Die Bomber und die feinen Füße
Die Bomber
Vanessa #bumbumbürki hier nicht aufzuführen, ist fast nicht zu verzeihen und allein dem Umstand geschuldet, dass wir sie genau wie Melanie Behringer schon bei den „Urgesteinen“ besprochen haben. Dennoch haben die Bayern gleich drei zusätzliche Hochkaräter für den vordersten Mannschaftsteil in ihren Reihen, die sich hauptsächlich für das Torschießen verantwortlich zeigen.
Eunice Beckmann
Alle drei sind erst seit vergleichsweise kurzer Zeit in München. Zur Rückrunde der vergangenen Saison 2013/14 kam die nun 22-jährige Wuppertalerin vom schwedischen Linköpings FC an die Isar und unterschrieb ein Arbeitspapier bis Juni 2015. Nach drei Jahren in Leverkusen und zuvor zwei Spielzeiten für Duisburg war Beckmann erst wenige Monate in Schweden; das Angebot auf ein mehrtägiges Probetraining beim FC Bayern schlug sie dennoch nicht aus und überzeugte Trainer Tom Wörle umgehend:
Eunice ist eine durchsetzungsstarke, kraftvolle und torgefährliche Offensivspielerin. Ich bin froh, dass wir noch eine so talentierte Stürmerin verpflichten konnten. Sie wird unserer Mannschaft gut tun.
Thomas Wörle, Fcbayern-frauenfussball.de am 31.1.2014
Ihr erstes Tor für den neuen Club gelang ihr ausgerechnet gegen den Ex-Verein aus Leverkusen, gegen den sie in der aktuellen Saison sogar noch einen Doppelpack am 5. Spieltag nachlegte. In dieser Saison hat unsere Nummer 17 von acht Partien drei Startelfeinsätze zu verbuchen, einmal spielte sie durch, wurde fünfmal ein- und zweimal ausgewechselt. In ihren gut 370 Einsatzminuten erzielte die wuchtige Angreiferin bereits sechs Tore und somit circa eines pro Stunde auf dem Platz. Ihre 168 cm und 62 kg vermag Beckmann geschickt und entschlossen zwischen sich und den Ball zu stellen, wodurch es ihr vorzüglich gelingt, sich Platz zu verschaffen, Bälle zu behaupten und zu strammen Abschlüssen – gerne aus der Distanz – zu kommen. Für die deutsche Nationalmannschaft wurde der Rechtsfuß bislang noch nicht nominiert, obwohl Beckmann 2011 mit der U19 den Europameistertitel holen konnte. Darüber hinaus wurde sie 2010 Deutsche Vizemeisterin und DFB-Pokalsiegerin 2012. Wollen wir hoffen, dass mit dem FC Bayern noch einige Titel hinzukommen.
Vivianne Miedema
Im Sommer unterschrieb zudem die damals noch 17-jährige Niederländerin Vivianne Miedema als frisch gebackene U19-Europameisterin einen Dreijahresvertrag beim FC Bayern, auch sie wie Beckmann eine Stürmerin mit Haut und Haaren. Mit ihren 18 Jahren macht die knapp 60 Kilometer westlich von Meppen in Hoogeveen Geborene bei den Bayern schon jede Menge Betrieb rund um und im gegnerischen Strafraum und kommt immer besser in Fahrt. Drei Spiele bestritt sie von Beginn an, dreimal kam sie von der Bank. Ein komplettes Spiel hat sie bislang für die Roten allerdings noch nicht gemacht. In ihren knapp 290 Minuten auf dem Platz schoss sie vier Tore, jeweils einen Doppelpack zuhause gegen Duisburg am 6. und zuhause gegen Sand am 8. Spieltag. Damit trifft die Nummer 10 bislang knapp alle 72 Minuten.
Im Jahr 2013 gab die 178 cm große Stürmerin nicht nur ihr Debüt in der U19- sondern auch gleich in der A-Nationalmannschaft und hat da eine ebenso beeindruckende Bilanz vorzuweisen: 13 Spiele, 16 Buden. Am Wochenende bereitete sie beim 2:1-Sieg gegen Schottland beide Treffer vor. Gerade bei jungen Spielerinnen sollte man vorsichtig mit vorschnellen Schlüssen aus derlei Statistiken sein, doch was die Niederländerin auf dem Rasen zeigt, verspricht viel. Noch macht sie nicht die wichtigsten Tore, mit ihren Bewegungen, ihrem eiskalten Abschluss und der Art, wie sie sich in die Offensivkombinationen einbindet, kann sie es vom Spielertypen aber tatsächlich zu einem Klose (vielleicht ohne die Kopfballstärke) oder einem Lewandowski schaffen.
