeit und Lebenswirklichkeit möchte ich meinen Wünschen, Möglichkeiten und Fähigkeiten entsprechend beeinflussen. Nicht indem ich anderen mein Konzept aufdrängen möchte, dazu ist es viel zu spezifisch und persönlich, sondern als eine, nämlich meine Meinung im Gespräch mit Menschen, die ebenfalls gute und nachvollziehbare Gründe haben für ihren je eigenen Lebensplan. Dabei ist es wichtig, dass jeder „das Gewicht seiner [je eigenen] Existenz“ den Worten beilegt, damit das Unternehmen nicht allzu eitel und beliebig wird. Dadurch entsteht eine Polyphonie im guten und produktiven Sinn, die allemal besser ist, als wenn sich jeder von vornherein auf einen vermeintlich kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert, um den öffentlichen Diskurs nicht weiter stören zu müssen.
Das ist ein Teil der Story hinter dem Spiel, das ich hier auf MSR spiele.
@Liza
Du schreibst: „Bei mir war es, dass die Triple-Mannschaft von 2013 “meine” Mannschaft war, mit der “ich” die Dortmunder Dominanz, Klopp (negative Bindung) und die schmerzhaften Niederlagen der Vorjahre überwinden konnte und die mir altersmäßig größtenteils sehr nah war.“
Dass du die Ereignisse (BVB, schmerzhaften Niederlagen, Klopp – negative Bindung) damals so erlebt hast, ist klar und verständlich. Aber es klingt so, als ob deine damaligen Eindrücke noch immer relevant wären. Hast du nicht in der Zwischenzeit deinen Frieden mit den Dortmundern gemacht? In dem Sinn, dass du anerkennst, dass sie seinerzeit mit relativ geringen Mitteln Großes erreicht haben; dass Klopp wirklich sehr gute Arbeit geleistet hat; dass die Dortmunder Erfolgsphase seither und noch immer quasi (in Teilen) die ganze Fußballwelt inspiriert, bereichert und sogar revolutioniert hat; dass sie letztlich auch und vor allem durch unsere Sabotageakte zu Fall gebracht worden sind; und dass wir damals in einer Übergangsphase waren, in der wir einfach nicht die Qualität hatten, um mit ihnen mithalten zu können, dafür aber anschließend um so überzeugender durchgestartet sind, was ja auch in Teilen (indirekt) Dortmund zu verdanken ist?
Ich meine, die Zeit heilt Wunden und rückschauend kann man doch wirklich festhalten, dass das damalige Duell qualitativ das Beste war, was die Bundesliga in den letzten 10 bis 20 Jahren an Konkurrenzkampf zu bieten hatte und dass dafür beide Mannschaften verantwortlich waren und dass dafür entsprechend auch den Dortmundern Respekt und ein wenig Sympathie zukommen sollte?
Ja, natürlich. Anerkennen konnte ich die Leistungen immer schon, aber wirklich meinen Frieden konnte ich erst 2013 damit machen. Seitdem haben wir ja so sehr dominiert, dass man sich zuweilen ja eh wünschte, Dortmund wäre etwas kompetitiver.
Das ist jetzt freilich ein großer gedanklicher Sprung von der Sympathie für einzelne Spieler zu Beurteilung der strategischen Ausrichtung des Vereins, aber letztlich steht ja die Frage der Autonomie des Fans im Zentrum.
Wie sehr kann und darf ich mich als Fan in der Beurteilung des Fußball-Geschehens (auf und abseits des Platzes) aus dem jeweils aktuellen Zeitfenster (d.h. von vor bis nach dem aktuellen Spiel) lösen und inwieweit kann und darf der Beurteilungsmaßstab sich von der aktuellen (Ergebnis-)Faktizität lösen?
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