Mitgliederdialog des FC Bayern: Die Medaille und ihre zwei Seiten

Justin Trenner 20.04.2021

Der FC Bayern hat vor einiger Zeit einen Mitgliederdialog angekündigt, für den sich Mitglieder im Vorfeld nicht nur anmelden, sondern auch Fragen stellen konnten. Das Thema allerdings wurde vorher festgelegt: Herbert Hainer und Oliver Kahn sollen Einblicke in das Strategieprojekt „FC Bayern AHEAD“ geben.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Stadionsprecher Stephan Lehmann, der aufgrund eines positiven Coronatests nur per Video zugeschaltet war. Bevor es um die Strategie des Klubs ging, hatten Hainer und Kahn jedoch eine Botschaft an die Mitglieder vorbereitet.

„Jede Seite hat zwei Seiten“, eröffnete Hainer, nachdem er bereits ankündigte, über die Geschehnisse am letzten Wochenende zu sprechen. Er äußerte nochmals seinen größten Respekt für das, was Trainer Hansi Flick mit dem FC Bayern erreicht habe.

„Sportvorstand muss mittel- und langfristig kalkulieren“

Dass dieser möglichst viele Top-Spieler haben möchte, um kurzfristig weiterhin erfolgreich zu sein, könne Hainer verstehen. Jeder im Klub sei bestrebt darum, dieses Niveau aufrecht zu erhalten. Dann aber kam er auf den großen Umsatzverlust durch die Coronapandemie zu sprechen, der dazu geführt habe, dass die Möglichkeiten im vergangenen Sommer stark eingeschränkt gewesen wären.

Daran anknüpfend bezog sich Hainer klar auf Hasan Salihamidžić, der zuletzt viel Kritik einstecken musste: „Der Sportvorstand muss mittel- und langfristig kalkulieren“ und die „wirtschaftlichen Zwänge“ beachten. Damit ließ Hainer durchblicken, dass finanziell nicht viel mehr drin war als das, was im vergangenen Sommer ausgegeben wurde. Außerdem war es ihm wichtig, zu betonen, dass „alle Entscheidungen zusammen“ getroffen werden. „Wir wollten den Hansi Flick nicht so einfach gehen lassen“ und doch, so klang es zwischen den Zeilen durch, sei es schließlich nicht anders möglich gewesen.

Auch Oliver Kahn äußerte sich anschließend zu der Thematik und zum Vorwurf, dass mit Flick nicht ausreichend kommuniziert worden sei. Der angehende Vorstandsvorsitzende versicherte, dass mit Flick kommuniziert wurde und es einen „permanenten Austausch“ gegeben habe. Nach dem Spiel gegen Mainz werde es ein weiteres Gespräch mit Hansi Flick geben. Vermutlich wird es darin darum gehen, wie man sich im Interesse aller Parteien am besten trennt. Oder auch: Wie finanziert sich der FC Bayern eine Nachfolgelösung?

Ex-Spieler in der Führungsebene und Super League

Was folgte, war viel Eigenwerbung für den FC Bayern. Bestückt mit vielen Worten, ohne sich groß in die Karten blicken zu lassen. Kahn erklärte umfassend, dass seine Aufgaben etwas mit Strategie, Analyse und Weiterentwicklung zu tun hätten, er sich aber natürlich auf den sportlichen Bereich fokussiere, Hainer und Lehmann nickten zustimmend, fast schon anerkennend. Dann folgte ein sehr schön aufbereitetes Video zur Historie des FC Bayern. Ein bemerkenswertes Zitat: „Der FC Bayern stand schon immer für Professionalisierung und Kommerzialisierung des Fußballs.“

Anschließend wurden sukzessive einzelne Fragen von Mitgliedern eingebunden, die zuvor eingeschickt werden konnten. Manche wurden vorgelesen, andere kamen per Videobotschaft. Ob die Einbindung weiterer Ex-Spieler in die Führungsetage des FC Bayern ein Thema sei, beantwortete Kahn beispielsweise damit, dass es einige Kandidaten geben würde und nannte stellvertretend Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger. Konkret wurde er aber nicht.

Als Lehmann die Super League ins Spiel brachte, wurde Hainer angriffslustig: „Diese Vereine sollten mal ihre Geschäftsmodelle überdenken.“ Kahn wiederum verstärkte die bereits in der Pressemitteilung vertretene Meinung, dass dies jetzt der falsche Weg sei und man der UEFA die Stange halten würde.

Umfrage, Nachhaltigkeit und Qatar

Zwischendrin ging es auch um einige Ergebnisse aus einer Mitgliederumfrage, die im Vorfeld durchgeführt wurde. Interessant ist, dass 41 % sich für die Frauenmannschaft des FC Bayern zu interessieren. 99 % für die Herren, 58 % für die Amateure, immerhin 30 % für die Basketballmannschaft. Ansonsten wurde viel über die Beweggründe gesprochen, Bayern-Fan zu werden. Neben dem Klassiker Heimat erwähnten Kahn und Hainer, dass sie aufgrund einiger Spielerpersönlichkeiten Fans des FC Bayern geworden seien. Kahn verwies auf seine Kindheit, als er mit einer Bayern-Fahne im KSC-Block (Karlsruher SC) gestanden habe. Was gibt es schon Schöneres, als das ganze Stadion gegen sich zu haben?