Katherine Stengel
Seit August bis voraussichtlich Mitte 2016 steht die US-Amerikanerin aus Montgomery, Alabama bei den Bayern unter Vertrag — also lange genug, um 2016 ihren 6. Geburtstag in München zu feiern. Die eigentlich 22-Jährige ist nämlich am seltenen 29.2. eines Schaltjahres geboren. In den Jahren 2010-2013 spielte Stengel für ihr Uni-Team, die Wake Forest Demon Deacons (korrekt: die Dämondiakone), und konnte in den Jahren 2013 und 2014 im Play-off-Verfahren die 2. amerikanische Liga, die W-League, mit den Pali Blues (LA Blues) gewinnen. Im Finale 2014 schoss sie sogar noch zwei Tore, bevor sie kurz darauf im August nach München kam.
Bei den Bayern machte die robuste, 175 cm große Stürmerin fünf Spiele von Beginn an und wurde dreimal eingewechselt. Wie das in der Rotation des Bayernsturms so üblich ist, spielte Stengel bislang noch keine Partie von An- bis Abpfiff durch. In ihren 367 Minuten auf dem Rasen erzielte sie in drei verschiedenen Spielen drei Tore, alle 123 Minuten eines. Damit fällt sie aber keinesfalls in ihrer Wichtigkeit für das Team hinter die anderen Stürmerinnen zurück. Erstens ist das immer noch ein anständiger Wert, zweitens stellt sie die Defensive des Gegners permanent vor Probleme, bleibt immer ruhig und gefährlich und ackert auch in der Verteidigung mit. Häufig kommt sie aus den Tiefen der rechten Seite. Nie sieht man die Nummer 16 hektisch agieren, immer werden die Angriffe mit ihr geduldig ausgespielt. In der Ballbehauptung ist sie ähnlich wie Beckmann ohnehin überdurchschnittlich stark. Und wenn sich eine Gelegenheit bietet, zieht sie ab. In das USWNT-Nationalteam hat es Stengel bislang noch nicht geschafft, scheint aber kurz vor ihrem Durchbruch zu stehen. Im April berief sie Headcoach Tom Sermanni in den Kader für die Spiele gegen China.
Die feinen Füße
Kommen wir zu zwei Spielerinnen aus der Rubrik Edeltechniker. In unserem Frauenfußball-Auftaktbericht hatten wir bereits einige charakterisierende Worte über Mana Iwabuchi gefunden:
Auf der Zehn lief Mana Iwabuchi auf, eine technisch extrem versierte, pressingresistente Spielerin mit engem Wendekreis und dem Auge für das Spielgeschehen — Stichwort Nadelspielerin. Auch gegen drei, vier Gegnerinnen findet sie die Lücke für den befreienden Pass, nicht selten vertikal direkt in die Spitze. Die Doppelspitze […] profitierte häufig von den Zuspielen der Japanerin.
Jolle, Miasanrot.de am 5.10.2014
Was lässt sich darüber hinaus über die Spielmacherin sagen?
Mana Iwabuchi
Auch sie wechselte im Sommer für zwei Jahre nach München, nachdem sie zuvor anderthalb Jahre in Hoffenheim gespielt und den Aufstieg in die erste deutsche Liga geschafft hatte. Von 2007 bis 2012 gehörte die gebürtige Tokioterin dem NTV Beleza an, einem der stärksten Clubs der Nihon Joshi Soccer League, der ersten japanischen Fraußenfußballliga. Mit Beleza wurde die heute 21-Jährige dreimal japanische Meisterin. Schon im Jahr 2010 feierte unsere Nummer 13 ihr Nationalmannschaftsdebüt, holte in London 2012 die olympische Silbermedaille und bei der WM 2011 in Deutschland den größten denkbaren Titel überhaupt: nachdem Japan im Turnierverlauf auch die deutsche Nationalmannschaft aus dem Wettbewerb gekegelt hatte, wurde Iwabuchi in einem packenden Finale gegen die USA in der Schlussphase der Verlängerung eingewechselt und errang den Weltmeistertitel.
