Roundtable: 5 Fragen zum Rückspiel gegen Donezk

Steffen Trenner 10.03.2015

Ein Ausscheiden scheint undenkbar und hätte momentan nur schwer zu prognostizierende Folgen für den Rekordmeister. Zum ersten und hoffentlich nicht zum letzten Mal in dieser Saison geht am Mittwoch-Abend es so richtig um alles oder nichts. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Duell gegen Donezk.

1. Geht Guardiola mehr Risiko als im Hinspiel?

Steffen: Es war das große Thema in den Tagen nach dem Unentschieden in der Ukraine vor nun fast vier Wochen. Guardiola verordnete seiner Mannschaft eine extrem kontrollierte Ausrichtung und zeigte sich nach dem Spiel durchaus recht zufrieden mit der gezeigten Leistung und vor allem der Verhinderung der gefährlichen Donezker Konter. Im Rückspiel wird der FC Bayern mit Sicherheit mehr Risiko gehen als im Hinspiel. Der Rekordmeister ist an guten Tagen sicher in der Lage gegen den Ukrainischen Meister im eigenen Stadion einen klaren Sieg herauszuspielen. Was bleibt sind gewisse Unwägbarkeiten über die Form der Lucescu-Elf. Gerade einmal drei Pflichtspiele hat Donezk im Jahr 2015 bestritten. Zuletzt gab es in der Liga einen 3:0-Erfolg gegen Vorskla und am Wochenende ein 2:2 den ehemaligen Champions League-Teilnehmer Kharkiv. Bekannt ist ihre Konterstärke. Mit dem neunfachen CL-Torschützen Luiz Adriano, den schnellen Taison und Douglas-Costa auf den Flügeln, sowie Spielgestalter Teixeira dazwischen stehen gut aufeinander abgestimmte Spielertypen bereit.

Überrascht hat im Hinspiel die große Kompaktheit der Donezker-Defensive, die vor allem in der Konstanz über 90 Minuten nicht zu erwarten war. Ein Rückstand brächte die Münchner am Mittwoch richtig in Zugzwang, sodass Guardiola sicherlich auch im Rückspiel viel Wert auf die Konterverteidigung legt. Trotzdem werden die Münchner zeigen wollen, wer Herr im Haus ist und haben mit einer starken Heimbilanz im Rücken allen Grund selbstbewusst und offensivfreudig aufzutreten. Zwei eigene Tore könnten zum Weiterkommen reichen. Einmal mehr ist die richtige Balance gefragt.

Jolle: Ich will hoffen, dass sich Guardiola etwas für die Offensive hat einfallen lassen. Das würde ich aber nicht mit „mehr Risiko“ überschreiben. Gerade zuhause hätte ein Gegentor noch viel größere negative Konsequenzen. Daher gehe ich davon aus, dass die Bayern zwar druckvoll nach vorne spielen und vielleicht gleich zu Beginn versuchen werden, Donezk mit einigem Offensivwirbel zu überfahren. Wenn es aber lange beim 0:0 bleiben sollte und der Dosenöffner nicht gleich gelingt, werden sie versuchen, das Spiel in der Schlussviertelstunde zu entscheiden und den Gegner so lange sehr kontrolliert mürbe zu spielen.

Christopher: Ja und Nein. Einerseits ist das 0:0 aus dem Hinspiel kein optimales Ergebnis, dennoch muss Donezk mindestens ein Tor schießen, um ein Weiterkommen per Sieg respektive Unentschieden zu garantieren. Ich erwarte daher zunächst nur eine kontrollierte Offensive der Guardiola Elf, die sich im Kern ähnlich konstituieren wird wie im Hinspiel. Ein Anrennen ab dem Anpfiff erwarte ich daher nicht. Fast spannender finde ich noch die Frage, wie sich die taktische Ausrichtung im Falle eines eigenen Führungstreffers verändert. Weiter auf ein mögliches 2:0 spielen oder doch stark kontrolliertes Risiko? Beides ist denkbar.

