Martin Ødegaard – ein Teenager startet durch

Christopher Trenner 14.12.2014

Zuletzt reiste der junge Norweger, der mittlerweile seinen Hauptschulabschluss errungen hat, durch halb Europa und trainierte nahezu mit jedem europäischen Top-Klub. Anfang Dezember zum Beispiel bei der Profimannschaft vom Liverpool FC. Wenige Zeit später schaute er sich die Trainingsanlagen bei Real Madrid an. Dort würde er aber nur in der zweiten Mannschaft spielen, was dem Vernehmen nach nicht seine erste Wahl ist. Auch die Trainingsstätten von Borussia Dortmund und dem VFB Stuttgart hat Martin Ødegaard schon besucht. Zuletzt auch mehrfach die des FC Bayern. Schon im August trainierte er in München und zuletzt zwei Tage mit den Profis vor dem wichtigen Spiel gegen den FC Augsburg. Eilig scheint es Ødegaard nun aber doch nicht mehr zu haben, angeblich stehen noch Besuche in Barcelona und bei Ajax Amsterdam auf dem Plan. Dennoch sieht sich der FC Bayern aktuell in der Poleposition. So wird Karl-Heinz Rummenigge mit folgenden sehr offensiven Aussagen zitiert: „Wir bemühen uns sehr um ihn, und ich glaube, dass wir eine gute Chance haben“

Warum jagt halb Europa einen 15-Jährigen?

Zunächst einmal ist es seine körperliche Entwicklung. Ødegaard ist seit fast einem Jahr den Nachwuchsmannschaften entwachsen. Mit knappen 14 Jahren spielte er bereits in der U-19-Mannschaft seines jetzigen Vereins Strömsgodset IF. Dort endet übrigens sein „Ausbildungsvertrag“ Ende 2015. Dieser setzte ihn am 13. April 2014 bei der Profimannschaft gegen den Aalesunds FK als jüngsten Spieler der norwegischen Liga überhaupt ein. Er war zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre und 151 Tage alt. Knapp vier Wochen später feierte er sein erstes Ligator. In der abgelaufen Saison (in Norwegen wird eine Saison von März bis November gespielt) erzielte er in 23 Ligaspielen fünf Tore und lieferte sechs Assists. Seine konstanten Leistungen brachten ihn auch eine Nominierung für die A-Nationalmannschaft ein. Seinen ersten Einsatz absolvierte er – als jüngster norwegischer und viertjüngster europäischer Spieler aller Zeiten – am 27. August 2014 gegen die Vereinigten Arabischen Emirate. Am 13. Oktober 2014 wurde er beim Spiel gegen Bulgarien eingewechselt und zum jüngsten Spieler der EM-Quali-Geschichte.

Angesichts des Niedergangs des norwegischen Fußballs in den letzten Jahren müssen diese Zahlen aber ins rechte Licht gerückt werden. Die Zeiten, in denen Rosenborg Trondheim & Co. die Champions League aufmischten, sind seit einigen Jahren vorbei. In der europäischen Fünfjahreswertung liegt Norwegen auf dem 27. Platz hinter der Slowakei aber noch vor Bulgarien. Auch der Glanz der norwegischen Nationalmannschaft ist verblasst. Die letzte Endrundenteilnahme gab es im Jahr 2000. Dort konnte in der EM-Vorrunde sogar Titelfavorit Spanien geschlagen werden. So gesehen ist es durchaus verständlich, dass ein überdurchschnittlicher Spieler sowohl in der Liga als auch in der Nationalmannschaft auftrumpfen kann, da die Konkurrenzsituation nicht so groß ist.

Dennoch ist es natürlich beachtlich, wie sich Ødegaard auf dem Platz bewegt. Der junge Norweger spielt meist auf der „10er“-Position, kann aber auch auf beiden Flügeln eingesetzt werden, da er eine unglaubliche Beweglichkeit mitbringt. Überwiegend setzt Ødegaard auf seinen linken Fuß, wobei er es durchaus auch versteht, mit seinem „schwächeren Fuß“ etwas anzufangen. Zudem verfügt er über eine gute Ballführung, Reaktionsfähigkeit und Schnelligkeit. Alleine dadurch hat er sich bereits zum Youtube-Star entwickelt. Mittlerweile gibt es etliche Trickvideos von ihm. Gelobt wird zudem seine taktische Fertigkeit, was im modernen Fußball mit die größte Gabe ist – soweit dies anhand von Videos beurteilt werden kann.

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Alles kann, nichts muss

Dass er nun mehrfach vom FC Bayern eingeladen worden ist – und er auch bei den Profis vorspielen konnte, spricht natürlich für sein Talent. Ob es gut genug ist, um dem europäischen Fußball in den nächsten Jahren seinen Stempel aufzudrücken, bleibt abzuwarten. Goalimpact sieht bei ihm durchaus Potenzial: Sein jetziger Wert beträgt 88.12, allerdings wird der Peak „nur“ bei 120.85 gesehen, was aber durchaus an der dünnen Datenlage von 25 Pflichtspielen liegen kann.

Die entscheidende Frage wird sein, ob der FC Bayern Martin Ødegaard und seinem Vater, der als Berater auftritt, die nötige Perspektive aufzeigen kann. Der Spieler und der Vater erhoffen sich wohl kurz bis mittelfristig Einsätze bei der Profimannschaft. Die Frage wird sein, ob der FC Bayern ihm das bieten kann. Zumal man in der Offensive durchaus üppig bestückt ist. Auch wenn Shaqiri den Verein im Winter verlassen sollte. Eine seriöse Prognose kann zum jetzigen Zeitpunkt wohl nicht abgegeben werden. Obwohl es mit Pep Guardiola einen der größten Förderer von jungen Spielern auf der Trainerposition gibt, haben aktuell auch die Nachwuchstalente aus den eigenen Reihen sichtbare Integrationsprobleme. Es stellt sich die Frage nach einem konkreten Plan des Vereins bei der Integration der Jugend unter dem Gesichtspunkt des maximalen Erfolges »ohne Aussetzer«. Ein schmaler Grat zwischen konstanten Siegen der Mannschaft und wichtigen Spielminuten auf Profi-Niveau für sich entwickelnde Jungprofis.

Angesprochen auf Ødegaard wollte sich Pep Guardiola aber in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Augsburg nicht äußern. Finanziell wäre es für den Verein natürlich eine Chance, einen talentierten Spieler ohne große Ablöse zu verpflichten. Allerdings gibt es keinerlei Garantie, dass sich Ødegaard so entwickelt wie erhofft. Alles kann, nichts muss.