Fünferpack-Kolumne: Pfiat di, Mats

Maurice Trenner 21.06.2019

Die Kolumne stellt dabei meine persönliche Meinung zu den behandelten Themen dar. Über eure Meinung, anregende Diskussionen sowie konstruktive Kritik in den Kommentaren würde ich mich sehr freuen.

1. Pfiat di, Mats!

Am Ende ging alles ganz schnell. Nicht mal eine Woche nachdem die Springer-Presse fast aus dem Nichts über einen anstehenden Wechsel von Mats Hummels erstmals berichtete, folgte am Mittwoch die Pressemitteilung des FC Bayern. Der 70-fache Nationalspieler verlässt den Rekordmeister nach gerade einmal drei erfolgreichen Jahren und kehrt zurück zu Borussia Dortmund.

Für Hummels selbst ist der Wechsel dabei genauso sinnvoll wie für den ewigen Verfolger aus dem Ruhrpott. Der BVB bekommt einen Leader sowie erfahrenen Strategen, der die junge Verteidigung stabilisieren und nach sieben Jahren endlich wieder einen erfolgreichen Angriff auf den FC Bayern anführen soll. Der Innenverteidiger bekommt die Einsatzgarantie, die ihm in München wohl verwehrt wurde.

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Beim amtierenden deutschen Meister hingegen hinterlässt der Abgang trotz der noch  beachtlichen Ablöse von bis zu 38 Millionen Euro mehrere Fragezeichen. Agiert der FC Bayern wirklich mit Plan auf dem Transfermarkt oder doch eher impulsgesteuert? Kann man den Abgang des in der Rückrunde besten Innenverteidigers im Spiel gegen den Ball und vor allem auch im Spielaufbau kompensieren? Ist ein Boateng bei Verbleib der Fangemeinde nach allem Geschehenen noch vermittelbar und was macht man, sollte der zweite Ex-Nationalspieler ebenfalls gehen? Kann Kovač Kadermanagement oder versucht man ihm gerade den einfachsten Weg zu bereiten in dem man alle Störenfriede verkauft?

Allesamt Fragen, die man wohl erst am Ende der Transferperiode oder gar erst am Ende der nächsten Saison beantworten kann.

Was bleibt jedoch von Mats Hummels nach drei Jahren FC Bayern? Erinnerungen an traumhafte Spieleröffnungen und atemberaubende Diagonalbälle. Die Grätsche der Saison 2016/17 – achwas, die Grätsche des Jahrzehnts. Und natürlich die skurrile #Thomats-Challenge.

2. 50 Jahre Olli Kahn

Legenden sterben bekanntlich nie, aber sie werden älter. In der vergangenen Woche ereilte auch Oliver Kahn dieses Schicksal. Der Titan wurde 50 Jahre alt – ein halbes Jahrhundert. Der vielleicht größte Torhüter des FC Bayern wird im Winter aller Voraussicht nach, elf Jahre nach seinem Karriereende, in den Vorstand des Rekordmeisters aufrücken. Zu diesem Anlass will ich kurz drei prägende Momente in der Karriere von Kahn ansprechen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Patzer im WM-Finale: Die Geschichte des Oliver Kahn ist auch eine der Rückschläge. Barcelona 1999. Roberto Carlos 2004. Und eben Yokohama, Ronaldo 2002. Nach seinen sensationellen Paraden in den K.o.-Spielen gegen Paraguay, die USA und Südkorea patzte der als Held gefeierte Kahn ausgerechnet im Finalspiel, das die deutsche Mannschaft ohne ihn gar nicht erst erreicht hättel. Einen Schuss von Rivaldo konnte er nur abprallen lassen. Ronaldo vollstreckte eiskalt. Nach dem Spiel sitzt der Titan untröstlich und alleine am Pfosten. Er, der Übermensch, wirkt plötzlich ganz menschlich. In der Nationalmannschaft soll ihm auf immer der Erfolg verwehrt bleiben.

