1:4! Desolate Bayern kommen unter die Räder
Mit dem Europäischen Supercup-Titel im Rücken wollte der FC Bayern am Sonntag im Kraichgau die Strauchler der nationalen Konkurrenz ausnutzen. In Sinsheim hatte man aus den letzten fünf Spielen immerhin zwei verloren. Vor der Corona-Pause kam es bei dem 6:0-Erfolg der Roten zu einem Eklat rund um den Hoffenheimer Mäzen Hopp.
Falls ihr es verpasst habt
Die Aufstellungen
Nur wenige Tage nach dem kräftezehrenden Europäischen Supercup-Finale am Donnerstag warf Trainer Hansi Flick erstmals in dieser vollgepackten Saison die Rotationsmaschine an. Gleich auf vier Positionen nahm er Änderungen im Vergleich zum Triumph gegen den FC Sevilla vor. Boateng und Davies komplettierten neben Alaba und Pavard erstmals in dieser Saison die Stammabwehrkette der letztjährigen Rückrunde. Der zuletzt starke Lucas Hernandez musste auf der Bank Platz nehmen.
Im Mittelfeld ersetzte Tolisso positionsgetreu Goretzka und im Sturm wusste Flick zu überraschen. So fehlte erstmals seit langer Zeit der Name Lewandowski auf dem Aufstellungsbogen. Ersetzt wurde der Überstürmer durch Zirkzee. Der Holländer hatte sich laut Flick zuvor im Training aufgedrängt. Kein Platz auf der Bank war erneut für Fein und auch Nübel und Cuisance standen nicht im Kader.
Bei Hoffenheim setzte Hoeneß auf fast die gleiche Elf, die in der Vorwoche Köln mit 3:2 geschlagen hatte. Besonders im Fokus bei den Hausherren stand Stürmer Kramarić, der bei dem Sieg einen Dreierpack geschnürt hatte. Im Mittelfeld bildeten Geiger und Samessekou ein potentialreiches Duo im erwarteten 3-5-2.
Die erste Halbzeit
Die erste Viertelstunde gingen beide Mannschaften mit vergleichsweise offenem Visier an, wodurch sich ein schnelles Spiel mit vielen Umschaltsituationen ergab. Wirklich zwingende Chancen ergaben sich jedoch für keines der Teams. Nach zehn Minuten sprang Boateng im eigenen Sechzehner der Ball an die Hand, doch die Pfeife des Schiedsrichters blieb stumm.
Doch die Heimmannschaft brauchte nicht die Unterstützung des Offiziellen. Nach einer Ecke von Geiger stieg Bičakčić höher als Tolisso. Seinen Kopfball konnte Davies auf der Linie nicht mehr klären (16.). Der zweite Rückstand innerhalb von drei Tagen für die Münchner.
Und an alter Wirkungsstätte kam es für Flick noch bitterer. Pavard legte per Fehlpass hinter die eigene Abwehr den Ball für Dabbour auf, den der Isreali per Lupfer über Neuer im Tor zum 2:0 versenkte (24.). Durch einige Unkonzentriertheiten hatten sich die Münchner in eine sehr schwierige Ausgangssituation manövriert.
Zwar bauten die Bayern in der Folge ihren Ballbesitz aus, die Chancen hatte allerdings weiterhin Hoffenheim. Immer wieder kamen die Kraichgauer durch ihr direktes Spiel in gefährliche Situationen. Das Tor erzielten dennoch die Gäste per Traumtor von Kimmich aus knapp achtzehn Metern (36.). Ein Distanzschuss war an diesem Sonntagnachmittag als Dosenöffner nötig.
Doch auch nach dem Treffer zeigte sich das gleiche Muster: Hoffenheimer Konter brachten die Bayernabwehr zum Schwimmen. Kurz vor dem Pausenpfiff musste Neuer gegen Kramarić per Reklamierarm retten, der Ball sprang vom Schlussmann an die Latte. Mit einem Rückstand wurden die Seiten gewechselt.
Die zweite Halbzeit
Trotz eines intensiven Aufwärmprogramms von Lewandowski ließ Flick zunächst seine Startaufstellung auf dem Feld. Durchaus überraschend. Die ersten Chancen der zweiten Hälfte hatten auch direkt wieder die Hausherren. Doch Dabbour vergab gleich zwei beste Gelegenheiten.
