Analyse: Gladbach mit guten Ansätzen, der FC Bayern mit besseren Antworten
Ein Artikel von Maximilian Aichinger. Maximilian hat sich bei Miasanrot beworben.
Thomas Tuchel wechselte in der Formation des FC Bayern München im Vergleich zum 3:2-Sieg gegen den FC Augsburg zweimal: Noussair Mazraoui lief als Rechtsverteidiger für Raphaël Guerreiro auf, dazu stand Thomas Müller als variabler offensiver Mittelfeldspieler anstatt des verletzten Kingsley Coman auf dem Feld. Systematisch kann man es als 4-2-3-1 betiteln, wobei es sich in der Partie eher selten so zeigte.
Die Borussen kamen aus einem 0:0 gegen die Überflieger aus Leverkusen ebenfalls mit zwei Wechseln, so rückten Reitz sowie Ngoumou für Koné und Hack in die Startaufstellung. Sie liefen nominell in einem 4-3-2-1 auf.
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FC Bayern: Gladbach stellte Thomas Tuchel vor Probleme
Seoane ließ seine Mannschaft gegen den Ball in einem 4-1-4-1 agieren. In diesem System sieht man typischerweise zwei stabile und flache Viererreihen, welche je nach Bedarf auch flexibel sind und sich auf den Gegner im Rausrückverhalten anpassen.
Weigl als alleiniger Sechser gilt als sowas wie die Absicherung, er soll herausrücken, sobald das Mittelfeldpressing überspielt wurde, sozusagen der „Notfall-Knopf“.
Anders als in diesem System üblich, sah man kein agierendes aggressives Angriffspressing auf die Innenverteidiger, sondern ein reagierendes Pressing nach dem zweiten Pass oder sogar noch später. Man ließ Matthijs de Ligt sowie Eric Dier aufbauen, aber stellte die zweite Linie bestehend aus Außenverteidigung sowie zentralem Mittelfeld mannorientiert zu.
Bayerns Sechser mit Problemen
Mit Reitz sowie Neuhaus hatte man im 4-1-4-1 zwei zweikampfstarke Spieler in der zweiten Viererkette, sie sollten den Spielaufbau beziehungsweise das Antreiben in das zweite Drittel von Leon Goretzka respektive Aleksandar Pavlović verhindern.
Durch dieses Verhalten war es schon früh notwendig, dass sich die beiden FCB-Sechser mit eher ungewöhnlichem Abkippverhalten in die Innenverteidigung oder in den Halbraum absetzen mussten. Dieses Freilaufverhalten löste sie zwar von der Isolation, aber daraufhin fehlte meist der Zugriff im Sechserraum und der Spielaufbau wurde statischer.
In diesen Situationen fehlte oft auch das eigene Gespür, welche Muster und Positionierungen wann und wo richtig sind, so entstand kein Rhythmus und auch keine Dynamik.
Goretzka und Pavlović konnten zwar oft angespielt werden, da die Gladbacher nicht immer sofort den Zweikampf suchten, aber durch die direkte und enge Zustellung konnte man meist nur klatschen lassen oder den Innenverteidiger wechseln.
Was fehlte, waren die typischen Aufdreh-Bewegungen in diesem Raum, welche essenziell sind, um Ballzirkulationen aus dem tiefen Aufbau zu generieren. Fehlt dem FC Bayern das, dann verliert man einige Spielanteile aus dem ersten Drittel und muss immer wieder den Aufbau über die Innenverteidiger von vorne anfangen, was auch mental bei einigen Spielen einen Ausschlag geben kann.
Die Lösungsansätze der Bayern
Diese Problemstellung konnte man gerade in den ersten 25 Minuten erkennen, daraufhin löste es sich aus mehreren Gründen zumindest bis zur Halbzeit auf.
Im 4-1-4-1 kann man nicht nur das Zentrum Eins-gegen-eins zustellen, sondern auch die gegnerischen Außenverteidiger können so direkt zugeordnet werden. Ngoumou und Honorat waren für das Pressing auf die bayerische Außenverteidigung zuständig.
Schon früh im Spiel agierten Mazraoui sowie Davies beim Aufbau aus dem ersten Drittel eher mit Orientierung ins Zentrum. So dribbelte man teils selbst mit dem Ball ins Zentrum, um die Isolation eines zentralen Mittelfeldspielers zu lösen und ihn dann anzuspielen. Das stellte die Gladbacher nicht wenige Male vor die Herausforderung, dass man seine Zuständigkeiten auflöst und rotiert – dies nutzten die Bayern des Öfteren aus.
Eigentlich sollte sich Jordan um de Ligt sowie Dier kümmern, der agierte aber konservativ. Er war so damit beschäftigt, den zweiten Pass in eine gewünschte Richtung zu forcieren, dass er keinen Druck ausüben konnte. Folglich überspielten die beiden Innenverteidiger die erste Linie, also den Stürmer, und so musste sich die Viererreihe der Gladbacher auflösen, um einen höheren Aufbau über die Innenverteidigung der Bayern zu stoppen.
Das Freilaufverhalten stimmte beim FCB nicht
Dadurch konnten Pavlović und vor allem Goretzka sich freilaufen und angespielt werden. Diese Variante wurde aber eher vereinzelt eingesetzt, da die Freilaufbewegungen erst im späteren Verlauf besser wurden, dazu setzte gerade Dier eher auf lange Bälle.
