Bayern-Rondo: Ein Problem, das keiner sieht

Justin Trenner 22.01.2022

Für den FC Bayern München war diese Woche eher eine ruhige. Protagonisten waren andere, weil das 0:5 im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach zur Folge hatte, dass die Münchner am Dienstag und Mittwoch frei hatten. Julian Nagelsmann nahm das gelassen. Auf der Pressekonferenz am Freitag sagte er: „Das hat mich emotional nicht mehr getroffen, irgendwann muss man das abhaken.“

Womöglich konnte er das auch deshalb so leicht abhaken, weil diese freie Woche ihm recht gelegen kam. So schwierig das Jahr für ihn mit der durch Corona gebeutelten Personalsituation auch gestartet ist, so wichtig ist es wohl, mehrere Trainingseinheiten am Stück mit jenen Spielern zu haben, die nach und nach zurückkehren.

Und auch der Spielplan dürfte hilfreich sein. Zwar war Gladbach nicht zwingend der Wunschgegner zum Auftakt, doch die Spielweise vom 1. FC Köln lag den Münchnern sichtlich. Am Sonntag geht es für die Bayern nun nach Berlin. Dort schließen sie den 20. Spieltag gegen Hertha BSC ab – ein Team, das derzeit arg gebeutelt ist und zumindest auf dem Papier keine Probleme machen sollte.

Neuer vor Verlängerung?

Eine ruhige Woche bedeutet oft auch, dass es wenige Themen gibt. Der FC Bayern wäre aber nicht der FC Bayern, würde er nicht immer irgendeinen Anlass für Diskussionen bieten. In den letzten Tagen verdichteten sich die Zeichen, dass Manuel Neuer kurz vor einer Verlängerung steht. Auch wenn Nagelsmann die entsprechenden Berichte auf der Pressekonferenz nicht bestätigen wollte oder konnte, so wäre es wohl wenig überraschend, wenn der mehrfache Welttorhüter seine Karriere in München beendet.

„Ich weiß nicht, ob da gerade vertragliche Themen besprochen werden. Ich weiß, dass er noch Vertrag hat und ein herausragender Torwart ist“, sagte der Bayern-Trainer. Am Donnerstag berichtete der Sportbuzzer, dass Neuer zeitnah einen Vertrag bis 2025 unterschreiben, also seinen bisher bis 2023 laufenden Kontrakt bis 2025 verlängern würde.

Auch Uli Hoeneß lehnte sich diese Woche weit aus dem Fenster, sagte der AZ: „Manuel neuer wird sowieso seine Karriere hier beenden.“ Gute Voraussetzungen also. Für den FC Bayern ist dieser Schritt selbstredend ein No-Brainer. Obwohl es in den letzten Jahren mal eine Phase gab, in der Neuer aufgrund von Verletzungen angreifbar schien, hat sich der 35-Jährige wieder gefangen. Sorgen, dass seine beiden Mittelfußbrüche 2017 schwere Folgen haben könnten, bestätigten sich nicht.

Neuer fiel seitdem nur noch einmal etwas länger aus: 2019 erlitt er im April einen Muskelfaserriss, weswegen er sechs Spiele verpasste. Und auch leistungstechnisch ist er nach wie vor einer der besten Torhüter auf der Welt. Sein Abstand zur Konkurrenz mag vielleicht geschrumpft sein, das liegt aber vor allem daran, dass in den letzten Jahren viele Torhüter entscheidende Entwicklungsschritte gemacht haben. Bleibt Neuer fit, wird er noch ein paar Jahre zwischen den Pfosten des FC Bayern stehen.

Nübels Zukunft ist weiter fraglich

Das wiederum sind keine guten Nachrichten für Alexander Nübel. Der 25-Jährige wechselte 2020 zu den Bayern, um Neuer eines Tages zu beerben. Sein Ehrgeiz ist groß. Doch die Nachrichten von der Verlängerung dürften im Lager des Ex-Schalkers nicht gerade Jubelstürme ausgelöst haben.

Nübel ist aktuell bis Sommer 2023 an die AS Monaco verliehen – also genau bis zu dem Zeitpunkt, wo Neuers noch aktueller Vertrag auslaufen würde. Neuer wäre dann 37. In der laufenden Saison kommt Nübel bisher immerhin auf 29 Pflichtspiele für die Franzosen und kommt in der Europa League regelmäßig zum Einsatz. Monaco selbst spielt keine überragende Saison, was aber auch dazu führt, dass Nübel sich fast in jeder Partie beweisen kann.

