Die Königstransfers: Episode 2001-2005

Maurice Trenner 03.08.2020

In dieser Serie sollen die besten Transfers einer jeden Saison herausgearbeitet werden, die sogenannten Königstransfers. Dazu blicken wir auf vier Kriterien: Vereinszugehörigkeit, Erfolge, Ablösesumme, It-Faktor. Diese wurden im ersten Artikel der Serie, der die Jahre 2011-2015 behandelte, genauer erläutert.

Außerdem gibt es noch einige wenige Rahmenbedingungen. Leihspieler, wie Coman, die später verpflichtet werden, gehen zu Beginn ihrer Leihe in die Wertung ein. Wintertransfers werden ebenfalls berücksichtigt. Es zählen zudem nur Spieler, die verpflichtet worden sind. Rückkehrer von einer Leihe werden ebenso nicht berücksichtigt wie Jugendspieler.

In die Saison 2000/01 ging der FC Bayern mit dem Ziel den Titel-Hattrick zu vollenden. Dies hatten zuvor in der Bundesliga nur drei Mannschaften geschafft: zwei Mal die Münchner selbst (72-74, 85-87) sowie Borussia Mönchengladbach (75-77). In der gesamtdeutschen Bundesliga war es noch keinem Team gelungen. In einem furiosen Saisonfinale in Hamburg gelang dem FCB dieses Kunststück.

Über die nächsten Jahre erlebte der Verein ein Auf und Ab mit den Höhenpunkten Champions-League-Titel 2001 in Mailand und Double 2003/04, aber auch Tiefpunkten wie dem dritten Platz in der Liga 2001/02 oder dem Aus in der Champions-League-Gruppenphase 2002/03. Um in der Bundesliga seine Spitzenposition zu festigen, griff man auf ein in den 90er-Jahren bewährtes System zurück und verpflichtete die besten Spieler der nationalen Konkurrenz. Gespickt wurde das halbe Transfer-Jahrzehnt durch auserwählte internationale Verpflichtungen, so wie auch unseren ersten Königstransfer.

Saison 2000/01: Willy Sagnol

Für 7,7 Millionen Euro von AS Monaco, 2000-2009, 277 Spiele, 8 Tore, 50 Vorlagen, 10 Titel, Höchster Marktwert: 10 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Ciriaco Sforza für 2,3 Millionen Euro vom 1.FC Kaiserslautern, Alou Diarra ablösefrei von Louhans-Cuiseaux FC

Wiiiilllllllyyyyyy! – Wenige Dinge zeigen deutlicher als ein eigener Schlachtruf, dass ein Spieler im Herzen der Fans angekommen ist. Willy Sagnol wechselte als 23-Jähriger aus Frankreich nach etwas mehr als hundert Ligaspielen an die Isar. Vermutlich hatten sich die Vereinsverantwortlichen bei ihrem Scouting von den kürzlichen Erfolgen der französischen Nationalmannschaft sowie ihrem französischen Volltreffer drei Sommer zuvor inspirieren lassen, der auf der linken Abwehrseite spielte: Bixente Lizarazu. Doch während Letzterer mit Frankreich Welt- und Europameister wurde, war Sagnol dem gemeinen Fan noch unbekannt.

French Connection: Bixente Lizarazu und Willy Sagnol feiern den Europapokal 2001.
(Foto: Gabriel BOUYS / AFP)

Das sollte sich schnell ändern, denn Sagnol wurde direkt Stammspieler als rechter Außenverteidiger. Das Drama in Hamburg erlebt er ebenso auf dem Platz wie das Champions-League-Finale gegen Valencia, wobei er dort zur Halbzeit ausgewechselt wurde. Im Gegensatz zum kleineren Lizarazu, lebte Sagnol jedoch weniger von seiner Technik und Raffinesse, sondern mehr von seiner scheinbar unerschöpflichen Physis und Ausdauer. Die Zeit des Franzosen sollte 2009 nach einigen Verletzungen jedoch unschön enden. Unter anderem warf der Spieler den Verantwortlichen Wortbruch vor, so hätten diese ihm bei seiner Vertragsverlängerung noch das Amt des Kapitäns angeboten. Auch eine spätere Rückkehr zum Rekordmeister als Co-Trainer von Carlo Ancelotti im Sommer 2017 und später als Ein-Spiel-Interimscoach nach der Entlassung des Italieners verlief erfolglos. Uns Fans jedoch bleiben die Flankenläufe von Willy für immer in Erinnerung.

