Analyse: FC Bayern München – SL Benfica 1:0 (1:0)
Während die Bayern am Wochenende gegen Eintracht Frankfurt nicht vollends überzeugen konnten, gewann Benfica seine Generalprobe gegen Braga deutlich mit 5:1. Die Münchner brauchten also ihre bestmögliche Verfassung, um sich schlussendlich in eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel zu bringen.
Falls ihr es verpasst habt:
Pep Guardiola blieb seiner pragmatischen Linie aus den letzten Wochen treu und schickte seine Mannschaft im typischen 4-2-4-System auf den Platz. Im Vergleich zum Frankfurt-Spiel rotierte der Katalane nur auf drei Positionen. Statt Götze, Alonso und Martínez rückten Costa, Vidal sowie Kimmich erwartungsgemäß in die Startelf. Der zuletzt angeschlagene Kingsley Coman saß zunächst auf der Bank.
Auch bei Benfica gab es keine größeren Überraschungen. Rui Vitoria stellte mit Mitroglou und Jonas beide Stürmer auf, verzichtete aber auf Samaris. Auf der Doppelsechs begannen der 18-jährige Sanches und Ljubomir Fejsa. Neben Jardel erhielt in der Innenverteidigung Nilsson-Lindelöf den Vorzug vor Lisandro Lopez. Für den verletzten Julio Cesar hütete wie erwartet Ederson das Tor der Gäste. Benfica blieb auch in München bei einer 4-4-2-Grundausrichtung und verzichtete so auf eine defensivere Variante.
Die Gäste begannen äußerst chaotisch und unorganisiert. In ihrer 4-4-2 Staffelung ließen sie im Zentrum zwar nicht viel Platz, weil die beiden Viererketten extrem eng und eingerückt beieinander standen, machten dafür aber die gefährlichen Flügel auf. Über einige kluge Seitenverlagerungen und viel Tempo kamen die Bayern immer wieder zu gefährlichen Chancen sowie der frühen Führung. Nach einem ungeordnetem Pressingversuch der Gäste konnten sich die Bayern aus einer engen Situation befreien und Costa auf der rechten Seite frei spielen. Der hatte wiederum durch eine weitere kluge Verlagerung Ribery freigespielt. Bernats Flanke köpfte schließlich Arturo Vidal zum 1:0 in das Tor der Gäste (2.).
Es folgten 15 weitere druckvolle Minuten, in denen Costa (9.) und Lewandowski (16.) die besten Möglichkeiten jedoch nicht nutzen konnten. Mitroglou war es auf Seiten von Benfica, der die erste gute Halbchance per Kopf neben das Tor setzte (19.). Die Gäste standen weiter hoch, blieben dabei aber nun organisierter und ließen ein klareres 4-4-2 erkennen als noch in der Anfangsphase, wo zwischen den Linien viel Platz für die Bayern war. Die Münchner hatten so zwar die Kontrolle über das Spiel, konnten daraus aber nicht sehr viel machen. Müller (21.) und Vidal (36.) ließen die größten Möglichkeiten jeweils aus. Benfica bekam nun mehrere Ballbesitzphasen und einige Kontergelegenheiten, die sie nicht clever ausspielten. Kurz vor dem Pausenpfiff hatte schließlich Mitroglou die Möglichkeit zum Ausgleich, doch sein gefährlicher Abschluss im Sechzehner wurde in letzter Sekunde von Vidal geblockt, der erneut ein starkes Spiel absolvierte.
Beide Teams verließen die Kabinen für den zweiten Durchgang unverändert und so blieb auch das Spiel dasselbe. Die Bayern mit Kontrolle und zähen Angriffsbemühungen, während Benfica sehr kompakt, aber gleichzeitig hoch stand. Lewandowski (48.) und Costa (54.) hatten die ersten Halbchancen der zweiten Halbzeit. Ab der 57. Minute ließen sich die Bayern allerdings zu einigen Lässigkeiten im Aufbauspiel hinreißen. Nach unnötigem Ballverlust war es Jonas, der die größte Chance der Portugiesen hatte und alleine vor dem Tor an Neuer scheiterte. Guardiola reagierte und brachte in dieser etwas unruhigeren Phase Javi Martínez für Joshua Kimmich (60.). Den Bayern fehlte es auch im zweiten Durchgang an Ideen, um das hohe Pressing der Portugiesen zu überspielen und so auch das notwendige Tempo in ihr Spiel zu bekommen. Attackierte die Elf von Rui Vitoria dann höher, wirkten die Münchner zu hektisch. Es fehlte der Mannschaft von Pep Guardiola in dieser Phase zunehmend an der richtigen Balance im Tempo.
