„Bei unserer Qualität musst Du eigentlich einen Titel holen“

Christian Trenner 02.10.2019

Die 30-jährige Defensiv-Spezialistin wechselte im Jahr 2016 vom VfL Wolfsburg zum FC Bayern München. Hier gehört sie mit aktuell 222 Bundesligaeinsätzen und 47 A-Länderspielen zu den erfahrensten Spielerinnen im Team. Verena Schweers hat in ihrer Karriere bereits eine Menge Titel gesammelt: Im Jahr 2013 gewann sie mit dem VfL Wolfsburg das Triple aus Champions-League, Meisterschaft und DFB-Pokal. Im Folgejahr holte sie erneut die Champions League und wurde wieder Deutsche Meisterin. Dazukommen zwei weitere DFB-Pokalsiege 2015 und 2016.

„Nun fokussiere ich mich voll und ganz auf den FC Bayern“

Wie geht’s Dir? Du bist zurzeit verletzt?

Ich habe schon seit Anfang der Vorbereitung Probleme mit meiner Patellasehne und meiner Achillessehne. Habe dann immer versucht weiter zu trainieren, wollte mich auch zeigen und spielen, erst recht beim neuen Trainerteam. Aber es ist nicht besser geworden, und dann hilft es auch der Mannschaft nicht weiter. Jetzt muss ich etwas pausieren und schauen, dass ich wieder auf 100 % komme.

Am Anfang der Saison hast Du ja auch noch gespielt.

Ja, da war es auch noch auszuhalten. Aber es ist schlimmer geworden in den letzten Wochen. Dann habe ich mit dem Trainer abgesprochen, dass ich das jetzt erst mal ausheilen lasse. Früher war ich eigentlich nie verletzt. Aber ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste und heute muss ich mehr auf Regeneration und solche Dinge achten.

In der Nationalmannschaft bist Du jetzt offiziell „Back-up-Spielerin“. Kam das für Dich überraschend, oder hattest Du nach dem WM-Aus damit gerechnet?

Die WM ist für mich generell sehr enttäuschend verlaufen. Speziell im Viertelfinale konnte ich die Wechsel der Bundestrainerin nicht nachvollziehen. Hierzu gab es mit der Trainerin ein offenes und ehrliches Gespräch beim letzten Lehrgang. Nun fokussiere ich mich voll und ganz auf den FC Bayern und unsere Ziele, will jetzt erst einmal wieder fit werden, meine Leistung bringen und dann sehen wir, wie es weitergeht.

„Wir befinden uns in einem Umbruch“

Ihr hattet jetzt acht Spiele. Fünf in der Bundesliga, eins im DFB-Pokal, zwei in der CL. Sechs Spiele habt Ihr gewonnen, gegen Leverkusen und Göteborg verloren. Wie bewertest Du den Saisonstart?

Wir befinden uns in einem Umbruch. Wir haben ein neues Trainerteam und viele neue Spielerinnen bekommen. Dazu hatten wir durch die WM keine optimale Vorbereitung. Wir haben dann eben gegen zwei Gegner verloren, die wir normalerweise mit unseren sehr starken Leistungen gegen gute Gegner wie Freiburg oder Frankfurt, schlagen müssten. Auch in Sand und gegen Duisburg waren die Leistungen sehr souverän. So müssen wir weitermachen.

Aktuell seid Ihr punktgleich mit Hoffenheim, einem deutlich kleineren Verein. Was läuft dort besser?

Hoffenheim kann von der Qualität der Spielerinnen nicht mit uns mithalten. Aber dadurch, dass die in den letzten Jahren immer zusammengeblieben sind, ist da ein starkes Kollektiv entstanden mit funktionierenden Automatismen. Das führt dazu, dass Hoffenheim seit einigen Jahren im Mittelfeld oder sogar oben mitspielt und es auch in dieser Saison richtig gut macht. Bei uns müssen sich diese Automatismen erst wieder einspielen, aber das bekommen wir hin.

„Der Titelkampf ist härter geworden. Die Liga ist leistungsmäßig dicht zusammengerückt.“
(Foto: Alex Pantling/Getty Images)

Wolfsburg marschiert, auch die Erfahrungen der letzten Saison zeigen, dass schon eine Niederlage ausreichen kann, um die Meisterschaft zu verspielen. Steht Ihr nach dem Leverkusenspiel schon unter Druck?

Der Titelkampf ist härter geworden, aber man darf den Teufel auch nicht an die Wand malen. Die Liga ist leistungsmäßig dicht zusammengerückt. Wenn Du an einem Tag die Mentalität und die Leistung nicht auf den Platz bringst, dann verlierst Du gegen jeden. Das ist in der Vergangenheit auch Wolfsburg passiert – und uns jetzt leider gegen Leverkusen.

Gegen Göteborg hatte ich den Eindruck, Ihr würdet zu wenig den Ball halten, zu hektisch nach vorne spielen. Täuscht das?

Ja, die letzten zehn Minuten waren nochmal aufregend. Auch für mich als Zuschauerin. Es ist uns tatsächlich nicht gelungen, den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Wir versuchen das natürlich, bringen dann aber keine Passschärfe rein, spielen nicht richtig zusammen. Von den Spielanteilen her hätten wir definitiv gewinnen müssen. Wir wissen alle, dass wir es besser können. Wir müssen da hinkommen, das in jedem Spiel abzurufen.

