Die Königstransfers: Episode 2011-2015

Maurice Trenner 23.04.2020

Natürlich wird in den ruhigen Wochen der Corona-Pause besonders in der Gerüchteküche weiterhin scharf gekocht und teilweise auch heißer serviert als gegessen – ja, damit meine ich die Posse um Neuers Vertragsverlängerung. Als kleines Gedankenspiel soll in diesem Artikel der Blick aber zurückgehen und die beste Verpflichtung einer jeden Saison der letzten Jahrzehnte gekürt werden. 

Die Kriterien

Wie immer ist es schwer “das Beste” genau zu definieren, da immer auch eine gewisse Subjektivität mitspielt. Ein jeder hat seine persönlichen Vorlieben. Dennoch soll die Wahl in diesem Artikel möglichst transparent, anhand der folgenden vier Kriterien erfolgen:

  • Vereinszugehörigkeit: Wie lange spielte ein Neuzugang für den FC Bayern und in wie vielen Partien lief er im roten Dress auf. So war Douglas Costa sicher in seiner ersten Saison ein wichtiger Faktor, aber insgesamt kommt er nur auf 50 Einsätze.
  • Erfolge: Welche Titel errang der Spieler und welchen Anteil hatte er daran. Tom Starke beispielsweise wird in seiner Zeit bei den Münchnern sechsmal Meister, aber sein Einfluss dabei ist im Vergleich zu dem von Dante, der nur dreimal Meister wird, geringer.
  • Ablösesumme: Wie tief musste der deutsche Rekordmeister für die Verpflichtung in die Tasche greifen. Während Tolisso etwa der neue Rekordtransfer an der Isar wird, kostet Gnabry im gleichen Sommer nur acht Millionen.
  • It-Faktor: Zugegebenermaßen das subjektivste Kriterium, aber hier soll einfließen, ob ein Spieler als Weltstar nach München wechselt oder im internationalen Auge, nur ein weiterer Transfer ist. So wurde die Verpflichtung von James beispielsweise im Ausland anders wahrgenommen als die von Süle in derselben Saison.

Außerdem gibt es noch einige wenige Rahmenbedingungen. Leihspieler, wie Coman, die später verpflichtet werden, gehen zu Beginn ihrer Leihe in die Wertung ein. Wintertransfers werden ebenfalls berücksichtigt. Und die Auswahl erfolgt für die Saisons 2010/11 bis 2014/15. Es zählen zudem nur Spieler, die verpflichtet worden sind. Rückkehrer von einer Leihe werden ebenso nicht berücksichtigt wie Jugendspieler.

Saison 2010/11: Luiz Gustavo

17 Millionen Euro von der TSG Hoffenheim, 2011-2013, 100 Spiele, 6 Tore, 5 Vorlagen, 3 Titel, Höchster Marktwert: 18 Millionen Euro

Sonstige Transfers: keine

Luiz Gustavo hat es hier relativ einfach, ist er tatsächlich der einzige Transfer, den der FC Bayern in der gesamten Saison tätigt. Der Brasilianer kommt im Winter aus dem Kraichgau an die Isar. Unter van Gaal und Heynckes ist er dabei ein wichtiger Abräumer vor der Abwehr, der durch besondere Zweikampfstärke glänzt. Seine Limitationen am Ball werden häufig durch die Partner Schweinsteiger oder Kroos kompensiert. In der Vize-Triple-Saison ist er Stammspieler, verpasst allerdings das Champions-League-Finale mit einer Gelbsperre. Im Sommer 2012 wird er durch eine bessere Version von ihm selbst in Person von Javi Martínez ersetzt. Ein Jahr später verlässt er nach exakt 100 Einsätzen den Verein.

Saison 2011/12: Manuel Neuer

30 Millionen Euro vom FC Schalke 04, Seit 2011, 373 Spiele, 266 Gegentore, 191 weiße Westen, 12 Titel, 1x Dt. Fußballer des Jahres, 4x Welttorhüter, Höchster Marktwert: 45 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Jérôme Boateng für 13,5 Millionen Euro von Manchester City, Rafinha für 5,5 Millionen Euro vom FC Genau, Nils Petersen für 2,8 Millionen Euro von Energie Cottbus, Takahashi Usami für 300 Tausend Euro von Gamba Osaka

Die erste schwere Entscheidung gilt es doch zwischen Manuel Neuer und Jérôme Boateng abzuwägen. Beide waren seit 2011 eine wichtige Stütze der Mannschaft und errangen zahlreiche Titel. Beide spielten sich durch bärenstarke Leistungen in die Herzen der Fans. Am Ende kann die Wahl allerdings nur Neuer sein, der bereits bei seiner Ankunft absolute Weltklasse verkörpert und von da an nur noch stärker wird. Zu seinem Peak fungiert er als Libero und Torhüter und ist dennoch der kompletteste Keeper der Welt. Wenig überraschend fallen in seine Zeit bei Bayern auch vier Auszeichnungen als Welttorhüter. Sein Spiel altert auch deutlich besser als das von Boateng, der nach und nach immer mehr abbaute. Der ab 2017 auch als Kapitän agierende Neuer wird nach seiner Zeit in München als einer der größten Torhüter des Vereins in die Annalen eingehen.

