„Carlo muss nicht hart, sondern durchdacht, arbeiten“ – Martí Perarnau über sein neues Buch

Felix Trenner 17.11.2016

Martí Perarnau, Sie haben jetzt drei Jahre lang mit Pep Guardiola und dem FC Bayern verbracht. Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Ich arbeite derzeit an einem neuen Projekt, das sich mit der taktischen Entwicklung im Fußball seit den 1860er Jahren beschäftigt. Es ist ein etwas verrücktes Projekt, aber wahnsinnig spannend. Wir denken ja immer, dass sich der Fußball, wie wir ihn heute kennen, erst vor 40 oder 50 Jahren taktisch weiterentwickelt hat – aber das ist falsch. Ich habe im aktuellen Buch eine Passage geschrieben, die sich mit Edward Niedham, dem Kapitän von Sheffield United, beschäftigt, der 1901 über das Aufbauspiel der zentralen Mittelfeldspieler geschrieben hat. Man muss sich das vorstellen: Vor 115 Jahren gab es im Fußball bereits dieselben Gedanken wie heute.

Interessieren solche historischen Themen Pep Guardiola eigentlich?

Durchaus. Es ist gar nicht mal so, dass er extrem viel Wissen mitbringt – aber er zieht trotzdem seine Lehren aus der Geschichte. Ein gutes Beispiel ist die Idee, Messi in Barcelona als falsche Neun aufzustellen: Die Idee hatte Pep von Juanma Lillo, einem der größten Experten auf dem Gebiet der historischen Taktik, der ihm von Spielern wie Adolfo Pedernera erzählte, die diese Rolle bereits gespielt hatten.

Wann brachte Pep diese Erfahrungen ins Bayern-Spiel ein?

Da könnte man sich zum Beispiel die Partie gegen Köln im Oktober 2015 anschauen. Pep ließ im 2-3-5 spielen und auf Twitter haben Leute angefangen, Grafiken zu bauen, die das System mit dem der Ungarn in den 1950er Jahren verglichen. Er hat das gelesen und meinte zu mir: ‚Schau dir das an, die sagen, mein Team hat wie eine der besten Nationalmannschaften aller Zeiten gespielt!’

Wie ein Baum an der Säbener Straße

Hat sich der Arbeitsprozess beim zweiten Buch eigentlich verändert?

Das erste Buch war von Anfang an so geplant, ich wollte Peps Leben und Arbeit in seinem ersten Jahr in München beschreiben. Daher ist es dann zu einer Art Chronik geworden: Ich habe aufgeschrieben, was im Training, bei den Besprechungen, den Spielen et cetera passiert. Danach hatte ich eigentlich gar nicht an eine Fortsetzung gedacht – aber na gut, jetzt sitzen wir hier und reden darüber.

Wie hat sich das Verhältnis zu den Spielern in den letzten Jahren entwickelt?

Während meinem ersten Jahr waren die Spieler natürlich noch etwas misstrauischer. Ich habe auch versucht, mich ruhig zu verhalten, Freunde von mir haben mich schon als „Baum an der Säbener Straße“ bezeichnet. Nachdem dann aber alle mein erstes Buch gelesen hatten, wussten sie, dass sie nichts zu befürchten hatten und wurden deutlich offener.

Gab es eine besondere Verbindung zu einem Spieler?

Ich habe mich sehr viel mit Xabi Alonso unterhalten, der mir gegenüber sehr offen war. Manuel Neuer, Philipp Lahm und David Alaba waren ebenso wichtig – David vor allem, weil er ein unheimlich netter Kerl ist.

Wie sah ein typischer Tag an der Säbener Straße für Sie aus?

Wenn das Training um elf Uhr Vormittag startet, war ich stets schon etwas früher dort und habe ein paar Eindrücke vor Ort gesammelt. Ich habe es immer genossen mit dem Sicherheitspersonal, das nur bayerisch spricht, oder auch den Gärtnern zu unterhalten. Danach habe ich mir das Training angeschaut und mich dabei mit Pep oder seinen Mitarbeitern unterhalten. Nachmittags habe ich das alles aufgeschrieben.

Sind Sie auch mit dem Team gereist?

Nein, ich habe versucht so unaufdringlich zu sein, wie möglich – wenn ich in manchen Momenten nicht zurückgetreten wäre, hätte das die Spieler irritiert. Und wenn ich ein Problem mit einem der Spieler habe, kann ich mein Buchprojekt vergessen.

