Vorstellung: Der PlusMinus-Wert

Steffen Trenner 30.03.2015

Blickt man ein wenig tiefer, findet man gute Ansätze, wie den Goalimpact oder das ExpG-Rating – dennoch fehlen gängige und verständliche Methoden, um zum Beispiel den realen Einfluss eines Spielers auf das Spiel seiner Mannschaft jenseits von Toren, Assists oder Passquoten zu bewerten. Während in anderen Sportarten Analytics und Advanced Stats längst zum Mainstream gehören und Werte wie das Quarterback-Rating im Football oder das Player-Efficency-Rating im Basketball feste Bestandteile eines jeden Spielberichtsbogens sind, fußt unser Bewertungssystem häufig immer noch auf Schulnoten, die weite Teile der Berichterstattung bestimmen.

Wir bei Miasanrot versuchen seit Monaten, die öffentlich zugänglichen Daten (die wie gesagt nur ein sehr kleiner Teil der erhobenen Daten sind) für die Definition von Ratings zu nutzen und so Aussagen wie „Schweinsteiger und Alonso können es nicht zusammen“ zu überprüfen und faktenbasiert einzuordnen. Gleichzeitig geht es darum, den Wert von Spielern, die nicht unbedingt durch Tore und Assists auffallen, besser zu ermitteln. Wir möchten an dieser Stelle mal an einem Beispiel einen kleinen Einblick in diese Arbeit geben und diese mit Euch diskutieren.

Der PlusMinus-Wert

Das Prinzip ist simpel. Wir haben untersucht, bei wie vielen Toren und Gegentoren jeder Bayern-Spieler in dieser Bundesligasaison auf dem Platz stand und haben diese Tordifferenz auf 90 Minuten umgerechnet. Letzteres ist besonders wichtig. Häufig werden Werte pro Spiel benutzt ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass Spieler ein- und ausgewechselt werden oder sogar gar nicht zum Einsatz kommen. Jede Statistik sollte deshalb grundsätzlich auf 90 Minuten umgerechnet werden, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Wenn ein Spieler in drei Spielen auf 200 Einsatzminuten kommt und drei Tore erzielt, muss dieser Wert immer besser sein, als wenn ein anderer Spieler in drei Spielen auf 270 Minuten kommt und ebenfalls drei Tore erzielt.

Zurück zum PlusMinus-Wert. Wenn unsere Berechnungen stimmen, sehen die Werte der Bayern-Spieler für diese Bundesliga-Saison wie folgt aus:

SpielerΔ-90-TeamΔ-90PlusMinus-Wert-MitPlusMinus-Wert-OhneMit-Spieler-MinsOhne-Spieler-Mins
Neuer-0.08-1.882.1242.25090
Reina1.81.8842.12902.250
Rafinha0.631.9962.830.841588752
Alaba-0.04-0.102.162.271.665675
Bernat-0.23-1.911.973.872.061279
Weiser-1.74-1.890.462.351952145
Benatia0.480.812.681.879421398
Badstuber0.340.492.542.056721.668
Boateng-0.06-0.182.142.321641699
Dante-0.43-1.011.772.791371969
Højbjerg00.0032.22.192872053
Alonso0.070.262.272.011668672
Lahm-0.1-0.1532.12.269841.356
Schweinsteiger-0.24-0.381.962.338741.466
Rode-0.34-0.451.862.316291.711
Ribéry0.791.352.991.649641376
Robben0.270.992.471.481.673667
Lewandowski0.140.752.341.591.894446
Götze-0.08-0.232.122.351.613727
Müller-0.25-1.281.953.231.894446
Pizarro-0.88-0.961.322.282052.135
Shaqiri-1.15-1.341.052.393431.997
Bundesliga Saison 2014/15, FC Bayern, bis einschließlich Borussia Mönchengladbach, Team-Wert 2.2
Delta (Δ) bezeichnet die Abweichung zwischen PlusMinus der Spielerwerte und des Spieler-Maximums vom Teamwert
Keine Gewähr für Qualität der Daten; Auswertung Stand 30.03.2015

Folgendes haben wir dabei festgehalten: Den PlusMinus-Wert, wenn der Spieler auf dem Platz stand, den PlusMinus-Wert, wenn der Spieler nicht auf dem Platz stand, den Abstand zwischen diesen beiden Werten sowie den Abstand zum Team-Durchschnitt. Alle Werte wurden, wie erwähnt, auf 90 Minuten umgerechnet.

