FC Bayern vs. Werder Bremen: Angst vor dem alten Sané?
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Trainingslager für die Katz?
Thomas Tuchel selbst schien keine wirkliche Erklärung für den enttäuschenden Auftritt seiner Mannschaft parat zu haben. Zumindest unmittelbar nach dem Spiel im Interview bei Dazn. Stattdessen nahm er in typischer Tuchel-Manier kein Blatt vor den Mund und sparte nicht mit Kritik an seinen Spielern: „Ich habe auch keine Lust mehr zu sagen, dass wir gut trainieren – weil das glaubt dir ja keiner mehr. Wir müssen mal die Spieler fragen. Wir haben heute belanglos gespielt. Verdiente Niederlage“, so der Münchener Übungsleiter.
Das Training ist ein gutes Stichwort, verbrachte der FC Bayern doch letzte Woche mehrere Tage im warmen Portugal, um sich auf die Rückrunde vorzubereiten. Tuchel versicherte auch, wie wichtig denn so ein Trainingslager für ein Team sei, und war voll des Lobes für seine Mannschaft. Dementsprechend muss die provokante Frage erlaubt sein, was die Münchner dort eigentlich getrieben haben. Denn eine klare Spielidee und Automatismen, die in so einem Trainingslager eigentlich eingeübt werden sollten, waren gegen Bremen Fehlanzeige.
Einerseits ist Tuchel hier natürlich auch in die Verantwortung zu nehmen. Noch hat er keinen optimalen taktischen Ansatz für tief und aggressiv verteidigende Gegner gefunden. Stattdessen war zu großen Teil des Spiels das unkreative und aus Kovač-Zeiten so gefürchtete „U des Todes“ erkennbar, also das ideenlose Angriffsspiel über die Außen.
Andererseits kann der Münchner Übungsleiter auch nichts für die teils unerklärlichen Entscheidungen, die seine Spieler auf dem Platz treffen. Auch die etwas polemische Frage nach Grundattributen wie Einstellung oder Wille sollte in dem Zusammenhang erwähnt werden, vor allem weil das die Spieler nach der Partie auch selbst taten. Manuel Neuer sprach beispielsweise davon, dass man endlich den Ernst der Lage erkennen müsse, „wir sind gerade der Jäger und das muss in die Köpfe“, so der Bayern-Kapitän.
Bis zu einem gewissen Grad stimmt das wohl auch, vor allem das gegen Hoffenheim noch so starke Gegenpressing ließ gegen Bremen zu Wünschen übrig. Und so wird sich der FC Bayern in den nächsten Tagen wohl noch häufiger die Frage nach dem eigentlichen Sinn des Trainingslagers stellen lassen müssen.
Leroy Sané: Erneuter Formeinbruch in der Rückrunde?
Eigentlich ist es ziemlich ungerecht, Leroy Sané aus der insgesamt schwachen Offensive der Bayern herauszupicken. Weder dem sonst so zuverlässig treffenden Harry Kane noch dem gegen Hoffenheim so stark aufspielenden Jamal Musiala gelang am Sonntag sonderlich viel. Nur spielt bei Sané zusätzlich noch eine gewisse Angst mit. Und zwar die eines erneuten Formeinbruchs.
Denn auch in seinen drei bisherigen Spielzeiten beim FC Bayern lagen meist Welten zwischen dem Sané der Hinrunde und dem der Rückrunde. Sowohl seine Torbeteiligungen als auch seine Spielzeit nahmen im Verlauf einer Saison in aller Regelmäßigkeit ab. Doch vor allem zu Beginn der laufenden Spielzeit war Sané im Zusammenspiel mit Kane DER Unterschiedspieler bei den Bayern.
Neben seinen Torbeteiligungen strahlte Sané durchgehend Gefahr aus, initiierte zahlreiche Angriffe und dribbelte sich mit einer beim FCB so noch nicht gesehenen Leichtigkeit durch die gegnerischen Verteidigungslinien hindurch. Und das alles sowohl auf Rechts- als auch auf Linksaußen, was ein mögliches (und viel diskutiertes) Positionsproblem bereits ein wenig widerlegt.
