Dompteure der Tiger – Bayern ist Weltmeister
Falls Ihr es verpasst habt
Der Gegner: Tigres UANL
Gemeinhin sagen einem die Gegner des FC Bayern ja etwas, selbst wenn sie aus dem europäischen Ausland kommen. Doch bei der Klub-WM stehen die Dinge anders. Nach dem ägyptischen Dauermeister Al Ahly, bekam es der FC Bayern im Finale für einige überraschend mit Tigres UANL aus Mexiko zu tun, die erst den asiatischen und dann sogar den südamerikanischen Kontinentalmeister ausschalten konnten.
Die “Tiger” wie sie nicht nur auf Grund ihres wunderschönen Wappens genannt werden, stammen aus der nordmexikanischen Stadt San Nicolás de los Garza aus der Metropolregion Monterrey, gute drei Autostunden von der texanischen Grenze entfernt.
Vom sportlichen Abschneiden waren sie die vergangenen Jahre so etwas wie das Atlético Nordamerikas gewesen, nur dass sie sogar drei mal im Finale der CONCACAF Champions League scheiterten. 2020 war es aber endlich so weit: Mit einem 2:1 gegen den FC Los Angeles errangen sie die nordamerikanische Krone. Unter den Torschützen war wie fast immer: André-Pierre Gignac.
Der Franzose mit dem etwas eigenen Karriereweg wechselte 2015 nach Mexiko und ist im fußballverrückten Mexiko der absolute Volksheld. Er trifft dort am Fließband, nur logisch also, dass er auch alle Tigrischen Tore im bisherigen Wettbewerb erzielen konnte.
Des weiteren dürfte dem deutschen Beobachter der 27-jährige Carlos Salcedo bekannt sein. Gegen die Bayern gewann der Abwehrchef damals unter Niko Kovač sensationell den DFB-Pokal.
Der brasilianische Trainer Ricardo Ferretti (manch einer nennt ihn in Amerika gar den Alex Ferguson des Kontinents) schickte sein Team im flachen 4-4-2 auf das Feld.
Die Aufstellung
Hansi Flick brachen im Vergleich zum Halbfinale gegen Al Ahly zwei Spieler weg. Jérôme Boateng reiste aus bekannten familiären Gründen vorzeitig zurück nach Deutschland und Thomas Müller infizierte sich mit dem Coronavirus.
Für Boateng rückte wie erwartet Niklas Süle in die Startelf, doch im Mittelfeld kam es zu starken Änderungen. David Alaba rückte für Marc Roca an die Seite Joshua Kimmichs ins Mittelfeld, für ihn verteidigte hinten Hernández. Hinter Lewandowski sollte Serge Gnabry wirbeln.
1. Halbzeit
Das Finale begann durch ein forsches Tigres gleich temporeich, mit zunehmender Dauer arbeitete sich auch der FC Bayern ins Spiel. Gerade Davies versprühte viel Lust. In der 19. Minute schoss Kimmich mit einem präzisen Weitschuss das vermeintliche 1:0, doch durch Lewandowskis im Endeffekt aktive Abseitsstellung kassierte der Kölner Keller Katars das Tor wieder.
Das aberkannte Tor entfachte etwas bei den Bayern, sie schnürten die Mexikaner nun immer mehr hinten ein, kamen auch zu guten Tormöglichkeiten. Vom tigrischen Mute der Anfangsminuten war nun wenig zu sehen. Ziemlich früh begann auch recht offensichtliches Zeitspiel. Immer wieder bekamen die Bayern Ecken und Freistöße zugesprochen, doch Kimmich erwischte gar keinen guten Tag was seine Standards anging.
2. Halbzeit
Ohne Wechsel kamen beide Mannschaften aus der Kabine. Der Leistungsabfall war zwar nicht so stark wie gegen Al Ahly, doch die Bayern wirkten nun müde. Das Tor fiel dann trotzdem. Nach einer Halbfeldflanke von Kimmich scheiterte Lewandowski noch an Tormann Guzman, doch Pavard war mitgelaufen und beförderte den Ball deutlich spektakulärer als nötig per Volley ins Netz. Offenbar kann Pavard mit dem Fuß nur mit Vollspannvolleys Tore erzielen (59.). Erst wurde das Tor aberkannt, doch Salcedos Fuß hob das Abseits auf. Dieser knappe Abseitscheck überstrahlte womöglich auch den notwendigen Check nach Handspiel, denn Lewandowski beförderte den Ball unabsichtlich mit dem Arm zu Pavard.