Kahn! Die Bayern!: Der vielleicht größte Moment und Triumph im Sportlerleben von Kahn darf hier natürlich nicht fehlen. Zwei Jahre nach der bitteren Pleite gegen Manchester United, ist in Mailand alles angerichtet für einen guten Tag, um Geschichte zu schreiben. Die Geschichte des FC Bayern, aber auch von Kahn, der im Elfmeterschießen mit drei Wahnsinnsparaden den Sieg der Bayern festhielt. Den ersten Schuss von Zahovič klärte er souverän. Den Ball von Carboni lenkte er per Reflex an die Unterkante der Latte und als er gegen den letzten Schützen Pellegrini hielt, brachen alle Dämme. Oder um es mit Marcel Reif zu sagen: Kahn – wer sonst?

Oliver Kahn avancierte im Champions-League-Finale 2001 zum Helden und hielt drei Elfmeter. Diese Woche wurde der Titan 50 Jahre alt.
(Foto: Gabriel Bouys/AFP/Getty Images

Die gebrochene Nase von Getafe: Nach einer schwachen Saison, musste der FC Bayern 2006/07 im Cup der Verlierer antreten. Statt ins Bernabeu ging es zum Viertelfinale in die Madrider Vorstadt Getafe. Und siehe da, der große FCB strauchelte gewaltig. In der Verlängerung stand es erst 3:1 für die Spanier. Nach Tor von Luca Toni dann nur noch 3:2, doch es lief schon die Nachspielzeit. Freistoß Sosa von der linken Seite. Kahn ist mit vorne, obwohl er noch nie getroffen hatte. Am Sechzehner kommt der Ball tatsächlich zu ihm und er gewinnt das Kopfballduell. In der Mitte trifft Toni zum 3:3. Alle Münchner sind außer Rand und Band. Im Überschwung der Gefühle bricht Kahn beim Jubel Mark van Bommel die Nase. Egal.

3. Leihe oder Rückkaufoption?

Trotz des vielumjubelten Aufstiegs der Amateure hat der FC Bayern mittlerweile einige junge Spieler im Kader, für deren weitere Entwicklung Spielpraxis in der dritten Liga nicht ausreichend ist. Mit Adrian Fein und Woo-Yeong Jeong hat man bereits zwei dieser Spieler abgegeben. Doch während Mittelfeldregisseur Fein für ein Jahr zum HSV ausgeliehen wurde, verkaufte man Jeong ins beschauliche Breisgau. Dabei wurde wohl eine Rückkaufoption in den Vertrag geschrieben. Doch welcher Weg ist denn nun der bessere?

Beim Stichwort Leihe fallen dem Bayern-Fan als erstes Lahm, Kroos und Alaba ein. Allesamt positive Beispiele für eine gute Ausleihe zum richtigen Zeitpunkt. Die Leihe ist eine gute Option, um jungen Spielern Spielpraxis zu verschaffen ohne die Kontrolle über deren weiteren Karriereweg aus der Hand zu geben. Doch der aufnehmende Verein muss auch zum Spieler passen. Sonst ergeht es dem Talent wie Renato Sanches in Swansea, dessen Leihe sich zum schlechten Albtraum entwickelte. Ein neuer Trainer oder Unruhen im Management können schnell die Spielzeit kürzen und damit die Leihe zum Misserfolg werden lassen. Ein verschenktes Jahr in der Ferne.

Dann doch lieber ein Verkauf mit Rückkaufoption? Hier hat der abgebende Verein immerhin alle Möglichkeiten. Wenn sich der Spieler nicht durchsetzt kann, besteht keine Pflicht ihn wieder aufzunehmen. Falls doch, so kann man ihn meist unter Marktwert zurückholen. Ein Modell, dass beispielsweise Real Madrid bei Dani Carvajal erfolgreich anwandte. Zudem bietet ein Verkauf den Vorteil, dass sich der Spieler im Verein einfacher integrieren kann, da sein Abgang nicht vom ersten Tag an feststeht. Ein negatives Beispiel zeigt jedoch ausgerechnet der FC Bayern. So hatte man sich bei Emre Can eine Rückkaufoption gesichert. Als der Nationalspieler jedoch nach einer Saison zu Liverpool weiterzog, verlor man jegliche Ansprüche.

Die Leihe scheint damit zwar sicherer, kann aber auch weniger erfolgreich sein. Es wird spannend sein zu sehen, mit welcher Strategie der FC Bayern bei den weiteren Kandidaten Lukas Mai und Christian Früchtl vorgehen wird. Die Frage wird zudem sein, welche Option am ehesten zum individuellen Entwicklungsplan des Spielers passt.

