Die Grenzen der Improvisation

Christopher Trenner 14.08.2014

Dies bedeutet zum jetzigen Zeitpunkt eine Pause von ca. sechs Monaten sowie ein langsamer gezielter Formaufbau nach der Verletzung. Die Saison ist wohl je nach Verlauf der Verletzung für den Basken gelaufen.

Die Planspiele vor der Verletzung

Die Verletzung von Javi Martinez, dem geplanten Turm in der neuen Dreierkette, wirft die komplette Vorbereitung über den Haufen. Ein Kartenhaus fällt in sich zusammen. Schon vor der Verletzung von Martinez war die geplante Dreierkette sehr dünn besetzt, da mit Dante, Jerome Boateng und Holger Baderstuber nur drei gelernte Innenverteidiger im Kader standen. Javi Martinez ist die Nummer 4 – da er polyvalent ausgebildet wurde, kann der junge Baske sowohl im Mittelfeld als auch in der Abwehr spielen. Dabei war ihm die Rolle als zentraler Spieler in der Dreierkette wie auf den Leib geschneidert. Nichtsdestotrotz sind vier Spieler für drei Positionen angesichts der vielen Pflichtspielen nicht gerade viel. Nicht umsonst bemühte sich der FC Bayern vergeblich um einen neuen Innenverteidiger. Die wohl lange verfolgte Lösung David Luiz ging nach Paris. Bei anderen Spielern stimmte das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht, sodass der Verein vorerst auf einen Transfer verzichtet hatte und leicht unterbesetzt in die Saison gehen wollte.

Pep Guradiola ist dieses Problem bekannt und er setzte während der USA Reise bzw. beim Supercup Spiel in Dortmund auf einen Außenverteidiger David Alaba als linken Innenverteidiger. Nicht nur das Spiel gegen die Borussia hat gezeigt, dass die Position für Alaba zu früh kommt. In nahezu allen Vorbereitungsspielen schlichen sich beim Österreicher immer wieder eklatante Fehler ein, die er in den letzten Jahren nie gezeigt hat. Unerklärliche Stellungs- und Abspielfehler reihten sich fast im Minutentakt aneinander. Alaba wurden die Grenzen aufgezeigt. Er ist noch kein Innenverteidiger.

Eine weitere Unbekannte im Kader ist Holger Badstuber. Eigentlich kann und darf Pep Guardiola nicht voll auf ihn bauen, schließlich war seine Verletzungspause fast zwei Jahre lang. Niemand kann eine Prognose abgeben, ob und inwiefern das Knie ungewollte Reaktionen zeigt. Holger Badstuber wurde beim letzten Test und im Supercup geschont, was eher dafür spricht, dass er noch nicht so weit ist, um Javi Martinez von 0 auf 100 zu ersetzen.

Alles zurück auf Anfang – die Wiedergeburt der Viererkette?

Vieles deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass Pep Guardiola wieder auf eine Viererkette wechseln wird. Schon alleine, weil durch die Verletzung von Martinez mit Alaba, Dante und Badstuber drei von vier möglichen Innenverteidigern linksfüßig sind. Dies könnte vor allem für den Spielaufbau zum Problem werden.

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In einer Viererkette könnte Alaba auf seiner angestammten Position agieren. Hinter Boateng und Dante daraufhin Badstuber wieder zu seiner alten Stärke finden und langsam an das Team herangeführt werden. Auf der Rechtsverteidigerposition wird wohl Philipp Lahm spielen, da auch Rafinha vorerst verletzt ausfallen wird. Natürlich könnte auch Rode in diese Rolle springen. Pierre-Emile Højbjerg konnte auch in Dortmund die Position als rechter Außenverteidiger nicht nachhaltig prägen. Daher wird der Däne wohl wieder eher ins zentrale Mittelfeld rücken.

