Bayern besiegt Hertha in wildem 4:3
Roca, Choupo-Moting, Sarr, Hudson-Odoi, dazu immer neue Wasserstandsmeldungen zu Cuisance, Martínez und Alaba. Bei all den Namen, die derzeit rund um den FC Bayern schwirren, konnte man leicht vergessen, dass am Sonntag noch ein Punktspiel anstand. Nach der 1:4-Niederlage in Sinsheim, war der FC Bayern gegen Hertha auf Wiedergutmachung aus.
Falls Ihr es verpasst habt
Die Aufstellung
Hansi Flick setzte weiterhin auf punktuelle Rotation. Die Innenverteidigung tauschte er abermals komplett aus, Jérôme Boateng und David Alaba kamen zurück ins Team, Hernández jedoch wechselte nicht auf die Ersatzbank, sondern auf die Außenverteidigung, erstmals seit seinem Durchbruch lief Alphonso Davies auf der offensiven und nicht der defensiven Außenbahn auf. Den zuletzt schwachen Benjamin Pavard ersetzte der junge Chris Richards.
Durch Leon Goretzkas Genesung war das Stammmittelfeld aus ihm, Joshua Kimmich und Thomas Müller wieder komplett, Corentin Tolisso und Javi Martínez wurden wieder rausrotiert. Den Sturm komplettierten Serge Gnabry und Robert Lewandowski, Kingsley Coman fiel aus.
Bruno Labbadia schickte seine Herthaner in einem 4-2-3-1 auf das Spielfeld. Ohne Torunarigha bestand die Viererkette aus Mittelstädt, Stark, Boyata und dem defensiven Pekarík. Die kampfstarken Darida und Tousart sollten den Bayern die Spielfreude nehmen, eins weiter vorne sollte Marcelinhos Erbe Matheus Cunha hinter Jhon Cordoba wirbeln. An seiner Seite spielten die ungleichen Lukébakio und Zeefuik, der eine war mehr Mittelstürmer als Außenstürmer, der andere mehr Rechtsverteidiger als Rechtsaußen. Offenbar wollte Labbadia Bayerns Geschwindigkeit auf der linken Seite kontern. Etwas überraschend fand sich Herthas gefährlichster Stürmer Piątek zunächst auf der Bank wieder.
1. Halbzeit
Nach einem etwas ruhigen Abtasten, wurde es erstmals in der achten Minute turbulent. Goretzka legte mit der Brust im Strafraum auf Lewandowski ab, der nur an Schwolows Weltklasseparade scheiterte. Hertha vergab im direkten Gegenzug einen brandgefährlichen Konter, sie lauerten in der ersten Halbzeit ständig auf Chancen für derartige Gegenstöße und strahlten mit ihnen ständig Gefahr aus.
Die Bayern hingegen hatten ihre liebe Mühe mit Berlins Mauer. Erst in der 36. Minute konnten sie von hinten nach vorne einen guten Spielzug durchbringen und prompt das 1:0 erzielen, Müller befand sich bei seinem Kopfball jedoch knapp im Abseits. Dreieinhalb Minuten später klingelte es trotzdem. Im ersten Versuch scheiterte Lewandowski mit einem Kopfball noch am erneut großartig reagierenden Schwolow, doch Gnabry konnte nachsetzen und das Spielgerät wieder in die Mitte bringen, wo Lewandowski nur noch einschieben brauchte. Überhaupt wurde Bayern zum Ende der Halbzeit besser, spielte jetzt genauer. Doch abzüglich eines wilden Weitschussversuchs von Serge Gnabry kam nichts zählbares zustande, das Spiel ging mit 1:0 in die Pause.
