Spieler des Monats November: Alphonso Davies

Marc Trenner 06.12.2019

Die Karriere vor den Bayern

Es ist nicht ganz ein Jahr her, dass der in Ghana geborene Kanadier Alphonso Davies im zarten Alter von 18 Jahren zu den Bayern stieß. Seine außergewöhnlichen körperlichen Fähigkeiten waren für jeden Interessierten von Anfang an sichtbar. Den alten Spruch „Geschwindigkeit kann man nicht lernen“ hatten sich die Scouts der Bayern ganz offensichtlich sehr zu Herzen genommen, als sie Davies für 10 Millionen Euro von den Vancouver White Caps verpflichteten.

Noch während er bei den White Caps spielte, machte sich Davies unter Eingeweihten einen Namen aufgrund seiner zahlreichen YouTube-Clips, die sein Potential mehr als deutlich machten. Seine Läufe und sein Repertoire an Fähigkeiten wirken geradezu instinktiv. In manchen Momenten wirkte er wie eine sich unaufhaltsam Bahn brechende Naturgewalt. Im April 2018 erklärte Goalimpact ihn zum besten 17 jährigen Spieler, Monate bevor die Bayern ihn verpflichteten.

Einige Dinge über Davies jedoch gaben Anlass zu zögern. Zunächst einmal ist die MLS immer noch eine dritt- bis viertklassige Liga. Man kann dort einiges an rohem Talent und Athletik finden, aber in Sachen fußballerischen Niveaus hinkt die Liga europäischen Standards weit hinterher. Dann waren Davies Leistungen alles andere als konstant. Er hatte zwar immer wieder einige dieser brillanten YouTube Momente, aber ganz oft konnte er auch nicht aus dem allgemeinen spielerischen Mittelmaß hervorstechen. Obwohl so etwas für einen jungen Mann im Alter von 17 bis 18 natürlich erwartbar ist, bleibt doch festzuhalten, dass wenn einem so etwas schon in einer ganz schwachen Liga passiert, wie soll es dann einem solchen Spieler erst in einer kompetitiven Liga ergehen?

Zu guter Letzt war es gerade dieses schwache spielerische Niveau der Liga, das ihm erlaubte alleine ganze Verteidigungsreihen auseinanderzunehmen, welches auch einen bedeutenden Einfluss auf seine Entwicklung als Fußballer hatte. Die größten Probleme bei Fußballern aus Nordamerika sind ihr mangelndes taktisches Verständnis und ihre unterentwickelten technischen Fähigkeiten. Es gibt zahlreiche körperlich reichhaltig gesegnete Talente, aber der Mangel an vernünftigen Trainern und qualifiziertem Training in jungen Jahren behindert ihre Entwicklung deutlich.

(Bild von Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Unauffällige Anfänge bei den Bayern

In Anbetracht all dieser Umstände konnte es niemanden wirklich überraschen, dass Davies bei den Bayern nicht von Anfang an direkt die Sterne vom Himmel spielte. Das Konkurrenzniveau im Kader und in der Bundesliga war zu stark für ihn und obwohl er in der Partie gegen Mainz ein Tor schoss, konnte er am Ende der letzten Saison mit lediglich 74 Minuten Einsatzzeit insgesamt nur auf ein enttäuschendes halbes Jahr zurückblicken.

Es folgte die Sommervorbereitung der Bayern in den USA und obwohl es niemals anzuraten ist, den sommerlichen Vorbereitungsspielen der Topvereine auf ihren diversen Trips um die Welt zu viel Bedeutung beizumessen, fiel Davies Leistung doch besonders positiv auf. Er wurde nicht nur vom Offensivspieler zum linken Außenverteidiger umgemodelt, er machte seine neue Sache auch noch ausnehmend gut. Obwohl seine Defensivarbeit noch bei weitem nicht perfekt war, war sein immenses Potenzial auf der Außenverteidiger-Position deutlich zu erkennen, nicht zuletzt aufgrund seiner enormen Geschwindigkeit.

Noch beeindruckender war vielleicht, wie schnell er deutlich erkennbar in der Lage war, dazuzulernen. Innerhalb kurzer Zeit verbesserte er sein Positionsspiel, seine Bewegungsabläufe und seine Ballkontrolle signifikant. Seine Bereitschaft dazuzulernen und seine Geschwindigkeit dabei sprechen für ihn und sein commitment zum Sport.

Trotz all seiner Fortschritte sprechen wir hier immer noch über die Saisonvorbereitung. Die Motivationslage der Gegenspieler, ihre beste Leistung zu geben, und die Bedeutungslosigkeit der Begegnungen werfen oft mehr Fragen auf als sie beantworten. Und somit stellte sich naturgemäß die Frage, ob Davis seine hervorragenden Leistungen der Vorbereitungsperiode auch in der regulären Bundesligasaison bestätigen können würde.

Anfangs der Saison war nicht viel von Davies zu sehen. Mit den zwei Nationalspielern David Alaba und Lucas Hernández auf den Außenverteidigerpositionen, einer vollständig gesunden Innenverteidigung und starker Konkurrenz auf den Flügeln sah es zunächst so aus, als würde Davies diese Saison wieder nicht besonders viel Spielzeit bekommen. Aber dann häuften sich die Verletzungen.

Nutzen der Chance

Erst verletzte sich Süle, dann Hernández und plötzlich sah die so reichhaltig bestückte Innenverteidigung der Bayern ziemlich dünn besetzt aus. Als sich dann auch noch Boateng eine rote Karte bei dem Debakel gegen Frankfurt abholte, reduzierten sich die Optionen weiter. Nun blieb dem Trainerteam fast gar nichts anderes mehr übrig, als Alaba in die Innenverteidigung zu ziehen und „Phonsie“ auf der Außenverteidiger-Position starten zu lassen.

Sein erstes Spiel von Beginn an hatte Alphonso Davies somit direkt am nächsten Spieltag gegen Union Berlin – und seitdem hat er keine Minute mehr verpasst. Obwohl er erst einen Assist für sich hat verbuchen können, sind seine Leistungen in jedem Spiel erstklassig gewesen und haben sich von Woche zu Woche sogar noch verbessert.

Innerhalb kürzester Zeit hat er sowohl mit Kingsley Coman im Angriff als auch mit David Alaba in der Verteidigung eine hervorragende Abstimmung gefunden. Der Kanadier ist ganz offensichtlich mit einer gesunden Motivation, hervorragenden Arbeitseinstellung und dem Willen, sich ständig zu verbessern, ausgestattet. Kürzlich zeigten Aufnahmen aus dem Kabinengang vor einem Spiel, wie sich Davies taktische Kniffe und Instruktionen bei David Alaba abholt. Diese kleine Szene spricht Bände und die Ergebnisse sind für jedermann an seinen immer stärker werdenden Leistungen abzulesen.

In einer Saison, die bisher für die Bayern alles andere als ruhig verlaufen ist, ist Alphonso Davies eine der positivsten Überraschungen. Innerhalb nur eines Monats ist er vom Bankdrücker zum unersetzbaren Außenverteidiger geworden. Ein solcher Aufstieg würde jeden Spieler überall auszeichnen, erst recht einen 19-Jährigen Kanadier bei einem so großen Club wie den Bayern. Daher ist er unser verdienter Spieler des Monats November und diese Auszeichnung vielleicht nur ein Vorgeschmack auf weitere persönliche Auszeichnungen in der Zukunft.