Julian Nagelsmann verlängert beim DFB: Was jetzt, FC Bayern?
Der FC Bayern München muss sich bei der Trainersuche weiter gedulden. Wie der DFB am Freitag verkündet hat, bleibt Julian Nagelsmann Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft. Der 36-Jährige galt zuletzt als Wunschkandidat des Rekordmeisters.
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Nun wird Nagelsmann das DFB-Team auch nach der Europameisterschaft im kommenden Sommer an der Seitenlinie betreuen. Nach Xabi Alonso ist der Ex-Coach des FCB der zweite mutmaßliche Wunschkandidat, den der Rekordmeister nicht bekommt.
Bleibt die Frage, welche Optionen die Münchner noch haben.
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FC Bayern: Nagelsmann raus – und jetzt?
Dargestellt werden solche Rückschläge medial oft so, als gäbe es nur einen einzigen Kandidaten, mit dem sich der FC Bayern befasst. Das kann in Ausnahmefällen vorkommen, in der Regel ist es aber so, dass Unternehmen dieser Größenordnung mit mehreren Alternativen gleichzeitig sprechen – und das auch durchaus konkreter, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wer sich am besten eignen könnte.
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich, dass der FC Bayern sich derartig auf Nagelsmann versteift hat, dass keine Kandidaten mehr übrig geblieben sind. Max Eberl sprach bereits vor einigen Wochen davon, dass er das Gefühl habe, dass Rudi Völler die Verlängerung mit Nagelsmann eintüten könnte. Es wäre schon sehr überraschend, hätten die Münchner jetzt keinen Plan B, oder mit Einberechnung von Alonso sogar Plan C.
Was zum nächsten wichtigen Punkt führt: Seit der nach außen hin schlecht verkauften Verpflichtung von Niko Kovač wird im Umfeld des FC Bayern penibel darauf geachtet, die wievielte Wahl der neue Trainer ist. Das wird auch den Neuzugang im Sommer begleiten. Gleichzeitig sollte man das nicht überhöhen. Auch wenn sich die Gerüchte dahingehend entwickelten, dass eine Tendenz zu Nagelsmann besteht, ist davon auszugehen, dass auch die weiteren Kandidaten im engeren Kreis eine Grundüberzeugung beim FCB ausgelöst haben.
Doch welche Kandidaten könnten das sein?
FC Bayern München: Wer wird Trainer des FCB?
Tatsächlich gestaltet sich die Trainersuche beim FC Bayern so kompliziert wie schon lange nicht mehr. Selbst bei Nagelsmann soll es intern laut verschiedenen Medienberichten Stimmen gegeben haben, die ihn eher kritisch sehen. Das ernüchternde Fazit: Ein für den Sommer prädestinierter Trainer ist nicht verfügbar.
Was nicht bedeutet, dass ein neuer Trainer nicht erfolgreich sein kann. Es bedeutet aber, dass der FC Bayern mit Blick auf seine Ideale Kompromisse eingehen muss. Das wiederum erhöht das Risiko.
Roberto de Zerbi (Brighton)
Erst der Wunschkandidat, dann plötzlich gar kein Thema mehr – die Schwankungen in der medialen Berichterstattung rund um Roberto de Zerbi zeigen ganz gut, wie wechselhaft Wasserstandsmeldungen sind. Der Italiener wird jetzt ganz sicher wieder heißer diskutiert.
Mit Brighton war er zuletzt nicht mehr ganz so erfolgreich. Kein Sieg aus den letzten vier Pflichtspielen, ohnehin nur zwei Siege aus den letzten zehn – nicht Bayern-like, mag eine Argumentation sein. Allerdings sollte auch nicht vergessen werden, mit welchem Kader er arbeitet und welche Erfolge er rein fußballerisch zu verzeichnen hatte. Der Respekt seiner Trainerkollegen spricht für sich.
