FC Bayern München - FFC Frankfurt, 0:1, 17.4.2016, Grünwalder Stadion

Bayern Frauen – FFC Frankfurt 0:1 (0:1)

Jolle Trenner 17.04.2016

Dabei darf man nicht vergessen, dass es eigentlich der Normalfall ist, auch als Top-Team hin und wieder mal Punkte liegen zu lassen oder gar das ein oder andere Spiel zu verlieren. Frankfurt und Wolfsburg können ein Lied davon singen. Dennoch war es den Bayern gelungen, nach der Überraschungssaison, in der man ungeschlagen geblieben war, auch in der Folgespielzeit eine schier übermenschliche Konstanz zu zeigen. Zwar waren immer wieder auch schwächere Partien dabei, doch die passenden Ergebnisse konnte man fast immer dennoch einfahren.

Im Pokal waren die Bayern noch an einem Team gescheitert, dass sich heimlich von der Außenseiterposition ins obere Tabellendrittel vorgeschlichen hatte und laut Bayern-Coach Tom Wörle „wild entschlossen“ auftrat. An diesem verregneten Aprilsonntag bekam man es nun aber mit dem amtierenden Champions-League-Sieger zu tun, über dessen europäische Spitzenklasse man wusste.

Falls Ihr es verpasst habt

Zweimal hatten die Bayern Frankfurt in dieser Saison noch unter ihrem ehemaligen Trainer Colin Bell schlagen können (Bericht zum 2:0 im Pokal sowie Bericht zum 0:1 im Ligahinspiel)

Bayern-Frankfurt, GrundformationenBayern-Frankfurt, Grundformationen

Damals hatte Frankfurt das Spielsystem mit Dreierkette der Bayern gespiegelt und war ebenfalls mit drei Innenverteidigerinnen in der Abwehrkette aufgelaufen. Matt Ross hatte sich diesmal aber einen besonderen Plan überlegt (siehe Punkt 1), um den Bayern ein Bein zu stellen, der den FCB zuhause im eigenen Stadion auch sofort vor mächtige Probleme stellte. Frankfurt dominierte die komplette erste Hälfte — sinnbildlich, wie Simone Laudehr unbehelligt mit Ball am Fuß das komplette zweite Drittel durchqueren durfte — kam zu einigen Torchancen und verpasste es mehrfach, nur halb von Korpela geklärte Bälle im Fünfmeterraum über die Linie zu drücken. Beide Mannschaften hatten nicht nur gegeneinander sondern auch gegen den pitschnassen Platz anzukämpfen.

Nach einer halben Stunde münzten die Gäste ihre Überlegenheit dann aber in die verdiente Führung um. Saskia Bartusiak traf nach Ecke per Kopf. Auch Mandy Islacker, derzeitig mit zwölf Toren die Nummer 1 der Torjägerinnen in der Liga, hätte dem FCB gleich den nächsten Schlag versetzen können, scheiterte aber.

Nur eine einzige Szene bleibt aus der ersten Halbzeit in Erinnerung, in der die Bayern mal ihr berüchtigtes Kombinationsspiel erfolgreich aufziehen konnten. Vero Boquete, die überraschend in der Sturmspitze auflief, kombinierte sich mit Sara Däbritz sehenswert in den Strafraum. Etwas Zählbares entstand daraus jedoch nicht.

Über 45 Minuten war den Gastgeberinnen keine rechte Antwort auf das Spiel des FFC eingefallen, weshalb man verdientermaßen in Rückstand geraten war. Wie würde Wörle reagieren? Auch wenn der Deutsche Meister spielerisch kaum etwas angeboten hatte, war ein 0:1 alles andere als eine Vorentscheidung und vielleicht hatte der Trainer einen Schlüssel parat, den sein Team auf dem Feld zuvor nicht gefunden hatte.