4. Neue Kader-Hierarchie

Mit Hummels, Ribéry, Robben und Rafinha verliert Bayern enorm viel Routine. Zusammen mit dem ebenfalls scheidenden James sind es gar 2460 Pflichtspiele Erfahrung. Doch auch in der Kabine verliert man einige wichtige Charaktere. Mit Ribéry und Rafinha verliert München zwei Sympathieträger, mit Robben einen Mentor sowie ein Vorbild für junge Spieler und mit Hummels einen Klassensprecher Leadertyp.

Höchste Zeit, dass andere Spieler in diese Rollen vorstoßen. Der Altersschnitt des Bayern-Kaders wird deutlich sinken und somit sind nun speziell die jüngeren Spieler gefragt. Laut einem Bericht der Springer-Presse sollen vor allem Kimmich und Thiago mehr Verantwortung übernehmen und in die nächste Hierachieebene aufsteigen. Eine sehr kluge Entscheidung. Der Spanier ist bereits auf dem Platz der Dreh- und Angelpunkt. Daher ist es mehr als sinnvoll, dass er nun auch in der Kabine in diese Rolle schlüpft.

Der Kapitän, sein Stellvertreter und der Nachfolger? Kimmich, Neuer und Müller (v.l.).
(Foto: Nigel Treblin/AFP/Getty Images)

Über Kimmich herrscht bei weiten Teilen der Bayern-Fans sowieso die einhellige Meinung, dass er über kurz oder lang auch für das Amt des Kapitäns in Frage kommen wird. Seine Körpersprache und Energie auf dem Platz unterstreichen seine Mentalität. Bei Interviews antwortet er besonnen und selbstkritisch, wie vielleicht sonst nur ein Hummels. Zudem lebt er das Arbeitspensum eines Musterprofis vor.

5. Aber bitte mit Sané

Wenn ein Flügelstürmer mit 23 Jahren in 89 Premier-League-Spielen schon 25 Tore geschossen und 31 Vorlagen abgegeben hat, zudem deutscher Nationalspieler ist und nur die kleinste Möglichkeit besteht, dass er auf dem Transfermarkt verfügbar sein könnte, dann muss man als deutscher Rekordmeister das Transferfenster weit aufreißen und den Reifen der Schubkarre vorsorglich aufpumpen. Seit Wochen halten sich die Gerüchte, dass Leroy Sané in Manchester nicht mehr voll zufrieden ist und sich einen Wechsel zum FC Bayern vorstellen könnte. Die vielen Berichte widersprechen sich dabei bezüglich dem tatsächlichen Stand der Verhandlungen.

Ich weiß jedenfalls nicht, wann ich mich das letzte Mal so über einen möglichen Transfer der Münchner gefreut habe. Vielleicht damals als im Sommer 2006 Ruud van Nistelrooy einen neuen Verein suchte? Sané bringt alles mit, was der FC Bayern benötigt – Dribbelstärke, Abschlussgewalt, Schnellig- und Wendigkeit. Er wäre DIE Verstärkung, auf die Bayern-Fans sehnsüchtig warten. Mit ihm würde die Elf von Kovač im Angriff sofort unberechenbarer und durchschlagskräftiger.

Doch was gibt es für Alternativen, falls die Blase Sané am Ende platzen sollte? Der 24-jährige Nicolas Pépé war für Lille diese Saison an unglaublichen 33 Toren beteiligt. Doch kann er das ohne jegliche internationale Erfahrung auf höherem Niveau in der Bundesliga und Champions League wiederholen? Trainer Zidane will den einst teuersten Spieler der Welt Gareth Bale bei Real Madrid vom Hof jagen. Doch will man sich nach James wirklich den nächsten launischen und unzufriedenen Superstar holen, der zudem ein horrendes Gehalt bezieht?

Dann bleibt noch der Prinz des Winters Callum Hudson-Odoi, der momentan eine schwere Achillesverletzung laboriert. Trotz seiner Anlagen sieht bei ihm das Bild ähnlich wie bei Pépé aus. Ein herausragendes Talent, aber nicht der difference-maker den die Münchner gerade benötigen.

Der FC Bayern muss all-in und auch über seine Schmerzgrenze gehen bei Sané. So eine Chance bietet sich dem Rekordmeister sonst so schnell nicht wieder.