Sind Sie zum Bayern-Fan geworden in den letzten drei Jahren?

Ich habe schon versucht, meine Emotionen aus dem Spiel zu lassen und mich daran zu erinnern, dass ich ein Baum bin (lacht). Ich wurde öfters dafür kritisiert, ein Freund von Pep zu sein – das sollte ich vielleicht richtigstellen. Ich habe ihn 2013 kennengelernt und wir haben ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander entwickelt, aber keine Freundschaft.

Sie bezogen in ihre Buch-Recherche nicht nur Personen aus dem Fußball-Geschäft mit ein, sondern trafen auch Kreative wie den Koch Ferran Adriá oder den Dirigenten Christian Thielemann.

Ferran Adriá hat für mich eine sehr wichtige Rolle gespielt. Ich habe ihn 2015 getroffen, also mitten im Projekt. Bis dahin kannte ich Pep sehr gut, hatte oft mit ihm gesprochen – aber erst durch Ferran habe ich ihn richtig kennengelernt.

Also kannten sich beide davor schon?

Es geht in diesem Fall gar nicht darum, dass sie sich kannten, sondern dass sie die gleiche Art haben, über das Leben nachzudenken.

Ist das Positionsspiel bereits verschwunden?

Jetzt ist Pep Guardiola bei Manchester City, wo er laut Ihnen „Geschichte machen“ will. War das auch sein Anspruch, als er nach München kam?

Eigentlich überhaupt nicht. Als er nach München kam, war Pep ein junger Mann, der seine gesamte bisherige Karriere in der Komfortzone verbracht hatte. Er kannte La Masia, Xavi, Iniesta, Messi, den Cruyff-Fußball in- und auswendig. In München kamen so viele neue Dinge auf ihn zu. Die Kultur, die Sprache, die Legenden, die den Verein ausmachen. In Manchester ist das anders: Dort wird er weder die Geschichte des FC Bayern noch die Spielkultur des FC Barcelona vorfinden.

Hat Pep Guardiolas Arbeit in München einen langfristigen Effekt auf den FC Bayern München oder hat Carlo Ancelotti bereits zu viel verändert, um weiterhin die Handschrift von Pep zu erkennen?

Die Bayern haben mit der Verpflichtung von Carlo Ancelotti eine sehr beeindruckende Entscheidung getroffen. Er ist der beste Trainer der Welt, wenn es darum geht, ein Team zu managen. Während ich Pep als Architekten beschreiben würde, ist Carlo eher der Bauleiter. Er wird in jedem Fall mehr Zeit benötigen, um seine Anpassungen der Taktik der letzten Jahre umzusetzen, aber für mich steht dennoch fest, dass er Peps taktische Hinterlassenschaft perfekt verwalten kann. Er wird weiterhin ein Team auf das Feld schicken, das denselben Siegeswillen zeigt wie unter Pep.

Aus Fan-Sicht ist es dennoch etwas traurig, dabei zuzusehen, wie das Positionsspiel langsam verschwindet.

Ich würde nicht sagen, dass es verschwindet. Es ist vielleicht nicht mehr so klar wie im letzten Jahr, aber man muss sich bewusst machen, dass es für das „Juego de Posicion“ extrem viel Training einfordert. Die Spieler müssen jeden Tag an sich arbeiten und strenge Richtlinien einhalten – wenn sie das nicht tun, sind bereits kleine Dinge fatal.

Haben Sie ein Beispiel?

Es geht vor allem darum, dass Arturo Vidal seine Position anpasst. Sobald er das tut, wird Xabi Alonso besser spielen. Wenn Xabi zu viele Bälle verliert, liegt das immer daran, dass seine Mittelfeldkollegen zu weit weg von ihm postiert sind, da ist er Busquets sehr ähnlich. Schauen Sie sich das Spiel letztens gegen Manchester City an: Andre Gomes und Ivan Rakitic waren zu weit vorne und sobald Silva ihn mit Pressing unter Druck gesetzt hat, kam es zum Ballverlust.

Bleiben wir bei Xabi Alonso. Er scheint im Moment nicht gerade gut geschützt zu sein.

Das ist das Problem. Das Positionsspiel hat so viele Stärken, aber eben auch ein paar Schwächen. Eine davon ist die Nummer Sechs. Eine Möglichkeit, diese zentrale Position zu schützen, wäre eine zweite Nummer Sechs daneben zu postieren – allerdings zerstört man so das Positionsspiel, das von der vertikalen Aufstellung im Mittelfeld abhängig ist.