Gegen de Zerbi sprechen die fehlende Erfahrung auf absolutem Top-Level, mögliche sprachliche Hürden und die große Philosophiefrage: Will man einen taktisch sehr komplexen Trainer, der manchmal dazu tendiert, die Dinge etwas zu verkopft anzugehen? Außerdem müsste der Kader mit seiner Spielidee womöglich nochmal deutlich stärker umstrukturiert werden, als bisher vermutlich geplant ist.
Wir haben de Zerbi hier genauer vorgestellt.
Ralf Rangnick (Österreich)
Er selbst sagte ab, die Gerüchte kühlten schnell wieder herunter – aber vielleicht kochen sie auch genau jetzt wieder auf? Klar ist, dass der Name Ralf Rangnick in München schon immer präsent war. Bisher mit dem Fazit, dass jemand wie er zu viel Reibung und Veränderung herbeiführen würde.
Rangnick wäre jemand, der übergreifender arbeiten müsste und das auch aktiv von seinen Arbeitgebern verlangt. Seine Kompetenz im Fußballbereich ist enorm. Gleichzeitig wurde genau dafür Max Eberl verpflichtet. Als Trainer war Rangnick zuletzt wechselhaft erfolgreich. Sein Engagement bei Manchester United scheiterte auf ganzer Linie, mit Österreich läuft es besser. Zweifel sind dennoch berechtigt.
Zinédine Zidane (vereinslos)
Der mit Abstand größte Name auf der Liste ist Zinédine Zidane. Der Franzose hat mit Real Madrid sensationelle Erfolge gefeiert. Seine Aura, sein Ansehen, seine Erfahrung beim größten Fußballclub der Welt – all das spricht für ihn. Auch fußballerisch hat Madrid sich unter ihm stärker weiterentwickelt, als es vielerorts dargestellt wird.
Zidane verfügt über ein klares taktisches Gerüst, das allerdings nicht die Tiefe von anderen Trainern vorzuweisen hat. Real Madrid stolperte national mehrfach darüber, hatte international häufig das entscheidende Quäntchen Glück.
Der ehemalige Weltmeister hat bei Real Madrid vor allem nachgewiesen, dass er mit Stars arbeiten kann. Es gibt aber berechtigte Zweifel daran, ob seine Arbeitsweise zu einem Club passt, der nicht über die größte individuelle Qualität Europas verfügt. Madrid hat hier einen Sonderstatus. Bei keinem anderen Club funktionieren Trainer, die weniger Wert auf taktische Komplexität legen, so gut wie bei den Königlichen.
Es verwundert daher auch nicht, dass Zidane schon lange mit einem Job als Nationaltrainer Frankreichs liebäugelt. Auch dort hätte er eine individuelle Klasse zur Verfügung, die alle anderen überstrahlt. Zidane als Champions-League-Trainer wäre sicher interessant – allerdings auch ein großes Risiko.
Antonio Conte (vereinslos)
Zum Italiener führte bisher keine wirklich heiße Spur. Es war eher reines Namedropping. Doch mit der Erfahrung, die der FC Bayern derzeit in der Champions League macht, könnte der 54-Jährige eine interessante Option sein. Conte gilt vielerorts als Vertreter des Defensivfußballs. Eine Art Fußball, die in München bisher eher verpönt war.
Doch der ehemalige Trainer von Juventus Turin kann deutlich mehr, zeigte bei verschiedenen Stationen, dass seine Teams auch sauberen Ballbesitzfußball spielen können. Der richtige Mix für die Bundesliga, wo Bayern mehr Zug zum Tor aus Ballbesitzphasen heraus benötigt, und Champions League, wo man mit einem pragmatischen Defensivansatz derzeit erfolgreich ist?
Gegen Conte spricht, dass er ein sehr schwieriger Typ sein kann. Mit den ganzen Alphatieren des FC Bayern könnte Explosionsgefahr drohen.