Hansi Flick wechselte nun auch zum ersten Mal. Mit Tolisso für Gnabry auf der Zehn wurde es ein Stück defensiver. Wenig später kamen noch Musiala, Costa und Choupo-Moting für Sané, Coman und -erstaunlicherweise- auch Lewandowski. Möglicherweise sah Flick wie platt die Tiger waren, denn spätestens ab der 75. Minute zollten sie ihrem aufreibenden Spiel der ersten Halbzeit deutlich Tribut.
Ab der 80. Minute gab es noch im Stakkatotempo drei sehr gute Tormöglichkeiten (eine davon per Beinahe-Eigentor Salcedos), doch es blieb bis zum Schluss beim 1:0.
Bayern war nun auch offiziell Weltmeister und ist nach dem FC Barcelona 2009 die zweite Mannschaft, die das Sextuple erringt. Die FIFA blieb sich auch im Schlussakkord treu und ernannte aus welchen Gründen auch immer, Robert Lewandowski zum besten Spieler des Turniers. Der wahre Beste, Joshua Kimmich, gewann den Preis in Bronze.
Am Montag geht es dabei schon wieder schmucklos weiter, wenn man die Arminia aus Bielefeld im wahrscheinlich verschneiten München empfängt.
Dinge, die auffielen
1. Forscher Phonzie
Ein bisschen war Alphonso Davies die letzten Wochen das Sorgenkind Bayerns. Vom frischen Wirbler der letzten Saison, der sich in die Herzen der Fans spielen konnte, war zunehmend wenig zu sehen. Heute jedoch kam ein möglicherweise erster großer Schritt zurück zu alter Form. So forsch, zielstrebig und erfolgreich sprintete er in dieser Saison selten. Immer wieder setzte er zu klugen Sprints an und überrannte seine Gegenspieler förmlich. Hin und wieder traf er gerade in der finalen Aktion noch die falsche Entscheidung, doch war das trotzdem eine deutliche Leistungssteigerung im Vergleich zu den oft biederen Auftritten in der Bundesliga. Vielleicht brauchte der Kanadier ja so ein Spiel gegen andere Nordamerikaner, hieran muss er nun auch in Europa anknüpfen.
2. Weitere Sorgen um die anderen Sorgenkinder
So gut Davies auch war, Sané und Alaba stagnieren derzeit bestenfalls. Sané war zwar noch nie in dieser Saison so gut, wie es seinem Potential entspricht, doch vor Wochen war er schon weiter. Heute sah es viel nach dem Sané der Anfangszeit aus. Oft stand er suboptimal, spielte ab und an unsauber, und hatte vor allem mit der defensiven Dopplung auf der Außenbahn zu kämpfen.
Alaba hingegen durfte sich mal wieder im Mittelfeld beweisen, doch verpuffte er erneut. Obwohl Tigres sehr oft, sehr tief stand und das Spiel um kreative Impulse bettelte, lief das Spiel an dem Österreicher vorbei. Joshua Kimmich überstrahlt natürlich ein Stück weit alle, doch seine anderen Partner, wie etwa Roca im Halbfinale, konnten oft auch ganz eigene Impulse geben. Alabas Position dürfte auch weiterhin in der Innenverteidigung verbleiben.
3. Nummer Sechs
Die Unkenrufe waren groß. Das Verkehrschaos auf der einen Seite, und dann noch all das Gerede von wegen Gemüsepokal. Doch die Bayern hatten trotz alldem ein Ziel deutlich vor Augen: Das historische Sextuple.
Ja, man mag streiten inwieweit es fair gegenüber den Titeln in der nationalen Meisterschaft und der Champions League ist, sie auf eine Stufe mit dem deutschen Super-Cup zu stellen. Doch der Mannschaft war das egal. Schon als der FC Barcelona dieses Kunststück schaffte, war ständig die Rede von sechs Titeln und diese Bayern-Mannschaft wollte das gleiche erringen.
Dabei blieben sich die Bayern ihrer eigenen Historie treu. Mit Pavard war nach Sammy Kuffour 2001 und Dante 2013, wieder ein Abwehrspieler der Held des Abends. Zudem blieb man hinten erneut gegentorlos, die Weste Bayerns ist somit weiterhin blütenrein. Noch nie hat Bayern in diesem, oder seinem Vorgängerwettbewerb, dem Weltpokal, ein Tor kassiert. Und das obwohl man das erste mal vor fast 50 Jahren teilnahm.
Es ist die allerletzte Krönung für das historische Jahr 2020. So müde wie die Bayern verständlicherweise mittlerweile spielen, lässt es sich leicht vergessen, wie gut sie eigentlich 2020 bis in den August hin waren. Gekrönt hatte man sich bereits in Lissabon, doch auch die Kür gehört zum Wettbewerb. Diese Klub-WM nimmt man gerne mit.