Einige Dinge fallen dabei sofort ins Auge. Es überrascht nicht, dass Robben und Ribéry sehr hohe PlusMinus-Werte haben. Ribéry erreicht den absoluten Topwert mit 2,99. Im Schnitt erzielte der FC Bayern also fast drei Tore pro 90 Minuten mehr als der Gegner, wenn Ribéry auf dem Platz stand. Robben liegt mit einem Wert 2,48 auf Platz 5. Rafinha schiebt sich etwas überraschend auf Platz 2. Auffällig vor allem: Wenn Rafinha nicht auf dem Platz steht, erreicht der PlusMinus-Wert seinen absoluten Tiefststand mit 0,84. Im Schnitt erzielte der FC Bayern in dieser Bundesliga-Saison also nur 0,81 Tore mehr als der Gegner, wenn Rafinha nicht spielte. Benatia (2,68) und Badstuber (2,54) folgen auf den Plätzen 3 und 4. In der Vorsaison hatte übrigens Thiago mit 2,97 den absoluten Top-Wert aller Bayern-Spieler – gefolgt von Boateng (2,39) und Alaba (2,35).

SpielerPlusMinus-Wert-MitPlusMinus-Wert-Ohne
Top 5
Ribéry2.991.64
Rafinha2.830.84
Benatia2.681.87
Badstuber2.542.05
Robben2.471.48
Worst 5
Schweinsteiger1.962.33
Müller1.953.23
Rode1.862.31
Dante1.772.79
Shaqiri1.052.39
Nur Spieler mit mind. 270 Spielminuten

Überraschend sind einige im Vergleich eher negative Werte. Mit Müller (1,95), Schweinsteiger (1,96) und Bernat (1,97) auf dem Feld hat die Mannschaft nach dieser Berechnung signifikant schwächere Werte als ohne sie. Das kann natürlich mehrere Gründe haben. Müller und Schweinsteiger werden sicher eher gegen schwächere Gegner geschont, während sie beide zum Beispiel bei den Niederlagen gegen Wolfsburg und Mönchengladbach viele Minuten auf dem Platz standen. Genau das zeigt, wo der PlusMinus-Wert an seine Grenzen stößt. Wir haben bereits überlegt, ob die Stärke des jeweiligen Gegners in die Berechnung miteinfließen sollte. Andererseits fällt es schwer, diese Stärke zu berechnen. Dortmund hat zum Beispiel einen schlechteren Tabellenplatz als Eintracht Frankfurt und ein ähnliches Torverhältnis. Trotzdem dürfte jede Partie gegen die Schwarz-Gelben für den FC Bayern schwerer sein als ein Duell mit der Schaaf-Elf. Von daher haben wir es bei den reinen Werten belassen.

Was uns die Werte verraten

Die Analyse der Werte zeigt vor allem, dass Statistiken und Ratings niemals alleine stehen gelassen werden sollten. Natürlich ist Thomas Müller ein deutlich wertvollerer und besserer Spieler als Rafinha. Trotzdem lässt sich nicht wegdiskutieren, dass der kleine Rechtsverteidiger in dieser Saison offensichtlich einen positiven Einfluss auf das Team hat. Das deckt sich im Übrigen durchaus mit dem Eye-Test, der auch bei der Anwendung von Advanced Stats unerlässlich ist. Gerade Robben scheint von der Präsenz Rafinhas hinter ihm zu profitieren. Außerdem zahlt sich offensichtlich aus, dass Guardiola den Brasilianer häufig in einer sehr absichernden Ausrichtung einsetzt. Rafinha geht insgesamt vergleichsweise wenig Risiko im Spiel nach vorne und dient damit häufig als zusätzliche Absicherung. Nur fünf Gegentore erlebte der Rechtsverteidiger in dieser Bundesliga-Saison auf dem Feld. Auch andere Zahlen wie der deutlich schwächste Innenverteidiger-Wert von Dante (1,77) decken sich durchaus mit dem Eindruck, den nicht nur wir in dieser Saison gewonnen haben.

