Pokal-Vorschau: Vorsicht vor Kara und Bischoff
Wie bewertest Du den durchwachsenen Saisonstart der Preußen?
Schulte: „Dass das Auftaktprogramm nicht leicht sein würde, war vorher schon klar. Rostock, Dresden, Cottbus, das Derby in Osnabrück, die chronisch schwierigen Spiele gegen eine sogenannte „Zweitvertretung“, hier der VfB Stuttgart II: es hätte auch leichtere Spiele gegeben. Dennoch: Dass nach vier Spielen nur vier Punkte in der Tabelle herausspringen, überraschte dann doch einige. Zumal nach vier Gegentoren im ersten Saisonspiel die Defensive Sicherheit gewonnen hatte. Es hat natürlich nicht geholfen, dass die vermeintlich erste Elf noch nicht steht. Sperren (Amaury Bischoff, Jens Truckenbrod) und Verletzungen (Kevin Schöneberg, Benjamin Siegert) haben für einige Positionswechsel gesorgt. Gerade im Mittelfeld ist derzeit noch viel Bewegung, da hat der Trainer noch keine echte Formation gefunden.“
Was hat sich seit 2012/2013, als Preußen Münster 72 Punkte holte und nur knapp den Aufstieg verpasste – und in der ersten DFB-Pokalrunde Werder Bremen schlug – in der Mannschaft verändert? Warum fällt es dem Team seitdem schwer aus dem Mittelfeld der 3. Liga heraus zu kommen?
Schulte: „In Münster fokussiert sich die Bewertung tatsächlich stark auf die Hinrunde 2012/2013. Damals passte aber alles zusammen: Die Neuzugänge erwiesen sich als klare Verstärkung. Dimitri Nazarov (heute beim KSC) und Amaury Bischoff (vom SCP in der zweiten portugiesischen Liga „wiederentdeckt“), brachten spielerische Klasse nach Münster. Der sensationelle Sieg gegen Bremen sorgte zudem für eine Art „Selbstläufer“-Effekt, bemerkenswerte Auftritte (4:0-Derby-Sieg gegen Bielefeld) beflügelten das Team. Aber in der 3. Liga stellen sich Gegner gegen spielstarke Teams robust und defensiv kompakt auf – das merkte der SCP in der Rückrunde deutlich. Da ging der Schwung verloren, Winter-Nachverpflichtungen brachten offenbar auch eine gewisse Unruhe ins Team. Aber das Anspruchsdenken war nun einmal da und vieles wurde an der erfolgreichen Hinrunde 2012 gemessen. Der Trainerwechsel von Pawel Dotchev zu Ralf Loose brachte wiederum einen gewissen Wechsel in der Spielanlage mit sich. Dazu musste die Mannschaft umgebaut werden und im vergangenen Jahr waren viele Neuzugänge letztlich keine echten Verstärkungen. Eine kontinuierliche Entwicklung war damit nicht möglich.“
Welches taktische System verfolgt Ralf Loose und wie erwartest Du die Münsteraner im Spiel gegen die Bayern?
Schulte: „Üblicherweise tritt der SCP mit zwei Sechsern auf, vorn mit einer Spitze. Zuletzt in Dresden wurde dieses System auf ein 4-1-4-1 umgestellt, um im Mittelfeld mehr Zugriff aufs Spiel zu bekommen. Die Preußen operieren oft mit langen Bällen aus der Defensive, aber setzen dabei die Offensivkräfte nicht immer gut ein. Das Umschalten aus der Defensive ist derzeit nicht gut. Neuzugang Marcel Reichwein ist eher ein klassischer Mittelstürmer, der vorne auf Anspiele angewiesen ist – aber die klappen noch nicht. Gut möglich, dass gegen die Bayern erst einmal die Rückkehr zu zwei Sechsern ansteht. Auch wenn die bisherigen Spiele etwas anderes andeuten: Verstecken will sich der SCP sicher nicht, sondern versuchen, eigene Akzente zu setzen.“
Auf welche Spieler sollten die Münchener besonders achten? Wer kann zum X-Faktor werden?
Schulte: „Zwei Spieler stehen besonders im Fokus: Mehmet Kara, der Erfahrungen aus der ersten türkischen Liga und Zweitliga-Spiele beim SC Paderborn mitbringt. Nach einem mehr als durchwachsenen Jahr hat Kara zuletzt zu starker Form gefunden. Er ist für überraschende Szenen gut, ein klassischer Dribbler, der über die Seiten für Gefahr sorgen kann. Die unbekannte Größe ist Amaury Bischoff. Der hat eine schlimme Saison mit drei Roten Karten hinter sich, brachte die Fans gegen sich auf und war in den ersten drei Saisonspielen gesperrt. Mehr als einmal signalisierte er seinen Wechselwillen – aber zuletzt in Dresden durfte er von Beginn an ins Spiel. Er ist fraglos einer der „Edeltechniker“ im Mittelfeld des SCP und wenn er zu seiner Form findet, kann er das Spiel der Preußen lenken. Ein dritter Spieler mit besonderem Potenzial ist zudem der frühere Osnabrücker Marcus Piossek. Er kam 2013 vom VfL und startete nicht fit in die Saison – erst jetzt findet er zu alter Stärke und war zuletzt regelmäßig bester Spieler im Team. Er ist technisch stark und immer für eine besondere Aktion gut.“
Underdogs brauchen im DFB-Pokal immer auch einen herausragenden Torwart, wenn Sie eine Chance haben wollen? Wie bewertest Du die Stärken und Schwächen von Daniel Masuch?
Schulte: „Über Daniel Masuch wird derzeit viel diskutiert. Er ist mit 37 Jahren sehr erfahren, hat für Paderborn 2. Liga gespielt. Zuletzt stand er immer häufiger in der Kritik, weil er vermeintlich nicht mehr in bester Form ist. Im direkten 1:1 hat er fraglos seine Stärken. Bei Distanzschüssen ist er anfällig oder bei Standards wie Ecken (Strafraumbeherrschung) manchmal „unentschlossen“. Seine Spieleröffnung stand zuletzt in der Kritik – zu langsam oder zu ungenau. Im Heimspiel gegen Cottbus wurde er tatsächlich von den eigenen Fans ausgepfiffen und seitdem ist die Frage deutlicher geworden, ob nicht der zweite Torwart Maximilian Schulze Niehues mal eine Chance bekommen sollte. Das Trainerteam steht aber klar zu Masuch.“
Der FC Bayern geht am Sonntag-Nachmittag nach dem Supercup und der Martínez-Verletzung auf jeden Fall mit einigen Fragezeichen in die Partie gegen den Drittligisten aus Münster. Dreier- oder Viererkette? Mit Weltmeistern oder ohne? Bekommt Gaudino weiter eine Chance? Es könnte ein erster Fingerzeig werden je nachdem wie Guardiola seine Mannschaft am Sonntag nach der Martínez-Verletzung ausrichtet.
Pokalspiele in der ersten Runde waren für die Münchener in der Vergangenheit immer auch eine gute Gelegenheit, um ein wenig Momentum in Richtung Saisonstart aufzunehmen. Schief ging zuletzt etwas vor ziemlich genau 20 Jahren – beim legendären 0:1 gegen Vestenbergsgreuth. Auch wenn nicht allzu viel dafür spricht, dass sich ähnliches gegen Münster wiederholt – gewarnt sein sollte die Guardiola-Elf allemal.