Saison 2001/02: Claudio Pizarro

Für 7,54 Millionen Euro von Werder Bremen, 2001-2007 und 2012-2015, 327 Spiele, 125 Tore, 53 Vorlagen, 12 Titel, Höchster Marktwert: 12 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Robert Kovač für 7,5 Millionen Euro von Bayer Leverkusen, Niko Kovač für 5 Millionen Euro vom Hamburger SV, Pablo Thiam ablösefrei vom VfB Stuttgart

Ein weiterer Fanliebling kam im Sommer 2001 in die bayerische Landeshauptstadt. Der 22-jährige Pizarro kam von Werder Bremen, wo er in zwei Jahren 29 Ligatore geschossen hatte. Besonders die zwei Treffer des jungen Peruaners im Spiel gegen die Münchner, waren den Verantwortlichen nachhaltig im Gedächtnis geblieben. Pizarro war nie der Star im Münchner Stürmerensemble und dennoch immer die perfekte Nummer Zwei im allgegenwärtigen 4-4-2 der damaligen Ära. In seinen ersten beiden Jahren bildete er ein kongeniales Duo mit Giovanne Élber, das in dieser Zeit 68 Ligatore erzielte. Nach dessen Abgang war er für weitere vier Jahre der Robin zu Batman Makaay. Lediglich in seiner letzten Saison 2006/07 erzielte er weniger als zehn Saisontore. 

So haben die Bayern-Fans Claudio Pizarro am liebsten in Erinnerung.
(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Nach einem unglücklichen Jahr in London, startete “Pizza” seine Karriere gewissermaßen neu. Erneut ging er zum SV Werder, erneut wechselte er danach zum FC Bayern. Als 34-Jähriger hatte er 2012 viel von seiner ehemaligen Spritzigkeit verloren, doch seine Schlitzohrigkeit und seinen Riecher für gefährliche Situationen hatte er nicht abgelegt. Aus der perfekten Nummer Zwei, wurde die perfekte Nummer Drei. Pizarro spielte nicht viel, aber war immer dann da, wenn er benötigt wurde. An Ostern 2013 schoss er vier Tore gegen den Hamburger SV beim 9:2-Kantersieg. In der darauffolgenden Saison traf er zehnmal in nur 682 Minuten! Als Pizarro im Sommer 2020 an der Weser seine Karriere dort beendete, wo 1999 alles begann, stiegen auch dem ein oder anderen Bayern-Fan Tränen in die Augen.

Saison 2002/03: Michael Ballack

Für 6 Millionen Euro von Bayer Leverkusen, 2002-2006, 157 Spiele, 62 Tore, 40 Vorlagen, 6 Titel, 3 x Deutscher Fußballer des Jahres, Höchster Marktwert: 35 Millionen Euro 

Sonstige Transfers: Zé Roberto für 9,5 Millionen Euro von Bayer Leverkusen, Sebastian Deisler für 9 Millionen Euro von Hertha BSC

Der Sommer 2002 hatte anno dazumal das Potential, als die beste Transferperiode der Münchner Vereinshistorie in die Annalen einzugehen. Mit Michael Ballack holte man Deutschlands besten Fußballer nach dessen Krönung der WM 2002, mit Sebastian Deisler Deutschlands größtes Talent und mit Zé Roberto einen Ausnahmekönner der Extraklasse. Dass es zumindest in einem Fall anders kam, lag an unglaublichem Verletzungspech und zerfressenden Selbstzweifeln. Die Geschichte von Deisler ist eine der traurigsten der letzten zwanzig Jahre und zeigt die vielen Schattenseiten des Profisports, der das Thema Depressionen über Jahre hinweg unterdrückte. 

Kamen im gleichen Sommer an die Säbener: Zé Roberto und Sebastian Deisler.
(Foto: Andreas Rentz/Bongarts/Getty Images)

Doch kommen wir zur Königsverpflichtung der Transferperiode. Michael Ballack kam als tragische Figur nach Münchnen. Die WM 2002 verlief gewissermaßen sinnbildlich für die Karriere des Görlitzers (Stichworte: Eigentor Unterhaching 2000, Vizekusen 2002). Nach einem genialen Turnier mit wichtigen Treffern gegen die USA und Südkorea, verpasste er das Finale mit einer Gelbsperre und musste von der Seitenlinie zusehen, wie seine Mannschaft gegen Brasilien verlor. Doch in München war Ballack von Tag Eins an der Chef im Ring.

Das Prädikat Weltklasse wird heutzutage oft leichtfertig verteilt und doch war der spätere 98-fache Nationalspieler in den tristen 2000ern der einzige Bayern-Spieler auf den dies ausnahmslos zutraf. Ballack dirigierte, Ballack verteilte, Ballack war immer anspielbar und Ballack vollstreckte auf unnachahmliche Weise. Der verzögerte Einlauf in den Strafraum, den ein Goretzka immer wieder hinlegt, hatte die Nummer 13 geprägt. Sein Kopfballspiel war eine Wucht und sein Fernschuss gefürchtet. Als Ballack im Sommer 2006 vor der WM im eigenen Land die Münchner wieder verließ, wurde er dennoch zum Buhmann der Bayern-Fans. Unter Applaus der Mitglieder hatte der Vorstand zuvor ein Angebot zur Vertragsverlängerung zurückgezogen. Ein Riss, der nie geschlossen wurde. Der gebührende Abschied blieb dem größten Mittelfeldspieler seiner Generation, wie später auch bei der Nationalelf, verwehrt.