Dort sammeln sich aber auch mit einer Viererkette Baustellen. Bastian Schweinsteiger kann die Rolle als alleiniger zentraler defensiver Mittelfeldspieler nicht ausfüllen. Somit bleibt nur ein 4-2-3-1 mit Sebastian Rode als Partner. Hier brillierte der Neuzugang bereits in den ersten Testspielen. Als Alternativen drängen sich Pierre-Emile Højbjerg oder Gianluca Gaudino als Partner auf, vorausgesetzt Philipp Lahm spielt in der Abwehr. Je nachdem wie Pep Guardiola das Spiel angehen möchte, könnte er den defensiv stärkeren Højbjerg neben Schweinsteiger stellen oder den offensiveren Gaudino.

Doch ein Transfer?

Der Sportvorstand wird sich die Frage stellen müssen, ob er nicht noch mal auf dem Transfermarkt tätig wird. Thiago wird wohl noch einige Zeit fehlen und frühesten Mitte Oktober einsteigen. Rafinha fehlt auch bis Ende September und Javi Martinez wird höchstwahrscheinlich die komplette Saison verpassen. Hinzu kommt die Situation mit der unklaren Fitness- und Formsituation bei den Weltmeistern/WM-Teilnehmern. Des Weiteren erweitert sich die Verletzungshistorie von Franck Ribery von Woche zur Woche.

Wenn Sammer sich entscheidet, nochmals tätigt zu werden, ist die spannendste Frage: Auf welcher Position? Wie bereits geschildert, wurde bei vielen Innenverteidigern der Daumen nach unten gesenkt. Es scheint so zu sein, als wäre der Markt auf der Position abgegrast. Eine Baustelle könnte mit einer Verpflichtung eines defensiven Mittelfeldspielers gelöst werden. Dieser Spieler würde Schweinsteiger in einem 4-2-3-1 helfen die Mitte dicht zu halten oder in einem 4-1-4-1 die Rolle in der Zentrale alleine übernehmen, sollte Schweinsteiger eine Pause brauchen. Allerdings könnte die FC Bayern Jugend diese Position wohl auch ausfüllen.
Nicht immer werfen Verletzungen ein Team zurück. Jupp Heynckes wurde in seiner ersten Saison durch die Verletzung von Rafinha etwas zu seinem Glück gezwungen, als er Philipp Lahm als dauerhafte Lösung auf der rechten Verteidigerposition brachte. Für David Alaba war dies der Durchbruch. Seine Karriere hatte in der Zwischenzeit etwas an Fahrt verloren, nachdem er bereits von Louis van Gaal als Linksverteidiger aufgebaut wurde, sah Jupp Heynckes nicht unbedingt einen Abwehrspieler in Alaba. Erst einige Verletzungen brachten Heynckes zum Umdenken.

Die Frage wird sein, wie viel Improvisation kann sich der FC Bayern angesichts der vielen Verletzungen bzw. Rückschlägen in der Vorbereitung leisten. Die Idee von Pep Guardiola eine Dreierkette zu spielen ist viel zu smart – und bietet zu viele Vorteile, um sie wegen einer Verletzung aufzugeben. Dies scheint angesichts der Verletzungen und der dünnen Personaldecke aber notwendig bzw. sollte zumindest gründlich durchdacht werden. Allerdings setzte Pep Guardiola trotz aller Widrigkeiten während der kompletten Vorbereitung auf die Dreierkette. Ein Wechsel des Grundsystems nach dem ersten Pflichtspiel ist nicht minder riskant. Pep Guardiola wird den Kader genau durchforsten müssen, ob noch ein Spieler im Kader steht, der dauerhaft Martinez als zentraler Innenverteidiger ersetzen kann. Die naheliegendste Option wäre Holger Baderstuber, aber diese ist noch nicht so weit. Pep Guardiola wird sicherlich auch an Schweinsteiger als mögliche Alternative denken, zugleich aber sehen, dass dies eine Lücke ins Mittelfeld reißen kann. Mehr denn je ist die Kreativität von Matthias Sammer & Pep Guardiola gefordert, die richtige Entscheidung zu treffen.