2. Badstuber, Benatia oder Dante neben Boateng?

Steffen: Egal ob Dreier- oder Viererkette. Es spricht viel dafür, dass Guardiola wie zuletzt eigentlich immer einen zweiten nominellen Innenverteidiger einsetzt. Nach den Leistungen der vergangenen Wochen spricht viel für Badstuber, der sich sehr solide präsentiert hat. Der 25-Jährige hat allerdings erst knapp 30 Champions-League-Minuten in den Beinen und stand seit dem 20. November 2012 (!) international nicht mehr von Beginn an auf dem Feld. Benatia fiel zuletzt aus, stand gegen Hannover aber wieder im Kader. Der Marokkaner hat in der Hinrunde einen extrem starken Eindruck hinterlassen und bildete gemeinsam mit Boateng ein furchterregendes, weil kompromissloses Duo.

Ein Startelfeinsatz von Dante scheint nach den Eindrücken und Diskussionen nach dem Hannover-Spiel fast ausgeschlossen – auch wenn es irgendwo Gurdiola-like wäre antizyklisches im bisher wichtigsten Spiel der Saison doch auf Dante zu setzen. Ich lege mich mal fest und sage Benatia. Auf Grund leichter Vorteile in der Antrittsschnelligkeit und weil ich glaube, dass Guardiola auf eine Dreierkette mit Alaba als linkem Halbverteidiger setzen wird. Benatia und Boateng passen da besser.

Jolle: Ich halte Badstuber dagegen. Benatia scheint zwar wieder fit zu sein, konnte aber im Gegensatz zu Badstuber keine Spielpraxis sammeln. Dieser hat wiederum im letzten Spiel gezeigt, dass er auch die Spritzigkeit hat, um den ein oder anderen Dante-Fehler auszubügeln. Ob das nun im nationalen Wettbewerb oder international stattfindet, sollte für einen Nationalspieler vom Format eines Badstuber – sofern er fit ist – nicht den ausschlaggebenden Unterschied ausmachen.

Christopher: Eine Frage die angesichts des Fitness- und Formzustandes von Benatia und Dante nur beantwortet werden kann mit: Badstuber oder nichts. Auch wenn Badstuber gegen Hannover nicht vollends überzeugen konnte und vor allem einige seiner langen Diagonalpässe keinen Abnehmer fanden denke ich, dass er gegen Donezk gute Chancen hat, erneut in der Startelf zu stehen. Gerade im Bezug auf den Spielaufbau könnte er wichtig werden, sollte die Elf von Lucescu erneut eher destruktiv eingestellt sein.

Ein anderes Gedankenspiel möchte ich an dieser Stelle noch einwerfen. Ich kann mir auch sehr gut eine Dreierkette mit Alaba/Bernat, Boateng und Rafinha vorstellen. Pep Guardiola könnte mit einem sehr variablen Alaba, Ribéry und wahrscheinlich Bernat versuchen gezielt die linke Seite zu überladen. Von der Spielanlage her ähnlich wie gegen Köln vor etwas mehr als einer Woche.

3. Schweinsteiger + X?

Steffen: Die Alonso-Sperre durch seine Gelb-Rote Karte im Hinspiel hat die wohl aktuell spannendste Personalfrage im Bayern-Kader von alleine gelöst. Guardiola hat in den vergangenen Wochen eine Art time sharing zwischen Alonso und Schweinsteiger etabliert nachdem deutlich wurde, dass sich beide in Stärken und Schwächen nicht optimal ergänzen. Mit Philipp Lahms Rückkehr ins Mannschaftstraining wird in Kürze ohnehin noch einmal alles von vorne gemischt. Für Donezk heißt es wohl Schweinsteiger oder nichts. Die Frage ist, wie Guardiola den 30-Jährigen ergänzt.

