Hansi Flick wird neuer Assistenztrainer beim FC Bayern

Justin Trenner 23.06.2019

Es hatte sich in den letzten Wochen und Monaten angedeutet: Hansi Flick war stets unter den engeren Kandidaten, wenn es um die Nachfolge für Peter Hermann ging. Hermann, den die Bayern vor der vergangenen Saison heftig umwarben, damit er trotz des Heynckes-Abschieds bleibt, hatte den Rekordmeister nun mit einem Jahr Verzögerung doch verlassen.

Mit Flick kommt nicht nur ein ehemaliger Bayern-Spieler an die Säbener Straße, sondern auch der ausdrückliche Wunschkandidat Niko Kovačs. Ein weiteres Zeichen dafür, dass der Klub seinem Trainer in dieser Transferperiode mehr Freiheiten gewährt.

Doch kann Hansi Flick tatsächlich eine Verstärkung im Trainerteam der Bayern darstellen? Dieser Frage haben wir uns mit drei Meinungen aus der Redaktion angenähert.

„Den Anpackeransatz ergänzen“

Jolle: Bei den ersten Gerüchten um Flick war ich auf jeden Fall erstmal positiv überrascht. Er hat Kompetenzen nachgewiesen. Zwar in der zweiten Reihe, aber er war trotzdem hinreichend mit Druck konfrontiert. Dazu zählen auch der Umgang mit Bayern-Stars und die Moderation des berühmten FCB-BVB-Splits in der Nationalmannschaft.

Die akribische, taktische Hintergrundarbeit hat er drauf und könnte somit den weniger theoretischen Anpackeransatz von Kovač ergänzen. Er hat auch bewiesen, dass er aus Fehlern lernen kann. So hatte er Löw davon überzeugt, mehr Zeit in Standards zu investieren – allerdings hat er dafür auch Jahre gebraucht.

Das Arbeitsklima zwischen Kovač und Flick sollte passen. Wenn allerdings Kovac infrage steht, ist fraglich, auf welcher Seite Flick dann steht. Womöglich auf der Seite des besseren Arguments. Wenn Kovač seinen Input nicht nutzt, steht er ggf. auf der Seite der Bosse. Aber einen netten Flick verputzt Hoeneß zum Frühstück, wenn es nicht läuft. Politisches Taktieren ist vielleicht nicht so seins. Obwohl ich das nur auf seine Eigenschaft zurückführe, sich unkompliziert im Hintergrund zu halten. Vielleicht ist ja aber auch das Gegenteil richtig und es ist immer ruhig um ihn, weil er darin so geschickt ist. Sein Ausscheiden aus dem DFB-Trainerstab war ja immerhin selbstbestimmt.

„Flick muss Durchsetzungsvermögen beweisen“

Justin: Es muss ja die Frage nach den Erwartungen gestellt werden: Was soll ein Assistenztrainer im Team-Kovač können? Da der Cheftrainer da eher weniger Einblicke gibt, bleibt viel Spekulation übrig. Von Hermann hatten wir in der vergangenen Saison erwartet, dass er Kovačs taktische Schwächen korrigieren kann. Das hat leider nicht geklappt: Positionsspiel und Offensivkonzept aus dem Spiel heraus haben sich verschlechtert.

Die Frage ist, ob Hermann selbst nicht (mehr) dazu in der Lage war oder ob Kovač den Input nicht zugelassen hat beziehungsweise einen anderen Fokus legte. In jedem Fall sollten die Erwartungen an Hansi Flick aber ähnlich sein. Flick ergänzte Löw in der Nationalmannschaft hervorragend, hatte dort aber auch einen Trainer, der einen deutlich höheren Wert auf taktisches Training und taktische Entwicklungsprozesse legte. Dennoch galt Flick als jemand, der frischen Input geben konnte und regelmäßig Videoanalysen aufbereitete. Außerdem hatte er auf fachlicher Ebene einen guten Draht zu vielen Nationalspielern. Das könnte im Kader des FC Bayern einige Bedürfnisse befriedigen, die in der vergangenen Saison zu Unruhe führten.

Rein zwischenmenschlich glaube ich auch an eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen Kovač und Flick. Was mit Sagnol und Ancelotti schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt war, kann hier zu einer wohltuenden Symbiose führen. Flick muss dabei Durchsetzungsvermögen beweisen und Kovač auch dann mit taktischen Themen und Debatten konfrontieren, wenn dieser die Ursachen vielleicht woanders liegt. Andersherum muss Flick sich an die Vorstellungen des Cheftrainers anpassen. Lassen beide Seiten (die Kovač-Brüder und Flick) eine ausgewogene und offene Zusammenarbeit zu, traue ich diesem Trainerteam einen deutlichen Fortschritt zur Vorsaison zu. Dass Flick Kovačs Wunschkandidat war, lässt darauf hoffen.

„Er gilt als super vernetzt“

Maurice: Mit Hansi Flick bekommt Bayern einen erfahrenen Co-Trainer, der durch seine Zeit als Sportdirektor des DFB auch abseits des Trainingsplatzes über viel Erfahrung verfügt. Hier ist auch sicher eine seiner größten Stärken zu sehen: Flick kennt sich im deutschen Fußball aus wie nur wenige andere und gilt als super vernetzt – auch im Jugendbereich. Die Rolle von Flick beim WM-Titel 2014 in Brasilien wird medial oft auf seinen Fokus auf Standardsituationen reduziert. Tatsächlich hat er darüber hinaus aber an der Planung der Vorbereitung und der Trainingssteuerung einen erheblichen Anteil gehabt.

Diese Ideen und Prozesse sammelte er in einem Arbeitsbuch, das als Masterplan galt und der auch bei zwischenzeitlichen Rückschlägen nicht verworfen wurde. Jeden Schritt dieser Arbeit stimmte er dabei mit dem Trainerteam ab. Ohne ihn traf Jogi Löw nur selten eine wichtige Entscheidung. Zu vielen Nationalspielern, wie den Kapitänen Neuer und Müller, hat er zudem aus seiner Zeit als Co-Trainer der Nationalelf einen guten Draht, so dass er in der Kabine wohl vom ersten Tag an akzeptiert wird.

Der frühere Bayern-Spieler gilt als akribischer Arbeiter, der jedoch gerne im Hintergrund agiert und sich nicht selbst ins Rampenlicht drängt. Insofern passt er gut in die Nachfolge von Peter Hermann und Hermann Gerland. Ein kleines Fragezeichen hinter Flick ist jedoch hinsichtlich seines Durchhaltevermögens zu setzen: Den Job als DFB-Sportdirektor kündigte er genauso plötzlich wie auch sein Vertrag als Geschäftsführer bei der TSG Hoffenheim beendet wurde.


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