WettbewerbSpieleMinutenGegentoreOhne GTMin pro GT
Ligue 121189023582
Coupe de France-----
Europa League545032150
CL-Qualifikation330031100
Insgesamt29264029891

An ihm liegt es jedenfalls nicht, dass sein Team im Mittelfeld der Tabelle versackt ist. Seine Leistungen sind gut und die Leihe scheint ihm bei seiner Entwicklung sehr zu helfen. Aber, und das ist eben auch klar, der Weg zum FC Bayern ist nach wie vor sehr weit. Insbesondere dann, wenn die Messlatte Manuel Neuer ist, der 1,44 Defensivaktionen pro Spiel außerhalb seines Strafraums hat und dessen Klärungsaktionen im Schnitt 17 Meter vor dem eigenen Tor liegen. Nübel müsste vor allem hier und im spielerischen Bereich noch ordentlich zulegen, um eine echte Chance zu haben. Im Sommer 2023 wird er wohl erstmal nach München zurückkehren. Dann werden alle Parteien die Situation neu bewerten. Dass der Klub aber die Konstanz von Neuer belohnt, ist ein vollkommen logischer Schritt.

Bayern ausgestochen? Justin Che wechselt zur TSG Hoffenheim

Ein vollkommen logischer Schritt ist auch der Wechsel von Justin Che. Der 18-Jährige war 2021 noch an den FC Bayern ausgeliehen, wohin er eigentlich auch zurückkehren wollte. Stattdessen wechselt er nun aber zur TSG Hoffenheim. Eine 18-monatige Leihe mit Kaufoption wurde von Sport1 und dem Kickerberichtet. Und die Bayern? Unbeteiligt. Zumindest nach aktueller Nachrichtenlage.

Und was ist jetzt daran logisch? Ein Talent zieht weiter zu einem anderen Bundesliga-Klub, während die Münchner leer ausgehen? Warum hat man ihn nicht gekauft und anschließend nach Hoffenheim verliehen? Die Antwort ist recht simpel: Der echte Transfermarkt ist kein Videospiel. Da hängen oftmals so viele Parteien drin, dass es auch für den FC Bayern schwer ist, Talente an sich zu binden. Andere Jugendakademien können Spielern wie Che bessere Perspektiven bieten. In München ist die Konkurrenzsituation riesig.

Trotzdem ist für die Bayern nichts verloren. Der Klub hat nach wie vor hervorragende Kontakte nach Sinsheim. Wer die Transfergeschäfte zwischen den beiden in den letzten Jahren verfolgt hat, wird das zur Kenntnis genommen haben. Sollte Che wirklich den Sprung zu einem Top-Verteidiger packen, werden die Bayern gute Karten haben, ihn irgendwann doch an die Säbener Straße zu holen. Was letztendlich im Detail besprochen wurde, ist trotz der mitunter gläsernen Newslage rund um den Rekordmeister nicht vollkommen klar.

Tolisso: Bleibt er bei den Bayern?

Anfang der Woche hatte der Kicker berichtet, dass Corentin Tolisso womöglich doch bei den Bayern bleibt. Die Klubbosse würden einen ablösefreien Transfer wie bei David Alaba gern verhindern, sollen aber auch die zuletzt verbesserten Leistungen des Weltmeisters zur Kenntnis genommen haben. Neben Marc Roca war der Franzose vielleicht der Spieler, der am meisten von den Ausfällen im Mittelfeld profitierte.

Für die Bayern könnte eine Verlängerung durchaus sinnvoll sein, wenn Tolisso eine Rolle als Kaderspieler akzeptiert. Sie kann aber auch zu Problemen führen. Denn optimal strukturiert ist das Mittelfeld des Serienmeisters nicht. Der Ausfall von Joshua Kimmich offenbarte zuletzt, wie abhängig die Bayern von ihm sind. Auf diesem Niveau haben die Münchner keinen zweiten Spielmacher im Sechser- und Achterraum.