Die Münchner wollten in der Folge spürbar das Steuer an sich reißen, schafften es aber nicht die gewünschte Dominanz aufzubauen. Nach einem starken Abschluss von Zirkzee, den Baumann an die Latte lenkte, wechselte Flick doppelt. Lewandowksi ersetzte den eben noch gescheiterten Holländer, während Goretzka für Pavard kam. Kimmich rutschte als Folge auf die Position des rechten Verteidigers.
Ein weiterer Doppelwechsel brachte mit Musiala und Coman für Sané und Tolisso frische Beine für die Offensive. Doch erneut waren es die Kraichgauer, die eine Großchance hatten. Kramaric legte im Strafraum quer auf den frei stehenden Skov aber Neuer rettete brillant. Mit der nächsten Chance fiel dann die verdiente Entscheidung. Ein Abstoß von Baumann wurde zum Konter, den Kramarić vollstreckte (77.).
In einer wilden Schlussphase schafften es die Gäste, sich keine einzige gefährliche Torchance zu erspielen. Dafür waren die Münchner in der Abwehr nun offen wie ein Scheunentor. Vier Mal ging es gut, beim fünften Mal fällte Neuer den heransprintenden Bebou im Sechzehner. Den fälligen Strafstoß verwandelte Kramarić zum 4:1-Endstand. Eine gehörige Packung für an diesem Nachmittag ganz schwache Münchner.
Dinge, die auffielen
1. Eklatante Schwächen im Umschalten
Gegen seinen alten Arbeitgeber hatte sich Sebastian Hoeneß ein Patentrezept ausgedacht. Mit langen Bällen auf die Außen wollte er das Flicksche Pressing überspielen. Dort sollten sich die Hoffenheimer Stürmer im Kopfballduell mit Bayerns Außenverteidigern begeben. Die Ablage würde dann per Steilpass hinter die Münchner Abwehr zur Großchance. Dass dieses Muster so gut funktionieren würde, hatte aber selbst Hoeneß wahrscheinlich nicht gedacht.
Bayern ließ an diesem Nachmittag in allen Bereichen den eigenen Anspruch vermissen. Das sonst so starke Pressing war nicht präsent. Im Mittelfeld schaffte man es nicht in die wichtigen Zweikämpfe zu kommen. Und der Viererkette würde nicht einmal die Bezeichnung Hühnerhaufen gerecht werden. Viel zu oft ließen sich Alaba & Co. überlaufen. Viel zu oft lud man Hoffenheim durch ungenaue Abspiele ein. Ein Leader in der Defensive fehlte zudem komplett, war Alaba mit der Situation doch sichtlich überfordert. Der Österreicher fiel in der schwachen Kette nochmals ab und durch abenteuerliche Laufwege negativ auf.
Auch mit dem Ball war das Bild kaum besser. In der ersten Hälfte vertändelte man zwei beste Kontersituationen, obwohl man mit Davies, Sané und Gnabry eine wohl selten dagewesene Schnelligkeit auf den Außenbahnen zur Verfügung hatte. Doch die Laufwege und die Pässe passten an diesem Sonntag einfach nicht zusammen.
Hoeneß zeigte, wie schockierend einfach es sein kann, die Münchner in dieser Saison auszuspielen, gerade wenn die Mannschaft zum Ende einer englischen Woche physisch und mental müde ist. Hier wird Flick über kurz oder lang eine Lösung finden müssen, sonst wird dies nicht der einzige Spießrutenlauf in dieser Saison sein.
2. Die Idee mit Tolisso
Eigentlich kam Tolisso als zentraler Mittelfeldspieler, doch bereits seit Beginn seiner Zeit in München muss der Franzose immer wieder nach Außen ausweichen. So auch heute gegen Hoffenheim.
Der Plan von Hansi Flick war es wohl die linke Seite mit dem offensiven Davies und Sané, der wohl die Flick-Philosophie gegen den Ball noch nicht komplett verinnerlicht hat, durch Tolisso zusätzlich abzusichern. Bis zur 20. Minute war Tolisso regelmäßig der äußerste Spieler in Bayerns Aufstellung mit dem Ball. Somit ermöglichte er es auch Sané immer wieder in den Halbraum zu ziehen und dennoch die Außenbahn zu besetzen. Erst mit dem Wechsel von Sané auf den rechten Flügel rückte Tolisso mehr in die Zentrale und folgte teils sogar Sané nach rechts.