Kamen im Sommer 2011 gemeinsam nach München und wurden Weltstars: Jerome Boateng und Manuel Neuer.
(Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)

Boateng soll hier dennoch Erwähnung als heimlicher Gewinner finden. Der Innenverteidiger kam im Sommer 2011 deutlich unter Wert aus Manchester, wo er bei den Citizens häufig unglücklich agierte. In München schleifen Heynckes, der ihm durch besseres Positionsspiel die Fehler abstellt, und Guardiola, der ihn offensiv zum zeitweise pass-stärksten Verteidiger Europas macht, den Rohdiamanten. Der extreme Ehrgeiz, den Boateng über die Jahre entwickelt, spielt hierbei eine große Rolle. Seine beste Saison spielt der Nationalspieler wohl 2015/16 als ein kompletter Innenverteidiger, der Athletik und Übersicht wie nur wenige verbindet. Bis heute steht Boateng 310-mal für den Rekordmeister auf dem Feld und feiert wie Neuer 12 Titel.

Saison 2012/13: Javi Martínez

40 Millionen Euro von Athletic Bilbao, seit 2012, 232 Spiele, 25 Tore, 6 Vorlagen, 12 Titel, Höchster Marktwert: 40 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Mario Mandžukić für 13 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg, Xherdan Shaqiri für 11,8 Millionen Euro vom FC Basel, Dante für 4,7 Millionen Euro von Borussia Mönchengladbach, Mitchell Weiser für 800 Tausend Euro vom 1. FC Köln, Tom Starke ablösefrei von der TSG Hoffenheim, Claudio Pizarro ablösefrei von Werder Bremen

Insgesamt ein starker Transfersommer, da der FC Bayern sich viele wichtige Kaderspieler sichert. Neben den beiden alternden, aber immer verlässlichen Reservisten Starke und Pizarro, kommt mit Shaqiri ein Ergänzungsspieler für den Flügel mit hohem Potential. Zudem wechseln Mandžukić und Dante nach München, die beide den Verein für die nächsten zwei Jahre nachhaltig prägen und einen erheblichen Anteil am Triple-Gewinn haben. 

Dennoch kann die Wahl für den wichtigsten Transfer hier nur auf Javi Martínez fallen. Der Baske durchbricht als erster Transfer die Schallmauer von 40 Millionen und sendet daher ein Signal an die internationale Konkurrenz. Deutlich wichtiger wird in der Folge jedoch sein Wirken auf dem Platz. Ohne die immense Zweikampfstärke des Nationalspielers und seinem scheinbar unendlichen Antrieb, wäre das Triple 2013 nicht möglich gewesen. In den nachfolgenden Saisons kann er, auch aufgrund von Verletzungen, nicht mehr ganz an das hohe Niveau anknüpfen, ist als Verteidiger und Mittelfeldspieler jedoch bei allen Trainern gefragt und geschätzt. Im Jahr 2020 kann Martínez neben sieben Meisterschaften auch auf 232 Spiele beim FCB zurückblicken. Während die Ära Javi in München sich wohl langsam dem Ende neigt, kann man gar nicht genug wertschätzen, was der sympathische Baske für den Verein geleistet hat.

Spannend ist hier jedoch, wer nach Martínez Zweiter im Ranking wird: Dante oder Mandžukić. Der Brasilianer läuft in seinen drei Jahren 133-mal im roten Dress auf, während der Kroate in zwei Jahren 88 Spiele absolvierte. Am Ende fällt nach den oben genannten Kriterien die Wahl knapp auf Dante, der deutlich günstiger ist und über einen längeren Zeitraum in wichtigen Spielen für die Münchner auf dem Platz steht.