2. Halbzeit
Ohne Wechsel kamen die Teams aus der Kabine, doch Bayern war nun zielstrebiger im Angriff. Sechs Minuten nach dem Wiederanpfiff erhöhten die Bayern direkt mit ihrem nächsten Angriff. Richards schlug eine scharfe, tiefe Flanke in den Rückraum der Verteidiger, der offiziell beste Spieler Europas nahm den Ball mit dem Rücken an, dribbelte in der Drehung seinen Gegenspieler aus und schloss direkt aus 16 Metern ab. Ein Paradebeispiel für alles, was Lewandowski so überragend macht. Hertha stellte den alten Abstand acht Minuten später trotzdem wieder her, Cunha schlug einen Freistoß lang und weit auf Cordoba, der einen sehr festen Kopfball absetzte. Neuer bekam trotzdem noch eine Hand an den Ball, konnte den Ball jedoch nicht aus dem Tor halten.
Das Gegentor brachte Hansi Flick jedoch nicht davon ab seine Leistungsträger zu schonen. Hernández und Kimmich bekamen eine Pause, es kam Musiala und Tolisso, dazu noch Pavard für Richards. Davies wechselte wieder in die Außenverteidigung. Auch Labbadia reagierte und vereinte mit der Einwechslung Piąteks Polens nationalen Doppelsturm. Durch die Herausnahme Zeefuiks wechselte Hertha nun zu einem 4-4-2. Labbadias offensiver Wechsel machte sich sogleich bezahlt, Cunha dribbelte Müller aus, stolzierte in die Mitte, spielte einen Doppelpass mit Herthas neuem Stürmer und fand sich sogleich allein mittig vor Neuer wieder, dem er keine Chance überließ (71.).
Bayern wollte nun wieder auch angreifen, brachten aus dem Spiel heraus jedoch keine echten Chancen zustande. Doch bei den plötzlich so starken Standards war das auch gar nicht nötig. Erst schaffte es Tolisso nach einer Ecke vollkommen freistehend den Ball per Volley über das Tor zu bringen (80.), dann schlug wieder Europas Fußballer des Jahres zu. Alabas Freistoßflanke legte Müller in bester Müllermanier quer, Lewandowski musste nur noch einschieben (85.). Das Ganze entpuppte sich als Startschuss zu einem völlig enthemmten Schlussakt. Zunächst kam Berlin postwendend zurück, Mittelstädt konnte eine lange Halbfeldflanke schlagen, wo der gerade eingewechselte Ngankam blank gelassen wurde.
Das Ende war das dann aber trotzdem nicht, denn Bayern kam zum zweiten Mal zurück. Mittelstädt und Lewandowskis rangen bei einer Flanke miteinander, der Pole fiel und Schiedsrichter Cortus entschied etwas glücklich auf Elfmeter. Lewandowski blieb so cool wie immer und Bayern gewann nach turbulentem Ende 4:3. Nach der Länderspielpause empfängt der FC Bayern den 1. FC aus Düren im Nachholspiel des DFB-Pokals.
Dinge, die auffielen
1. Bayerns Probleme mit Berlins Mauer
Ein Tag nach dem Tag der deutschen Einheit stand die Mauer fußballerisch gesehen wieder. Auch wenn nun ein anderer Trainer an der Seitenlinie stand, erinnerte alles doch sehr an Dardais Hertha. Zwei tiefe, dichte Viererketten ließen aber auch so gar keinen Platz für Spielfreude aufkommen. Ständig war den Bayern jemand auf dem Fuß, kaum waren Räume offen. Um diese freizuspielen muss man den Ball laufen lassen, Kombinationen spielen und seinen Dribblern mit überraschenden Seitenverlagerungen den nötigen Platz verschaffen. Davon war nur wenig zu sehen. Speziell Davies mochte zwar der wohl beste Dribbler auf dem Platz sein, konnte davon aber nur wenig zeigen, weil er immer von gleich mehreren Spielern ins Visier genommen wurde. Positiv ist jedoch, dass wo unter früheren Trainern dies gerne in einem Flankenfestival mündete, Bayern nun stattdessen mehr nach spielerischen Lösungen suchte. Sie waren selten da, unter anderem weil kaum einer sonderlich gut spielte und sich bewegte, doch Flanken wurden nur mit Sinn, nicht etwa blind, geschlagen.
