Vincent Kompany in der Allianz Arena des FC Bayern. Die Kamera filmt ihn von unten, er trägt dunkle Kleidung und eine dunkle Mütze. Hinter ihm das Publikum in der Arena.
Bild: Alexander Hassenstein/Getty Images

Guardiola, Kompany, Nagelsmann und Co.: Warum das 2-3-5 so beliebt ist

Justin 28.10.2025



Der FC Bayern München spielt es, die deutsche Nationalmannschaft spielt es, im Repertoire von Pep Guardiola ist es seit vielen, vielen Jahren ein wichtiger Bestandteil.

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Die Rede ist vom 2-3-5-System. Viele Trainer*innen, die ihre Teams auf Ballbesitzfußball auslegen, nutzen es, um eine optimale Struktur auf den Rasen zu bekommen. Vor allem gegen tiefstehende Mannschaften entwickeln sich zahlreiche Vorteile.

Vor allem aber ist die Grundordnung auch ein guter Ausgangspunkt für kleine Variationen, wenn sich die Anforderungen ändern – beispielsweise durch Gegner, die hoch pressen oder durch die Notwendigkeit, das zentrale Mittelfeld noch weiter zu stärken.

Anhand der aktuellen taktischen Ausrichtung des FC Bayern wollen wir versuchen, die Vor- und Nachteile des Systems zu erschließen.

Das 2-3-5-System: Vorreiter Barcelona

Dass die Trainerkarriere von Vincent Kompany unter dem Einfluss der Eindrücke stand, die er während seiner aktiven Karriere unter Guardiola sammelte, ist kein Geheimnis. Guardiola übernahm die ursprünglich wohl von Johan Cruyff stammende Idee der einrückenden Außenverteidiger und machte sie im vergangenen Jahrzehnt deutlich populärer in Europa.

In Guardiolas 4-3-3 rückten damals beide Außenverteidiger ins Mittelfeld ein, wodurch eine 2-3-2-3-Struktur auf dem Feld entstand. Der Fokus lag darauf, das Zentrum im Spielaufbau zu stärken und gleichzeitig die Flügelräume in der Offensive zu öffnen.

In der Spielfeldmitte entstehen durch das Einrücken noch mehr Dreiecke, in denen das Team kombinieren kann. Durch die vielen Spieler im Zentrum ist der Gegner gezwungen, sich defensiv darauf zu konzentrieren, kompakt zu verteidigen – also selbst möglichst viele Spieler in diesen Bereich zu bringen.

Vor allem dann, wenn ein Team wie der FC Barcelona einst mit Sergio Busquets, Xavi, Iniesta und Lionel Messi im Zentrum auflief.

Im Video: Warum Bayerns Außenverteidiger so wichtig sind

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Durch den Defensivfokus des Gegners entstanden dann Räume für die abschlussstarken Flügelspieler, die von dort entweder ohne Ball hinter die Kette starten konnten oder bei Zuspielen von dort mit Ball in Tempoläufe kamen.

Die geringen Abstände der Spieler im Zentrum führten zudem dazu, dass die Wege auch bei Ballverlusten kurz waren und Bälle somit schnell zurückerobert werden konnten.

FC Bayern unter Vincent Kompany: Zentrale Rolle der Außenverteidiger

Zahlreiche Trainer übernahmen diesen taktischen Kniff, einige wandelten ihn leicht ab. Julian Nagelsmann verstärkte beispielsweise in seinen Systemen den Fokus auf die Spielfeldmitte, ließ mitunter sogar den ballfernen Außenstürmer relativ weit einrücken, um das Gegenpressing zu schärfen und Kombinationen zu stärken. Das DFB-Team spielt unter ihm gegen tiefe Gegner auch hin und wieder ein 2-3-5 – oder 2-3-2-3, wenn man es so detailliert beschreiben möchte wie oben am Beispiel Barcelona.

Wichtig ist ohnehin, dass man sich diese Zahlen nicht als statisches Gebilde vorstellt. Sie sind eine Orientierungshilfe, um etwas zu beschreiben. Wer auf dem Papier in einer 4-2-3-1-Grundordnung spielt, kann realtaktisch mit dem Ball auch ein 3-2-3-2 spielen. Oder ein 4-3-3. Oder ein 5-4-1. Und gegen den Ball kann es wieder anders aussehen. Fußball ist dynamisch und viele Trainer*innen setzen auf Fluidität. Die Bezeichnung 2-3-5 meint in diesem Artikel also Konstruktionen wie das 2-3-2-3 oder 2-3-3-2 oder 2-3-4-1 mit.

