»Ich bin mehr, mehr, mehr überzeugt von meiner Idee.«

Jan Trenner 02.05.2014

Der Kader

Ich werde mit dem Verein über dieses Thema sprechen. Aber ich bin zufrieden mit diesem Kader. Mit diesem System haben wir in dieser Saison überragend gespielt […] Ich passe mich auch der Qualität der Spieler an. Das habe ich dieses Jahr schon gemacht. Ich musste mich anpassen.
PK-Ticker der Abendzeitung, 02.05.2014

Auf Twitter lief am heutigen Mittag eine heiße Diskussion über die Leistungsbewertung Guardiolas und die Interpretation der Qualitätsdefinition. Zentral ist und bleibt doch der Einsatz der Fähigkeiten eines Spielers auf dem Platz. Einzig und allein auf dieser Basis entscheidet sich a) die Qualität eines Spielers nach fußballerischen Gesichtspunkten und b) der Erfolg des Gesamtsystem, da dieser nicht unabhängig von der Zusammenstellung der Einzelnen betrachtet werden kann. Guardiola machte bei seinem Amtsantritt klar, dass er seine Vorstellung vom Fußball den Begebenheiten beim FC Bayern anpassen muss und wird. Am heutigen Tag hat er in meinen Augen keine Änderung an dieser Einstellung vorgenommen. Natürlich wird es nach dieser Spielzeit eine Analyse geben und wir sind uns wohl einig, dass es Änderungen geben wird und sollte. Beim Blick auf die Außenverteidigerpositionen können wir wohl mit dem Kopf nicken.

Wenn wir den Begriff »Qualität« nun also unter dem Gesichtspunkt der Fähigkeiten eines Spielers betrachtet, dann waren Guardiolas Worte keine Überraschung. Wir spielen einen Tiki-Taka-artigen Ballbesitzfußball, aber wissen die Fähigkeiten des klassischen Stürmers zu würdigen. Agieren über die Außen und durch die Zentrale, wissen um die Möglichkeiten mit flachen, hohen oder steilen Pässen in die Spitze für Gefahr zu sorgen. In den letzten Wochen gab es einen Formknick, welcher sich bei diesem Spielsystem massiv bemerkbar macht. Eine Systemanpassung bzw. Verfeinerung scheint unausweichlich. Natürlich besser auf Basis der vorhandenen Spieler, denn eine Spielphilosophie ist nicht grundsätzlich schlecht oder mangelhaft, aber beweist sich im Detail und der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Ideen.

Einen Bruch zwischen Mannschaft und Trainer ist von Außen betrachtet nicht erkennenbar. Es ist ein abenteuerlicher Pfad, wenn man Gesichtsausdrücke bei Auswechslungen oder Frust am Spielfeldrand interpretiert. Seit Amtsantritt gab es keine negative Aussage eines Spielers über ihn. Eher waren sie voller Lob und Begeisterung über die Arbeit mit ihm und die Lernkurve, die viele augenscheinlich hingelegt haben. David Alaba bestätigt das in meinen Augen auch am Tag nach der Niederlage gegenüber dem österreichischen Kurier:

Ich persönlich konnte schon sehr viel lernen und mitnehmen. Er ist ein unglaublicher Trainer, der uns Spieler einfach immer weiter verbessern will. Das macht einem jungen Spieler wie mir sehr viel Spaß.
David Alaba: „Das war ein Stich ins Herz“, 30.04.2014, Kurier.at

Ballbesitz und die Frage der Philosophie

Es war zu erwarten, dass nach dem Halbfinalaus in der Champions League alle (vermutlich schon länger geschriebenen) Texte über die Unfähigkeit von Guardiolas System, die Probleme des Ballbesitz und dieser Mannschaft veröffentlicht werden. Auf dieses Negativergebnis haben einige gewartet. Als Journalist nimmt man dabei wohl einen Standpunkt ein und vertritt diesen gegenüber dem Leser. Wir gehen einen etwas anderen Weg und haben keine Probleme in größerem Rahmen darüber zu sprechen. Die Niederlage gegen Real Madrid hat keineswegs das Prinzip »Ballbesitz« ad absurdum geführt. Sie hat aber gezeigt, dass man hier nicht zu kurz denken darf. Tobias Escher hat für Spielverlagerung ein sehr treffendes Fazit gezogen:

Ist damit auch Pep Guardiolas Philosophie gescheitert? Ein klares Nein von meiner Seite. Leider wird in Fußballdeutschland stets zuerst die Philosophie in Frage gestellt anstatt auf die Fehler im Detail geblickt. Im modernen Fußball geht es aber selten ums große Ganze, sondern meist um die kleinen Dinge. So scheiterte hier nicht in erster Linie eine Ballbesitz- an einer Kontermannschaft, sondern eine schlechter eingestellte an einer besser eingestellten Mannschaft.
Tobias Escher für Spielverlagerung.de am 30.04.2014

Mit der Verpflichtung von Pep Guardiola als Bayerntrainer war die Frage nach dem Aussehen unseres Spiels doch klar. Wir haben keinen zweiten Jupp Heynckes geholt, sondern einen spanischen Trainer der als Paradebeispiel seiner Philosophie gilt. Ist damit ein starres System im Münchner Fußball eingekehrt? Definitiv nein.

Wenn man die erste Halbzeit sieht, verdiene ich die ganze Kritik, die ich bekommen habe. Ich muss das akzeptieren […] eder Spieler will mit seinen eigenen Ideen spielen, aber das geht nicht. Ich muss sie davon überzeugen, welche Spielweise für alle die beste ist.
PK-Ticker der Abendzeitung, 02.05.2014

Guardiola hat direkt nach dem Schlusspfiff Größe gezeigt und Schuld auf sie genommen. Richtig, denn sein Matchplan und seine Idee hat gegen Real Madrid nicht funktioniert. Aber die Mannschaft und das Trainerteam können und werden Anpassungen finden, um die Effektivität zu erhöhen. Ballbesitzfußball funktioniert nur bei 100%. Im entscheidenden Moment dieser Saison waren wir nicht auf dem Top-Level, wie noch in der Saison 2012/13. Die Gier, die Bissigkeit und die Form bei einigen Spielern hat gefehlt.

Sprechen wir doch lieber darüber, wie man mit Blick nach vorn die entscheidenden Reize setzen und kleine Schrauben in die richtige Position drehen kann. Die letzten Jahre waren ein unglaublicher Ritt. Wer geglaubt hat, dass es nun mit Leichtigkeit so weiter geht, wird enttäuscht sein. Fußballtaktik folgt auch dem Prinzip Entwurf <> Gegenentwurf. Uns erwartet eine spannende Zukunft mit einem Trainer, der gemeinsam mit der Mannschaft den nächsten Entwurf präsentieren kann.