„Spezlwirtschaft“ am Campus des FC Bayern? So ist die Kritik sinnlos
Diese Woche erschien in den medien des IPPEN.MEDIA-Netzwerks ein Artikel des Autors Daniel Michel, der darin zahlreiche Personalentscheidungen des FC Bayern München am Campus kritisiert und dabei „Spezlwirtschaft“ unterstellt. Leider verliert sich der Autor dabei in Namedropping, anstatt den Fokus auf berechtigter Kritik zu halten.
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„Wo ist Presse, wo ist Rummel, wo wird immer diskutiert?“, heißt es im „Stern des Südens“. Der FCB als Club steht im Fokus der Öffentlichkeit wie kein anderer Sportverein in Deutschland. In den letzten Jahren rückt dabei auch immer mehr die Nachwuchsarbeit in die öffentliche Wahrnehmung.
Doch in vielen Fällen dient auch der Campus nur dazu, schnellen Content mit Clickbait-Überschriften zu generieren, anstatt sich wirklich mit der Materie auseinanderzusetzen. Der jüngste Fall einer unzureichenden Auseinandersetzung findet sich nun aktuell im Münchner Merkur und der tz.
Ein Artikel, der wirkt, als wäre das Fazit zuerst geschrieben worden, bevor der Autor verzweifelt Namen suchte, die seine aufgestellte These untermauern sollten.
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„Spezlwirtschaft“ beim FC Bayern? So ist die Kritik sinnlos
Die Kernaussage des Artikels ist dabei schon in der Überschrift präsent: Der Rekordmeister würde „Spezlwirtschaft“ am Campus betreiben und so seine Grundsätze verraten. Michel suggeriert, bei der Besetzung von Personalien würde es also nicht um Kompetenz gehen und dass es vollkommen neu wäre, dass Personal eingestellt wird, das den Verantwortlichen aus der Vergangenheit persönlich bekannt ist.
Setzen wir uns also zuerst mit der zweiten Aussage auseinander, zu der es konkret heißt: „Lange Zeit hatte beim FC Bayern der Leistungs- und Qualitätsgedanke Priorität. Man wollte die besten Leute auf allen Ebenen (…).“
Als der FC Bayern 2017 den Campus eröffnete, übernahm Jochen Sauer die Leitung des Campus. Sauer arbeitete in der Vergangenheit bei Hertha BSC als Assistent, beim VfL Wolfsburg als sportlicher Leiter jeweils unter Geschäftsführer Dieter Hoeneß. Zeitgleich mit Jochen Sauer übernimmt Sebastian Hoeneß, Sohn von Dieter Hoeneß, als Trainer die U19 des FCB. Sebastian Hoeneß fördert überraschend ein junges Talent namens Josip Stanišić, für dessen Berateragentur „Ballwerk Sports GmbH“ als Inhaber auf transfermarkt.de Dieter Hoeneß eingetragen ist.
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Ein Geflecht, das damals in und rund um den Campus sehr kritisch gesehen wurde, aus heutiger Perspektive jedoch keinerlei Anlass mehr zur Kritik bildet. Sebastian Hoeneß ist mittlerweile erfolgreicher Bundesligatrainer, Stanišić eines der wenigen Talente, die es direkt in München geschafft haben.
Und Jochen Sauer ist trotz regelmäßiger Abwanderungsgerüchte seit acht Jahren ein fester Anker am Campus, der abgesehen von seiner Position mit großer personeller Fluktuation zu kämpfen hat. Doch alle Beteiligten waren damals genauso objektiv qualifiziert für ihre Rolle wie es heute der Großteil der Namen ist, die in Michels Artikel erwähnt werden.
Oberflächliche Kritik am Campus
So mag Josef Eibl zwar der Schwager von Markus Weinzierl sein, aber Eibl war eben auch Cheftrainer des DJK Vilzing. Einer Mannschaft, die in der Saison 2023/24 sensationell als Tabellenzweiter in der Regionalliga Bayern abschloss, übrigens deutlich vor den Amateuren, die nur Sechster wurden.
Cheftrainer, die mit ihrer Mannschaft eine solche außergewöhnliche Saison spielen, landen nicht selten anschließend als Übungsleiter in einer höheren Liga. Nicht als Co-Trainer bei einem direkten Konkurrenten. Dirk Teschke, seit vielen Jahren Co-Trainer der Amateure, war vor seiner Zeit beim FC Bayern übrigens genau was? Ja, richtig, Cheftrainer eines anderen Regionalligavereins, nämlich dem TSV 1860 Rosenheim.
