Gnabry verlängert bis 2026 beim FC Bayern

Maurice Trenner 17.07.2022

Der 27-jährige Gnabry verlängert seinen Vertrag in der bayerischen Landeshauptstadt bis ins Jahr 2026. Es ist eine Entscheidung, die für beide Seiten Sinn ergibt.

Kometenhafter Aufstieg: Von London über Rio nach Tottenham

Die Story von Serge Gnabry kann nicht ohne die Olympischen Spiele 2016 erzählt werden. Der gebürtige Stuttgarter war unter viel Hype schon mit 16 in die Jugendmannschaften von Arsenal gewechselt, dann jedoch ins Abseits geraten und spätestens nach einer missglückten Leihe zu West Brom aus dem Fokus von Fußball-Deutschland gerückt. Doch Horst Hrubesch berief den damals 21-Jährigen in seinen Kader für ein Turnier, das Charakterzüge eines Sommermärchens hatte. Zusammen mit Nils Petersen teilte sich Gnabry die Torschützenkanone und führte Deutschland bis ins Finale gegen Neymar & Co., das erst im Elfmeterschießen gegen die Hausherren verloren ging.

Nach dem Turnier ging es für Gnabry plötzlich so schnell wie sonst nur im Tempodribbling und Werder Bremen sicherte sich seine Dienste. Wie später bekannt wurde, hatte auch ein gewisser Verein aus München hier seine Finger mit im Spiel. Nach einer Saison an der Weser, in der er zweitbester Torschütze der Hanseaten wurde, und einem Titelgewinn bei der U21-EM, in der er jedes Spiel bestritt, wechselte Gnabry nach München. Nur um – auf eigenen Wunsch – direkt nach Hoffenheim ausgeliehen zu werden.

Im Kraichgau traf Gnabry erstmals auf Julian Nagelsmann, der ihn schulte und förderte. In individuellen Einheiten arbeiteten der akribische Coach und sein Zögling an dessen Positionierung auf dem Feld und Orientierung zum Tor. Nagelsmann setzte Gnabry sehr flexibel ein, als Halbraumstürmer, in forderster Front oder auf dem Flügel. Am Saisonende standen 10 Tore und 7 Vorlagen in nur 1500 Minuten auf dem Statsheet. 

Dennoch war die Stimmungslage gemischt, als Gnabry zur Saison 2018/19 erstmals das Münchner Trikot trug. Würde der verletzungsanfällige Flügelspieler ins Münchner Starensamble passen? Speziell in der letzten Saison von Robbéry, die es ab 2019 zu ersetzen galt?

Was folgte kann nur als klares JA interpretiert werden. Direkt in seiner ersten Saison absolvierte Gnabry die meisten Minuten von allen Flügelstürmern und verbuchte ebenfalls die meisten Scorerpunkte. Seine persönliche Krönung sollte allerdings die Triple-Saison werden.

Zurück in London trat Gnabry mit seinen Bayern bei Tottenham an. Die Spurs waren im Vorjahr immerhin bis ins Finale gekommen und stellten den ersten wahren Test für die Münchner in diesem Jahr da. Eine Probe die für die Hausherren zur Lehrstunde werden sollte und für Gnabry zum persönlichen Triumphzug. Vier Tore erzielte er ausgerechnet in der Stadt, in der er sich nicht durchsetzen konnte. Im Achtelfinale traf er bei Chelsea erneut doppelt. Als Gnabry am Saisonende das Triple feiern kann, stehen 37 Scorerpunkte im Buch – einer pro 90 Minuten.

Achterbahn nach dem Höhepunkt

In der Folgespielzeit bekam Gnabry Konkurrenz für den Platz auf dem Flügel. Sein Nationalmannschaftskollege Leroy Sané wechselte mit viel Vorschusslorbeeren an die Isar und tatsächlich musste sich die offensiven Außen der Bayern erstmal sortieren. Immer häufiger musste er auf die linke Seite ausweichen, da Hansi Flick die perfekte Rolle für Sané suchte. Rein statistisch folge die schwächste Saison von Gnabry mit “nur” 0,68 Scorerpunkten pro 90 Minuten. 