Saison 2003/04: Roy Makaay

Für 19,25 Millionen Euro von Deportivo La Coruña,  2003-2007, 183 Spiele, 103 Tore, 35 Vorlagen, 4 Titel, Höchster Marktwert: 25 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Martin Demichelis für 5 Millionen Euro von River Plate, Tobias Rau für 2,25 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg

Es ist nicht leicht auf einen Publikumsliebling zu folgen. Schon gar nicht als teuerster Transfer der Vereinshistorie. Doch als Roy Makaay im Sommer 2003 Giovanne Élber im Sturm der Bayern ersetzte, gelang es dem Holländer mit einem simplen Trick: Der Vollblutstürmer, der im Jahr zuvor München mit Deportivo LaCoruña aus der Champions League kegelte, traf einfach bei jeder Gelegenheit. Insgesamt verbuchte er 45 Tore in seinen ersten beiden Bundesliga-Saisons und 33 weitere in den zwei Jahren danach.

Es gab für beide auch bessere Jahre als die Saison 2006/07: Roy Makaay und „Micho“ Demichelis mit einer Ehrenrunde.
(Foto: Johannes Simon/Bongarts/Getty Images)

Sein Spitzname Phantom war Programm. Meist sah weder der Zuschauer noch die gegnerischen Verteidiger die Nummer 10 im Bayern-Spiel kommen und urplötzlich lag der Ball im Tor. Exemplarisch dafür auch sein sicherlich legendärster Moment im Bayern-Dress: In seiner letzten Saison 2006/07 traf er gegen Real Madrid nach nur 10 Sekunden. Ein Ballgewinn, ein Laufweg, ein Blick und ein Schuss – mehr brauchte Makaay nicht. Weder an jenem Frühlingsabend noch sonst. Am Ende ereilte ihn jedoch das gleiche Schicksal wie seinen Vorgänger im Münchner Sturm. Als die Bayern 2007 mit Luca Toni einen neuen Neuner holten, zog es Makaay nach Eindhoven und der Italiener hatte die schwere Aufgabe einen Publikumsliebling zu ersetzen.

Saison 2004/05: Lúcio

Für 12 Millionen Euro von Bayer Leverkusen, 2004-2009, 218 Spiele, 12 Tore, 12 Vorlagen, 6 Titel, Höchster Marktwert: 23,5 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Torsten Frings für 9,25 Millionen Euro von Borussia Dortmund, Andreas Görlitz für 2,5 Millionen Euro von 1860 München, Vahid Hashemian für 2 Millionen Euro vom VfL Bochum, Bixente Lizarazu ausgeliehen von Olympique Marseille

Es klingt unfassbar, doch Lúcio ist tatsächlich der vierte Spieler innerhalb von ebenso vielen Jahren, den die Münchner von Bayer Leverkusen verpflichteten. Den guten Riecher von Rainer Callmund mochte alleine die pralle Geldbörse von Uli Hoeneß übertreffen. Der Innenverteidiger hatte zuvor in drei Jahren in Leverkusen vollends überzeugen können und sollte nun der zentrale Anker in Münchens Defensive werden. Egal ob Kovač, Linke, van Buyten oder Demichelis – die Konstante hieß immer Lúcio. 

Manchmal zu brasilianisch: Lúcio bei einem seiner gefürchteten Ausflüge.
(Photo: Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Seine größte Stärke hatte der Brasilianer zweifelsohne in der rigorosen Zweikampfführung in der Defensive, die er dennoch mit solch einer Finesse gestaltete, dass der Stürmer teils kaum merkte wie er den Ball verlor. Legendär sind jedoch auch seine Ausflüge nach vorne. Und wer mag es ihm verdenken? Kommt nicht in uns allen gelegentlich beim Spiel auf dem Bolzplatz der innere Pelé durch? Einhalt gebot ihm erst Hitzfeld, der ihm befahl in der eigenen Hälfte zu bleiben, woraufhin Lúcio seine Dribblings weiter führte, aber an der Mittellinie wie angeleint stehen blieb und den Ball widerwillig abspielte. Echter Widerwille schlug dem unangefochtenen Leader erst im Sommer 2009 von Seiten des neuen Trainers van Gaal entgegen. Lúcio ging nach Mailand, wo er direkt in seiner ersten Saison das Triple gewann – im Champions-League-Finale gegen München. In Tränen habe er die Säbener Straße verlassen, berichtete der Verteidiger später. Eine Träne nachgeweint haben ihm auch viele Bayern-Fans, spätestens im Mai 2010 in Madrid …

Das war es mit den Jahren 2001 bis 2005. Die anderen beiden bisherigen Teile unserer Serie der Jahre 2006 bis 2010 und 2011 bis 2015 findet ihr hier. Seht ihr Entscheidungen anders? Wer darf in der nächsten Episode für die Jahre 1996 bis 2000 nicht fehlen? Lasst es mich in den Kommentaren wissen.