Jupp Heynckes hat mit der Doppelsechs die Champions League gewonnen.

Pep hat ebenfalls darauf zurückgegriffen. Er hat Alonso und Vidal, Lahm und Kroos oder Schweinsteiger und Alonso auf die Doppelsechs gestellt, aber nur in besonderen Situationen. Meistens hat er auf die andere Möglichkeit, die Sechs zu schützen, vertraut: Entweder er zog sie weit zurück zwischen die Innenverteidiger oder aber er ließ die Außenverteidiger einrücken. Aber das ist nur ein Teil der Lösung: Essentiell ist, dass die Acht und die Zehn nicht zu weit aufrücken. In diesem Fall wird immer viel Druck auf die Sechs möglich sein, die dann Probleme beim Passspiel bekommt.

Nachdem man ihr Buch gelesen hat, fühlt es sich so an, als hätte Xabi Alonso eine wichtige Rolle in Peps Fußball bei Bayern gespielt. Auf der anderen Seite war es schwer für ihn Toni Kroos zu Real Madrid ziehen zu lassen. Wäre Kroos der bessere Xabi Alonso gewesen, der nur sein bester Ersatz war?

Um diese Frage zu beantworten muss man hinzufügen, dass Toni Kross ein anderer Spieler ist als Xabi Alonso. Xabi ist der perfekte Sechser für das Positionsspiel, aber für nichts anderes. Kroos ist vielseitiger als Alonso, als Achter ist er meiner Meinung nach deutlich besser. In Peps erstem Jahr spiele Toni Kroos als Sechser im Supercup gegen Chelsea, aber auch nur, weil Bastian und Javi verletzt waren. Nach dreißig Minuten wurde es Pep und Dominic Torrent klar, dass er dort Probleme hat gegen Torres, also stellten sie Lahm zum ersten Mal auf diese Position. Danach konnte er seine Stärken viel besser demonstrieren.

In einer idealen Situation hätte man also Kroos gehalten und Alonso trotzdem verpflichtet?

Xabi als Sechser, Toni als Achter und Thiago als Zehner – das wäre das unglaublichste Mittelfeld, was ich mir vorstellen könnte. Vielleicht fügt man Philipp Lahm als hereinkippenden Außenverteidiger hinzu und es ist perfekt


Auf Seite zwei erzählt Martì Perarnau über eine magische Nacht in Rom, eine Niederlage in Wolfsburg und den Einfluss von Philipp Lahm auf Pep Guardiola.

Peps Training ist ein „Master Studiengang in kurzer Zeit“, sagte Xabi Alonso in ihrem Buch. Wie lange brauchten die Spieler, um sich an seine Übungen zu gewöhnen?

Ich würde sagen um die drei Monate. Im September 2013 hat die Mannschaft nicht wirklich gut gespielt, aber wenn man sich an die Show im Etihad Stadium im Oktober zurück erinnert, konnte man sehen, dass die Spieler Peps Idee verstanden.

Pep war sehr anspruchsvoll in den Trainingseinheiten. Für die Spieler musste es sich ziemlich gut angefühlt haben ein bisschen loszulassen?

Das ist jetzt die große Herausforderung für Carlo. Man sollte die Spieler nicht vergessen lassen, was in den letzten drei Jahren passiert ist, also werden sie weiterhin teilweise versuchen ihr Positionsspiel auszuführen. Das werden sie aber nicht machen können ohne die richtigen Übungen.

Ist es wirklich so ein großes Problem im Vergleich zu letztem Jahr ein paar Prozente zu verlieren? Wird es nicht trotzdem genug sein?

Schauen wir uns mal ein einfaches Beispiel an. Normalerweise ist das Passen des Balles ein Problem von einem Zehntel einer Sekunde. Wenn man im Vicente Calderon auf trockenem Rasen spielt wird der Ball nicht besonders gut laufen, während er schneller bei regnerischen Bedingungen in der Allianz Arena läuft. Das ist deutlich schwieriger zu verteidigen, da der Ball einfach ein kleines Stück schneller wird. Pep hat diese Logik in seinen Übungen angewandt, er nutzte das Rondo damit die Spieler dieses entscheidende Zehntel einer Sekunde erhalten. Wenn sich Carlo Ancelotti dazu entscheidet das Rondo für dieses Zehntel extra nicht zu benutzen, wird er andere Wege finden müssen.

