Was für Thomas Tuchel beim FC Bayern spricht – und was gegen ihn
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FC Bayern: Wieso man an Tuchel noch festhalten soll
Von Niels
Einordnung und Weitsicht
Zwei Pflichtspielniederlagen in Folge für den FC Bayern gab es zuletzt in der Saison 2020/2021. Dort verlor man zuerst, man ist geneigt zu sagen traditionell, auswärts in Gladbach. Im Anschluss folgte das Zweitrunden Pokalaus gegen Holstein Kiel. Wichtig in solchen Momenten ist es, die Situation nicht zu sehr eskalieren zu lassen und kühlen Kopf zu bewahren.
Die aktuelle Situation, das liegt auf der Hand, ist keine einfache. Der FC Bayern spielt im Kalenderjahr 2024 noch nicht den erwünschten Fußball. Sowohl aus Sicht der Fans als auch aus der Sicht von Thomas Tuchel. Es ist jedoch Vorsicht zu voreiligem Handeln geboten. Vor nicht einmal einem Jahr wurde Julian Nagelsmann nach der Niederlage in Leverkusen freigestellt. Die Ziele in allen drei Wettbewerben seien in Gefahr gewesen, so lautete die Begründung der damaligen Bayern-Führung. Wie das ausging, sollten die meisten wissen…
Ein Trainerwechsel kann grundsätzlich etwas freisetzen, es könnte aber auch in die entgegengesetzte Richtung ausschlagen. Die Verunsicherung der Mannschaft ist zu spüren. Die Freistellung Thomas Tuchels würde die Verunsicherung in der Mannschaft vielleicht nur noch größer werden lassen.
Zumal die grundsätzliche Ausrichtung von Tuchel funktionieren kann. Die Hinrunde hat gezeigt, dass einiges drin wäre. In der Bundesliga war der FC Bayern, an Punkten gemessen, so gut wie seit der Saison 2015/2016 nicht mehr. In der Gruppenphase der Champions League lief es ebenfalls rund (5 Siege & 1 Unentschieden in 6 Spielen).
Der Zeitpunkt für eine Entscheidung gegen Tuchel ist zudem äußerst ungünstig. Die Führung des FC Bayern befindet sich momentan im Wandel (auch dank oder eher wegen des letzten Trainerwechsels).
Mit Christoph Freund und der (möglichen) Verpflichtung von Max Eberl ändert sich einiges in der Führungsetage. Wie auch immer die neue Führung der Bayern aussehen mag, sie muss gemeinsam an einem Strang ziehen, um den Erfolg des Vereins zu gewährleisten. Da diese noch nicht komplett ist, sollte die Trainerentscheidung (noch) abgewartet werden.
Die Spieler in der Pflicht
Leider führen oft Unkonzentriertheiten und individuelle Fehler der Spieler, auf die Tuchel wenig Einfluss nehmen kann, zu den aktuellen Resultaten. Gegen Bayer war man noch klar unterlegen, auch wegen nicht funktionierender taktischer Kniffe von Tuchel. Hingegen für das Abwehrverhalten seiner Verteidiger beim ersten Gegentor ist er jedoch sicherlich nicht selbst verantwortlich. Genauso wenig wie für den misslungenen Zweikampf von Upamecano gegen Lazio Rom, der zum Elfmeter führte.
Ein so großer, spielentscheidender Fehler in einem so großen Spiel. Hierbei sollte man die Spieler noch mehr in die Pflicht nehmen. Auf dem Platz befinden sich so viel Erfahrung und so viele Charaktere, die genau wissen, wie man in der Champions League gewinnt. Der Trainer kann die taktischen Anweisungen geben und sie davon überzeugen.
Die Spieler aber müssen schon selbst Wille, Kampfgeist und Selbstvertrauen auf den Platz bringen. Die Motivation ein Champions-League-Achtelfinale spielen zu dürfen, sollte ja eigentlich Grund genug sein. Sinnbildlich für den fehlenden Drive der Mannschaft war eine Szene im zweiten Durchgang gegen Rom, als Tuchel mit den Armen wild gestikulierte und versuchte, seine behäbig agierende Mannschaft nach vorn zu peitschen. Was soll er in einer solchen Szene noch tun?
Kadergrösse und Verletzungen
Die sportliche Situation in der man sich jetzt befindet, hat auch mit der verkorksten Kaderplanung im Sommer zu tun. Thomas Tuchel bekam im Sommer einen kleinen, nicht optimal besetzten Kader. Einen Wunschspieler bekam er auch nicht. Zudem verletzten sich im Laufe der Saison immer wieder Spieler und die Mannschaft hatte kaum Zeit, sich vernünftig einzuspielen.
Die sportliche Lage ist dementsprechend nicht nur an Tuchel festzumachen. Er ist als Trainer seiner Mannschaft natürlich für die entsprechenden Resultate verantwortlich. Trotzdem sollte man sich vor Augen halten, unter welchen Umständen Tuchel diese Mannschaft führte und wie oft er zur Improvisation gezwungen war. Zumal eine Frage im Vergleich zur Nagelsmann-Entlassung damals ganz offensichtlich ins Auge fällt: Wer sollte jetzt übernehmen? Wenn Hansi Flick schon deine verlockendste Option ist, dann ist Geduld vielleicht der beste Ratgeber.
