Verdienter Bayern-Sieg gegen Manchester United
Eine gute Stunde fährt man mit dem Bus von Rottach-Egern am Tegernsee, wo der FC Bayern derzeit sein Trainingslager absolviert, nach Fröttmaning – man könnte also sagen, dass die Mannschaft für das Spiel gegen Manchester United einen kleinen Sonntagsausflug machte. Damit würde man dann allerdings einem sehr ernsthaften Testspiel Unrecht tun.
Mit 1:0 gewannen die Münchner das Spiel um die „Telekom Sport Trophy“, wobei das Ergebnis eher sekundär war. Vielmehr stand erneut Niko Kovac im Fokus, der diesmal eher überraschend auf Renato Sanches und Sandro Wagner verzichtete, um beiden eine Erholungspause zu gönnen. Auch Robert Lewandowski blieb am Anfang auf der Bank, dafür kehrten Hummels, Süle und Kimmich in die Viererkette zurück.
Auch Manchester United schien den letzten Test vor dem Start der Premier League am Freitag zumindest nominell ernst zu nehmen: Bis auf einige noch urlaubende WM-Teilnehmer ließ José Mourinho seine beste Elf starten.
Es entwickelte sich somit von Anfang an ein sehr ernsthaft geführtes Testspiel mit teilweise harten Zweikämpfen, aber nicht allzu vielen Torraumszenen. In der ersten Halbzeit hatten überlegene Bayern durch Thiago und Süle aus der Distanz die besten Chancen, in der zweiten erzielten sie den entscheidenden Treffer durch Javi Martínez.
Insgesamt ein aufschlussreicher Test gegen ein schwaches Manchester United. Mehr dazu in den drei Dingen, die auffielen.
Drei Dinge, die auffielen:
1. Es geht auch ohne Lewandowski
Viel wurde in der bisherigen Vorbereitung über die Flügelpositionen und das zentrale Mittelfeld diskutiert, vergleichsweise wenig über den Sturm – aber warum auch: Dass Robert Lewandowski dem FC Bayern auch in der Saison 2018/19 erhalten bleibt, steht fest. Und doch zeigt sich beim Testspiel gegen Manchester United, dass Lewandowskis Position auch unbesetzt bleiben könnte.
Die Münchner spielten seit langer Zeit mal wieder ohne echten Stürmer, sondern mit der offensiven Dreierreihe Ribery-Gnabry-Robben sowie Müller und Thiago auf den Achter-Positionen. Das alles roch ein wenig nach hipper Taktik und funktionierte auch noch.
Immer wieder stieß Gnabry geschickt in die Lücken in der United-Viererkette, doch das war nur ein Teil der Geschichte. Thiago und Müller rückten geschickt nach und besetzten den Strafraum bzw. den Strafraumrand. Das Resultat dieser spannenden Formation war eine gute erste Halbzeit, die mit etwas mehr Torgefahr von Robben und Ribéry auch zu einer sehr guten hätte werden können.
Die zweite Halbzeit bestätigte die These der ersten: Mit Robert Lewandowski als Zielspieler wird nicht alles einfacher. Die Münchner hatten mehr Strafraumpräsenz, das mag sein. Aber waren in den vergangenen Jahren Halbzeiten ohne Sturmspitze aufgrund mangelnder Torchancen noch deutlich hervorgestochen,sah man diesmal nicht allzu viele Unterschiede. Eine gelungene Premiere einer etwas anderen Taktik.
2. Martínez im Mittelfeld
Nach Arturo Vidals Abgang wurde in München durchgezählt – wieviele zentrale Mittelfeldspieler haben die Bayern denn nun? Dass die Zahl sich am Ende bei 6,5 einpendelte, lag an Javi Martínez, bei dem nicht bislang nicht ganz klar war, welche Rolle er bei Niko Kovac spielen würde. Das Spiel gegen United könnte eine erste Antwort gewesen sein.
Nachdem die bisherigen Testspiele ohne Nationalspieler bestritten werden mussten, war die Positionierung des Spaniers nur ungefähr zu deuten gewesen. Inmitten einer halben Amateure-Mannschaft spielte Martínez mal als Innenverteidiger, mal als Sechser, mal als Zwischenlösung.
Gegen ManUtd kehrte er endgültig auf die Sechserposition zurück und zeigte dort, warum das eine gute Idee sein könnte. Martínez organisierte, stopfte Lücken und wirkte in einer über weite Strecken sehr gut gestaffelten Bayern-Defensive als Stabilisator. Das könnte daran liegen, dass er einige Trainingswochen Vorsprung gegenüber Hummels, Süle und Boateng hat, aber auch daran, dass ihm die Rolle hinter Thiago und Müller ganz gut zu liegen schien.
Seine vielversprechende Leistung krönte Martínez mit einem Kopfballtor nach Ecke zum 1:0 – auch das sollte man erwähnen, immerhin betonte Niko Kovac zuletzt mehrfach die Bedeutung von Standardsituationen.
Vieles spricht dafür, dass Martínez seine Position auf der Sechs zumindest zum Saisonanfang mal sicher innehat, auch wenn ein eventueller Transfer von Jerome Boateng die Situation nochmal verändern könnte.
3. Die Bayern sind erstaunlich weit. Oder, Jose Mourinho?
Die Premier League startet am Freitag in die neue Saison. Das ist eine gute Nachricht für viele Fußballfans, aber eine schlechte für Jose Mourinho. Manchester United wirkt nicht wirklich vorbereitet auf den Saisonstart und lieferte somit einen erste Referenz für den Status der Vorbereitung beim FC Bayern.
Die Münchner machen einen guten Eindruck, soviel lässt sich sagen. Wenn man bedenkt, dass die Nationalspieler erst seit wenigen Tagen in Rottach mit der Mannschaft trainieren scheinen die paar Ideen, die Kovac bislang einbringt, gut zu funktionieren.
Das Defensivgerüst steht, auch wenn United nicht allzu viel Offensive auf den Rasen brachte. Etwaige Schwächen aus den bisherigen Testspielen könnte man dann tatsächlich auf personelle Unstimmigkeiten schieben, eingespielt war bislang keines der Duos in der Zentrale.
Offensiv lieferte der Test gegen Manchester vor allem die Erkenntnis, dass auch gegen sehr tief stehende Mannschaften genug kreative Ideen vorhanden sind, um sich Chancen zu erspielen. Dass mit der Rückkehr von Tolisso und James noch mehr möglich ist, dürfte ebenso klar sein.
Einen guten Monat ist Niko Kovac nun Trainer beim FC Bayern – dass er eine Mannschaft zum Sieg gegen einen Premier-League-Zweiten eine Woche vor dem Ligastart coachen kann, darf er sich schon einmal auf die Autogramm-Karte schreiben.