Das Triple 2020 resultierte auch aus der Flexibilität, die die Bayern mit Thiago und Kimmich hatten. Zwei tiefe Spielmacher auf Weltklasse-Niveau. Diesen Luxus haben sie nicht mehr. Fällt Kimmich aus, fällt auch das technische und spielerische Niveau ab. In der Champions League kann das zu großen Problemen führen.

Aktuell gibt es viele Gerüchte um Frenkie de Jong. Zwar läuft der Vertrag des Niederländers beim FC Barcelona noch bis 2026, doch die Katalanen sind in finanzieller Not. Konkreter wurde dahingehend aber noch nichts. Aber rein spekulativ wäre das ein Spielertyp, der eine Baustelle schließen könnte, die die Bayern im Moment möglicherweise nicht sehen. Es wird viel über die Außenverteidiger-Positionen diskutiert, aber im Zentrum klafft sowohl beim Spielaufbau als auch bei der technischen Ballverarbeitung ein Loch. Ein Loch, das den Unterschied zwischen „sehr gut“ und „Weltklasse“ ausmachen kann.

Bayern mit Spaziergang in Berlin?

Ab von jeglichem Transfergossip müssen die Bayern aber auch erstmal sportlich den Rhythmus aufnehmen. Der Kader hat sich aber unter der Woche weiter aufgefüllt. „Die Lage bei Goretzka ist bekannt, Stanišić macht gute Fortschritte und soll nächste Woche ins Training einsteigen“, sagte Nagelsmann. Neben den zwei Afrika-Cup-Teilnehmern wären zudem einige Spieler aus Gründen der Belastungssteuerung nicht im Training gewesen.

Tolisso und Neuer pausierten beispielsweise. Bei Leroy Sané ist sich der Trainer ebenfalls noch nicht sicher. Der Flügelspieler hätte zuletzt ein paar Probleme gehabt, doch eine Gefahr sehe Nagelsmann nicht.

Und so geht es mit einem konkurrenzfähigen Kader nach Berlin. Einer, der Kimmich auch die Rückkehr ins Mittelfeld ermöglichen soll. „Wenn [Lucas Hernández] und [Dayot Upamecano] morgen nichts mehr signalisieren, wird [Benjamin Pavard] wieder nach rechts rücken“, so Nagelsmann.

Für die Bayern dürfte das mit mehr Spielkontrolle einhergehen. Zumal Hertha BSC nicht gerade in bestechender Form ist. Zwar versucht Tayfun Korkut, den Berlinern ein aktiveres Spiel aufzudrücken, doch auch er stößt mit diesem Kader an seine Grenzen. Auf gute Phasen folgen unerklärlich schwache. Beispielsweise gegen Köln, als Hertha 20 Minuten gute Lösungen gegen das hohe Pressing der Baumgart-Elf fand. Dann aber brachen sie ohne erkenntlichen Grund ein, spielten einen Fehlpass nach dem anderen und machten die Kölner damit stark.

Hertha fehlen die Lichtblicke

Korkut fordert von seinen Spielern ein, dass sie sich um einen flachen Aufbau bemühen. Zwar stellte Nagelsmann richtig fest, dass Hertha „immer noch viele Chipbälle auf Belfodil“ spielt, aber der Fokus liegt trotzdem darauf, sich spielerisch ins letzte Drittel zu bringen.

Im Zentrum fehlen ihm dafür aber Spieler, die das Spiel schnell machen können. Gegen Union pendelte der Ball mehrfach über mehr als zehn Stationen in der Abwehr hin und her. Kein Raumgewinn, kein Freilaufverhalten im Mittelfeld, kein Sechser, der die Bälle fordert und anschließend verteilt. Darida läuft zwar viel und hat immer noch Stärken in offensiveren Räumen, aber er ist kein tiefer Spielmacher.

Und so ist auch gegen die Bayern mit dem einen oder anderen schweren Ballverlust zu rechnen. Dass Hertha offensiv mit Suat Serdar und Marco Richter zwei schnelle und technisch gute Spieler hat, könnte dem Rekordmeister bei eigenen Ballverlusten wiederum wehtun. Allerdings machten auch die Angriffe der Hertha in den letzten Wochen selten einen strukturierten und durchdachten Eindruck.Vieles deutet also auf einen Spaziergang der Bayern hin. Hier liegt vielleicht die größte Chance für Hertha. Erwartet wird von ihnen jedenfalls nicht viel.