TrACHT Prügel für Barça

Maurice Trenner 14.08.2020

Im ersten Spiel im Champions-League-Finalrundenort Lissabon, stand für den FC Bayern der vierfache Titelträger FC Barcelona im Weg. Gegen die Katalanen war man in drei K.-o.-Duellen bisher nur ein Mal in die nächste Runde eingezogen. Im Triple-Jahr 2013 besiegte man die damals favorisierten Spanier furios 7:0 in zwei Spielen. Besonders schmerzlich ist den Münchnern noch die 0:4-Klatsche im Frühjahr 2009 im Kopf, die das Ende des kurzen Intermezzos von Jürgen Klinsmann als Bayern-Trainer bedeutete. Auch Pep Guardiola musste sich 2015 seinem Ex-Club geschlagen geben. 

Falls ihr es verpasst habt

Die Aufstellungen

Nur eine kleine Überraschung hatte Hansi Flick in der Aufstellung parat. Wie bereits zuletzt gegen den FC Chelsea durfte Ivan Perišić auf dem linken Flügel beginnen. Der Kroate, dessen Defensivarbeit Flick hoch schätzt, bekam den Vorzug vor Kingsley Coman, der zuletzt leicht angeschlagen war. Auch ansonsten setzte Flick auf die gleiche Elf, die in der Vorwoche Chelsea bezwang.

Damit lag das Hauptaugenmerk abermals auf den offensiven Außenverteidigern Joshua Kimmich und Alphonso Davies sowie deren Arbeit gegen den Ball. Im zentralen Mittelfeld bildeten Thiago, Goretzka und Müller das Dreieck. Im Sturm stand Robert Lewandowski, der den Torrekord von Cristiano Ronaldo aus der Saison 2014 jagte.

Bei den Spaniern stellte Trainer Quique Setién seine Mannschaft im 4-4-2 auf. Dies war zuvor schon von der spanischen Presse spekuliert worden. Der Plan war wohl, durch ein passsicheres Mittelfeld aus Busquets, Roberto, de Jong und Ex-Bayer Vidal das Münchner Gegenpressing zu umspielen. Davor bildeten Messi und Suárez den Doppelsturm. Für den französischen Weltmeister Griezmann blieb abermals nur die Bank. 

Die erste Halbzeit

Nachdem Barcelona den ersten kleinen Schocker setzte, traf Müller nach nicht einmal 180 Sekunden zum 1:0. Gnabry steckte gut auf Perišić durch, der in die Mitte flankte. Dort spielten Müller und Lewandowski einen Doppelpass, worauf der Rekord-Assistgeber der Bundesliga trocken verwandelte (4.). Einen besseren Start hätte sich keiner der Bayern erträumen können.

Doch nur wenige Minuten später lag der Ball im Tor der Münchner. Über links brachen die Blaugrana durch, nachdem Kimmich zu weit vorgerückt war. Die Flanke von Jordi Alba klärte ausgerechnet David Alaba über einen chancenlosen Manuel Neuer ins eigene Tor (7.). Hinter ihm wäre Luis Suárez frei gestanden. 

Immer wieder kam Barcelona durch direktes Passspiel über die Außen gefährlich vors Tor. Zuerst scheiterte Suárez frei vor Neuer (9.), danach klatschte eine Flanke von Messi an den Pfosten (10.). Drei Spanier standen dabei völlig frei vor dem Münchner Schlussmann.

In der Folge wurden die Münchner nun aktiver, ohne sich jedoch eindeutige Chancen zu erspielen. Das Gegenpressing wurde nun griffiger. In der 22. Minute holte sich Gnabry den Ball in einer Pressingfalle, steckte durch auf den hinterlaufenen Perišić, der in seiner unwiderstehlichen Art ins lange Eck vorbei an ter Stegen abschloss. Die erneute Führung für den deutschen Rekordmeister.

Und die Münchner legten direkt nach. Einen Pass von Thiago leitete Goretzka direkt in den Lauf von Gnabry weiter. Der Champions-League-Chefkoch blieb eiskalt und durfte einmal mehr rühren (28.). Nach einem weiteren schwachen Pass von ter Stegen hätte Lewandowski nur Sekunden später gar auf 4:1 erhöhen können, doch der Pole scheiterte am Deutschen (29.).