Benfica kam dann auch zeitnah zu ihrer nächsten großen Chance. Wieder war es Jonas (64.), der die Möglichkeit zum Ausgleich aus kürzester Distanz vergab. In der 70. Minute wechselten beide Trainer aus. Benficas Coach nahm Mitroglou aus dem Spiel und brachte Raul Jeminez, während Pep Guardiola einen bisweilen zu hektischen Douglas Costa gegen Kingsley Coman tauschte. Die Gäste verteidigten weiter gut, doch die Bayern kamen durch Ribery (71.) und Lewandowski (73.) zu zwei guten Halbchancen, die sie jedoch nicht nutzen konnten. Die beiden sollten auch die nächsten beiden guten Möglichkeiten vergeben (82., 84.).
Vitoria nutzte nun seine zweite Wechselmöglichkeit und brachte Eduardo Salvio für Jonas, der wegen seiner dritten gelben Karte im Rückspiel fehlen wird (83.). Auch Guardiola tauschte nochmal. Nach einer weiteren vergebenen Chance von Lewandowski (85.) brachte er Mario Götze für Thomas Müller. In der 89. Minute hatten die Bayern die nächste große Möglichkeit zur Entscheidung: Arturo Vidal spielt Lewandowski frei, der allerdings nicht selbst den Abschluss sucht, sondern versucht auf Lahm querzulegen. Der Ball geriet jedoch zu lang und kostete dem Mannschaftskapitän sein allererstes Tor im Wettbewerb. In der fünfminütigen Nachspielzeit drängten die Bayern zwar noch auf das zweite Tor, dies sollte der Elf von Pep Guardiola aber nicht mehr gegönnt sein und so blieb es schließlich beim knappen 1:0-Erfolg, der für das Rückspiel alles offen lässt.
3 Dinge, die auffielen:
1. Arturo Vidal wie Bastian Schweinsteiger
Vidal konnte erneut überzeugen und erinnerte dabei an einen alten Bekannten. Zu seinen besten Zeiten war Bastian Schweinsteiger dafür bekannt regelmäßig das offensive Zentrum zu überladen, situativ in Pressingsituationen nach vorne zu stoßen und durch kluge Seitenverlagerungen das Spiel zu eröffnen. Arturo Vidal vereinte an diesem Abend all diese Fähigkeiten und zeigte somit wiedermal eine herausragende Leistung. Gegen den Ball verteidigte er durch cleveres Herausrücken viele Konter und mit dem Ball organisierte er das Spiel des Rekordmeisters. Der Chilene war überall auf dem Feld zu finden und hatte so schon zur Halbzeit 43 Ballkontakte. Auch die Torgefährlichkeit, die ihm zuletzt etwas abging, fand Vidal wieder. Zwei gefährliche Kopfbälle in der ersten Halbzeit und ein weiterer Abschluss im zweiten Durchgang brachten ihm einen Treffer ein.
Auch im zweiten Durchgang knüpfte er an seine Leistung an. 91 Ballkontakte, eine Passquote von 90% bei 73 gespielten Pässen, eine Torschussvorlage und drei Torschüsse zeigen die hervorragende Leistung mit Ball. Gegen den Ball gewann er die wichtigen Zweikämpfe, blockte kurz vor der Pause einen gefährlichen Schuss und wusste auch mit vier klärenden Aktionen seine Defensivpräsenz zu unterstreichen. Insgesamt war es eine ansprechende Leistung von Vidal, der somit wohl auch in naher Zukunft Alonso vorgezogen werden dürfte. Gerade durch seine hohe, taktisch kluge Positionierung auf dem Feld ist er zuletzt immer wichtiger geworden.
2. Lahms Hybridrolle
Philipp Lahm zeigte ebenfalls eine sehr gute Leistung. Er hatte seinen Gegenspieler trotz anspruchsvoller Rolle stets im Griff und wusste auch mit Ball zu überzeugen. Waren die Bayern ohne Ball, so rückte der Kapitän auf seine Rechtsverteidiger-Position, wo er unglaubliche 83% seiner Zweikämpfe gewinnen konnte. Hatte sein Team den Ball, so bewegte er sich zunehmend zentraler, um Arturo Vidal im Spielaufbau zu unterstützen und den Chilenen bei Vorstößen abzusichern. Dieser Prozess harmonierte mitunter sehr gut und führte zu einigen Lösungen, die die Münchner in das letzte Drittel brachten. Der 32-Jährige kam auf 100 Ballkontakte und war einer der wichtigsten Aufbauspieler gegen sehr hoch attackierende Portugiesen. Von 82 Pässen brachte er 75 an, was einer Quote von 91% entspricht. Darüber hinaus legte er einen Torschuss vor und hätte beinahe noch das 2:0 erzielt, wenn Lewandowski den Kurzpass im Strafraum nicht zu lang gespielt hätte.
Alles in allem war es erneut ein Beweis vom Kapitän, dass er auch in den großen Spielen weiter voran gehen kann. Sein Stellenwert für die Stabilität der Defensive war in dieser Begegnung enorm hoch und wie anspruchsvoll es ist, die Balance als Außenverteidiger im System von Pep Guardiola zu halten, zeigte ein schwacher Bernat auf der anderen Seite. Der Spanier konnte nur 40% seiner Zweikämpfe gewinnen und musste drei Fouls begehen. Lahm positionierte sich stets richtig, klärte durch sein Stellungsspiel einige Kontersituationen und machte keine Fehler. Darüber hinaus hatte er mit Nicolas Gaitan einen sehr starken Gegenspieler, der nur zu einem Abschluss und einer Torschussvorlage kam.
