Bayern-Rondo: FCB vor wegweisendem Topspiel gegen Leipzig

Justin Trenner 05.02.2022

Pressekonferenzen sind häufig sehr uninspiriert, langweilig und hinterlassen den Eindruck, dass alle Beteiligten nicht wirklich Lust darauf haben. Anders ist das aktuell beim FC Bayern München. Zu großen Teilen liegt das an Julian Nagelsmann, der einen sehr positiven, aufgeschlossenen, aber in den richtigen Situationen auch ernsten Umgangston mit den Journalist:innen pflegt.

Am gestrigen Freitag war nicht viel los in der Welt des Fußballs. Die gängigen Sportmedien füllten ihre Seiten deshalb mit Schlagzeilen zur Pressekonferenz des FC Bayern München – und das durchaus mit ganz unterschiedlichen Themen. Allein das zeigt, wie vielseitig und thematisch durchaus wertvoll die Medienrunden mit Nagelsmann sind.

So sprach er diesmal über die Verletzungen von Leon Goretzka und Alphonso Davies, den Weggang von Niklas Süle, aber witzelte auch, dass er sich nach seiner aktiven Fußballkarriere gern mal auf einer Kinder-Schanze im Skispringen versuchen würde. Er sprach wertschätzend und mit einigen Anekdoten über Domenico Tedesco, den er schon sehr lange kennt und den er am Samstagnachmittag in der Partie gegen RB Leipzig treffen wird.

Aber er sprach auch über taktische Aspekte und gab Einblicke in seine Beweggründe für die veränderte Grundformation gegen Hertha BSC. Und so wird eine vermeintlich zähe Veranstaltung dann eben doch spannender.

Julian Nagelsmann und die „Jokerrolle“

„Wenn man selbst den Ball hat, kann der Gegner kein Tor schießen“, lautet das recht simple und doch sehr schwer umzusetzende Credo des 34-Jährigen. Vor der Länderspielpause dürfte er sehr zufrieden mit seiner Mannschaft gewesen sein. Beim 4:1-Sieg gegen Hertha BSC hatten die Bayern 70 Prozent Ballbesitz und 30 zu 5 Abschlüsse.

Der Schlüssel dazu war eine sehr offensive Ausrichtung, die Miasanrot im letzten Bayern-Rondo analysierte. Kingsley Coman und Serge Gnabry agierten als „offensive Außenverteidiger“ oder als „Joker“, wie Nagelsmann gern sagt. „Wenn man viele Offensivspieler auf dem Platz hat, die gerne den Ball am Fuß haben und gerne Tore schießen, wird es schwer für den Gegner“, analysierte der Trainer.

„Wenn man in dieser Art und Weise, wie wir gegen Hertha gespielt haben, viele Ballverluste hat oder nicht so ballsicher ist, wie wir es an diesem Tag waren“, erklärte er, „kann das problematisch werden.“ Wenn der Gegner sehr dominant oder extrem gut spiele, sei diese Variante ein Risiko. Andererseits haben die Bayern auch in der Champions League „den Anspruch, dominant aufzutreten.“

Für die kommende Partie gegen Leipzig, aber auch für weitere Aufgaben ließ Nagelsmann offen, ob er sein System wieder wechseln würde. Schließlich wären die Bewegungsabläufe zwischen dem 3-2-4-1 in Berlin und einem 4-2-3-1 nicht großartig anders. Ein Hinweis, der in der Analyse oft zu wenig beachtet wird. Dass die Bayern so viele Tore schießen und trotzdem auf einem guten Weg sind, ihre Defensive in den Griff zu bekommen, ist bemerkenswert. Mit seinen vielen kleinen Anpassungen hat Nagelsmann einen großen Anteil daran. Auch die Jokerrolle zählt da mit rein.

Bayerns große Chance gegen Leipzig

Das kommende Bundesliga-Wochenende hat für Nagelsmann gleich aus mehrfacher Hinsicht eine große Bedeutung: Einerseits tritt er gegen seinen Ex-Klub an, der von seinem guten Bekannten Domenico Tedesco trainiert wird. Die beiden absolvierten gemeinsam den 62. Fußballlehrer-Lehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef und lernten sich bei der TSG Hoffenheim kennen.