FC Bayern: Was gegen Thomas Tuchel spricht
Von Daniel
Eine Nacht in Rom
Der FC Bayern kam gegen Lazio Rom ja tatsächlich ganz ordentlich ins Spiel. Gegen einen guten Gegner drückte und dominierte man. Eigentlich müsste es nach Kanes und vor allem Musialas Chance in der 40. Minute 1:0 zur Pause stehen. Mindestens.
Dann allerdings wiederholte sich in der Kabine exakt das gleiche vom Wochenende: Alles irgendwie positive geht nach der Pause verloren, alle negativen Aspekte des Spiels werden akzentuiert.
Sicher hat es auch mit dem Gegner zu tun – Lazio merkte spätestens zum Halbzeitpfiff, dass der Gegner keine Übermannschaft ist. Aber gleich zwei eklatante Leistungsabfälle zur zweiten Halbzeit in zwei aufeinanderfolgenden großen Spielen – das sagt nichts gutes über die Traineransprache aus, zumal die Performances in den ersten Spielabschnitten ja auch so bestenfalls okay (Lazio) und schwach (Leverkusen) waren.
Falsche Wahl beim Personal
Den Mangel an positiven Veränderungen Tuchels sieht man auch bei seiner Personalauswahl. Leroy Sané ist mittlerweile in einem veritablen Formtief, zeigte gegen Lazio seine schwächste Saisonleistung. Trotzdem beließ Tuchel ihn 82 Minuten auf dem Feld. Tel wirkte so belebend in seinem Kurzeinsatz, dass man sich abermals fragte, wieso er nicht früher die Chance bekam.
In der Innenverteidigung irrte der Trainer indes schon vor dem Spiel. Matthijs de Ligt ist mittlerweile komplett auskuriert und nach einem schwachen Beginn nach der Winterpause überzeugte er auch wieder, köpfte gegen Gladbach sogar das 3:1. Trotzdem ließ Tuchel den letztjährigen Abwehrchef erneut fallen wie eine heiße Kartoffel, zog ihm sofort die Rückkehrer Upamecano und Kim vor.
Während der Koreaner sofort auf Temperatur war und insbesondere in Unterzahl den Laden beeindruckend zusammenhielt, fiel Upamecano abermals in einem großen Spiel ab. Schon gegen Leverkusen ließ er sich beim 0:1 aus mittelgroßer Distanz von Andrich tunneln, nun ermöglichte er erst Isaksens Eins-gegen-eins mit Neuer in der 48. Minute und flog dann elfmeterverursachend vom Platz.
Ist es fair, Tuchel Upamecanos Fehler anzulasten? Nicht komplett, nein, aber Upamecanos Fehler überraschen nicht, zu groß war seine Historie mit diesen zuvor in entscheidenden Spielen. Zumal es im Gegensatz zur letzten Saison Alternativen zum Franzosen gibt.
Völlige Ratlosigkeit
Als Upamecano mit seinen Patzern anfing, vergrub Tuchel seine Hände im Gesicht, in der zweiten Spielhälfte strahlte er völlige Ratlosigkeit, mitunter sogar Verzweiflung aus. In Interviews sind „ich weiß nicht“ und „keine Ahnung“ zu seinen Lieblingsaussagen geworden. Wobei man das auch nicht wirklich Aussage nennen kann.
Nun wirkt sich selbst guardiol’sche Hyperaktivität eher gar nicht auf das Spiel aus, doch Tuchel zeigt in diesen Tagen, dass er mit seinem Latein am Ende ist. Das ist ehrlich und gewissermaßen sympathisch – Hansi Flick gab sich noch bis zum Moment seiner Entlassung beim DFB allwissend – doch ein ratloser Trainer ist eben auch ein alsbald gegangener Trainer.
Die Fehler von Rom glichen in weiten Teilen seinen Fehlern von Leverkusen. Auch dort verzichtete er zu lange auf Wechsel, gegen Leverkusen kamen noch Fehlentscheidungen im taktischen Bereich hinzu. Seine Kniffe waren zwar logisch durchdacht, doch erstens waren sie bereits von Alonsos Anpassungen (Viererkette ohne echten Mittelstürmer) überdacht und zweitens war die Mannschaft merklich nicht im Stande, das neue System umzusetzen. Die Führungsspieler sagten danach zwar, ein Spitzenteam müsse verschiedene Systeme beherrschen, doch faktisch war sie genau dazu nicht im Stande.
Die Mannschaft hatte keine Ahnung, wie sie mit einem Mann weniger in der Offensive spielen sollte. Am Ende schossen sie genauso wenig auf Hrádeckýs Tor, wie auf Lazios. Zu wenig für den FC Bayern und vor allem in den unsterblichen Worten von Karl-Heinz Rummenigge: Nicht Bayern-like! Und dafür ist Tuchel eben hauptverantwortlich.