Was wären das für andere Wege?

Das Training ohne die Rondos scheint auf den ersten Blick ein bedeutender Einschnitt zu sein. Nimmt man Ancelottis Training jedoch genauer unter die Lupe, kann man erkennen, dass die Art und Weise gar nicht so weit von Peps Training entfernt ist. Der Unterschied besteht darin, dass Carlo schlauer arbeiten muss, aber dafür nicht so hart.

In einem anderen Teil ihres Buches sprechen Sie darüber, dass Pep seine Ideen nicht auf die Jugendmannschaften übertragen konnte. Was war der Grund dafür?

Als er 2013 zu den Bayern kam wusste er noch nicht viel über die internen Vorgänge in München. Durch Gespräche mit Sammer, Hoeneß und Rummenigge erfuhr er, dass es keine Notwendigkeit für den Verein darstellt ein einheitliches Spielsystem im Verein zu verankern. Das war auch überhaupt kein Problem für Pep. Natürlich war es etwas anderes als er es aus Barcelona gewohnt war doch diese Angelegenheiten sind Sache des Vereins der die Entscheidungen trifft was Pep durchaus akzeptieren kann. Dasselbe gilt für den Transfer von Toni Kroos. Er war dagegen aber nahm die Entscheidung des Vereins hin. Ich persönlich sehe es als Fehler an nicht auf Kroos Verbleib zu bestehen, ebenso wie die Tatsache, dass die Jugendtrainer nicht mit ihm zusammengearbeitet haben.

Er hat sich in seiner Zeit bei Bayern und in Deutschland an vieles angepasst und gewöhnt. Wieso gab es so große Probleme mit den Medien?

Das liegt wohl an seiner Persönlichkeit. Für jemanden aus Katalonien wäre es ein massiver Ausdruck dazuzugehören wenn ein deutscher Trainer nach Barcelona kommen würde und versucht in der Landessprache zu Kommunizieren. Das war auch seine Herangehensweise in München. Das Problem ist jedoch, dass diese Entscheidung hier in Deutschland weit weniger wertgeschätzt wird. Ich finde das war ebenfalls ein Fehler von Pep. Hört man ihm zu wenn er auf Spanisch oder Englisch erklärt, ist das viel besser zu verstehen als auf Deutsch.

Das er jeden Gegner zunächst in den Himmel gelobt hat war ein anderes Problem für die Medien hierzulande. Alle dachten er würde maßlos übertreiben.

Doch es war wirklich immer ernst gemeint. Ich erinnere mich an den Morgen vor dem Spiel gegen Benfica Lissabon. Ich kam gerade in sein Büro und er fing schon an über das Spiel zu sprechen, dass es eins der verrücktesten Teams sei die er jemals gesehen hatte, defensiv gesehen in einer perfekten Sacchi-formation und so weiter. So ging das 20 Minuten lang obwohl es nur eine normale private Unterhaltung zwischen uns war. Als er eine halbe Stunde später auf der Pressekonferenz das gleiche zum Besten gab, dachten alle er wolle lediglich, taktisch klug, den Gegner hochloben.

Seine Analysen der Gegner sind augenscheinlich der wohl positiv verrückteste Teil in seiner Arbeit als Trainer.

Niemand analysiert Gegner so wie Pep. Er findet immer irgendwelche Fertigkeiten beim Gegner, vor denen hat er großen Respekt hat. Deswegen auch die ständigen lobenden Worte auf den Pressekonferenzen.

Lassen Sie uns anhand von ausgewählten Spielen über die gesamten drei Jahre bei Bayern. Was fällt ihnen ein wenn ich Ihnen Pierre-Emile Höjbjerg als Stichwort gebe.

Sie wollen wohl auf das Pokalfinale 2014 hinaus, richtig? (lacht)

Ja, bitte.

Das war ein sehr emotionales Spiel. Bayern hatte gegen Madrid verloren, es gab viele Verletzte und Dortmund war der stärkste Konkurrent in Deutschland. Durch die Verletzung von David Alaba war Höjbjerg die einzige Option hinten rechts. Er machte ein ausgezeichnetes Spiel, doch im Nachhinein kann man auch von einem Moment sprechen in der die Beziehung der beiden auseinander driftete.

Wie kam es dazu?

Nach dem DFB-Pokalfinale dachte Höjbjerg er würde von da an immer spielen. Pep sagte ihm er müsse noch ein bisschen warten, das wollte er nicht akzeptieren und verließ den Verein.