Zumindest beim Lehrgang hat Tedesco seinen Kollegen schon mal ausgecoacht: Er schloss mit 1,0 ab, Nagelsmann nur mit 1,3. Für den Bayern-Trainer klar eine Frage des Sitzplatzes: So scherzte er, dass Tedesco ganz hinten gesessen hätte, während er zu spät gekommen sei und vorn saß.

Andererseits bietet sich dem FC Bayern aber auch eine große Chance am Wochenende. Borussia Dortmund muss voraussichtlich ohne Mats Hummels, Erling Haaland und Emre Can, dafür aber immerhin mit 10.000 Zuschauer:innen im Westfalenstadion gegen Bayer 04 Leverkusen antreten. Mit einem Sieg gegen Leipzig würden die Bayern den Druck ordentlich erhöhen. Der Abstand auf den BVB würde dann neun Punkte betragen.

Leipzig in der Kurzanalyse

Einfach wird das aber nicht. Unter Tedesco haben die Leipziger Fahrt aufgenommen. Auch weil der ehemalige Schalke-Trainer die Defensive stabilisiert hat. Leipzig spiele nun „immer noch aggressiv, schnell nach vorne, mit Pressing – aber auch mit dem Ball, mit viel Kontrolle„, betonte Angelino im Interview mit Sport1: „Nicht mehr wie beim Basketball, wo es ständig hoch und runter geht.“

Ein ordentlicher Seitenhieb gegen Ex-Trainer Jesse Marsch, den der Linksverteidiger aber keinesfalls persönlich verstanden haben möchte. Es gehe eben um die Spielweise, die ihnen nun besser liege. Unter Tedesco spielen sie gegen den Ball deutlich kompakter, pressen seltener so wild und hoch wie noch zu Beginn der Saison. Dafür setzen sie auf ein enges Zentrum, das den Gegner auf die Außenbahnen leiten soll.

Gewinnen sie den Ball, geht es schnell und direkt in die Spitze – mit Emil Forsberg, Dominik Szoboszlai, Dani Olmo, Christopher Nkunku und Andre Silva haben sie dort technisch starke, gedankenschnelle und torgefährliche Spieler in ihren Reihen. Der neue Fokus auf die Defensivarbeit scheint den Leipzigern gut zu tun. Mit neun Punkten und 8:1 Toren stehen sie in der Rückrundentabelle auf Platz 1. Bayern wird seit der Tedesco-Übernahme aber auch der erste echte Gradmesser.

Bayern Frauen starten ins Kalenderjahr

Eine große Chance haben auch die Bayern Frauen. Am Sonntagnachmittag (ab 16.00 Uhr bei MagentaSport) starten sie daheim gegen den SC Sand in das neue Kalenderjahr. Die Konkurrenz legt jeweils vor. Nachdem der VfL Wolfsburg schon letzte Woche mit einem souveränen 3:0-Sieg im Nachholspiel bei Turbine Potsdam die Tabellenführung zurückeroberte, ist der Druck groß.

Zumal auch bei den Bayern Frauen die Coronasituation angespannt verfolgt wird. Beim Bundesliga-Auftakt fehlen unter anderem die Nationalspielerinnen Marina Hegering und Carolin Simon, bei Giulia Gwinn hofft Trainer Jens Scheuer nach zehntägiger Quarantäne noch auf einen Teileinsatz. Wobei Hegering wegen eines Knorpelschadens im Knie sogar mindestens bis März fehlen wird.

Im Tor wird wohl Janina Leizig weiterhin die langzeitverletzte Laura Benkarth ersetzen. Sydney Lohmann und Ivana Rudelic stehen ebenfalls noch nicht zur Verfügung. Da Hoffenheim bereits am Freitag gegen Köln patzte (1:1), könnte Bayern den zweiten Tabellenplatz mit einem Sieg festigen und auf drei Punkte wegziehen. Eintracht Frankfurt (gegen den SC Freiburg) und der VfL Wolfsburg (gegen den SV Werder Bremen) spielen jeweils am Sonntag um 13.00 Uhr (ebenfalls bei MagentaSport). Gewinnen beide, wird es noch wichtiger sein, den Jahresauftakt nicht in den Sand zu setzen.