Hinzu kommen die klassischen Abkipp-Bewegungen von Harry Kane oder auch Thomas Müller, die sich immer wieder ins Zentrum zurückfallen ließen. Vor allem Müller macht das besonders häufig, auch um seine Kollegen etwas aus dieser Problemstellung zu befreien. Oft bekam er direkt das Zuspiel, wenn er sich zurückfallen ließ, wurde aber nicht wenige Male dann so aggressiv angegangen, dass der erste Kontakt nicht stimmte.
Anfangs noch in einer flachen Kette, trennten sich die beiden Mittelfeldspieler immer wieder im Laufe der Partie auf. Durch diese Asymmetrie war es einfacher sich freizulaufen und mit Finten zu arbeiten, dadurch konnte man die Statik etwas auflösen.
Bayern nutzt Schwächen der Borussia aus
Dass dieses Verhalten eine geeignete Antwort ist, zeigte sich beim Treffer kurz vor dem Pausentee zum 1:1. Das Tor durch den Youngster entsteht erst durch sein Freilaufen in den Strafraum und eine Asymmetrie zwischen ihm und Goretzka.
Die Bayern nutzten in dieser Phase gleich mehrere Schwächen der Borussia aus, so war es immer wieder der Fall, dass die beiden Flügelspieler mit Läufen in das Zentrum mehrere Gegenspieler an sich ziehen konnten und so Räume entstanden.
Gladbach stand mitunter so tief, dass das Gefüge sich mehr auf das Reagieren konzentrierte und so keine Nadelstiche möglich waren. Gerade vor dem Halbraum fanden sich immer wieder Löcher, die nicht geschlossen wurden, auch bei der Vorlage zum 1:1 durch Müller bekam man vor dem Strafraum keinen Zugriff.
Beim Führungstreffer durch Kane ist die Flanke ebenfalls eine Folge dieser Taktik, denn das fehlende Herausschieben aus der Box hat auch zur Folge, dass überdurchschnittlich viele Flanken ohne Bedrängnis zustande kommen.
FCB: Abstimmungsprobleme auf dem rechten Flügel
Eröffnete Bayern das Spiel ballnah in die Breite auf einen Flügelverteidiger, fehlte anfangs auch wegen der beschriebenen Probleme um die Isolation die Möglichkeit das Spiel über Dreiecke mit den Sechsern aufzulösen.
Gerade Mazraoui und Sané hatten Abstimmungsprobleme, da der Flügelspieler oft den Ball direkt in den Fuß gespielt haben möchte, was durch das vertikale Pressing des Gegners oft nicht möglich war. Jamal Musiala hingegen zeigte wie immer sehr gute Freilaufbewegungen und konnte so Davies ein Anspiel deutlich vereinfachen.
Das Ergebnis war, dass Sané nicht die gewünschten Eins-gegen-eins-Situationen aus der Tiefe in der Form haben konnte, wie es dem Spiel des FC Bayern gutgetan hätte.
Bayerns Ansatz gegen den Ball
Ähnlich wie Seoane setzte auch Tuchel auf sein klassisches Mitelfeldpressing: Harry Kane nahm sich Elvedi sowie Friedrich vor und sollte den Ball auf eine Seite treiben, wo dann die Pressingfalle griff. So setzten die Rot-Weißen auf direkte Zuordnungen im ersten Drittel des Gegners, wobei sie sich anders als die Borussia nicht immer bei den Gegenspielern befanden, sondern in einem reaktiveren Konstrukt.
Thomas Tuchel und sein Team haben den Gegner natürlich vorher analysiert. Auffällig war, dass sich der Aufbau immer über den Außenverteidiger zum zentralen Mittefeldspieler zieht, welcher dann den Flügelspieler in die Tiefe schicken soll. So wollte man die Verbindung vom Zentrum auf den Flügel und damit die typischen Doppelpässe kappen. Im Endeffekt versuchte man aber ebenfalls die direkten Duelle zu suchen und so den strukturierten Spielaufbau zu stören.
Probleme gab es meist, wenn die zweite Pressinglinie überspielt wurde, denn dann war man aufgrund der hohen personellen Bindung zumindest kurz in einer numerischen Unterzahl. Oft waren daraufhin auch die Räume so groß, dass ein Angreifen der bereits überspielten Linien von hinten nicht möglich war.
So mussten einige Spieler aus dem Konstrukt herausrücken, Zweikämpfe suchen und den Angriffsablauf stören, damit man wieder genug Spieler hinter den Ball bekam. In diesem tiefen Block wollte man dann die vertikalen Passwege zustellen und den Raum im Zentrum verengen.
Insgesamt lief die Rückwärtsbewegung ins Abwehrdrittel bei den Bayern recht sauber. Mit dem Übergang aus den Mannorientierungen heraus offenbarten sie zwar Schwächen, aber diese nutzte Gladbach nur in Ansätzen.
FC Bayern: Nicht perfekt, aber abermals erfolgreich
Der Sieg des FC Bayern gegen Borussia Mönchengladbach reiht sich recht gut in diese Rückrunde ein. Nicht perfekt, aber am Ende erfüllt man zumindest seine Aufgaben befriedigend. Was in dieser Phase fehlt, ist das „Provozieren“ und „Erzwingen“, wie man es eigentlich kennt – das erkennt man vor allem an ausbaufähigen Flügelabläufen und auch technischen Fehlern.
Am Ende ist es aber ein stetiger Prozess, welcher von Verletzungen gebremst wird. Die nächste Reifeprüfung wird kommen, ziemlich schnell sogar.