Do it like Kurt – die Kurt-Landauer-Stiftung e.V.
Als der Münchner Rechtsanwalt Uri Siegel 2003 mit der ZEIT über seinen „Onkel Kurt und die Bayern“, den ehemaligen Bayern-Präsidenten Kurt Landauer sprach, konnte er wohl nicht ahnen, was für weitreichende Folgen dieser Artikel haben würde – sicherlich nicht, dass er im Rahmen der Gründungsfeierlichkeiten der Kurt-Landauer-Stiftung am vergangenen Mittwoch, einen Tag vor dem Todestag seines Onkels die goldene Ehrennadel einer nach diesem benannten Stiftung erhalten würde.
Nicht nur Uri Siegel war Ehrengast auf der Feier, es war ein Stelldichein der „Landauer-Familie“, wie Simon Müller von der Stiftung sie so treffend bezeichnete. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde gab sich die Ehre, während der FC Bayern durch die Vorstände Karl-Heinz Rummenigge und Jan-Christian Dreesen sowie Präsident Uli Hoeneß und Ex-Präsident Willi O. Hoffmann vertreten war.
Ebenso zugegen waren Autor und Fußballhistoriker Dietrich Schulze-Marmeling, der als einer der ersten die Geschichte von Kurt Landauer in seinen Büchern über den FC Bayern festhielt, sowie Dirk Kämper, Autor des ARD-Fernsehfilms „Landauer – der Präsident“ (auf miasanrot besprochen von Jolle und dem Autor dieses Textes), der im Jahre 2014 die Geschichte von Kurt Landauer einer breiteren Öffentlichkeit präsentierte. Zahlreiche weitere Institutionen waren vertreten, u.a. das NS-Dokumentationszentrum München, die Versöhnungskirche Dachau, das Jüdische Museum, das Fanprojekt München und die interkulturelle Straßenliga buntkicktgut.
Die illustre Zusammenstellung der Gäste reflektiert die Ziele und Aktivitäten, denen sich die Kurt-Landauer-Stiftung widmen möchte. Sie sieht sich laut Sprecher Michael Linninger als ein weiterer Partner in diesem Netzwerk der Erinnerungskultur, des sozialen Engagements und der integrativen Gesellschaft, und gerade in den heutigen Zeiten scheint ein derartiges Engagement besonders wichtig, um gewissen gesellschaftlichen Strömungen entschieden entgegenzutreten. Dabei ist für die Initiatoren, die allesamt der Fanszene des FC Bayern entspringen, wichtig, dass die Vereinsgeschichte und die Vereinsidentität ein Anknüpfungspunkt sind, um dieses Engagement herbeizuführen und zu bekräftigen. Dabei richtet sie sich an Bayernfans jeglicher Couleur, um diese gerade durch die Leidenschaft für den Verein an diese Themen heranzuführen.
Der Namensgeber Kurt Landauer war bereits als 17-Jähriger im Jahre 1901 als Torwart für die zweite Mannschaft des FC Bayern aktiv, bevor er später in vier Amtszeiten als Präsident die Vereinsgeschichte entscheidend mitprägte. Er verantwortete nicht nur die erste deutsche Meisterschaft 1932, er stand auch für einen internationalen, weltoffenen Fußball ein. Als Jude wurde der Kosmopolit von den Nationalsozialisten verfolgt und aus seiner Heimatstadt München vertrieben, doch er kehrte nach Ende des zweiten Weltkriegs zurück und konnte den FC Bayern als Präsident zwischen 1947 und 1951 abermals entscheidend anführen und ihn in dieser Zeit auf eine solide Basis zu stellen. Wie er in seinen eigenen Worten sagte: „Der FC Bayern und ich gehören nun einmal zusammen und sind untrennbar voneinander.“
Für die sieben Stiftungsmitglieder steht Kurt Landauer somit wie kein Zweiter für den lebendigen Prozess, als den diese Vereinsidentität und Vereinsgeschichte begreifen. Die Werte, die Kurt Landauer als Bayernpräsident und als Mensch vorgelebt hat, sollen das Wirken der Stiftung leiten, es sollen vor allem „Projekte im Sinne einer weltoffenen, fortschrittlichen, liberalen und antirassistischen Gesellschaft und eines friedlichen und gleichberechtigten Zusammenlebens aller Menschen unabhängig von ihrer Nationalität, Staatsangehörigkeit, ethnischen und kulturellen Herkunft“ gefördert und verwirklicht werden.
Dazu gehören bereits die Unterstützung der interkulturellen Straßenliga buntkicktgut, die im vergangenen Sommer mit einem symbolträchtigen Betrag von 1900 € gefördert wurde, ebenso wie die Unterstützung der vom Fanprojekt initiierten Gedenkfahrt nach Auschwitz oder auch die Pflege des Grabs von Kurt Landauer auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in München.