2. Die Abwehr macht Angst
Sieben Gegentore in den letzten zwei Bundesligapartien und zum zweiten Mal in einer Woche gibt Bayern ein 2:0 wieder her. Bayern hat ein handfestes Problem in der Defensive. Am problematischsten hierbei ist es, wie einfach es derzeit ist, gegen Bayern Tore zu erzielen. Schon gegen Dortmund kassierten sie zu leichte Gegentreffer, doch heute fielen einfach schlicht alle Tore von Hertha zu einfach. Beim ersten Gegentor ist es schon schlimm genug, dass die Freistoßverteidigung darin versagt Cordoba nicht an den Ball zu lassen, doch selbst wenn er köpft, darf er nie eine derartige Freiheit bekommen, das Spielgerät mit einer derartigen Wucht zu köpfen. So jedoch verpufft sogar Manuel Neuers beinahe Weltklasseparade.
Beim zweiten Gegentor darf Cunha einfach nicht so leicht durch Bayerns Defensive stolzieren. Selbst nach dem ursprünglichen Dribbling gegen Müller war die Chance mehrfach da, ihm den Laufweg zu verwehren. Im Zweifelsfall muss hier auch einfach das Foul gezogen werden, so jedoch schaut die ganze Abwehr nur teilnahmslos zu.
Auch das dritte Gegentor fällt zu leicht, hier muss wieder kritisiert werden, wie frei der Gegner zum Kopfball gelangen kann. Ein mögliches Rezept für die Probleme in der Defensive wäre das Zurückfahren der Rotation in diesem Sektor. Nun kassierten die Bayern zwar auch mit dem anderen Innenverteidigerpaar gegen Dortmund leichte Tore, doch es fällt schon auf, wie die Abwehr der Bereich ist, wo Flick am meisten rotiert. Wohl auch weil es der einzige Bereich ist, wo er fast keine Personalnot hat.
Fest steht, dass etwa David Alaba inmitten seiner Vertragsquerelen bislang keine gute Saison steht, Lucas Hernández jedoch mit ziemlicher Sicherheit Bayerns bester Feldspieler der noch sehr jungen Saison ist (Lewandowskis vier Tore mögen dies nun vielleicht geändert haben). Auch heute spielte er emsig mit und stürzte sich mutig in den Kampf, ein mögliches Mittel wäre es, ihn dauerhaft in die Innenverteidigung zu ziehen.
3. Bayern kommt zweimal zurück
Unter dem Strich bleiben trotz allem drei Punkte. Und das obwohl Bayern merklich auf der letzten Rille ging, obwohl sie Probleme mit Herthas Defensivstaffelung hatten, obwohl sie viel zu leicht den Ausgleich kassierten, obwohl sie sich körperlich zwischen dem 2:0 und dem Ausgleich fast vollständig aus dem Spiel verabschiedeten, obwohl Hansi Flick mit Hernández und Kimmich früh Leistungsträger vom Feld nahm, obwohl sie auch noch ein drittes unnötiges Gegentor schlucken mussten. Sie kamen trotzdem gleich zweifach zurück.
Zum einen kann man hier natürlich von Dusel sprechen, denn den Elfmeter gibt nicht jeder Schiedsrichter zu diesem Zeitpunkt, aber es liegt dann auch einfach an der Mentalität den Schalter doch nochmal im Spiel umzulegen. Die Bayern zeigten in der ersten Hälfte nicht unbedingt den Willen das Spiel früh entscheiden zu wollen, zogen sich nach der 2:0-Führung nochmal zurück, aber in den letzten 20 Minuten wollten sie eben doch, obwohl körperlich kaum mehr etwas übrig war. Spielerisch konnten sie nicht wirklich den Hebel umlegen, von Kombinationen oder dem Hyänenpressing der Champions-League-Tage war wenig zu sehen, einzig Musiala konnte hier wieder einmal für Lichtblicke sorgen. Obwohl in den Schlussminuten das Tor, beziehungsweise der Elfmeter nach einem Standard und einer Flanke zustande kam, konnten sie trotzdem eine Art Druck aufbauen, wonach die Tore durchaus folgerichtig erschienen. Oft geht so ein Spiel wie heute nicht gut aus, doch an diesem Abend hatte Bayern das nötige Glück.