Klimaschutz und der FC Bayern – Teil Zwei
Nachdem es im ersten Artikel um den deutschen Fußball im Allgemeinen ging, soll im zweiten Teil konkret um den deutschen Branchenprimus gehen. Im Interview legt mir Jürgen Muth, der Geschäftsführer der Allianz Arena GmbH, den Plan des FC Bayern dar.
Der Plan des FC Bayern
Wie ist es denn um den Triple-Sieger von 2020 bestellt, der seine Ausnahmestellung bei vielen Themen immer wieder betont? Ist der FC Bayern ein Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit? Eine erste Recherche ergibt: Bei der Allianz Arena lässt man sich seit 2016 mit dem europäischen Umweltsiegel zertifizieren, nimmt an der Earth Hour teil und hat durch die neue LED-Lichtanlage seinen Stromverbrauch um bis zu 60 Prozent reduziert. In der Allianz Arena wurde auf ein Mehrwegbecher-System mit Pfand umgestellt, das laut der Deutschen Umwelthilfe schon ab dem fünften Gebrauch umweltfreundlicher als Einwegbecher ist (Quelle: Kicker 09/2019).
Abseits der Arena fahren ab 2020 alle Spieler mit elektrischen Dienstwagen des Sponsors und läuft die Mannschaft zu ausgewählten Spieltagen in Trikots aus Plastikmüll auf. Zeitgleich fliegt man aber auch mit einer gecharterten Maschine nach Los Angeles, die zuvor im sechsstündigen Leerflug von Doha nach München verfrachtet wurde.
Ich wollte es genau wissen und fragte beim FC Bayern direkt an. Mit Jürgen Muth, dem Geschäftsführer der Allianz Arena GmbH, und Christopher Keil, Abteilungsleiter Public Affairs + CSR bei der FC Bayern München AG, sprach ich ausführlich über das Thema ökologische Nachhaltigkeit.
Man versicherte mir, dass momentan eine Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet werde unter der Leitung von FC-Bayern-Vorstand Andreas Jung, bei der eine der Säulen auch der CO2-Fußabdruck des FC Bayern ist. Dazu wurden drei Handlungsfelder definiert, wobei die ersten beiden den Verein selbst und seine inneren Abläufe betreffen. Der dritte Bereich betrifft dann die äußeren Faktoren, wie zum Beispiel die An- und Abreise der Fans.
Erst Machen, dann Reden
Was in dem Gespräch immer wieder durchklang: Das Thema Nachhaltigkeit liegt dem FC Bayern und dem Betreiber der Allianz Arena am Herzen. So tauschte man sich beispielsweise mit Sponsoring-Partnern über Planung und Umsetzung eines klimaneutralen Stadions aus. Der Verein will allerdings nicht mit irgendwelchen medienwirksamen Maßnahmen Symbolpolitik betreiben, um nach außen gut dazustehen, sondern Klimaschutzmaßnahmen erst dann durchführen, wenn sie durchdacht, wirksam und nachhaltig sind. Dabei gibt es Punkte, die schneller und andere, die langsamer umgesetzt werden können.
Was sind also nun die konkreten Pläne? In seiner Rolle als Geschäftsführer der Allianz Arena GmbH ist Jürgen Muth für die Energieversorgung aller Spielstätten des FC Bayern verantwortlich und kümmert sich diesbezüglich auch um die Säbener Straße. Man wolle möglichst bald auf Öko-Strom umstellen, die Energieeffizienz steigern und durch eine dezentrale Energieversorgung die Öko-Bilanz verbessern.
Aus eigener Produktion kann der FC Bayern die Allianz Arena bei einem jährlichen Bedarf von knapp 17 GWh nicht mit Energie versorgen. So deckt die installierte Photovoltaik-Anlage selbst bei Maximallast nicht einmal den Grundbedarf im Spielbetrieb. Daher überlegt der Verein, sich mit Corporate-Partnern an Projekten zur Erzeugung regenerativer Energien zu beteiligen. Ein erstes solches Projekt ist der Bau eines Blockkraftheizwerks, der bereits seit längerem geplant war, zunächst aber wegen der Corona-Krise gestoppt werden musste.
Andere Vereine sind gerade bezüglich der Energieversorgung der Stadien vielleicht aktuell schon einen Schritt weiter, aber die Pläne des FC Bayern zielen am Ende auf eine ganzheitliche Lösung ab. Dabei sei es wichtig den gesamten Verein mit all seinen Standorten zu betrachten, da man sonst seine Glaubwürdigkeit verliere, so Jürgen Muth, der in Fragen des Umweltschutzes eine wichtige Stimme beim FC Bayern ist.