Bei Bayern München stehen aktuell fünf Startelfeinsätze — allesamt in den ersten fünf Partien, eine Einwechselung — im sechsten Spiel — und fünf Auswechselungen für die 155 cm kleine Kreativspielerin zu Buche. Auch sie spielte noch keine Partie von Beginn bis zum Ende durch und scheint momentan von Tom Wörle eine Verschnaufpause zu bekommen. In den letzten beiden Partien kam sie nicht zum Einsatz, stand aber im Kader. Ein Tor konnte Iwabuchi für den FC Bayern bislang noch nicht erzielen. Sie ist eher eine Spielerin für den Assist oder den vorletzten Pass, zieht aber auch selbst in den Sechzehner und sorgt so für Gefahr. Gerade in räumlich engen Spielen, bei denen sich der Gegner mit dichten Abwehrriegeln am eigenen Strafraum verbarrikadiert, kann Iwabuchi der entscheidende Dosenöffner werden. Die Klasse, die sie am Ball zeigt, ist aber in jedem Falle eine Augenweide, die jeder Fußballästhet genießen wird.
Raffaella Manieri
Schon zur vergangenen Saison kam Raffaella Manieri, die mit links schießt und mit rechts schreibt, nach München und konnte bis zum Juni 2016 an den Verein gebunden werden. Mit 27 Jahren ist sie eine der erfahreneren Kräfte, die das Team in der Umbruchssaison stützen. Bereits mit fünf Jahren spielte sie Vereinsfußball, sechs Jahre in der zweiten italienischen Liga, fünf Jahre in der Serie A und wurde mit zwei Vereinen (Bardolino und Sassari Torres) sowohl fünfmal italienischer Meister als auch Superpokalsieger. Auch den italienischen Pokal konnte die in Pesaro Geborene bereits gewinnen. Nebenher schloss sie ein Studium zur Diplomlandwirtin ab. In Deutschland ist Bayern die erste Station der 172 cm großen Verteidigerin, die seit 2007 in der Squadra Azzurra aufläuft.
In der aktuellen Saison vertraut Tom Wörle der Nummer 21 umfassend und ließ sie sieben von acht Malen durchspielen. Nur gegen Freiburg setzte Manieri eine Partie aus. Doch warum treibt sich eigentlich eine Innenverteidigerin in der Gruppe der feinen Füße herum? Weil Manieri eine außergewöhnlich spielstarke Defensivkraft ist. Ihr Stellungsspiel ist meist überragend, zudem dirigiert sie die Dreierkette links neben der zentralen Holstad und hinter Behringer derart gut, dass eine Vielzahl der Angriffsbemühungen der Gegner abgelaufen werden können, bevor es überhaupt zum Zweikampf kommt. Auch daher hat Manieri bislang keine einzige gelbe Karte in der Saison bekommen.
Neben guter Positionierung und Organisation kommt der Italienerin aber ganz klar ihr Geschick am Ball und ihre Souveränität zugute. Auch in vertrackten Situationen sucht sie die spielerische Lösung, hält den Ball im Spiel und tänzelt ihre Gegnerinnen aus. Ihren Mitspielerinnen gibt sie das Gefühl, in jeder Lage anspielbar zu sein. Ganz selten muss sie mal einen Ball wegschlagen, packt aber, wenn es sein muss, auch die wohlplatzierte Grätsche aus. Sie macht das Spiel nach vorne schnell, so dass die Gegner oft unorganisiert zurückeilen müssen und sorgt gerade in Schwächephasen des Bayernspiels zusammen mit Bürki und Behringer dafür, dass wieder Ballsicherheit, Ruhe und Kreativität ins Spiel der Roten kommen. Tun sich vor ihr Räume auf, bringt sie den Ball auch gleich selbst über die Mittellinie, zieht so Gegenspielerinnen auf sich und schafft auf diese Weise Platz für ihre Kolleginnen. All das tut sie mit einer erhabenen Eleganz, die man im Fußball selten sieht und ist gleichzeitig eine wahre Bank in der Bayern-Abwehr.
Bilderquelle: Fotoallerlei