FC Bayern – Kommentar: Kritik an Thomas Tuchel sollte sachlich bleiben!
„Ihr seid nicht so gut, wie ich annahm, dann muss ich mich eurem Niveau eben anpassen“, soll Thomas Tuchel laut Sky-Moderator Riccardo Basile gesagt haben. Das Zitat wurde medial von nahezu allen aufgegriffen, die dieser Tage das Meinungsbild rund um den FC Bayern München entscheidend mitbestimmen.
Einige titelten dabei im Konjunktiv oder mit Fragestellung, andere deutlich eindeutiger und bereits wertend. Auf Social Media wurden die Meldungen von vielen Fans, Beobachterinnen und Beobachtern bereits als Fakt adaptiert. Es ist die ewige Frage: Ist es ein Lesekompetenz-Problem derjenigen, die solche News rezipieren – also liegt das Problem konkret bei jenen, die die Nachricht lesen?
Oder werden Medien ihrer Verantwortung nicht gerecht, wenn sie das Zitat wie ein Lauffeuer und ohne wirkliche Einordnung verbreiten? Wenn es nur noch darum geht, dass die ursprüngliche Nachricht von einem großen bekannten Medium kommt und die eigenen Bedenken, insofern solche überhaupt da sind, damit vom Tisch gewischt werden?
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Kritik an Thomas Tuchel: Sachlich und fair bleiben
Eine Fragestellung, die nicht abschließend geklärt werden kann. Dafür gibt es ganz offenkundig zu viele Ansichten darüber, wo die Grenzen liegen und was berichtenswert ist und was nicht – beziehungsweise welches Maß an Konjunktiv oder Einordnung ausreicht.
Thomas Tuchel bietet beim FC Bayern München genug Angriffsfläche. Dafür muss man nur seine Interviews nach den Spielen, seine zuletzt nicht immer richtigen taktischen Entscheidungen oder die eine oder andere Personalfrage hernehmen. Kritik an ihm hat seine Berechtigung.
Auch seine Vergangenheit spielt sicher eine Rolle. Der 50-Jährige hat an mancher seiner Stationen ein eher unharmonisches Ende erlebt. Gerade über seine Zeit in Dortmund gibt es viele Kontroversen. Daraus sind Narrative entstanden. Narrative, die dazu führen, dass ein Zitat, das von einem Reporter in die Welt gesetzt wird, sofort als Wahrheit angenommen wird.
„Solche Sätze gehen raus in die Medienwelt und haben dann teilweise eine toxische und würdelose Wirkung“, erklärte Pressesprecher Dieter Nickles am Samstag. Vor allem auch deshalb, weil Klarstellungen und Korrekturen oft deutlich weniger Menschen erreichen als die Ursprungsbehauptung.
Thomas Tuchel: Ein unzufriedener Mitarbeiter reicht
Im Profifußball ist es, wie auch in anderen Bereichen, üblich, dass bestimmte Informationen gestreut werden, um eine Wirkung zu erzielen. Es reicht ein unzufriedener Spieler, der eine Aussage in der Kabine entweder falsch auffasst oder sie absichtlich verzerrt weitergibt. Es reicht ein unzufriedener Mitarbeiter, der bewusst ein falsches Zitat streut. Es reicht manchmal auch jemand, der gar nicht in der Kabine dabei war, der über ein Netzwerk aber die Möglichkeit hat, Narrative zu etablieren.
Nach wie vor ist es unmöglich, die Wahrheit zu überprüfen. Aktuell steht Aussage gegen Aussage. Es ist auch nicht möglich, zu überprüfen, wie sehr Basile nach journalistischen Maßstäben gearbeitet hat – oder ob die Unzufriedenheit einer einzelnen Person dazu geführt hat, dass diese Information gestreut wurde.
All das sind aber Prozesse, die zumindest bei jenen eine Rolle spielen sollten, die das Zitat lesen. Narrative dürfen nicht darüber entscheiden, ob wir eine Aussage als valide oder nicht bewerten. Unser Gefühl darüber, ob wir das Tuchel grundsätzlich zutrauen würden, darf darüber auch nicht entscheiden.
„Wir werden uns als Trainerteam niemals über die Mannschaft stellen“, beteuerte Tuchel: „Ein Trainer, der so einen Satz sagt, steigt nach so einer Besprechung hoffentlich nie mehr in den Bus ein. Wir werden die Mannschaft weiter pushen.“ Tatsächlich wäre ein Trainer nach einer solchen Aussage nicht mehr tragbar. Tatsächlich wäre zu erwarten, dass gerade diese Mannschaft, die mit vielen Spielern gespickt ist, die in der Vergangenheit mit Trainerkritik nicht zurückhaltend waren (öffentlich und intern), sich längst deutlicher positioniert hätte.
Das schnelllebige Geschäft Fußball könnte manchmal etwas weniger Geltungsbedürfnis vertragen. Etwas weniger von der Geschwindigkeit in der Jagd nach dem nächsten Skandal. Und dafür etwas mehr Gedanken über Zusammenhänge. Kritik an Tuchel, so berechtigt sie auch ist, sollte fair und sachlich bleiben, sich aber nicht auf vermeintliche Zitate stützen, die schon vor der Stellungnahme der Bayern verdächtig wirken.