Tatsächlich stellte Wörle nach der Pause mit einem Wechsel minimal um. Caroline Abbé kam für Raffaella Manieri. Die Italienerin hatte in dieser Saison ausschließlich das Auftaktspiel gegen Potsdam im August bestreiten dürfen, seit Viki Schnaderbeck sich nach Verletzung auf der rechten Halbverteidigerposition festgespielt hat. Darüber hinaus war Manieri nur noch im zweiten Team zu fünf Einsätzen gekommen. Abbé übernahm ihren gewohnten Posten als linke Halbverteidigerin und Schnaderbeck wechselte auf ihre Stammposition nach halbrechts.

Bayern ging nun aggressiver zu Werke und setzte Frankfurt, das deutlich an Dominanz eingebüßte, mehr und mehr unter Druck. Nimmt man das schön herausgespielte Abseitstor von Vero Boquete nach guter Vorarbeit Behringers aus, gelangen den Roten echte Strafraumszenen aber erst in der letzten halben Stunde, als Wörle mit Vollblutstürmerin Vivianne Miedema für Außenverteidigerin Leonie Maier sowie Mana Iwabuchi für Boquete neuen Schwung in die Offensive gebracht hatte. Miedema traf mit dem Kopf die Latte und war nun endlich die Zielspielerin, die den Bayern in ihrem fahrigen Spiel bislang gefehlt hatte.

FC Bayern München - FFC Frankfurt, 0:1, 17.4.2016, Grünwalder Stadion
Frankfurt Halbzeit 1
FC Bayern München - FFC Frankfurt, 0:1, 17.4.2016, Grünwalder Stadion
Frankfurt Halbzeit 2

Stand Frankfurt in der ersten Halbzeit noch hoch, drückte Bayern sie nun tiefer und tiefer ans eigene Tor. Die Möglichkeit zum Ausgleich lag nun in der Luft, doch weder ging der Ball ins Netz, noch deutete die Schiedsrichterin auf den Elfmeterpunkt. Das 0:1 hatte Bestand. Frankfurt entführt zum Schluss etwas glücklich aber dennoch verdient drei Punkte aus München und bleibt der Konkurrenz aus Wolfsburg im Kampf um den zweiten Champions-League-Platz dicht auf den Fersen.

3 Dinge, die auffielen

1. Frankfurt verfolgt einen Plan — im 6-2-2/4-2-4

Um in München zu punkten, Bayerns Durchbrüche über die Flügel sowie das Eindringen in den Strafraum durch Schnittstellenpässe zu verhindern, setzte Matt Ross auf eine Sechserkette. Zur engen Vierkette aus Laura Störzel, Peggy Kuznik, Marith Prießen und Kathrin Hendrich gesellten sich gegen den Ball auch die Flügelspielerinnen Simone Laudehr und Kerstin Garefrekes. Diese Kette, die den Raum über die komplette Breite des Spielfeldes verdichtete, stand zudem enorm hoch und auch Torhüterin Anne-Kathrin Kremer kam zuweilen einige Meter aus dem Strafraum heraus, um Bälle der Bayern, die hinter die Frankfurter Formation gespielt wurden, einzusammeln.

Vor der Sechserkette sicherte wiederum das ungewöhnliche Sechserpärchen Saskia Bartusiak und Jackie Groenen ab. Bartusiak ist für gewöhnlich in der Innenverteidigung anzutreffen. Dies hätte darauf hindeuten können, dass Bartusiak die Abfangjägerin vor der Abwehr spielt, während Groenen ähnlich wie sonst Leupolz bei Bayern die Verbindung in die Offensive herstellt. Dem war nicht so. Vielmehr hielten beide die Bayern aus dem Sechserraum raus und sorgten mit ihrer Laufarbeit dafür, dass sich kein Glied der Sechserkette durch gegnerorientiertes Rausrücken zum Ball aus der Position locken ließ — das erledigten Bartusiak und Groenen weitgehend selbst und konnten alternativ Lücken in der Abwehr stopfen.