Als erstes großes Projekt nach ihrer Gründung hat die Stiftung vor, im Sommer 2018 ihrem Namenspatron zu Ehren eine Statue von Kurt Landauer auf dem Vereinsgelände des FC Bayern an der Säbener Straße zu errichten. Schließlich, so Linninger, sei es alleine Landauer zu verdanken, dass dieses 1949 zur dauerhaften Heimat des FC Bayern wurde: „Wir wollen, dass Kurt Landauer auf sein Lebenswerk blickt, im übertragenen Sinn auf seinen Verein mit seiner großen Historie, sowie auf das Vereinsgelände selbst, mit allem, was es repräsentiert.“ Dabei bedankt sich die Stiftung „beim Vorstand für die Zusammenarbeit und den Mitarbeitern des FC Bayern, die unsere Bemühungen unterstützen.“ Auch die Spendensammlung für den hohen fünfstelligen Betrag, der für die Verwirklichung notwendig ist, läuft bereits in vollem Gange und es wird gehofft, dass diese bis zum Vereinsjubiläum am 27. Februar 2018 erfolgreich beendet ist. Die Stiftung steht bereits mit renommierten Künstlern in Kontakt und möchte demnächst der Öffentlichkeit erste Entwürfe präsentieren.
Weiter sind auch Projekte geplant, um die Erinnerung an weitere wichtige Personen aus der gesamten Vereinsgeschichte aufrechtzuerhalten, so nannten Müller und Linninger exemplarisch Maria Meissner, über lange Zeit „gute Seele des Vereins“ und Otto Albert Beer, Jugendleiter zu Zeiten der ersten deutschen Meisterschaft, welcher 1941 von den Nazis in Litauen ermordet wurde.
Ebenso vorstellbar sind Veranstaltungen an der KZ-Gedenkstätte Dachau oder Stadtführungen, die die Geschichte des Vereins zur NS-Zeit aufarbeiten. Darüber hinaus betonte Linninger ausdrücklich, dass die Kurt-Landauer-Stiftung jederzeit für Anregungen und Ideen weiterer Aktivitäten im Stiftungssinne offen ist. Wer anregen, spenden oder sich persönlich engagieren möchte, kann über die Homepage, die sozialen Medien und durch persönliche Ansprache in der Kurve zur Stiftung Kontakt aufnehmen.
Die Gründung der Stiftung ist also ein weiterer Meilenstein der Entwicklung, der ZEIT-Artikel mit Uri Siegel damals angestoßen hat, und die hoffentlich noch lange nicht abgeschlossen ist. Nachdem damals Mitglieder der Gruppe Schickeria München angeregt wurden, sich eingehender mit der Person Kurt Landauer zu beschäftigen, riefen sie 2006 das jährlich stattfindende, antirassistische Kurt-Landauer Turnier ins Leben. Später konnte Uri Siegel für Vorträge gewonnen werden und auch war er öfters beim Kurt-Landauer-Turnier vor Ort.
Zudem führte das Engagement zur Realisierung des Dokumentarfilms „Kick it like Kurt“ durch den Kreisjugendring München-Stadt im Jahre 2010. Im Stadion folgte zum 125. Geburtstag Landauers 2009 eine große Choreografie in der Südkurve, sowie fünf Jahre später zum „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ eine weitere beeindruckende Choreografie zu Ehren Landauers, die von der Fußballzeitschrift 11 FREUNDE als „Aktion des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Das jahrelange kontinuierliche Engagement um die Wiederentdeckung des zwischenzeitlich in Vergessenheit geratenen Ehrenpräsidenten Kurt Landauer kulminierte darin, dass der Deutsche Fußballbund der Schickeria im Jahre 2014 den Julius-Hirsch-Preis 2014 verlieh. Auch der FC Bayern selbst war nun so weit, diese wichtigen Person seiner Vereinsgeschichte zu ehren, und benannte im Jahre 2015 den Vorplatz seiner Spielstätte in Fröttmaning in Kurt-Landauer-Platz um.
Währenddessen fragten sich die jetzigen Stiftungsmitglieder, wie denn mit dem Preisgeld des Julius-Hirsch-Preises umzugehen sei und kamen dann im Jahre 2015 zum Schluss, ihrem bisherigen Engagement in Form einer Stiftung Nachhaltigkeit zu verleihen. Die Rechtsform des Stiftungsvereins nutzt dieses Preisgeld als Basis, jedoch werden die Projekte fast ausschließlich über Spendenmittel finanziert. Aufgrund dieses etwas komplexeren Konstrukts dauerte es auch fast zwei Jahre, bis die Kurt-Landauer-Stiftung im Spätsommer 2017 endlich beim Amtsgericht München eingetragen wurde. Wahrlich ein Grund zu feiern, aber auch ein Mandat und eine Herausforderung für die Zukunft.
Ja, all das hätte Uri Siegel damals wirklich nicht ahnen können.