Bei U16-Trainer Sebastian Dreier wird die Argumentation dann schon abwegig: Weil er zufällig wie Weinzierl aus Niederbayern kommt, soll er bevorzugt worden sein. Dreier, früher Nachwuchsspieler des FC Bayern, begann nach einem verletzungsbedingten Karriereende schon 2013 als Co-Trainer bei den Bayern, unter anderem unter Heiko Herrlich und Tim Walter in der U17.
Anschließend war der Cheftrainer der U17 und U19 von Unterhaching sowie der U15 des FSV Mainz Co-Trainer in der 2. Bundesliga in Regensburg und dann ab 2023 wieder Co-Trainer bei den Amateuren. Wenn man Dreier etwas vorwerfen mag, dann eher, dass seine Vita ihn fast schon für die U16 überqualifiziert.
Schon verrückt, dass beim FC Bayern in Oberbayern Personen einen Job bekommen, die aus dem benachbarten Regierungsbezirk stammen. Sein Co-Trainer Thomas Kurz, dem vorgehalten wird, eine Saison lang unter Markus Weinzierl gespielt zu haben und auch Niederbayer zu sein, ist eben auch ein ehemaliger Nachwuchsspieler des FCB und kennt Dreier bereits seit langer Zeit aus gemeinsamen Tagen in München.
Selbst vor René Marić macht das Namedropping keinen Halt
Auch bei Nils Schmadtke sind die Vorwürfe ähnlich groß. Leider unterlegt der Autor seine Aussage („Ansonsten gilt bei Nils Schmadtke ähnlich wie bei Josef Eibl: Er hat nichts geleistet, was ihn für diese große Aufgabe beim FC Bayern befähigt.“) nicht mit Argumenten.
Immerhin hat Schmadtke aber beim 1. FC Köln, VfL Wolfsburg und Borussia Mönchengladbach gearbeitet. Mit ihm tätigten alle Clubs den einen oder anderen interessanten Transfer. Mehr dazu hier. Auf eine Bewertung der Personalie verzichten wir an dieser Stelle, da uns hierfür das nötige Hintergrundwissen fehlt, wie sehr er an Transfers wie Serhou Guirassy, Chris Führich, Alassane Pléa, Ridle Baku oder Marcus Thuram seinerseits beteiligt war und wie er sich sonst in seinem Umfeld schlug.
Da die Argumentation bei Eibl jedoch schon nicht stimmig war, legt der Schluss nahe, dass auch hier schon rein der Fakt der gemeinsamen Vergangenheit mit Eberl in Gladbach gereicht hat, um diese Aussage zu treffen.
Bei René Marić werden ebenfalls Überschneidungen in der Vita als Beleg für angebliche „Spezlwirtschaft“ herangezogen. Ja, richtig gehört, René Marić. Ein absoluter Fachmann, dessen Kompetenz wohl niemand jemals in Zweifel gezogen hat. Marić stand bereits vor seiner Zeit in Salzburg mit dem FC Bayern in Kontakt, damals noch mit dem Team um Matthias Sammer, weit bevor er Max Eberl oder Christoph Freund kennenlernte.
Er hat seine aktuelle Position als Co-Trainer schon bei mehreren Vereinen auf gehobenem Erstliganiveau bekleidet. Auch hier bietet der Autor keinerlei Argumente, warum an der Berufung von Marić etwas auszusetzen sei. Ganz im Gegenteil, er schreibt ja selbst, dass von ihm eher noch viele Cheftrainer etwas lernen können.
FC Bayern: Spieler sind zufrieden mit Richard Kitzbichler
Der nächste Name auf der Liste ist dann Richard Kitzbichler – als „Koordinator Talentförderung“ angestellt. Eine Position, die so ähnlich zuvor in München nur für kurze Zeit existierte. Danny Schwarz füllte sie jedoch nur etwas mehr als drei Monate aus, bevor er das erste Angebot, wieder als Trainer zu arbeiten, annahm.
In der Branche, bei Spielern wie Beratern, wurde es sehr positiv aufgenommen, dass die erste Amtshandlung von Christoph Freund darin bestand, eine solche Rolle wieder zu besetzen. Miasanrot sprach mit zwei Spielern unabhängig voneinander, die in den letzten Jahren vom FC Bayern an andere Vereine verliehen wurden.