Mobilität am Spieltag
Ebenso sei es beim Thema CO2-Kompensation. Die Vision des Vereins ist: Klimaneutralität bis zum Jahr 2030. Entsprechend sollen Maßnahmen ergriffen werden, wie beispielsweise eine Kompensation von verursachtem CO2. Auch mit dem Thema des klimaneutralen Reisens wurde sich schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie beschäftigt. Ein Beispiel davon ist die kürzlich nach Salzburg zum Champions-League-Spiel erfolgte Anreise mit dem Bus statt im Flugzeug. Für die einen eine Selbstverständlichkeit, doch im aktuellen Leistungssport leider immer noch eine Ausnahme – siehe Basel-Gate.
Beim Thema Mobilität ist der Verein in enger Zusammenarbeit mit seinem Automotive-Partner. Hier wurde die Fahrzeugflotte der Spieler, Trainer und Funktionäre auf Elektrofahrzeuge umgestellt und entsprechende Lade-Infrastruktur am Trainingsgelände aufgebaut bzw. wird an der Allianz-Arena aufgebaut. Der nächste logische Schritt muss nun sein, dass auch Fans ihr Elektrofahrzeug bei Spielen am Stadion laden können. Diesen Plan gibt es, es müssen allerdings noch Hürden genommen werden, wie zum Beispiel bei dem Aufbau der Infrastruktur.
Dennoch denkt der Geschäftsführer groß und stellt die Nutzung der Parkplätze an der Allianz Arena für Pendler in Aussicht, die dann per ÖPNV weiterfahren können und im Idealfall ihr Elektrofahrzeug laden könnten. Eine schöne, aber zugegebenermaßen noch ferne Zukunft.
Thema ÖPNV: Als einer der wenigen Vereine der Bundesliga dient die Eintrittskarte nicht als Fahrschein in der U-Bahn. Laut Muth liegt dies an der Überlastung des U-Bahn-Netzes, der großen Anzahl verfügbarer Parkplätze und den weiten Wegen der Anreisenden. Hier würde man sich wünschen, dass der Verein mit dem Münchner Verkehrsverbund eine bessere Lösung ausarbeiten kann. Jürgen Muth sagt, dass gegenwärtig keine bessere Lösung absehbar sei.
Einen Weg, den der FC Bayern hier sieht, ist die Optimierung der Zuschauerströme via Mitfahrgelegenheiten. Dies ist eine der Ideen aus der aktuellen Nachhaltigkeitsinitiative des Clubs, „The Mission“: Studierende deutscher und internationaler Universitäten haben in den vergangenen sechs Monaten in fünf Themenfeldern (Green Energy, Datenverarbeitung, Catering/Abbau von Lebensmittelverschwendung, Mobilität und Social Media/Club Community) Ideen erarbeitet und präsentiert.
Ziel ist es, das Stadionerlebnis bei Heimspielen des FC Bayern klimafreundlicher und nachhaltiger zu gestalten. Alle Projekte sollen nach Möglichkeit in Kooperation mit Partnern weiterentwickelt werden.
Beim Thema Verpflegung weist Muth auf zwei Kioske hin, an denen vegetarische Pizzen verkauft werden, an acht weiteren Kiosken sind vegane Sandwiche im Angebot. Das sei Angebotsvielfalt im Sinne des ernährungsbewussten Fußball-Stadionbesuchers. Muth gibt aber zu, dass dieses Konzept ebenso auf andere Spielstätten ausgerollt werden müsse. Meiner Meinung nach könnte man das Angebot prominenter bewerben oder an mehr Kiosks verfügbar machen, damit der Vegetarier der Runde keine Sonderrolle einnehmen muss.
Überzeugungsarbeit statt Öko-Zwang
Meine Idee eines Spieltags im Zeichen der Nachhaltigkeit gemeinsam mit den Partnern des FC Bayern wurde von meinen Gesprächspartnern positiv aufgenommen. Genauso steht es um das Thema eines Botschafters aus dem Spieler*innen-Kreis, wie ihn Annika von Fridays For Future gefordert hatte. Allerdings gibt es für diese Maßnahmen noch keinen Zeitplan.