Die Kurt-Landauer-Stiftung ist auf ihrer mehrsprachigen Homepage (Deutsch, Englisch, Italienisch), sowie auf Facebook, Twitter und Instagram zu finden. Dort gibt es auch Informationen, wie man sich für die Projekte der Stiftung engagieren oder spenden kann.
Es ist schön zu sehen wie sich die Geschichte Stück für Stück durch engagierte Menschen entwickelt. Die Geschichte von Kurt Landauer ist wirklich interessant (deshalb habe ich sie auch als Thema für meine Facharbeit gewählt). Hoffentlich entwickelte sie sich weiter so toll.
Danke für diesen Artikel, der schön aufzeigt, wie nachhaltig sich dieses wichtige Engagement entwickelt. Eine der wenigen Schwachstellen der nun langen Hoeneß-Zeit war ja immer ein gewisser Mangel an historischem Bewußtsein. Sicher auch der Philosophie geschuldet als progressiver Marktführer wahrgenommen werden zu wollen. Umso schöner, dass sich die überfällige Würdigung Kurt Landauers aus der Fan-Szene heraus entwickelt hat (und von der Vereinsführung aber dann auch engagiert unterstützt wurde). Welcher Verein kann ein solch klares „Nie wieder!“ so deutlich aus seiner eigenen Historie leben?
Und den schönen Nebeneffekt, dass die dämlichen Kommentare á la „Ihr seid ja gar kein richtiger Traditionsverein“ immer weniger werden, hat es auch….;-)
Der scheinbare „Mangel an historischem Bewusstsein“ hat viele viele Gründe und die Erklärung dafür würde den Rahmen hier sprengen und könnte eher ein Buchthema sein. „Sicher auch der Philosophie geschuldet als progressiver Marktführer wahrgenommen werden zu wollen…“ => Nein, dies ist ganz sicher keiner der Gründe, zumindest kein bedeutender, erwähnenswerter.
Jeder, der dem FC Bayern abspricht, ein „richtiger Traditionsverein“ zu sein, hat vom deutschen Rekordmeister und seiner Historie gar keine Ahnung, dazu benötigt es nicht einmal dieser tollen Landauer-Geschichte: Noch im Jahr seiner Gründung (1900) war der FCB die Nr. 1 im Münchner Fußball und blieb dies mit wenigen Ausnahmejahren in seiner gesamten Geschichte. Schnell wurde man auch in Süddeutschland eine „Hausnummer“. Als man 1932 zum ersten Mal Deutscher Fußballmeister wurde, war man nicht nur die Nr. 1 in Deutschland, sondern auf dem besten Weg – dank für damals modernster Ideen – zu einem europäischen Topklub. Die traurige deutsche Geschichte verhinderte dies, trotzdem ließ sich der „Judenklub“ auch in jener Zeit nicht unterkriegen. In Kürze jährt sich der erste DFB-Pokalsieg zum 60. Mal …. und das soll kein Traditionsklub sein?
Hierzu absolut zu empfehlen ist die 25-Jahres-Chronik bzw. Festschrift des FC Bayern, welche man sich im Internet herunterladen kann.
Apropos „Traditionsverein“: Der 1909 gegründete BVB war ca. 40 Jahre eine „Kreisklassennummer“. Bis Anfang der 1950er Jahre waren viele BVB-Fans gleichzeitig Sympathisanten der damaligen absoluten Nr. im Revier ;-) ;-)
Wenn irgendein „FCB-Hater“ die „Traditionskeule“ auspackt, sollte jeder FCB-Fan nur in ein schallendes Gelächter ausbrechen.
Frohe Weihnachten!
Gute Sache.
Sehr schöner Beitrag, Felix!
Ein bisschen schade finde ich, dass diese „gute Sache“ (ich zitiere Kurt) hier – zumindest bei den Kommentaren – so wenig Beachtung findet. Sowohl die „Kurt Landauer FCB Geschichte“, als auch diese Stiftungs-Initiative sind ein bemerkenswerter Teil der FCB-(Fan-)Historie – viel wichtiger als einzelne Spiele. Vielleicht ist die (bislang) hier geringe Beachtung auch dem Umstand geschuldet, dass die Stiftungsgründung in der „heißen Phase“ um das BVB-Spiel und den Wagner-Transfer stattgefunden hat.
Frohes Fest!
[…] https://miasanrot.de/kurt-landauer-stiftung/ […]
Tolle Sache! Weiß denn jemand, ob sich unser FCB da auch finanziell engagiert, oder ob es „nur“ die Statue geben soll?
Lies dir noch einmal die Homepage der Stiftung genauer durch, da steht alles drauf. ;-)
Sorry,gehört zwar nicht zum Thema,aber nach Sondierungen habe ich den Wunsch fürs neue Jahr…
Bitte kauft Werner und Pulisic !
Sportliche Grüsse