Die eigentliche Verbindungsspielerin nach vorne war Dzsenifer Marozsán, die häufig und selbst dann, wenn Frankfurt im Angriff war, geduldig in der Tiefe zwischen den Linien für Anspiele bereitstand und mit diagonalen Läufen durch die Halbräume — mal mit, mal ohne Ball — das Offensivspiel der Gäste am Laufen hielt. Defensiv stellte sie mit Sturmspitze Islacker oft die erste Pressinglinie des 6-2-2 her, schaltete sich aber auch immer wieder ganz vorne in die Angriffe mit ein, so dass 4-2-1-3- oder gar 4-2-4-Staffelungen entstehen konnten, wenn auch Laudehr und Garefrekes die Fünferkette der Bayern attackierten.

Noch variabler als Marozsán, die zwanzig Minuten vor Schluss humpelnd das Feld verließ, spielte aber Linksaußen Simone Laudehr. Defensiv als Außenverteidigerin, offensiv auf dem Flügel — soweit klar. Darüberhinaus rückte sie zudem immer wieder ins Zentrum, kreuzte durch die Halbräume die Wege der Stürmerinnen und setzte so wahlweise die Münchner Abwehrkette unter Druck oder bot Anspieloptionen im Mittelfeld.

Auf diese Weise bekamen die Frankfurterinnen die größte Gefahr ihrer Formation in den Griff. Denn wer so hoch und weit aufgefächert steht, läuft Gefahr, Tiefe in der Staffelung einzubüßen, also zu flach zu stehen. Mit der Doppelsechs, Marozsán und den einrückenden Flügeln auf unterschiedlicher Höhe gelang es dem FFC, nicht nur die Breite des Spielfelds zu kontrollieren, sondern auch das Zentrum.

Gegen dieses „T“ Frankfurts probierten die Bayern anfänglich Unterschiedliches aus. Mal versuchten Lewandowski und Maier als Kreidespielerinnen wie üblich über außen anzugreifen. Mal liefen sie die Lücken zwischen den Außenverteidigerinnen der Viererkette und den noch weiter außen verteidigenden Flügeln Garefrekes und Laudehr an, um die Abwehrkette zu binden.

Was leider zu wenig geschah, waren Versuche, in den Graben hinter der Abwehr zu spielen.

Bayerns Möglichkeiten gegen Frankfurts Formation
Lewandowski war tatsächlich in dieser Situation. Das Umschaltspiel folgte leider nicht.

Frankfurt war mit einem Matchplan nach München gekommen und setzte diesen in der ersten Halbzeit engagiert und diszipliniert um. Dass er nicht unfehlbar war, zeigte Halbzeit 2.

2. Münchens Besserung durch Pressing

Im zweiten Durchgang zeigte sich der Gastgeber gallig, giftig und aggressiv. Kapitänin Melanie Behringer hätte sogar mit Gelbrot oder gar glatt Rot vom Platz fliegen können. Frankfurt verlegte sich mit der Führung im Rücken auf’s Verteidigen und rutschte tiefer und tiefer in die eigene Hälfte. Bayern erlangte vor allem durch hohes Pressing und Gegenpressing im Angriffsdrittel Präsenz und konnte so einige der eigenen Chancen einleiten. Der geordnete Spielaufbau aus der eigenen Hälfte war weit weniger fruchtbar und fand in der Hektik der zweiten Hälfte — und vor allem der Schlussphase — fast gar nicht mehr statt. Doch legte das komplette Team sichtbar eine Schippe drauf.

Die Präzision in den Pässen, die es gebraucht hätte, um die gut gestaffelte Frankfurter Formation zu bespielen, ging den Bayern zwar weiterhin ab, aber spätestens mit der Hereinnahme von Miedema brachte Wörle eine Spielerin auf den Platz, die auch schwer anzunehmende Bälle unter Druck und in Unterzahl festmachen und verarbeiten konnte. Die Aufrückbewegungen ihrer Mitspielerinnen waren jedoch nicht gut genug, um kontrolliert nach vorne zu spielen oder zumindest abgeprallte Bälle einsammeln zu können. Dafür traten die Frankfurterinnen zu diszipliniert und zu stark auf.