Peps Einfluss auf die mentale Stärke

Ein paar Monate später kam das 7:1 von Rom mit einer mehr als beeindruckenden Leistung. War das Guardiola-Fußball in Vollendung?

Das Spiel stellt ein gutes Beispiel dafür da, wie Pep Spiele durch Gegneranalyse gewinnen kann. Er wusste, dass Totti nach zehn Minuten aufhören würde Alonso zu bewachen, wodurch dieser den Platz bekam den er benötigte. Pep entschied sich über die linke Seite zu attackieren. Dadurch entstanden viele Räume auf Rechts. Alaba, Götze, Müller und Lewandowski verschoben alle auf die Linke Seite, sodass Lahm und Robben Räume bekamen und das Team zum Sieg führen konnte. Normalerweise werden Spiele von den Akteuren auf dem Platz entschieden, doch in diesem Fall muss man Pep den Sieg zusprechen.

Es gab auch überraschende Niederlagen während Peps Zeit in München. Das war zum Beispiel der Fall in Wolfsburg Anfang des Jahres 2015.

Das war ein Fehler von Pep. In der Winterpause versuchte er mehr und mehr den direkten Weg zum Tor in die Spielweise zu verankern. Normalerweise sollte das Team bei Ballgewinn in den Konter gehen und den direkten Weg zum Tor suchen. War diese Option nicht gegeben sollte das Spiel beruhigt werden und ein neuer Angriff durch das gewohnte positionsspiel initiiert werden. In Katar 2015 sagte Pep den Spielern immer und ohne Einschränkungen den direkten pass nach vorne zu suchen. Das Team spielte schlecht und Pep entschied sich aufgrund der klaren Niederlage zu den Grundlagen zurückzukehren.

Gegen Ende von Peps Zeit schien es so als würde das Team nicht nur wegen seiner Dominanz sondern auch wegen seiner großartigen Mentalität Spiele gewinnen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Rückspiel gegen Juventus. Inwiefern hatte Pep Einfluss auf die mentale Stärke des Teams?

Die Spieler und Pep hatten ab einem gewissen Zeitpunkt eine sehr enge Beziehung miteinander. Ab dem Frühjahr 2015, als nur 14 Spieler aufgrund der zahlreichen Verletzten zur Verfügung standen, gab es eine besondere Verbindung zwischen Team und Trainerteam. Von da an war der taktische Ansatz weit weniger wichtig als der Mannschaftsgeist und der Wille zu Siegen innerhalb des Teams.

Haben wir eine Art pragmatischen Pep im dritten Jahr kennengelernt?

Ja es scheint so. Als ich Pep kennenlernte war mein Eindruck von ihm der eines romantischen Künstlers. Aber das stimmt nicht. Er liebt es zu gewinnen, das ist eigentlich alles. Wenn es möglich ist auf seine Weise – aber wenn nicht wird er Veränderungen vornehmen um trotzdem zu siegen. Sie haben trotzdem recht: er übernahm, vor allem im letzten Jahr, viele Elemente des “deutschen Spielstils”.

Als Pep nach seinem letzten Spiel weinend auf dem Rasen stand war das einer der emotionalsten Momente der jüngeren Vereinsgeschichte. Wie haben Sie seinen emotionale Ausbruch in diesen Moment erlebt?

Was mich wirklich mitgerissen hat war das hohe taktische Niveau an diesem Abend im Olympiastadion. Das Spiel war eigentlich weniger emotional geprägt, doch am Ende hat Pep das erste Mal mit den Fans zusammen gefeiert.

Warum hat er das nicht vorher gemacht?

So denkt er halt. Ein Bayern-Sieg ist der Verdienst der Spieler und nicht des Trainers, es ist ihre Bühne. Dann kam Philipp Lahm und hat seine Ansicht dahingehend verändert.

Was hat er zu ihm gesagt?

Er war der allererste der zu Pep kam und meinte das der Erfolg weniger der Verdienst des Teams oder des einzelnen Trainer ist sondern vielmehr was sie zusammen erreicht haben. Er hat Pep in diesem Moment einen Fehler in seiner Art zu denken aufgezeigt. Seiner Meinung nach arbeitet der Trainer unter der Woche und die Spieler am Wochenende. Aber im Endeffekt arbeiten alle immer zusammen, gewinnen auch zusammen und feiern zusammen. In dieser letzten Nacht hat Pep seine wichtigste Lektion von Philipp Lahm gelernt.