Saison 2013/14: Thiago

25 Millionen Euro vom FC Barcelona, seit 2013, 227 Spiele, 31 Tore, 37 Vorlagen, 9 Titel, Höchster Marktwert: 70 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Mario Götze für 37 Millionen Euro von Borussia Dortmund, Jan Kirchhoff ablösefrei vom FSV Mainz

Thiago oder nix – der vielzitierte Ausspruch von Pep Guardiola, kann auch hier angewendet werden. Als Alcantara im Sommer 2013 als Spieler zwischen Bank und Startelf vom FC Barcelona kommt, schlägt ihm in Deutschlands Fachpresse eine Skepsis entgegen, die bis heute nicht abgelegt ist. Der als Schönspieler titulierte Spanier wird dennoch zu dem zentralen Element im Bayern-Spiel, vor allem nach dem Karriereende von Philipp Lahm. Seitdem hat Thiago auch nochmals einen erheblichen Schritt nach vorne gemacht und glänzt sowohl offensiv als Taktgeber, als auch defensiv als Balleroberer. Für längere Zeit stoppen konnten ihn nur einige Verletzungen, die ihm fast die gesamte Saison 2014/15 kostete. Ein Kandidat durchaus für den Titel der besten Bayern-Verpflichtung der Dekade.

Ein Wort an dieser Stelle noch zu Mario Götze, der nach dem Titel von Wembley zum Kader stößt. Drei Jahre kann dieser Rohdiamant unter Pep Guardiola lernen. Eine Beziehung, die sich jedoch nicht so fruchtbar erweist, wie erhofft. Die beiden werden nicht warm miteinandern. Für Götze scheint es in dem System Pep keinen idealen Platz zu geben. In 114 Spielen für die Roten gibt es wenige hohe Höhen und dafür viel karge Mittelmäßigkeit. Als Guardiola München verlässt, endet auch Götzes Zeit an der Isar. Eines der großen What-ifs im deutschen Fußball.

Saison 2014/15: Robert Lewandowski

Ablösefrei von Borussia Dortmund, seit 2014, 275 Spiele, 230 Tore, 52 Vorlagen, 7 Titel, 3x Torschützenkönig, Höchster Marktwert: 90 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Mehdi Benatia für 28 Millionen Euro vom AS Rom, Juan Bernat für 10 Millionen Euro vom FC Valencia, Xabi Alonso für 9 Millionen Euro von Real Madrid, Pepe Reina für 3 Millionen Euro vom FC Liverpool, Sinan Kurt für 3 Millionen Euro von Borussia Mönchengladbach, Sebastian Rode ablösefrei von Eintracht Frankfurt

Trotz des Abgangs von Toni Kroos nach dem WM-Triumph im Sommer 2014 kann man den Bayern-Kader der Saison 2014/15 wohl ohne Zögern als einen der stärksten der Vereinshistorie bezeichnen. Guardiola erhält für seinen zweiten Anlauf auf den großen Wurf mit Robert Lewandowski einen Stürmer, dessen Torquote von 103 Toren in 187 Spielen für die Borussia alle bisherigen Bayern-Angreifer – bis auf Gerd Müller – in den Schatten stellt. Dazu wechseln Benatia und Alonso als direkte Verstärkung nach München. Bernat, Rode und Reina kommen als wichtige Kaderspieler.

Zwei Transfers, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Xabi Alonso und Mario Götze.
(Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Für diese Auflistung ist Robert Lewandowski quasi ein No-Brainer. Nicht nur ist er der einzige Spieler, der 2020 immer noch im Team ist, sondern ihm gelingt das Unvorstellbare: Er steigert seine Torquote nochmals. In 275 Partien für Bayern schießt er schwindelerregende 230 Tore. Neben Neuer und Lahm, bis zu dessen Karriereende, ist er einer der wenigen uneingeschränkten Weltklassespieler im Kader. War die Verpflichtung von Lewandowski schon 2014 ein Fingerzeig an die internationale Konkurrenz, war es umso wichtiger den durchaus wechselwilligen Polen bis 2023 langfristig zu binden. Ein weiterer unterschätzter Faktor: Lewandowski ist bis ins Frühjahr 2020 so gut wie nie verletzt. 

Der Prinz zum König im Sommer 2014 ist Xabi Alonso. Der Welt- und Europameister kam auf den letzten Drücker noch zum Kader hinzu und sollte Toni Kroos ersetzen, der zuvor nach Real Madrid gewechselt war. Sein Debüt gegen Schalke wenige Stunden nach seiner Ankunft in Deutschland reichte, um die meisten Fans und die Fachpresse für sich zu gewinnen. Alonso war zwar nicht mehr der dynamische Spieler, der er beispielsweise in Liverpool war, doch glänzte er gerade in den ersten beiden Saisons durch eine Bierruhe und geniale Übersicht. In drei Jahren an der Isar spielt er bis zu seinem Karriereende 117 Spiele und steht in allen großen Spielen – bis auf das Pokalfinale 2016 – auf dem Platz. 

Das war es für den ersten Teil der Serie „Königstransfers“. Mich interessiert natürlich wie immer eure Meinung in den Kommentaren. Bei gutem Anklang wird die Serie fortgesetzt, dann mit den Jahren 2006-2010.