Besonders spannend wird das PlusMinus-Rating wenn man verschiedene Aufstellungen miteinander kombiniert. Am bekannten Beispiel Schweinsteiger/Alonso wird das besonders deutlich. Über die gesamte Saison gesehen haben beide einen recht durchschnittlichen Wert (Alonso: 2,27; Schweinsteiger: 1,96). Wenn man beide isoliert betrachtet, zeigt sich aber durchaus Auffälliges. Ohne Alonso, dafür mit Schweinsteiger auf dem Feld erreicht das Team einen starken Wert von 3,42. Auch Alonsos Wert steigt in den Minuten ohne Schweinsteiger leicht auf 2,49 an. Standen beide in dieser Bundesliga-Saison gemeinsam auf dem Feld, bricht der Wert auf 1,05 ein und liegt damit sehr deutlich unter dem Teamschnitt. Die These vom negativen Einfluss der beiden zentralen Mittelfeldspieler auf das Spiel der Münchner, wenn sie gemeinsam auf dem Platz stehen, wird also auch statistisch in der bisherigen Saison eindeutig belegt.

KombinationPlusMinus-WertMinuten
Schweinsteiger ohne Alonso3.42368
Alonso ohne Schweinsteiger2.491.340
Schweinsteiger und Alonso1.05427

Eine weitere Auffälligkeit, die wir entdeckt haben, betrifft die fünf Offensivspieler. So ist es durchaus überraschend, dass die Mannschaft einen um 0,3 Tore schlechteren PlusMinus-Wert hat, wenn Götze, Müller, Lewandowski, Ribéry und Robben gemeinsam auf dem Platz stehen. Subjektiv entstand in unserer Redaktion eher der Eindruck, dass die Spiele mit allen fünf Offensiven die besten der Münchner in der laufenden Saison waren.

Das Prinzip lässt sich beliebig weiterentwickeln und durchdeklinieren. Spannend wäre zum Beispiel, wie sich der PlusMinus-Wert in dieser Saison bei einer Dreier- oder Viererkette entwickelt hat. Leider fehlt uns dafür der Zugriff auf diese Daten, die aber wie oben erwähnt sicher erhoben werden. Auch andere Werte als Tore ließen sich selbstverständlich ableiten. Wie viele Torschüsse hat der FCB mit Spieler X oder Spielerkombination Y pro 90 Minuten herausgearbeitet. Wie verändert sich die Zweikampfquote, wenn Spieler X oder Spielerkombination Y fehlt? Was ist die statistisch beste Kombination im Angriff? Welche Innenverteidiger-Kombination lässt die wenigsten Torschüsse zu? Die Antworten auf diese Fragen würden die Diskussion um Fußball bereichern. Doch selbst Seiten, die sich auf Statistiken spezialisiert haben wie whoscored, foufourtwo oder squawka bieten nur einen sehr eingeschränkten Blick auf diese Zusammenhänge.

Fazit

Der PlusMinus-Wert ist aus unserer Sicht ein interessanter, wenn auch im Vergleich zu dem, was theoretisch möglich wäre, eher kleiner Analyse-Baustein, den wir weiter beobachten und hier und da einsetzen werden. In der amerikanischen Profiliga MLS wird ein ähnlicher Wert übrigens bereits angewendet. Auch andere Ratings und Ratios, die uns ein genaueres Bild vom Spiel des FC Bayern vermitteln sollen, werden wir in den kommenden Wochen und Monaten testen und gegebenenfalls auch hier vorstellen.

Wir sind überzeugt davon, dass Advanced Stats deutlich an Bedeutung gewinnen werden. Zuletzt wurde vom dänischen Tabellenführer FC Midtjylland berichtet, der bestimmte Key Performance Indicators (KPIs) in die Bewertung von Spieler-Leistungen, sowie in das Scouting mit einbezieht. Thomas Tuchel verriet in einem aktuellen Zeit-Interview, dass er sich mit dem Besitzer des Vereins Matthew Benham getroffen habe, um mehr über die Arbeitsmethoden dort zu erfahren. Das unterstreicht nur noch einmal, dass auch die Bundesliga und die dazugehörige Berichterstattung über kurz oder lang nicht an der Benutzung und Veredelung des erhobenen Datenschatzes herum kommen wird.

Diskutiert mit. Wir stehen erst am Anfang und freuen uns auf Eure Meinungen und Vorschläge zu diesem Thema.

Im Vergleich zu einer früheren Version wurden die gespielten Minuten noch einmal angepasst. Außer bei Boateng, der vorher einen deutlich schlechteren Wert hatte, haben sich die PlusMinus-Ratings dadurch jedoch nur minimal verändert.