Doch auch in der Folge lief das Spiel häufig an dem ehemaligen Rekordtransfer vorbei. In einem schnellen, physischen Spiel, das Tolisso eigentlich entgegenkommen sollte, tauchte er oft ab. Damit war er auch einer der Gründe, weshalb die Münchner in den Umschaltsituationen defensiv nicht in die Zweikämpfe kamen.
3. Licht und Schatten bei Zirkzee
Der junge Zirkzee kam etwas überraschend zu seinem ersten Einsatz von Beginn in dieser Saison. Im Auftaktspiel gegen Schalke konnte er nach seiner Einwechslung keine offensichtlichen Pluspunkte sammeln, doch im Training konnte er Flick wohl überzeugen. Dabei zeigte Zirkzee eine engagierte Leistung in einem Team, dass es offensiv nicht schaffte eine Vielzahl von Chancen zu kreieren. Doch lag das am Holländer?
Nicht zwingend und doch zum Teil. Zirkzee hing oft in der Luft, allerdings auch weil er nicht optimal ins Spiel eingebunden war. Er lief viel und versuchte sich auch abseits des Zentrums anzubieten. Ihm ging dabei jedoch die physische Präsenz eines Lewandowski komplett ab – sowohl als Zielspieler für lange Bälle als auch in Zweikämpfen mit den Innenverteidigern. Hier sollte Zirkzee wohl einmal bei Goretzka nach dem Geheimrezept für die Boss-Transformation anfragen.
Sein Potential zeigte Zirkzee zu Beginn der zweiten Hälfte als er zwei Mal schnell schaltete. Zuerst setzte er sich mit einer klugen Bewegung von seinem Bewacher ab und leitete einen Pass direkt auf Sané weiter. In der zweiten Aktion direkt vor seiner Auswechslung stand er goldrichtig, legte sich den Ball schnell auf den starken Fuß und schloss direkt ab. Auf diesen Aktionen wird Zirkzee aufbauen müssen, wenn er Lewandowski in dieser Saison noch häufiger ersetzen soll.
4. Ohne Kimmich bleibt ein Loch
Nach der Einwechslung von Goretzka für Pavard und der dadurch erzwungenen Umpositionierung von Kimmich nach rechts hinten, offenbarten sich die Schwächen des Bayern-Kaders. Viel war gesprochen und geschrieben worden über das Fehlen eines Ersatzmanns für die Rolle des Spielgestalters im zentralen Mittelfeld, wenn Kimmich fehlt. Diese Befürchtungen bestätigten sich heute. Mit Goretzka und Tolisso in der Zentrale wurde das Spiel sichtbar unstrukturierter und zerfahrener. Nur noch selten schafften es die Münchner sich nun nach vorne zu kombinieren.
Noch bis nächsten Montag hat der FC Bayern in Person von Hasan Salihamidžić Zeit, um diese Lücke im Kader zu füllen. Nach der Absage von Dest fehlt auch hier eine Abhilfe. Noch ist es zu früh, um die Transferperiode der Münchner zu bewerten, doch gerade nach dem Spiel heute wird Flick das Gespräch mit seinem Sportdirektor suchen und auch öffentlich den Druck erhöhen.
5. Bayern nutzt den Patzer nicht
Nach dem Patzer von Borussia Dortmund am Vortag und der Punkteteilung zwischen Leipzig und Leverkusen, hätte der Rekordmeister schon einen ersten großen Schritt zur Titelverteidigung machen können. Die Schlagzeilen zum bereits entschiedenen Meisterschaftskampf waren in den deutschen Gazetten bereits formuliert, doch es kam anders.
Die Münchner Mannschaft wirkte sichtlich müde, zahnlos und inkonsequent. Zu wenig gegen die bis in die Haarspitzen motivierte Hoffenheimer, die zudem vom Publikum frenetisch angetrieben wurden. In der Vergangenheit war es eine der großen Stärken der Bayern die Aussetzer der Konkurrenz gnadenlos auszunutzen. In den Vorjahren hatten genau diese Siege ein ums andere Mal den Unterschied im Titelkampf ausgemacht.
Mit einem vollen Terminkalender und dünnen Kader wird dies für den Triple-Sieger jedoch dieses Jahr zur Gratwanderung, wie man heute gegen Hoffenheim sah. Weitere solche Spiele werden folgen, bereits am nächsten Sonntag geht es nach einer erneut kurzen Woche gegen den Big City Club.