Besser machte es erneut Müller, der eine flache Hereingabe von Kimmich zum 4:1 vollendete (30.). Zuvor hatte Lewandowski einen verloren geglaubten Ball an der Grundlinie von Barcelona zurückgewonnen. Fast jeder Schuss war nun ein Treffer. Die Münchner spielten wie im Rausch. Mit dem gleichen Spielstand wurden die Seiten gewechselt.

Die zweite Halbzeit

Nach der Pause brachte Setién mit Griezmann einen Stürmer für Sergio Roberto, um das kleine Fußball-Wunder zu erzwingen. Kurz nach Wiederanpfiff sah Davies Gelb für ein Foul an Suárez (51.). Ein Treffer von Lewandowski wurde wegen einer Abseitsstellung von Müller zurecht aberkannt (53.). 

Die Münchner verwalteten nun und auch Barcelona ließ die letzte Konsequenz vermissen. Doch mitten in dieser Phase zeigte Suárez seine ganze individuelle Klasse. Im Strafraum wackelte er den verwarnten Boateng aus und traf kraftvoll zum 2:4-Anschluss (57.). Mit einer halben Stunde auf der Uhr war die Aufholjagd gestartet.

Doch diese kam zu einem jähen Ende als Davies die gesamte spanische Abwehrkette zum Salsa einlud. Der Kanadier tanzte an Semedo vorbei zur Grundlinie, wo keiner seinen Antritt stoppen konnte. Am Fünfmeterraum traf er dann auch noch die richtige Entscheidung und legte in den Rückraum, wo Kimmich einschob (63.). Der Torschütze wusste bei wem er sich zu bedanken hatte.

Nach einem weiteren einfachen Ballverlust hatte der kurz zuvor eingewechselte Coman die Chance weiter zu erhöhen, doch Alba grätschte in den Schuss (68.). Perišić musste für den Franzosen weichen. Nach 75 Minuten wechselte Flick noch zwei weitere Male. Coutinho ersetzte Gnabry und Süle entlastete Boateng.

Zum Ende kam auch noch Lewandowski zu seinem Tor (82.). Eine starke Vorarbeit von Coutinho köpfte der Pole ein. Der VAR prüfte minutenlang auf Abseits, doch der Treffer hatte Bestand. Diese Pause nutzte Flick um mit Hernández (für Davies) und Tolisso (für Goretzka) zwei weitere neue Spieler zu bringen.

Coutinho hatte nun Blut geleckt. Eine starke Passstafette von Kimmich und Müller schloss der Brasilianer im Sechzehner ab (85.). 7:2! Doch noch war die Show des kleinen Magiers nicht beendet. Eine Vorlage von Hernández schob er aus kürzester Distanz ein (89.).

Ein denkwürdiger Europapokalabend ging damit zu Ende. Das nächste Spiel in Lissabon steht am Mittwoch an. Dann gegen den Sieger aus Olympique Lyon und Manchester City.

Vier Dinge, die auffielen

1. Vogelwilder Beginn

Hätte sich Hansi Flick ein Traumszenario wünschen dürfen, das frühe 1:0 von Müller hätte sicherlich ganz oben auf der Liste gestanden. Doch anstatt den Druck von den Spielern zu nehmen, konnten die Münchner das Spiel im Anschluss nicht beruhigen. 

Ein immer wiederkehrendes Muster im Angriff der Spanier, bekamen die Bayern nicht in den Griff. Bei direkten Pässen aus der prominent besetzten Mitte von Barça auf die Außen in den Rücken der Abwehr sahen sowohl Davies als auch Kimmich nicht gut aus. Gleich viermal tauchte Barcelona auf diese Weise gefährlich vor Neuer auf.