Es geht grob darum, dass es zwei Aufbauspieler, drei zentrale Mittelfeldspieler und fünf Angreifer gibt. Wie diese exakt angeordnet sind, hängt von vielen Details ab. Auch der FC Bayern spielt unter Kompany mit Außenverteidiger-Rollen, die alles andere als klassisch sind – und gegen tiefe Gegner in einem 2-3-5.

Wichtig sind dabei die Rollen der Außenverteidiger – und die Rolle von Joshua Kimmich auf der Sechs. Steht der Gegner tief, hält Kimmich in der Regel seine halbrechte Position im Mittelfeld. Konrad Laimer rückt auf der linken Seite ein, um die Dreierreihe vor den Innenverteidigern aufzufüllen.

Der Österreicher hat hier mehrere wichtige Aufgaben:

  • Defensive Absicherung: Wird der Ball verloren, kann er sofort ins Gegenpressing gehen und/oder das Zentrum mit absichern, um die Umschaltbewegung des Gegners sofort zu stören und den Ball bestenfalls zurückzuerobern, mindestens aber den Druck so zu erhöhen, dass kein geordneter Konter möglich ist.
  • Entlastung der Sechser: Eine zusätzliche Anspielstation im Mittelfeld bedeutet, dass die Sechser schwerer zu pressen sind, weil ein weiterer Gegenspieler gebunden wird, der sonst Druck ausüben könnte.
  • Flügel öffnen: Laimers Bewegungen nach innen führen oft dazu, dass sein Gegenspieler ebenfalls weiter einrückt. Dadurch entstehen auf dem Flügel Räume, die Luis Díaz nutzen kann, wenn er angespielt wird. Außerdem ist Laimer im Halbraum eine wichtige Anspielstation für den Kolumbianer – durch Vorderläufe kann er zudem weitere Räume freiziehen.

Durch Laimers Bewegungen ist der FC Bayern insgesamt schwerer zu pressen und unter Druck zu setzen.

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Die Rolle des Rechtsverteidigers

Anders als bei Guardiolas Barcelona rücken im System des FC Bayern aber nicht beide Außenverteidiger ins zentrale Mittelfeld ein. Der Rechtsverteidiger schiebt aktuell bis in die letzte Linie vor, um diese zu überladen. In der zweiten Halbzeit gegen Borussia Mönchengladbach zeigte Raphaël Guerreiro, wie diese taktische Rolle bestmöglich mit Leben gefüllt wird.

Der Portugiese hat im letzten Drittel unter anderem folgende Funktionen:

  • Gegenspieler binden (1): Einerseits bindet Guerreiro Spieler, die sonst höher pressen und so den ballführenden Spieler der Bayern unter Druck setzen könnten. Denn in den Räumen zwischen Mittelfeld und Abwehr sorgt er mit seinen Bewegungen ständig dafür, dass Gegenspieler die Entscheidung treffen müssen, wen sie jetzt decken: Guerreiro oder einen anderen Bayern-Spieler in der Nähe?
  • Gegenspieler binden (2): Und andererseits bindet er offensiv Spieler, die sonst im Zweikampf gegen Kreativspieler wie Michael Olise, Harry Kane oder Serge Gnabry helfen könnten. Durch die Überladung der letzten Linie ist es nahezu unmöglich, einen Bayern-Spieler zu doppeln, ohne große Räume woanders auf dem Spielfeld zu öffnen.
  • Gegenpressing: Die Bayern zählen in Europa laut dem Datenanbieter One-versus-One zu den zehn Mannschaften mit den meisten hohen Ballgewinnen. Die fünf hoch positionierten Spieler und somit auch der Rechtsverteidiger haben im Gegenpressing eine große Verantwortung. Aber auch die Dreierreihe dahinter, die durch Laimer aufgefüllt wird, kann in zweiter Welle viel Druck ausüben.
  • Nadelspieler im Halbraum: Natürlich bindet der Rechtsverteidiger nicht nur, sondern er muss auch kombinieren. Guerreiro ist dafür mit seinen technischen Fähigkeiten prädestiniert. In Gladbach war er immer wieder eine wichtige Anspielstation für seine Kollegen und wurde selbst durch Tiefenläufe und Steckpässe gefährlich. Er ist ein weiterer Kreativspieler, um Abwehrriegel zu knacken.