3. Pässe, Zweikämpfe, Laufwege: ein paar Prozent fehlen

Vielleicht sehen wir aktuell den Einbruch in der Formkurve, der nach der Meistersaison schon viel früher zu erwarten gewesen wäre. Es ist nach wie vor verblüffend, dass die Bayern nach dem Hoch aus dem Nichts im letzten Jahr, einfach an ihre Leistung anknüpfen konnten und die Kaderverstärkungen sich tatsächlich als solche herausstellen. Stattdessen verschwand Potsdam in der Versenkung und Wolfsburg leistete sich merkwürdige Patzer. Doch mittlerweile scheint das Wörle-Team müde, scheinen sich ein paar Nachlässigkeiten in die sonst so druckvolle Truppe eingeschlichen zu haben.

Es geht auf’s Saisonende zu. Man eilte von Sieg zu Sieg. Im Trainingsalltag werden vermutlich nicht permanent neue Reize gesetzt, der Punktevorsprung lässt die Meisterschaft wie gebucht wirken und die Sommerpause soll ja auch bald kommen. Zudem kamen viele Spielerinnen von den Nationalteams zurück. Da ist es nur menschlich, wenn die Gedanken zuweilen um die Olympiateilnahme in Rio oder die verpasste Chance auf Rio kreisen. Absichtlich ist sicherlich keine der Spielerinnen nachlässig geworden. Wie der ganz große Biss, die Gier und Bereitschaft, jeden Fehler der Mitspielerinnen durch eigene Mehranstrengung wettzumachen, aussieht, das hat zuletzt Sand im Pokalhalbfinale gezeigt. Das gelingt den Bayern in dieser Phase ihrer Entwicklung nicht. Pässe, die sonst wie selbstverständlich ankamen, landen beim Gegner, die Unkonzentriertheiten häufen sich, Laufwege werden nicht konsequent gegangen, Passwege nicht hundertprozentig zugestellt. Und leistet sich eine Mitspielerin einen Fehlpass, ist die erste Reaktion ein verdutztes Kopfschütteln statt des sofortigen Hochschaltens, um den Fehler wieder auszubügeln.

Die Galligkeit der zweiten Halbzeit hat gezeigt, dass sich Defizite in der Defensive, bei denen es auf die individuelle Gangart ankommt, leichter abstellen lassen. Im konstruktiven Zusammenspiel nach vorne sucht das Wörle-Team derzeit jedoch seine Form. Hier wird es darauf ankommen, wieder mentale Frische reinzubekommen und sich auf die Tugend zu besinnen, die kleinen Dinge richtig zu machen.

Am besten gleich nächste Woche. Auf dem Sportplatz in Sand ist noch eine Rechnung offen.

FC Bayern München Frauen – 1. FFC Frankfurt 0:1 (0:1)
Bayern Korpela – Manieri (46. Abbé), Holstad, Schnaderbeck – Lewandowski, Behringer, Leupolz, Maier (64. Miedema) – Boquete (75. Iwabuchi) – Däbritz, Evans
Bank Zinsberger, Wenninger, Rolser, Beckmann
Frankfurt Kremer – Störzel, Kuznik, Prießen, Hendrich – Laudehr (73. Crnogorčević), Bartusiak, Groenen, Garefrekes – Marozsán (69. Schmidt), Islacker (80. van Egmond)
Bank Schumann, Ōgimi, Friedrich, Linden
Tore 0:1 Bartusiak (31.)
Karten Behringer (9.) / Laudehr (17.), van Egmond (86.), Kremer (90.)
Schiedsrichterinnen Riem Hussein (Bad Harzburg), Sina Diekmann (Lobach, Bevern), Svenja Pleuß (Schwarme)
Zuschauer 1.760