Schweinsteiger war zuletzt in passabler Form, machte seine besten Spiele gegen Köln (1 Tor, 1 Assist) und gegen den HSV (1 Assist). Gegen Köln agierte er als tiefe alleinige Sechs mit fünf Offensiven vor ihm. Gegen Hamburg ergänzte ihn Alaba als pendelnder, linkslastiger Mittelfeldspieler. Beides funktionierte also in der Vergangenheit, wenngleich die Konterstärke der beiden Teams nicht unbedingt mit der von Donezk vergleichbar ist. Schweinsteiger fühlt sich auf der alleinigen Sechs mit hohen Spielanteilen deutlich wohler als in der Tweener-Rolle, in die er vor allem wenn mit Alonso auf dem Platz gezwängt wurde. Eine Dreierkette im Rücken würde ihn auch in der Konterabsicherung deutlich stärken. Es spricht viel für Schweinsteiger auf der Sechs und ein offensiv starkes Quintett vor ihm. Alternativ wäre Alaba sicherlich die beste, wenn auch keine optimale Wahl neben ihm.

Jolle: Das unterschreibe ich so. Eine nominelle Viererkette mit Alaba und Rafinha außen, die viel ins Mittelfeld reinkippen und Schweinsteiger auf der Sechs und der Acht unterstützen, kann ich mir sehr gut vorstellen. Da stellt sich mir eher die Frage, ob links dennoch Bernat, Alaba und Ribéry gleichzeitig auflaufen und Pep Alaba von vornherein eher für die Halbräume im Mittelfeld aufstellt.

Christopher: Das „X“ markiert wohl die ganze Ausrichtung des Bayernspiels. Denkbar ist ein zweiter Sechser in Person von Alaba, der ähnlich wie gegen Hannover oder Stuttgart versucht das Spiel aus dem Mittelfeld zu prägen. Möglich und durch die Sperre von Alonso nicht gänzlich unwahrscheinlich ist aber eine 3-4-3 Grundformation mit Götze, der neben Schweinsteiger eine deutliche offensivere Rolle einnehmen kann und dann als Verbindungsspieler zwischen Abwehr und Mittelfeld bzw. Mittelfeld und Angriff fungiert.

4. Wer kann Impulse von der Bank bringen?

Steffen: Bayerns Kader ist durch die Verletzten und die Abgänge von Shaqiri und Hojbjerg im Winter ziemlich ausgedünnt. Bayern hat sehr gute Erfahrungen damit gemacht, wenn Götze, Robben, Ribéry, Lewandowski und Müller gemeinsam auf dem Platz standen. Vor allem Lewandowski profitierte durch die zusätzlichen Möglichkeiten für Positionswechsel und die geteilte Aufmerksamkeit der gegnerischen Defensive. Guardiola muss hier abwägen. Bringt er alle fünf von Anfang an oder schafft er sich selbst durch die Aufstellung von Bernat als linkem Flügel oder Alaba als zusätzlichem zentralen Mittelfeldspieler zusätzliche Optionen von der Bank. Denn in diesem Fall müsste einer der Fünf weichen und Guardiola hätte Optionen je nach Spielverlauf während des Spiels zu reagieren.

Ansonsten heißt die einzige echte offensive Alternative Claudio Pizarro und diese hat in dieser Saison noch überhaupt keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der wirkungsvollste Einwechselspieler in dieser Saison ist wohl Franck Ribéry, der bereits drei Pflichtspieltore nach Einwechslung erzielte. Andererseits war er in den letzten vier Bundesliga-Partien an sieben Toren beteiligt und unterstrich so seinen Wert. Eine gewisse Linkslastigkeit in Bayerns-Spiel hat derweil in den vergangenen zwei, drei Wochen dem Spiel der Münchner nicht immer gut getan. Es ist kniffelig. Ich tendiere trotz der beschriebenen Probleme durch die fehlenden Alternativen für Götze, Robben, Ribéry, Lewandowski und Müller in der Startelf. Auch in dem Selbstvertrauen, dass es einen Plan B nicht zwingend braucht.

