FC Bayern – Manchester United 3:1 (0:0)
Falls Ihr es verpasst habt: Ich weiß nicht wie es Euch geht, aber mein Nervenkostüm ist solche Spiele einfach nicht mehr gewohnt… Nach einer grandiosen Choreo der Südkurve war der Boden bereitet für einen intensiven Champions League-Abend. Dass es am Ende so dramatisch werden würde, hatten wohl nur wenige erwartet. Guardiola brachte personell die bestmögliche Elf von Beginn an. Das hieß, dass Rafinha zunächst unten blieb und Lahm als nomineller Rechtsverteidiger startete (mehr dazu in der folgenden Analyse). Manchester zu Beginn wie erwartet ganz tief und gut organisiert hinten drin. Bayern mit viel Ballbesitz, einem klaren Plan. aber wenig Chancen bis zur Pause. Immerhin war der klare Wille zu Torabschlüssen auch außerhalb des Strafraums erkennbar. Ribéry, Kroos und Robben verbuchten mit einigen Fernschüssen zumindest Halbchancen.
Die Münchener kamen dann jedoch fast ein wenig verunsichert aus der Kabine. Ein Moment der Schwäche, den United mit einer nun deutlich engagierten Offensivleistung ausnutzen wollte. Einige Ecken, ein guter Schuss von Kagawa waren Vorboten des 0:1 durch eine sehenswerten Schrägschuss von Evra, der unter der Latte einschlug (57.). Bayern verlor keine Zeit und reagierte mit wütenden Angriffen. Mandzukic gelang schon zwei Minuten später der Ausgleich. Danach stellte Guardiola um und Bayerns Spiel wurde immer selbstverständlicher und klarer. Ab der 60. Minute erspielten sich die Guardiola-Elf 7 klare Torchancen. Zwei davon nutzten Müller (68.) und Robben (76.) zum am Ende absolut verdienten 3:1-Sieg. Der FC Bayern steht unter den letzten vier Mannschaften in der Europa Champions League.
3 Dinge, die auffielen:
1. Guardiolas Plan mit den einrückenden Außenverteidigern
Das Hinspiel hat Bayern-Trainer Pep Guardiola zum Nachdenken gebracht. Er hat angekündigt sich etwas besonderes zu überlegen. Er hielt Wort. Die etwas überraschende Maßnahme Lahm wieder als Rechtsverteidiger spielen zu lassen, klärte sich nach ca. 3-4 Minuten auf. Lahm und auch Alaba rückten bei Ballbesitz extrem ein und agierten in dem Moment als nominelle Doppelsechs. So entstand ein 2-3-5 oder wenn Kroos abkippte ein 3-2-5. Das Kalkül war klar. Zum einen sollten die nominellen 8er Müller und Götze von Spielgestaltungsaufgaben im Mitteldrittel entlastet werden, um die Präsenz in und am Strafraum zu erhöhen. Situationen wie im Hinspiel in denen Müller alleine gegen 4-5 United-Akteure das Sturmzentrum besetzte, sollten sich nicht wiederholen. Stattdessen war es die Aufgabe des jeweils ballnahen 8ers die Flügelspieler Ribéry und Robben immer wieder zu vorderlaufen, um zur Grundlinie durchzudringen und Uniteds Viererkette immer tiefer zu schieben. Auch Eins gegen Eins-Duelle auf den Flügeln wurden so mehrfach erzwungen, weil Manchester auf Grund der vorderlaufenden 8er häufig nicht doppeln konnte. Zum anderen versprach sich Guardiola durch diese Ausrichtung wohl auch mehr Biss im Gegenpressing. Durch die zentrale Positionierung von Alaba und Lahm waren sie die wichtigsten Akteure um schnelle Konter durch das Zentrum zu verhindern. Ihre Qualität ist hier deutlich größer als die von Müller oder Kroos. Die potenzielle Gefahr durch gegnerische Konter über Außen durch aufrückende Außenverteidiger nahm Guardiola in Kauf. Wohl wissend, dass United hier nur minimales Risiko gehen wird.
Auf dem Papier war dieser Plan durchaus kreativ und stimmig. Warum es den Bayern über 60. Minuten nicht gelang diesen guten Plan erfolgreich umzusetzen hat mehrere Gründe. Durch die zentrale Ausrichtung der Außenverteidiger wurden Robben und Ribéry auf den Flügeln wie beschrieben bewusst kaum hinterlaufen. Weil das Vorderlaufen aber nicht gut funktionierte und Götze oder Müller häufig ins Leere liefen, gelang es Bayern so nur sehr selten bis zur Grundlinie vorzudringen. Sogar Halbfeldflanken von Dante oder Robben waren in der ersten Hälfte zu sehen. Ein Novum unter Guardiola. Gefährliche Abschlüsse im Strafraum gab es bis zur 60. Minute so gut wie nie. Jones, Vidic und Smalling gewannen im Strafraum 15 von 15 Kopfballduellen. Bayern wirkte extrem bemüht Guardiolas Vorgaben umzusetzen, wirkte insgesamt aber angespannt und hektisch. Unerklärlich bleibt auch warum einige vielversprechende Umschaltsituationen fahrlässig verschleppt wurden und damit verpufften. Das Gegenpressing wird so aus meiner Sicht seinem wichtigsten Element beraubt.