Eine weitere Mitgliederfrage beschäftigte sich mit der ökologischen Nachhaltigkeit des Klubs. Kahn wich etwas aus, sagte zwar, dass man mit den Partnern im stetigen Austausch sei, ging dann aber eher auf „ökonomische Nachhaltigkeit“ ein und dass es darum gehe, Erfolg mit wirtschaftlichem Augenmaß zu erreichen.

Auch Qatar wurde thematisiert. Welche Anforderungen der FC Bayern an seine Partner stellen würde, wollte Hainer nicht beantworten, dafür gab er aber kleine Einblicke, dass der Klub vor Ort einige Aktionen durchführen würde. Neben der Frauenmannschaft, deren Engagement dort bereits bekannt war, nannte Hainer Vorträge an Universitäten vor Ort, wo es um Menschenrechte gehe. Er betonte: „Dialog ist wertvoller als Ausgrenzung“ und man sei mit allen Partnern stets im Austausch, um sie auch darauf hinzuweisen, „was wir von ihnen erwarten“. Das „Was“ konkretisierte er jedoch nicht.

Meinung: Viel Eigenwerbung

Nachdem insbesondere die Berichterstattung von Sport1 und des Springer-Verlags in den letzten Wochen doch recht klar in eine Richtung tendierte, war es dem FC Bayern wichtig, in der Debatte um Hansi Flick und Hasan Salihamidžić die andere Perspektive aufzuzeigen und sich um ein differenzierteres Bild zu bemühen. Gerade der Hinweis, dass man gemeinsam Entscheidungen in der Klubführung treffe, war ein klares Signal in Richtung jener, die zuletzt alles auf die zwei Protagonisten zugespitzt hatten. Es ist wichtig, dass der Klub hier ein Gegengewicht liefert und zumindest zeigt: Das alles war und ist keine Einbahnstraße.

Der Umsatzverlust, der Schätzungen zu Folge irgendwo zwischen 100 und 150 Millionen Euro liegen soll, hat die Arbeit der gesamten sportlichen Leitung im Sommer erheblich erschwert und das kommt vielerorts schlicht zu kurz. Auch lässt Hainer zwischen den Zeilen durchblicken, dass er Flicks Unzufriedenheit zwar verstehen kann, er sich aber schon erhofft habe, dass er mehr Verständnis für die schwierige finanzielle Situation aufbringt.

Auch der Kicker berichtete am Montag darüber, dass man beim FC Bayern mehr „Identifikation mit den Belangen des Klubs“ erwartet hatte. Leider gingen Kahn und Hainer aber nicht weiter auf die Kommunikation innerhalb des Klubs ein. Zwar wies Kahn darauf hin, dass man stets mit Flick im Austausch war, aber die schweren Vorwürfe zur Art und Weise – vor allem von Miroslav Klose – nahm er nicht auf.

Mehr Vortrag als Dialog

Einerseits verständlich, dass der Klub sich jetzt nicht noch mehr in Unruhe stürzen möchte, andererseits ist das ein Thema, das in den letzten Wochen und Monaten zu offensichtlich wurde, als dass man es einfach unter den Tisch kehren könnte. Oder, um es mit den Sätzen von Karlheinz Wild aus der aktuellen Montagsausgabe des Kickers zu sagen: Dass Flick und Salihamidžić „nicht mehr der Weg gewiesen wurde, ist das eigentliche Versäumnis.“ Ein solches Eingeständnis würde der FC Bayern aber natürlich nicht in der Öffentlichkeit äußern.

Ansonsten gab der Mitgliederdialog nicht viel her. Spannend war allerdings, dass der FC Bayern Vorträge an Universitäten in Qatar (mit)organisiere, die sich mit Menschenrechten auseinandersetzen. Hier wären weitere Einblicke interessant. Ansonsten gab es viel Eigenwerbung, wenig Details, dafür aber professionell verpackt. Dass der Klub sich hier nicht allzu tief in die Karten blicken lässt, war absehbar.

Immerhin wurden auch einige kritische Fragen mit aufgenommen, auch wenn die Antworten recht kurz waren und die Fragensteller:innen keine Möglichkeit hatten, direkt darauf zu antworten. Ein „Dialog“ war es somit eher nicht, sondern vielmehr ein Vortrag des FC Bayern. Aber: Es soll nicht das letzte Mal gewesen sein und vielleicht entwickelt man eine Möglichkeit, hier noch mehr in den Dialog einsteigen zu können.