In Eurem Spiel sind viele gute Ansätze und Ideen erkennbar …

… aber es muss noch mehr dabei rumkommen. Es gibt viele gute Ansätze, definitiv. Und das lässt uns alle hoffen, dass die Saison erfolgreich wird. Wie gesagt, wir müssen die Ansätze und Ideen nun noch gemeinsam verinnerlichen und besser zu Ende spielen.

Was ist Euer neuer Trainer Jens Scheuer für ein Typ?

Ein sehr akribischer Trainer, der auf viele Details achtet. Zum Beispiel was das Positionsspiel angeht. Wie man steht, wohin man sich bewegt. Er will immer offensiven Fußball spielen, was uns allen sehr gefällt. Er mag das Kurzpassspiel und kreative Spielerinnen. Das passt alles sehr gut zu uns. Natürlich müssen wir das Trainerteam noch besser kennenlernen – und umgekehrt. Das ist alles gerade noch im Entstehen.

Wie lässt Scheuer trainieren? Hat sich Euer Spielsystem geändert?

Im Training ist er meist ein ruhiger Beobachter, der sich alles genau anschaut und dann in den entscheidenden Situationen unterbricht, um uns Dinge zu erklären und Verbesserungen anzustoßen. Von der Taktik her sind wir wohl etwas offensiver, wobei sich der offensive Fußball, so wie wir ihn uns vorstellen, eben noch einspielen muss.

„Ich wünsche mir Titel. Für die Mannschaft und mich.“

Wie siehst Du Deine Rolle im Team? In der Verteidigung habt Ihr ganz schön Konkurrenzkampf, oder?

Ich bin ja vor drei Jahren schon als Führungsspielerin hierhin gekommen. Die Mannschaft war immer cool, hat es mir immer leicht gemacht, Verantwortung zu übernehmen. Fürs Team mehr herausholen – auf und neben dem Platz – das habe ich immer als meine Aufgabe angesehen und dafür setze ich mich auch heute noch ein. Zum Beispiel im Mannschaftsrat. Da sind wir zu fünft, tauschen uns regelmäßig aus und sprechen wichtige Themen an. Auch gegenüber dem Trainerteam.

Der neue Coach Jens Scheuer ist laut Verena Schweres ein „sehr akribischer Trainer, der auf viele Details achtet.“
(Foto: Ina Fassbender/AFP/Getty Images)

Was meine Position angeht, habe ich auch bei unserem neuen Trainer von Anfang das Gefühl gehabt, dass er auf mich setzt. Wenn ich fit bin, kann ich der Mannschaft helfen.

Und dann willst Du auch spielen, trotz großer Konkurrenz.

Auf jeden Fall. Das will jede Spielerin und das ist auch gut so und wichtig für den Erfolg. Klar, irgendwann werden mich jüngere Spielerinnen überholen. Aber der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen.

Spürst Du da den Druck in dieser Konkurrenzsituation?

Nein, ich weiß ja, dass ich nicht mehr allzu viele Jahre Fußball spielen werde, da genieße ich das momentan einfach viel zu sehr. Aber: Ich will natürlich auch spielen. Der Ehrgeiz ist voll da. Ich muss Leistung im Training bringen, gut spielen – so wie jede andere auch.

Spricht Jens Scheuer viel mit Dir und dem Mannschaftsrat?

Ja, wir sprechen schon recht häufig. Wir kommen aus der gleichen Region und können badisch miteinander schwätzen. Auch zu meiner Verletzung sind wir natürlich im Austausch. Aber auch er muss sich noch endgültig eingewöhnen und hat ja auch außerhalb der Trainingszeiten viele Aufgaben. Da können wir ihn nicht ständig mit zu vielen Themen behelligen. Und wenn die Stimmung im Team grundsätzlich gut ist und wenn es sportlich läuft, muss man auch nicht immer alles wieder und wieder durchsprechen.

Im Pokal wartet mit Wolfsburg sehr früh das schwerstmögliche Los auf Euch. Ist das ärgerlich, oder ist es sogar gut, möglichst früh den stärksten Konkurrenten aus dem Wettbewerb zu schießen?

Das wird natürlich nicht einfach. Wir nehmen es wie es kommt, nach dem Heimspiel im Pokal treffen wir dann ja eine Woche später in Wolfsburg schon wieder aufeinander. Das ist sicher nicht optimal – aber auch Wolfsburg hat sich das vielleicht anders gewünscht. Wir für uns wollen die natürlich schlagen. Und wir tun uns grundsätzlich leichter mit Mannschaften, die mitspielen wollen als mit Gegnern, die nur hinten drinstehen.

Wie sind Deine Saisonziele? Vielleicht wird es Deine letzte komplette Spielzeit – da sollten nochmal Titel her, oder?

Ja, auf jeden Fall. Der FC Bayern steht für Titel. Und bei unserer Qualität musst Du eigentlich einen Titel holen. Aber wir sind in einem Umbruchprozess, da kann man nicht alles zu 100 Prozent vorausplanen. Es wird nicht einfach, aber ich wünsche mir Titel, ja. Für die Mannschaft und mich.

Das Interview für Miasanrot führte Christian, der auf Twitter unter @texterstexte zu finden ist und zudem seinen eigenen Blog betreibt.