Beide zeigten sich geradezu begeistert, wie gut und vertrauensvoll die Kommunikation mit Richard Kitzbichler und seinem Team aus Nico Feldhahn und Timo Kern war. Beide berichteten von wöchentlichen Telefonaten mit Kitzbichlers Team, mehreren persönlichen Besuchen bei ihren Leihstationen und dass sie überrascht waren, wie hervorragend informiert der FC Bayern immer über jedes einzelne ihrer Spiele war.
Dass Leihen nicht immer die Erwartungen erfüllen und gerade für die vergangene Saison die Bilanz der Leihen eher durchwachsen ist, steht außer Frage. Kitzbichler jedoch hierfür herauszupicken, verkennt die Realität. Es ist nicht seine Entscheidung, welcher Akteur wohin verliehen wird, darüber hat das letzte Wort immer noch der Spieler und der trifft Entscheidungen auch nicht selten gegen den Rat des Clubs. Fest steht jedoch, dass die direkt beteiligten Spieler, mit denen Miasanrot sprechen konnte, nur gutes über Richard Kitzbichler berichten konnten.
FC Bayern: Gerechtfertigte Kritik bei Markus Weinzierl, aber …
Weiter geht es mit Leo Haas. Was bei Dreier und Kurz noch verschwiegen wurde, wird zumindest ihm vom Autor zugerechnet, nämlich dass er in der Jugend beim FC Bayern gespielt hat. Dass er bereits Wacker Burghausen und die U23 von Greuther Fürth in der Regionalliga coachte, findet im Artikel aber keinerlei Erwähnung und würde wohl auch nicht ins Framing passen.
Erst recht nicht, dass er sogar für vier Spiele interimsmäßig die Fürther Profis in der zweiten Bundesliga anleitete. Auch hier reicht eine gemeinsame Station mit Christoph Freund in Salzburg, um seine Qualifikation anzuzweifeln. Übrig bleibt nun die einzige Personalie, bei der es gerechtfertigte Argumente gibt, die Qualifikation anzuzweifeln, nämlich bei Markus Weinzierl.
Nach Hermann Gerland, Holger Seitz und Halil Altintop bereits der vierte sportliche Leiter, seit der Campus gebaut wurde. Weinzierls Trainerkarriere verlief komplett im Herrenbereich, er trainierte nie eine Jugendmannschaft, arbeitete nie zuvor in einem NLZ anderweitig rund um den Jugendfußball. Während Vereine wie Manchester City die Chance nutzen, sich auf einer solchen Position mit Know-How aus dem Ausland zu verstärken, wird beim FC Bayern ein sportlicher Nachwuchsleiter installiert, der keinerlei Erfahrung abseits der Trainerbank im Herrenbereich zu bieten hat.
Die Citizens hingegen holten mit Thomas Krücken einen absolut renommierten, dem Ruf in der Branche nach zuweilen auch unbequemen und schwierigen Fachmann vom VfB Stuttgart. Weinzierl ist der Name, bei dem Autor Daniel Michel zurecht Kritik übt. Ob dieser kritische Blick Weinzierls tatsächlicher Arbeit gerecht wird? Dafür fehlen uns aktuell noch weitere Hintergründe.
Die populistische Kritik geht deutlich am Thema vorbei
Aber die Kritik daran, warum ausgerechnet er diesen Posten besetzen soll, ist gerechtfertigt und fußt auf validen Argumenten. Es wäre besser gewesen, hätte sich der Autor auf diese Personalie fokussiert und mehr diesbezüglich recherchiert.
Es wäre spannend, zu erfahren, wie Leute, die mit ihm regelmäßig zu tun haben, seine Arbeit bewerten. Egal ob intern beim FC Bayern oder extern bei der Konkurrenz oder in der Beraterszene. Ohne eine konkrete Beurteilung seiner bisherigen zwölf Monate beim FC Bayern bleibt der Artikel jedoch leider ohne Mehrwert für den Leser und populistisch, ja fast schon unangenehm.
Dass der Autor so viele Namen allein aufgrund ihrer Vita oder ihrer niederbayrischen Herkunft beschädigt, wird den verschiedenen Personen, die allesamt nachgewiesen Qualifikation für ihre Posten mitbringen, nicht gerecht.
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