Vor allem Davies orientierte sich hier in seinem Stellungsspiel zu sehr an Alaba, anstatt sich breiter zu staffeln. Dadurch lud er den Gegner regelrecht zu öffnenden Pässen ein. Außerdem rückte er teilweise zu aggressiv ins Pressing heraus, weshalb danach die restliche Abwehr Eins-gegen-Eins spielen musste. Der Ausgleich fiel jedoch über Kimmichs Seite, der sich rauslocken und dann mit einem hohen Pass überspielen ließ. Beide Verhaltensmuster sollten die Bayern bis zum Mittwoch abstellen, da der nächste Gegner diese Schwäche schonungsloser ausnutzen könnte.

2. Ein Fingerzeig nach Europa

Was ist die Steigerung von Statement? An einem denkwürdigen Europapokalabend sendet der FC Bayern eine Warnung an die europäische Spitzenklasse. Ein gealtertes Barcelona war entfesselten Münchnern hoffnungslos ausgeliefert. Doch dies sollte nicht vorgeschoben werden, um die Leistung des deutschen Meisters klein zu reden.

Vier Tore in den ersten 30 Minuten hatten die Spanier noch nie in Europas höchster Spielklasse hinnehmen müssen. Die acht Tore waren die meisten, die Barcelona je kassierte. Bayern spielte besonders nach der wackeligen Frühphase groß auf, nahm nie den Fuß vom Gas und erdrückte die Spanier regelrecht.

Mit einer solch konzentrierten, beeindruckenden und effizienten Leistung sind die Münchner nun definitiv der Top-Favorit auf dem Titel. Allerdings gilt auch in der Champions League die alte Kreisliga-Weisheit: Das nächste Spiel geht wieder mit 0:0 los. Dann am Mittwoch vermutlich gegen ein von Pep Guardiola eingestelltes Manchester City, das besonders die ersten fünfzehn Minuten der Münchner analysieren wird.

3. Big Game Players

Müller, Perišić und Gnabry. Die Torschützen und Matchwinner der Münchner an diesem Sommerabend zeigten einmal mehr, warum sie für den Triple-Sieger von 2013 so wichtig sind. In großen Spielen sind sie immer wieder da.

Für Müller waren es die Treffer fünf und sechs im fünften Aufeinandertreffen mit den Katalanen. Für Gnabry war es das siebte Tor in der laufenden Champions-League-Saison, das erste nicht gegen eine Mannschaft aus London. Für Perišić war es der zweite Treffer nach dem Restart der Königsklasse.

Bei jeder noch so starken Teamleistung bedarf es – gerade in diesem Einzelspielmodus der CL-Endrunde – dennoch der Extraklasse einzelner Spieler, um eine Mannschaft zum Sieg zu schießen. Eine Stärke der Münchner ist, dass diese Rolle nicht auf einen bestimmten Spieler fällt, sondern mehrere Akteure im Kader zum Matchwinner avancieren können. Ein Sieg gegen Barcelona ohne ein entscheidendes Tor von Lewandowski, der bisher in jedem Spiel in der Königsklasse traf, hätten zuvor wohl die wenigsten für möglich gehalten.

4. Mit Gegenpressing ins Glück

Dass die Bayern nach dem 2:1-Treffer nicht genauso strauchelten wie nach der frühen 1:0-Führung, lag vor allem daran, dass die Elf von Flick nun deutlich besser ins Gegenpressing kam. Wie immer instruiert von dem unermüdlichen Müller, hatten die Münchner es vor allem auf den Spielaufbau von Barcelona über ter Stegen, Piqué und Lenglet abgesehen. Erst wenn die Spanier den Ball bis fast an die Mittellinie kombinierten, rückten die Münchner ab.

Besonders ter Stegen spielte einige Fehlpässe, die postwendend den Weg zurück in seinen Strafraum fanden. Bereits das 2:1 entstand nach einem starken Ballgewinn von Thiago, während Lewandowski nach einem zu kurzen Pass von ter Stegen direkt nach dem 3:1 noch hätte nachlegen können. 

Barcelona kam dadurch kaum noch zur Entlastung, auch weil sie es nicht mehr wie in der Anfangsphase schafften das Pressing zu überspielen. Die Lücken hinter der ersten Pressinglinie schafften die Münchner nun konsequenter zu besetzen.