Diesen gibt es hingegen konkret für einen im Aufbau stehenden Bereich der Website des FC Bayern, auf dem man die Fans zum Thema Nachhaltigkeit, von sozial bis ökologisch, umfassend und projektbezogen besser informieren will. Für den interessierten Fan wäre das eine erhebliche Erleichterung. Zudem will man versuchen, die Kernbotschaften und Werte des FC Bayern – konkret genannt wurden etwa Bildung, Abbau von Ungleichheit und Gesundheit – noch besser zu vermitteln und mit konkreten Aktionen zu verbinden.
Abschließend hatte ich Jürgen Muth noch auf das von Patrick Fortyr platzierte Thema des Klima-Audits angesprochen. Während die Allianz Arena bereits nach der EU-weit höchsten Umweltrichtlinie EMAS zertifiziert wird, würde eine externe Prüfung weitere Erkenntnisse bringen: Wo steht man aktuell? Wo will man hin? Und was wären passende Maßnahmen dafür? Hierfür gebe es noch keinen konkreten Plan, aber das Thema sei bereits im Verein platziert worden. Muth kann sich, ähnlich wie Fortyr, gut vorstellen, dass die DFL hier ihre Lizenzierungsanforderungen nachschärft und entsprechend anpasst.
Ökologische Nachhaltigkeit ist ein essenzielles Thema für den Fußball.
Wie sollte man den Profifußball nun also beim Punkt ökologischer Nachhaltigkeit bewerten? Und: Muss sich der Fußball diesem Thema annehmen oder ist hier eine gewisse Irrationalität erlaubt? Das ist sicherlich die zentrale Frage.
Ich meine hier eindeutig, ja! Dies ist eine Aufgabe, der sich der Fußball nicht verschließen darf. Durch sein gutes Vorbild kann er vorangehen und zudem auch die Notwendigkeit der ökologischen Nachhaltigkeit in die Welt tragen. Fußball ist natürlich auch Romantik und teilweise Rückzugsort von den großen Problemen der Welt, doch er ist auch in vielen Bereichen durch sein Handeln ein Agenda- und Trendsetter. Die ökologische Nachhaltigkeit ist eben solch ein Thema.
Diese Rolle haben viele Vereine bereits auch für sich erkannt und fangen an alte Denkweisen umzustricken. Die meisten Clubs sind sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst. An vielen Ecken und Enden wird bereits mehr getan, als man dies gemeinhin vielleicht annehmen würde. Hierfür gibt es alleine in der Bundesliga viele Beispiele. Natürlich ist vieles noch weit entfernt vom Ideal, das sich Annika von Fridays For Future oder Patrick Fortyr von CO2OL vorstellen, daher sind ihre Vorschläge auch angebracht und wichtig. Doch die Entwicklung ist klar: Der Fußball wird zunehmend nachhaltiger. Und kein Verein kann sich davor verstecken.
Wie kann man den FC Bayern in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit bewerten?
Das Thema steht im Club weit oben auf der Agenda. Bei einigen Themen würde man sich einen noch ambitionierten Zeitplan oder ehrgeizigere Ziele wünschen, über einige Themen ließe sich auch streiten. Doch ich rechne es den Verantwortlichen hoch an, dass man ganzheitlich sowie über den eigenen Tellerrand hinausdenkt und erst handeln und dann reden will. Dies entspricht dem FC Bayern wie ich ihn wahrnehme und wahrnehmen möchte. Zudem sei der allgemeine Fan dazu ermutigt, auf den Verein mit eigenen Vorschlägen und Ideen zuzugehen.
Es wird aber auch unsere Rolle in den Medien im Allgemeinen und in diesem Blog im Speziellen sein, diesen Prozess kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen. Zur Winterpause 2021 will ich an dieser Stelle nochmal den aktuellen Stand aufrollen.
Was kann man als Fan tun?
Auf den Stadionbesuch sollte natürlich keiner verzichten, daher lautet mein Ratschlag: Reise mit ÖPNV an oder versuche eine Fahrgemeinschaft zu organisieren. Berechne deinen CO2-Fußabdruck für die Anreise (zum Beispiel hier) und kompensiere diesen (zum Beispiel hier). Lass deinen Verein wissen, dass dir das Thema Nachhaltigkeit am Herzen liegt und bestärke ihn in seinem Handeln.
Gemeinsam ergibt sich dann im Jahr 2030 vielleicht ein Stadionbesuch mit Aufladen des E-Autos im Parkhaus, einer per Blockheizkraftwerk gewärmten Arena, die zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Ein Stadionbesuch nachdem man auf seinen Verein stolz sein kann.