José Mourinho (vereinslos)
José Mourinho hatte in der Vergangenheit schon häufiger signalisiert, dass ihn die Bundesliga reizen würde. Sein Name, seine Ausstrahlung und auch sein Verständnis von Fußball stehen außer Frage. Mourinho hat den europäischen Fußball geprägt, bringt Unmengen an Erfahrung mit.
Unterschätzt wird bei ihm, dass er in seiner Zeit als Trainer von Real Madrid beeindruckenden Fußball spielen ließ. Dort hatte er das Personal für eine offensivere Ausrichtung und setzte das um: Defensiv stabil, aber auch im Angriff sehr gefährlich, teils spektakulär. Madrid brach damals einen Torrekord (121 Tore in der Saison 2011/12).
Seine Zeit ist vorbei, sagt allerdings die Gegenseite. Und mit Blick auf seine vergangenen Stationen ist das nachvollziehbar. Mourinho hätte seinen Reiz, ist aber auch ein Trainertyp, mit dem bei Misserfolg großer Schaden droht.
Roger Schmidt (Benfica)
Bei Benfica sorgte Roger Schmidt für Aufmerksamkeit aus Deutschland. Seine Erfolge in Liga und Europapokal sprechen für sich. Hohes Pressing, temporeicher, aber auch technisch anspruchsvoller Fußball – Schmidt bringt das Rezept für Spektakel mit.
Mit Benfica gelang es ihm zudem, auch die Defensive zu stabilisieren. Sein Ruf, nur Harakirifußball spielen zu lassen, ist unfair. Gleichwohl bleiben Restzweifel. Seine Philosophie stammt eher aus der RB-Schule. Mit Christoph Freund haben die Münchner jemanden, der diese ganz gut kennt.
Nur passt das zum FC Bayern? Schon unter Nagelsmann und auch Flick wurde kritisiert, dass man zu viel auf Gegenpressing setze und zu wenig auf Dominanz und technische Sauberkeit im Ballbesitzspiel. Qualitäten, die vor allem in der Bundesliga in den letzten Jahren fehlten. Schmidt ist zuzutrauen, dass er sich anpassen kann. Veränderungen im Kader bedarf es sowieso. Aber auch er scheint nicht die Optimallösung zu sein.
Erik ten Hag (Manchester United)
Erik ten Hag hat eine Vergangenheit beim FC Bayern, er ließ vor allem mit Ajax sehr spektakulären und attraktiven Ballbesitzfußball spielen und er erfüllt viele Kriterien des FCB. Allerdings ist da auch die Zeit bei Manchester United, in der er sich von Beginn an sehr schwer damit tat, eine klare Handschrift erkennbar zu machen.
Für ein großes „Hurra“ würde er deshalb im Umfeld des FC Bayern wohl nicht sorgen. Die Frage ist, wie schwer man seine Zeit in England gewichtet. United hat bereits viele Trainer auf dem Gewissen, die eine große Vergangenheit hatten oder zumindest vielversprechend daherkamen. Die Probleme dort gehen weit über die Trainerbank hinaus.
Allerdings trifft das mittlerweile auch auf den FC Bayern zu. Gerüchte halten sich hartnäckig, dass ten Hags Zeit bei United bald vorbei ist. Ein Kandidat, den man diskutieren sollte, ist er in jedem Fall.
Hansi Flick (vereinslos)
Es wäre gewissermaßen typisch für den FC Bayern der letzten Jahre, wenn auch Hansi Flick zumindest auf der Shortlist landet. Unter ihm erlebten die Münchner das erfolgreichste Jahr der Vereinsgeschichte – allerdings unter besonderen Bedingungen.
Schaut man sich den Run zum Champions-League-Sieg und auch anderen Titeln genauer an, muss man konstatieren, dass es bei allem Respekt vor den Erfolgen auch äußere Umstände gab, die den FC Bayern begünstigt haben. Auch die Zeit als Bundestrainer hilft Flick nicht dabei, Argumente für eine erneute Anstellung zu sammeln.