Nach der Pause klappte es zunehmend auch defensiv nicht mehr, die angedachten Vorteile der Ausrichtung zu nutzen. Kroos ließ sich bei Ballbesitz immer wieder in die Viererkette zurückfallen und gab somit viel Raum preis. Mandzukic und Müller gestikulierten mehrfach im Pressing in Richtung Mario Götze, weil die Abstände nicht stimmten. Evras Treffer war in der Entstehung sicher glücklich, vom Spielverlauf her aber nicht unverdient. Nach dem 0:1 begann das Spiel eigentlich noch einmal von Vorn.
2. Zehn denkwürdige Minuten drehen das Spiel komplett
Was in den zehn Minuten nach dem 0:1 passierte kann sicherlich nicht allein mit taktischen oder systemischen Ansätzen erklärt werden. Es sind sicher auch die ganz spezifischen Dynamiken, die gerade Mannschaftssportarten so auszeichnen, die sich in dieser Phase abspielten. Durch das 0:1 ging ein Ruck durch die Bayern-Elf. Das schnelle 1:1 war sicherlich auch emotional der Türöffner ins Halbfinale und Initialzündung für eine herausragende Schlussphase. Dennoch gab es ein paar Besonderheiten, die ich kurz anreißen möchte.
Für mich unerklärlich ist, warum Manchester United nach dem schnellen 1:1 durch Mandzukic nicht auf die altbewährte Defensivtaktik zurückschaltete, sondern einen offenen Schlagabtausch suchte. Das begünstigte Bayerns Spiel extrem. Auf der anderen Seite war Guardiola uneitel genug seinen wie gesagt auf dem Papier klugen, aber de facto erfolglosen Matchplan ad acta zu legen. Mit der Hereinnahme von Rafinha stellte Bayern wieder auf das altbewährte 4-2-3-1 zurück. Rafinha und zunehmend auch Alaba hielten nun komplett oder zumindest vermehrt die Grundlinie und machten das Spiel breit, während Kroos und Lahm gemeinsam das Spiel aus dem Zentrum antrieben. Auch wenn es eine boulevardesque Verkürzung ist: Ab der 65. Minute waren das eher die Heynckes-Bayern, die Manchester mit einer tollen Schlussphase überrannten.
Die Mannschaft wirkte befreit von den taktischen Vorgaben und ging auf einmal genau das Risiko, das in 90 Minuten in Manchester und der ersten Stunde in München gefehlt hatte. Robben und Ribéry rissen mit Tempoläufen nach Ballgewinnen die komplette United-Defensive auf, kamen selbst immer wieder zur Grundlinie und sorgten für enormen Druck, dem Manchester dann nicht mehr standhalten konnte. Gerade das nun viel engagiertere Umschaltspiel funktionierte gegen weniger organisierte Briten immer besser. 25:6 Torschüsse, davon 12 innerhalb des Strafraums sprechen am Ende eine klare Sprache. Es waren zehn denkwürdige Minuten in denen das Spiel zwei völlig unterschiedliche Wendungen nahm. Am Ende zum Glück Gunsten der Bayern.
3. Ribéry und Robben – wie so oft
Ich hatte es kurz nach dem Spiel bereits auf Twitter geschrieben. Wo stünde dieser Verein heute eigentlich ohne Franck Ribéry und Arjen Robben? Ohne zwei herausragende Individualisten, die in München längst zu Mannschaftsspielern geworden sind. Ribéry bereitete das erste Tor von Mandzukic vor. Robben das Zweite von Müller. Das Dritte machte der Niederländer dann mit seinem Signature-Move selbst. Robben zog wie so oft nach Innen, übersah die besser postierten Mitspieler und brachte den Ball am Ende irgendwie im Tor unter. Wer trifft hat recht. Wahrscheinlich ist Arjen Robben das beste One-Trick-Pony der Welt – auch wenn ihm diese Verkürzung sicher nicht gerecht wird.
Die beiden Flügelspieler schossen zusammen 10 Mal aufs Tor, bereiteten 11 Abschlusschancen vor. Das sind herausragende Werte, gerade für ein Champions League-Viertelfinale. Der FC Bayern ist längst nicht mehr abhängig von seiner Flügelzange und doch sind es Ribéry und Robben, die auf allerhöchstem Niveau in jedem Spiel den Unterschied ausmachen können. Das 3:1 gegen Manchester United ist in dieser Hinsicht die Fortsetzung einer langen Liste bedeutender Spiele, die von ihnen maßgeblich geprägt wurden. Ihre tolle Leistung ist auch der Grund, dass ich an dieser Stelle nicht über die insgesamt eher enttäuschenden Auftritte von Mario Götze und auch Toni Kroos sprechen muss. Dazu mehr im Verlauf der Woche. Jetzt gilt erstmal nur eins: Halbfinale. o/