Gracias, Claudio!

Felix Trenner 16.07.2015

Pizarro kam 1999 aus Lima zu Werder Bremen und schlug ein, wie es kaum ein anderer Profi aus Südamerika vor ihm oder nach ihm getan hat. Zwei Jahre, 56 Spiele und 29 Tore nach seinem Wechsel erhob ihn der „Kicker“ in seiner Rangliste in die Kategorie „Weltklasse“ und der FC Bayern investierte mehr als acht Millionen Euro in den damals 23-Jährigen. Beim FCB war er, wenn auch mit leichtem Vorsprung, Teil eines Generationswechsels, von den großen Siegern 2001 zu den jungen Nachrückern um Schweinsteiger. Von 2001 bis 2007 traf der Peruaner nur einmal nicht zweistellig in der Bundesliga und gewann, neben dem Weltpokal 2001, dreimal das Double aus Meisterschaft und Pokal. Dass Pizza nicht immer nur die Sportseiten der Münchner Boulevardblätter zierte, störte die Vereinsoberen nicht – solange er seine Leistung brachte. Die lockere Lebensweise war Pizarros Markenzeichen, genauso wie sein breites Grinsen, das er stets zeigte, wenn ein Fußball in Reichweite war. Für Beobachter der Trainingseinheiten an der Säbener Straße war schon damals Unterhaltung garantiert, wenn der Peruaner auf dem Platz stand.

Das jähe Ende seiner ersten Episode in München folgte 2007. Pizarro lehnte ein Angebot zur Vertragsverlängerung ab und verabschiedete sich am 34. Spieltag mit einem Treffer gegen Mainz 05. Eine neue Ära begann beim FC Bayern, anstelle der letzten Verbliebenen der Generation 2001, die seitdem international kaum eine Rolle gespielt hatten, traten mit Ribery oder Toni verhältnismäßig teure Stars aus dem Ausland. Pizza probierte es währenddessen in England beim FC Chelsea. Doch bereits nach einem Jahr erkannte er seinen Fehler und wechselte wieder in die Bundesliga. Eindrucksvoll meldete er sich zurück und führte Werder Bremen zum Pokalsieg 2009. Auch in Bremen fühlte sich Pizarro stets wohl und genießt heute an der Weser nahezu denselben Status wie in München.

Erfolgreiche Rückkehr und unwürdiger Abschied

Dass der FC Bayern seinen Sturm regelmäßig austauscht oder ergänzt, hatte Pizarro zwar 2007 zu spüren bekommen. Fünf Jahre später jedoch kam es dadurch zu seiner Rückkehr nach München. „Pizza“ befand sich nun in einer anderen Karrierephase und sollte dementsprechend eine andere Rolle ausfüllen als in seiner ersten Periode, wo er im offenen Konkurrenzkampf mit Santa Cruz oder Makaay um Einsatzminuten gekämpft hatte. Bereits bei seiner Verpflichtung war klar, dass Gomez und Mandzukic um den einen Stammplatz in der Sturmspitze streiten würden und er sich hinten anstellen müsste.

Es ist zu bezweifeln, ob es in der Bundesliga jemals einen Spieler gegeben hat, der diese Rolle als Nummer drei so bereitwillig aufnahm wie Claudio Pizarro. Wann immer ein Stürmer in Bundesliga, Pokal oder Champions League eine Pause benötigte, sah man Pizarro seine Freude über die Einsatzminuten an. Und nicht nur, dass er sich freute: Er spielte mindestens so gut wie in seinen besten Zeiten. Persönliche Highlights aus der Triple-Saison waren der Dreierpack gegen OSC Lille in der Gruppenphase der Champions League sowie das 9:2 gegen den HSV, bei dem Pizza das wohl beste Spiel seiner Karriere machte. Vier Tore und zwei Vorlagen – der damalige HSV-Verteidiger Jeffrey Bruma dürfte beim Gedanken an den Peruaner noch heute einen Drehwurm bekommen. Im Nachhinein war die Verpflichtung von Claudio Pizarro ein unheimlich wichtiger Faktor für das gewonnene Triple. Und auch für ihn persönlich war der Triumph in der Champions League das späte Highlight seiner Karriere. Das Bild, wie der Stürmer sich in das Tornetz des Wembley-Stadions verbiss, dürften noch heute die meisten Bayern-Fans im Kopf haben.

Doch dass solch enge Beziehungen wie zwischen Pizarro, dem FC Bayern und seinen Fans nicht immer gut ausgehen, zeigt sich nun im Sommer 2015. Während der Peruaner in der ersten Saison unter Pep Guardiola noch dieselbe Rolle gespielt hatte wie unter Heynckes, verlief die vergangene weitaus schlechter. Pizza quälte sich mit mehreren Muskelverletzungen und kam zu lediglich 13 Kurzeinsätzen in der Liga. Es schien so, als wäre er mit seinen 36 Jahren an seine körperlichen Grenzen gestoßen. Auch der Verein war sich offenbar nicht sicher, wie die Personalie über das Saisonende hinaus gehandhabt werden sollte. Man verzichtete auf eine klare Stellungnahme vor dem letzten Spieltag und somit auf eine ordentliche Verabschiedung in der Allianz Arena, gab allerdings mit Veröffentlichung des Spielerkaders und der Trikotnummern bekannt, dass Xabi Alonso zukünftig die Nummer 14 tragen werde. Auch wenn Matthias Sammer zwischenzeitlich noch von Verhandlungen gesprochen hatte, gab er vor wenigen Tagen den endgültigen Abschied bekannt. Den Vertrag mit Claudio Pizarro nicht zu verlängern, ist eine sportlich durchaus vertretbare Entscheidung. Wie der Verein jedoch den Abgang kommunizierte und Pizarros Verdienste (nicht) öffentlich wertschätzte, ist jedoch zu kritisieren. Der Stürmer selbst hingegen fand heute auf Twitter die richtigen Worte:

In der Miasanrot-Redaktion gibt es für Transfers und Aufstellungen eine Art interne Qualitätsfeststellung. Dabei stellen wir uns die Frage, ob wir mit diesem Spieler in der Startaufstellung für ein Champions-League-Finale in der Nacht davor ruhig schlafen könnten. Selbst in der letzten Saison, in der Pizarro häufig nicht fit war, konnten wir diese Frage stets mit einem klaren „Ja“ beantworten. Nach derzeitigem Stand scheinen die bayrischen Bundesligisten aus Augsburg und Ingolstadt durchaus Chancen auf eine Verpflichtung des Stürmers, der weiterhin in München leben möchte, zu haben. Und genauso wie die Fans der gegnerischen Mannschaften Pizarro nicht böse sein konnten, wenn er ihrem Team ein Tor einschenkte, steht fest: Sollte Pizza noch einmal in der Allianz Arena treffen, würde keiner der 71.000 auf ihn schimpfen. Denn auf einen Spieler mit Legendenstatus schimpft man nicht. Gracias, Claudio!