Unai Emery (Aston Villa)
Ein weiterer Kandidat, der eher in die Kategorie „Namedropping“ fällt. Mit seinen Erfolgen in der Vergangenheit – insbesondere in der Europa League – könnte er aber durchaus jemand sein, mit dem sich der FC Bayern beschäftigt, gar beschäftigen muss. Aston Villa ist mit ihm in dieser Saison sehr erfolgreich.
In der Premier League steht man vor Clubs wie Tottenham, Newcastle, Manchester United und Chelsea auf dem vierten Platz. Auch in Europa sorgt man für Furore: Im Halbfinale der Conference League geht es Anfang Mai gegen Olympiakos Piräus. Emery kann verschiedene Dimensionen des Fußballs vereinen: Defensive Stabilität und Kontrolle mit dem Ball.
Er ist sehr anpassungsfähig, was eigenen Kader und Gegner anbelangt. Gleichzeitig war er bei Arsenal und auch PSG nicht übermäßig erfolgreich. Den Nachweis auf allerhöchstem Niveau konnte er also noch nicht erbringen. Neben weicheren Faktoren wie Sprache könnte das ein wichtiges Kriterium sein.
Thomas Tuchel (FC Bayern)
Moment mal, der wird doch … ja, richtig. Thomas Tuchel wird den FC Bayern im Sommer verlassen. Zumindest war das die Entscheidung, die man im Frühjahr getroffen hat. Schaut man auf die aktuelle Situation und auf alle bisher aufgezählten Alternativen, muss sich der FCB aber damit auseinandersetzen, wie viel Sinn eine Weiterbeschäftigung ergeben könnte.
Tuchel hat die Kabine nicht verloren. Er blickt auf eine sehr schwache Rückrunde zurück, zeigt in der Champions League gleichzeitig aber, dass er Qualitäten hat. Beim Rekordmeister hat sich die Diskussion nach der Entscheidung gegen Tuchel klar in Richtung Kader verlagert. Was wäre für ihn möglich, wenn eine Umstrukturierung stattfindet?
Auf der anderen Seite wäre die Signalwirkung zunächst fatal: Keine Alternative gefunden? Gut, dann eben doch Tuchel. Das wäre nicht nur eine C-Lösung, sondern auch ein fragwürdiger Umgang mit dem Trainer selbst. Die Frage kommt auf, ob Tuchel sich das antun würde. Erst eine Degradierung, um dann doch wieder der starke Mann zu sein? Schwer darstellbar.
Tuchel selbst bekräftigte zudem auf der Pressekonferenz, dass er eine Vereinbarung mit dem Club habe und diese stehen würde. Doch das Geschäft Fußball hat schon oft genug sehr verrückte Wendungen zu bieten gehabt.
Jürgen Klopp (FC Liverpool) oder Xabi Alonso (Bayer Leverkusen)
Eine Übergangslösung, so hieß es zuletzt in Medienberichten, sei für den FC Bayern keine Option. Auch hier gilt aber: Mit den vorhandenen Optionen muss sich der FCB damit befassen. Allerdings drängt sich hier kaum jemand auf, der es für ein Jahr machen würde.
René Marić genießt intern großes Vertrauen, hat aber als Cheftrainer auf diesem Level keine besonderen Erfahrungen vorzuweisen. Einerseits wäre es ein großes Experiment, andererseits droht die Gefahr, dass sich der 31-Jährige verbrennt.
Eine Übergangslösung wäre für die Bayern auch deshalb schwer darstellbar, weil man das Champions-League-Finale 2025 in der eigenen Arena vor Augen hat – und in der Bundesliga unter Zugzwang steht. Klopp und Alonso dürften also weiterhin raus sein.
Es bleibt kompliziert für die Bayern.
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