PlatzTeamSpieleTorePkt.
1Wolfsburg1233:829
2Bayern1241:828
3Hoffenheim1336:1628
4Frankfurt1227:1225
5Potsdam1226:1921

Campus: Quantität statt Qualität?

Wie Spox und Goal berichtet hatten, sollen die Bayern an drei Talenten von Real Madrid und Paris Saint-Germain interessiert sein:

  • Alejandro Jimenez (16, Rechtsverteidiger, Real Madrid)
  • Ayman Kari (17, Zentrales Mittelfeld, PSG)
  • Warren Zaire-Emery (17, Zentrales Mittelfeld, PSG)

Nach Miasanrot-Informationen sind das nur drei Namen einer recht langen Liste an Talenten, die die Bayern im Blick haben. Im kommenden Sommer könnte sich abermals einiges tun. Zumal auch viele Talente den Klub verlassen haben oder noch verlassen werden – einige Verträge laufen nach wie vor aus.

Julian Nagelsmann erklärte die vielen Wechsel zuletzt so, dass es nun mal nicht jeder der Spieler am Campus zu den Profis schaffen würde und es auch darum gehe, ihnen den Karriereweg dann nicht zu verbauen.

Scouting gewinnt an Bedeutung

Interessant ist aber durchaus, dass die Bayern in den letzten Jahren ihr internationales Scouting erweitert und intensiviert haben. Das jüngste Positivbeispiel ist Jamal Musiala, der den Großteil seiner Ausbildung in England genoss, nun aber beim FCB durchstartet. Auch bei Bright Arrey-Mbi war das so. Der 18-Jährige wurde nun zum 1. FC Köln ausgeliehen.

Ein Negativbeispiel war hingegen die Verpflichtung von Tiago Dantas, der zwar großes Potential hat, in München aber zum Gegenstand des Konfliktes zwischen Hasan Salihamidzic, Hansi Flick und dem Campus wurde. Darüber hinaus blockierte er in vielen Partien die Positionen von Angelo Stiller und Torben Rhein, zwei Talente, die schon einige Jahre am Campus verbracht haben und nicht minder begabt sind.

Verpflichtungen von außen sind also immer ein Drahtseilakt. Einerseits wollen die Bayern den nächsten Thomas Müller oder Bastian Schweinsteiger produzieren – im Idealfall ein bayerisches Urgestein, mindestens aber ein deutscher Nationalspieler, der sich mit dem FC Bayern identifiziert. Andererseits sehen sie die Möglichkeit, internationale Toptalente früh und ohne großes finanzielles Risiko an sich zu binden.

Bayern verlängerte spät mit Paul Wanner

Letztendlich führt das dazu, dass die Kader im Jugendbereich aufgebläht sind. Qualität wird sich wohl immer durchsetzen, aber im Kontext der aktuellen Strategie ist den Bayern Quantität sehr wichtig. Wenn es aus zehn Neuzugängen auch nur einer schafft, ist dieses Vorgehen schon gerechtfertigt. Allerdings kann das dazu führen, dass Verhandlungen mit eigenen Toptalenten komplizierter werden.

Die späte Vertragsverlängerung von Paul Wanner ist das jüngste Beispiel. Der 16-Jährige hatte nach Miasanrot-Informationen schon letztes Jahr viele Angebote und bekam aus der Bundesliga bessere Perspektiven aufgezeigt als von den Bayern. Erst die Entwicklungen im Januar führten dazu, dass die Münchner ihre Bemühungen intensivierten und ihm einen klaren Karriereplan mit einigen Versprechungen vorlegten.

Je aufgeblähter die Kader in den U-Bereichen sind, desto unattraktiver könnte es für die Talente am Campus werden, ihre Verträge zu verlängern. Scouting und Förderung der vorhandenen Spieler müssen demnach gut abgestimmt sein.