Es verstärkte sich der Eindruck, dass seine Saison ähnlich wie seine Karriere als Achterbahn verläuft. Auf starke Wochen mit vielen Torbeteiligungen folgten lange Durststrecken. So erzielte Gnabry zwischen Anfang November 2020 und Ende Januar 2021 keinen einzigen Treffer, während er in den nächsten beiden Monaten in vier aus sechs Spielen traf.

Spätestens nach einer insgesamt ernüchternden Europameisterschaft 2021 in der Gnabry ohne Torbeteiligung blieb und gar seinen Startplatz im Laufe des Turniers verlor, war zum ersten Mal seit Jahren Katerstimmung angesagt. Hatte der Chefkoch schon seinen Kochlöffel verloren? Nach einer starken EM-Quali mit zahlreichen Toren tauchte er auf der größten Bühne ab. Jogi Löw kritisierte ihn, genauso wie auch seinen Teamkollegen Sané, nach dem Turnier sogar öffentlich.

Wie gut, dass in der nächsten Saison mit Julian Nagelsmann ausgerechnet der Trainer an der Seitenlinie stand, der Gnabrys Entwicklung in Hoffenheim entscheidend prägte. Mit Nagelsmann rückte Gnabry wieder vorrangig auf den rechten Flügel und bestritt 45 von 47 Pflichtspielen. Am Ende der Spielzeit standen 27 Scorerpunkte bzw. 0,88 pro 90 Minuten zu Buche. Bestwert zusammen mit Sané, der sich in seiner neuen Rolle im linken Halbraum ebenfalls stark verbessert zeigte.

Guter Deal für beide Seiten

Seit seiner Ankunft in München hat kein Flügelstürmer ähnliche Zahlen aufgelegt wie Gnabry. Natürlich performt er nicht auf einem Niveau wie der Peak von Robbéry, aber im direkten Duell mit Coman stehen bei ihm 30 Tore, 5 Vorlagen und über 2000 Minuten mehr zu Buche.

Hier werden schnell zwei Qualitäten von Gnabry klar: Zum einen seine wahnsinnige Torgefahr vom Flügel, welche den Bayern seit der Glanzzeit von Arjen Robben abhanden gekommen war. Ähnlich wie der Holländer hat auch der deutsche Nationalspieler einen Lieblingsmove. Denn nur wenige Spieler attackieren so direkt und aggressiv im Dribbling ihren Gegenspieler wie Gnabry, der damit häufig falsche Gewichtsverlagerungen oder Laufwege provoziert. Zum anderen hat sich Gnabry nach anfänglich häufigen Muskelbeschwerden mittlerweile zu einem sehr verlässlichen Spieler entwickelt. Hier scheint sich die professionelle Arbeit im Münchner Betreuerstab  auszuzahlen.

Für die Bayern bietet Gnabry noch eine weitere Upside: Aufgrund seiner Torgefährlichkeit und Physis kann der Nationalspieler auch in vorderster Reihe eingesetzt werden. Dies hat er schon häufiger im Trikot mit dem Adler auf der Brust bewiesen. Gerade in einer Post-Lewandowski-Welt eine spannende Option für Nagelsmann. Entweder als zentrale Spitze oder aber als Doppelsturm im 3-5-2 mit Neuzugang Sadio Mané. Ebenfalls denkbar wäre eine Flügelzange mit Mané in einem 4-3-3, wie es Liverpool mit Mané und Salah spielte. In jedem Fall ergänzt Gnabrys Abschlussstärke die bisherigen Flügelspieler der Münchner, den dribbelstarken Coman und den zentraleren Sané, sehr gut. 

Für Gnabry selbst bietet die Vertragsverlängerung ebenfalls einige spannende Chancen. Zunächst kann er in gewohntem Umfeld mit seinem Förderer Nagelsmann arbeiten und einen weiteren Angriff aufs Europas Krone machen. Für eine realistische Chance auf den Champions-League-Titel hätte es nicht viele andere Anlaufstellen in Europa gegeben. Zudem kann er seine Legacy bei den Münchner entscheidend prägen. Ohne Lewandowski wird ein Spieler aus dem Kader diese Lücke füllen müssen und Gnabry ist dafür sicherlich einer der Kandidaten. Letztlich scheut er auch nicht den harten Fight um die Positionen im Haifischbecken Flügelstürmer, der durch die Verpflichtung von Mané nochmals härter wurde.