Was ist, wenn der Gegner des FC Bayern hoch presst?

Aber was passiert eigentlich, wenn die Bayern nicht in der für sie komfortablen Situation sind, einen Gegner weit in die eigene Hälfte gedrückt zu haben? Dann kommt Kimmich ins Spiel. Er ist derjenige, der entscheidet, ob die Bayern im 2-3-5 aufbauen oder ob eine Dreierkette in erster Linie notwendig ist.

Pressen Gegner hoch, lässt er sich meist rechts neben die Innenverteidiger fallen und strukturiert das Spiel von dort. Kompany kann sich das erlauben, weil er mit Tom Bischof und Aleksandar Pavlović weitere spielstarke Sechser im Team hat. Laimers Einrücken wird hier nochmal wichtiger, um diese Spieler zu entlasten.

Letztlich ist das Spiel der Bayern ähnlich wie Guardiolas 4-3-3-Variante darauf ausgelegt, das Spiel erst eng zu machen, um den Gegner auf das Zentrum zu fokussieren, um im letzten Drittel dann Olise und Díaz möglichst viel Raum bieten zu können. Das Prinzip dahinter ist gleich: Viele Spieler im Zentrum für schnelle Kombinationen und Rückeroberungen, die Flügelpositionen hingegen lange nur einfach besetzt, um das Spiel dorthin verlagern zu können.

Bayern hat mit Kane sogar einen Messi. Der Engländer lässt sich derart oft ins Mittelfeld fallen und inszeniert von dort Angriffe, dass die von ihm freigezogenen Räume von den schnellen und dynamischen Angreifern der Münchner genutzt werden können.

Welche Nachteile hat das System des FC Bayern?

Wie jedes System hat auch dieses seine Nachteile – auch wenn diese bisher durch die herausragenden Ergebnisse der Bayern kaum sichtbar wurden. Ist ein Gegner besonders spielstark, bietet sich ihm bei Ballgewinnen die Möglichkeit, Räume auf den Flügeln zu nutzen. Die Restverteidigung der Münchner ist oft gut organisiert, ist aber aus defensivtaktischer Perspektive allenfalls ein Kompromiss.

Denn jeder Spieler mehr als Absicherung bedeutet im Zweifelsfall weniger Durchschlagskraft in der Offensive. Für den FC Bayern ist die Priorität eindeutig die Offensive. Erst kommt das eigene Spiel mit dem Ball, dann das Gegenpressing und wenn es sich ein Gegner „verdient“, wie Kompany immer wieder betont, das auszuhebeln und Bayern in tiefere Verteidigungspositionen zu zwingen, dann kommt erst die tiefe Abwehrarbeit.

Zwangsweise wird ein solches System eben immer mal wieder zu Kontern führen, die die Bayern nicht verteidigt bekommen. Weil Guerreiro weit aufgerückt ist, weil Laimer im Zentrum ist oder weil jemand aus dem Mittelfeld mal einen Offensivlauf gemacht hat, der die Formation etwas öffnet. Mannschaften wie Chelsea oder der BVB haben in Phasen gezeigt, dass es möglich ist, den FCB zu bespielen.

Hohe technische Qualität notwendig

Hinzu kommt, dass die Bayern in ihrer Formation ein hohes technisches Niveau benötigen. In den vergangenen Wochen waren immer wieder leichte Probleme zu erkennen, wenn Spieler wie Sacha Boey oder Nicolas Jackson reinrotierten. Auch Leon Goretzka ist nicht optimal geeignet für eine Spielanlage gegen einen sehr tief verteidigenden Gegner. Diese Spieler könnten ihre Momente eher gegen Teams haben, in denen sich ihnen mehr Raum bietet.

Aber: Die Vorteile des Systems überwiegen aktuell die Nachteile. In einer defensiveren Ausrichtung verlagern sich die Schwächen eben auf andere Bereiche. Es gibt kein System ohne Schwachstellen. Und letztlich ist es immer entscheidend, wie sehr die Spieler es mit Leben füllen können.

Gerade in den kommenden Wochen wird es aber spannend zu sehen, welche Antworten Topklubs wie der FC Arsenal oder Paris Saint-Germain gegen den FC Bayern vorbereitet haben – und ob die Münchner darauf wiederum eigene Antworten finden.

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