Es ist selbstverständlich viel zu früh, um etwaige Prognosen zu treffen und den Teufel an die Wand zu malen. Denn auch gegen Bremen war Sané sehr aktiv, sowohl offensiv als auch defensiv. Er bot sich immer wieder zwischen den Linien an, schoss fünfmal aufs Tor, schlug zehn Flanken und ging laut Sofascore neunmal ins Dribbling. Zudem führte er ganze 15 Zweikämpfe, die zweitmeisten aller Bayernspieler an dem Tag. Es mangelte ihm also nicht an Einsatz, auch die ihm oft (zu Unrecht) vorgeworfene Lustlosigkeit kann man ihm nicht vorwerfen.
Auf der anderen Seite stehen allerdings auch ganze 19 Ballverluste, denn nur vier Dribblings gingen gut und von seinen Flanken kam nur die Hälfte an. Auch von seinen 15 Zweikämpfen gewann er nur sechs. Sané vergibt seit geraumer Zeit zudem einige gute Chancen. Gegen Bremen schoss er nach wenigen Minuten halbherzig aus vollem Lauf mit der Innenseite aufs Tor, statt selbstbewusst den Spann zu nehmen. Hinzu kam seine eher genervte Reaktion auf die taktische Anpassung von Thomas Tuchel.
Woran es genau liegt, darüber kann man nur mutmaßen. Vielleicht hatte der 28-Jährige einfach einen schlechten Tag. Vielleicht braucht Sané schlicht ein paar Spiele oder die gegen Bremen nicht vorhandene Hilfe seiner Mitspieler, um wieder in den Rhythmus und seine Form aus der Hinrunde zu gelangen. Fürs Erste ist die Angst vor einem erneuten Formeinbruch Sanés also noch etwas verfrüht, doch nach all den Jahren bei Bayern wohl auch nicht ganz unbegründet.
Ausblick: Was gegen Union und Augsburg besser werden muss
Ursprünglich sollte das Heimspiel gegen Bremen der Auftakt für eine Englische Woche sein, nach der man Bayer Leverkusen wieder auf die Pelle rücken wollte. Mit Bremen, Union Berlin und dem FC Augsburg – alles Gegner aus der unteren Tabellenhälfte – wären vermeintlich auch die passenden Gegner dafür bereitgestanden. Doch ausgerechnet solche tief und aggressiv verteidigenden Gegner erweisen sich derzeit als Bayerns Kryptonit. Auch im Test gegen den FC Basel und vergangene Woche gegen die TSG Hoffenheim war dies bereits (teilweise) erkennbar.
Und so gilt es für Tuchel und sein Trainerteam, schnellstmöglich Lösungen dafür zu finden, wie er auch selbst eingestand: „Das ist nicht unser Anspruch.“ Zeit bleibt dafür jedoch kaum. Am Mittwoch steht bereits das nächste Spiel gegen Union an und bis dahin lässt sich wohl nicht mehr viel Neues einstudieren.
Das bedeutet allerdings nicht, dass er gar nichts ändern sollte. Sowohl taktisch, aber vor allem personell. Zwar argumentiert Tuchel stets, dass er eine eingespielte erste Elf haben möchte, doch nach so einer Pleite könnten neue personelle Reize möglicherweise eine Art Gegenreaktion hervorrufen. Und dabei sollte der 50-Jährige auch nicht vor dem ein oder anderen großen Namen zurückschrecken, auch wenn ihm da möglicherweise sein dünn besetzter Kader einen Strich durch die Rechnung macht.
So oder so sollte er sich schleunigst etwas einfallen lassen. Jeder Bundesligist weiß spätestens jetzt um die Schwächen der Bayern und wird sich an Werder Bremen ein Beispiel nehmen wollen. Um Meister zu werden, dürfen sich die Münchner wohl nicht mehr allzu viele Aussetzer leisten. Insbesondere gegen Teams aus dem Tabellenkeller.