3. Schlechte Entscheidungen, starkes Benfica
Offensiv boten die Bayern zu wenig. Zwar konnten sie Benfica bis auf zwei Situationen ausreichend vom eigenen Tor fernhalten, jedoch fand die Guardiola-Elf nicht genug Lösungen, um die hohe Pressinglinie der Portugiesen zu überspielen. Viele einfache Ballverluste zogen sich wie ein roter Faden durch die Partie. Ribéry (4 Ballverluste), Costa (3), Bernat (2) und auch Thiago (2) verloren häufig die Kontrolle über das Spielgerät, weil sie zu lässig agierten. Gerade im vorderen Drittel tendierten die Münchner zu ungewöhnlich vielen falschen Entscheidungen. Hier ist besonders Robert Lewandowski hervorzuheben, der nicht nur wegen seines schlechten Zuspiels auf Philipp Lahm kurz vor Schluss negativ auffiel. Der Pole hatte viele ungenaue Ballannahmen in seinem Spiel und brachte nur zwei Abschlüsse auf das Tor des Gegners, die allerdings ungefährlich blieben.
Auch Costa und Ribéry waren zwar stets bemüht, kamen aber zu selten zu zwingenden Aktionen. Der Franzose legte immerhin fünf Abschlüsse vor, brachte aber nur 3 von 12 Flanken an den Mann. Ungewöhnlich oft trafen Ribéry, aber auch Thomas Müller die falsche Entscheidung vor dem Tor und verbauten sich so die Chance auf eine frühe Entscheidung. Thiago schloss sich dieser Fehlerkette an und wirkte im Laufe der Partie zunehmend unsicher. Statt einen einfachen Pass zu spielen, verfielen er und Douglas Costa regelmäßig in Lässigkeiten, die Benfica gute Kontergelegenheiten eröffneten. Nur selten gab es sehenswerte Kombinationen der Münchner in den Halbräumen oder kluge Strafraumdurchbrüche ohne Flanken. 16 Abschlüsse, von denen nur sechs auf das Tor von Ederson kamen, waren schlussendlich zu wenig. Darüber hinaus gab es viele Abseitssituationen, in denen es noch eine zweite, bessere Lösung gegeben hätte. Fünf Mal liefen die Bayern an diesem Abend ins Abseits.
Doch man muss auch festhalten, dass Benfica der erwartet schwere Gegner war. Selten hat eine Mannschaft in München so gut verteidigt wie die Portugiesen ab der 20. Spielminute. Die Elf von Rui Vitoria stand sehr hoch und attackierte zunächst etwas zu chaotisch. Die Bayern wussten dies mit guten Seitenverlagerungen zu nutzen und gingen auch deshalb schnell in Führung. Anschließend fand Benfica aber seine Ordnung. Die beiden Viererketten standen sehr kompakt, jedoch keinesfalls tief. Durch die Präsenz im Zentrum hatten es sogar pressingresistente Spieler wie Thiago schwer. Fejsa gewann 57% seiner Zweikämpfe und Sanches glänzte über weite Phasen des Spiels durch Robustheit und Übersicht. Gerade in der zweiten Halbzeit gab es zwischenzeitlich Phasen, in denen sich die beiden sehenswert aus dem Gegenpressing der Bayern befreien konnten. Letztendlich waren es Manuel Neuer und das Quäntchen Glück, die dem deutschen Rekordmeister die Führung retteten. Benfica erspielte sich zehn Abschlüsse, gewann die Hälfte aller Zweikämpfe und hätte durchaus auch selbst treffen müssen.
Schlussendlich war es eine mutige Leistung der Portugiesen, wenngleich auch die fehlende Konsequenz der Bayern vor dem Tor dafür mitverantwortlich war. Die Münchner haben mit dem 1:0 zwar eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel, sollten aber nach dem Auftritt der Gäste gewarnt sein.
FC Bayern – SL Benfica 1:0 (1:0) | |
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FC Bayern | Neuer – Lahm, Kimmich (60. Martínez), Alaba, Bernat – Vidal – Costa (70. Coman), Müller (85. Götze), Thiago, Ribéry – Lewandowski |
Bank | Ulreich, Rafinha, Alonso, Rode |
Benfica | Ederson – Almeida, Lindelöf, Jardel, Eliseu – Pizzi (90. Samaris), Fejsa, Renato Sanches, Gaitan – Jonas (83. Salvio), Mitroglou (70. Jiménez) |
Tore | 1:0 Vidal (2.) |
Karten | Ribéry, Bernat / Jonas, Lindelöf |
Schiedsrichter | Szymon Marciniak (Polen) |
Zuschauer | 70.000 (ausverkauft) |