Jolle: Auch hier finde ich, dass Steffen das Dilemma bereits sehr gut aufzeigt. Wenn Guardiola die Partie möglichst am Anfang entscheiden möchte, bringt er von Beginn an diese Furious Five. Für die Zermürbungstaktik spräche dagegen, Alaba und Bernat auf der linken Seite viel Druck und Tempo machen zu lassen, Bernat per Dribblings vielleicht für Gelbbelastung in der gegnerischen Defensive sorgen zu lassen und dann eine halbe Stunde vor Schluss Ribéry zu entfesseln.

Christopher: Ehrlicherweise muss man angesichts der aktuellen Verletzungen wohl nur konstatieren: Kein Spieler, außer die besagten fünf Offensivakteure, können wirkliche Impulse bringen, die in einem Champions League K.o.-Spiel erwartet werden. Zwar besitzen Weiser, Gaudino und Kurt viel Talent, aber so ein Spiel, kommt in Anbetracht ihrer reduzierten Minuten in den letzten Wochen und Monaten zu früh. Am ehesten rechne ich Gaudino noch als Option, um mehr Kontrolle ins Mittelfeld zu bekommen, sollten Ribéry, Robben, Müller, Götze und Lewandowski beginnen. Alternativ könnte natürlich auch Pepe Reina kommen und Manuel Neuer wird ins Mittelfeld geschoben….

5. Wer wird zum X-Faktor?

Steffen: Auch wenn am Ende viel auf die Offensive ankommen wird, ist für mich – vorausgesetzt beide spielen – Taison gegen Rafinha ein sehr entscheidendes Duell. Ich lehne mich so weit aus dem Fenster: Wenn wir nach dem Spiel nicht genau über diese beiden Spieler sprechen, wird es gut ausgehen für die Bayern. Taison ist ein sehr aktiver durchaus unkonventioneller Spieler, der nicht am Flügel klebt, sondern im Konter in unterschiedlichste Räume stößt. Er ist sicher nicht der torgefährlichste der Shaktar-Offensiven, aber vielleicht der unberechenbarste. Mit zwei Torvorlagen und 1,4 Key-Passes pro Spiel führt er sein Team in dieser Champions League-Saison in zwei wesentlichen Statistiken an.

Rafinha hat unter Guardiola enorm viele Spielminuten wird aber durch seine sehr kontrollierte, zurückhaltende Ausrichtung auch ein wenig vor sich selbst geschützt. Soll heißen: Weil er ganz anders als Bernat oder Alaba auf der Gegenseite kaum einmal zur Grundlinie vorrückt, entstehen schon strukturell deutlich seltener gefährliche Räume in seinem Rücken. Rafinha erledigt seine Aufgaben in der Regel sehr diszipliniert auch wenn gewisse Schwächen im Eins-gegen-Eins nicht zu leugnen sind. Wenn er Taison in den Griff bekommt und ihm wenige gefährliche Szenen erlaubt bin ich extrem optimistisch.

Jolle: Schweinsteiger, Boateng und Rafinha geben für mich ein stabiles Trio ab, das den Laden da hinten zusammenhalten sollte. Das Bayernspiel hatte 2015 bislang einen klaren Linksfokus mit vielen Überladungen auf dieser Seite, während Rafinha und Robben sich von rechts eher auf die Mitte konzentrierten. Für das Rückspiel würde ich mir wünschen, wieder mehr auf das Kurzpassspiel durchs Zentrum zu setzen und so Robben besser einzubauen. Der profitierte zwar auch in den letzten Wochen von größeren Räumen auf der rechten Seite und könnte in der Liga bald mal eine Kreativpause gebrauchen – in K.o.-Spielen ist er neben Ribéry aber klar unser Mann für den unbändigen Willen und das gewisse Etwas.

Christopher: Aus Sicht des FC Bayern eigentlich nur „die eigene Willensstärke“. Im Hinspiel haben die Spieler von Donezk durch körperliche Härte vielen Bayernspielern, insbesondere Ribéry, stark zugesetzt und ab der 30 Spielminute immer mehr kippen lassen. An dieser Stelle gilt es sich auf seine eigenen Stärken zu berufen, denn individuell bzw. taktisch im Kollektiv ist der FC Bayern besser aufgestellt.