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AS Rom – FC Bayern München 1:7 (0:5)

Steffen Trenner 21.10.2014

Falls ihr es verpasst habt:

Guardiola stellte gegen Rom um auf eine klare Dreierkette mit Benatia, Boateng und Alaba. Bernat rückte auf den linken Flügel. Lewandowski nach seiner Pause gegen Bremen dafür wieder in die Spitze. Rom begann extrem engagiert und suchte den Schlagabtausch. Bayern nahm diesen etwas überraschend an und so entstand schon in den ersten zehn Minuten ein temporeiches und hochklassiges Fußball-Spiel. Die Römer hatten zunächst sogar die etwas gefährlicheren Szenen. Das Tor machten jedoch die Bayern nach einer schönen Einzelaktion von Arjen Robben (9.). Die Hauptstädter antworteten mit wütenden Angriffen, die Bayern auch dank Neuer überstand. In der 22. Minute setzte Götze im Zentrum zu einem Dribbling an, passte scharf auf Müller, dessen Ablage per Hacke wiederum Götze aus 16 Metern in die Maschen schoss. Der Auftakt eines zwanzigminütigen Fußball-Rauschs. Lewandowski, Robben und Müller (Handelfmeter) erhöhten vor der Pause auf 5:0. Bayern überrannte die Römer in dieser Phase mit schnellen Kombinationen und variablem Offensivspiel komplett. Rom schaffte es in dieser Phase kaum einmal einen engagierten Zweikampf zu führen und lief den Münchnern meist nur hinterher.

Nach der Pause schalteten die Gäste zwei Gänge runter und ließen die Hausherren besser ins Spiel kommen. Das 1:5 von Gervinho war schon zu diesem Zeitpunkt nur Ergebniskosmetik. Die eingewechselten Ribéry (78.) und Shaqiri (80.) machten mit ihren Treffern den höchsten Auswärtssieg in der Europapokal-Geschichte perfekt.

7:1. Eine Gala in der ewigen Stadt, die sich einreiht in die ganz großen Europapokalabende des FC Bayern.

3 Dinge, die auffielen:

1. Rom läuft ins offene Messer

Es ist in den vergangenen Wochen auch hier im Blog viel darüber geschrieben worden, dass der FC Bayern in dieser Saison taktisch noch von keiner Mannschaft so richtig herausgefordert wurde. Die meisten Teams versuchten es mit der bekannten Mischung aus enger Defensiv-Staffelung und schnellem Umschaltspiel. Die Roma war prädestiniert dafür, den Bayern eine größere Aufgabe zu stellen. Sie versuchten es. Suchten zu Beginn den offenen Schlagabtausch. Pressten sehr hoch und stellten die Passwege von Alonso und Lahm in Richtung der Bayern-Dreierkette durch Totti und Iturbe konsequent zu. Bayern sollte gar nicht erst in die gewohnten, geduldigen Passmuster kommen. Rom zwang Bayern zu direkterem, vertikalerem Spiel und stellte sich so selbst eine Falle. Rom bot durch das forsche Aufrücken immer wieder Räume, die Bayern brillant nutzte. Entweder durch schnelles Spiel durch die Mitte und die dort entstehenden Halbräume oder durch sehenswerte Überladungen auf den Außen mit schnellen Seitenwechseln und Tempoverschärfungen.

Die Klarheit und Selbstverständlichkeit, mit der die Bayern ihre nominelle 3-4-2-1-Formation immer wieder veränderten und anpassten, war bemerkenswert. Vor allem deshalb, weil diese Ausrichtung in dieser Saison nur sporadisch zum Einsatz kam. Die Automatismen griffen. Guardiola schien sein Team perfekt vorbereitet zu haben. Rom hielt die Guardiola-Elf in der ersten Hälfte bei nur knapp über 50 Prozent Ballbesitz und einer Passquote um die 85 Prozent. Bayern brauchte an diesem Abend aber keinen hohen Ballbesitz, um zum Erfolg zu kommen. Stellte Rom die rechte Seite zu, befreite sich Bayern schnell und riss die komplette Roma-Formation zum Beispiel durch einen Alaba-Vorstoß auseinander. Geriet die Dreierkette unter Druck, öffneten die Münchner durch schnelle kurze Pässe von Boateng über Alonso zu Götze oder Müller das Feld und liefen plötzlich mit hohem Tempo auf die Römer-Viererkette zu. Immer wenn in der ersten Hälfte der Abstand zwischen dem Römer-Mittelfeld und der Abwehr nicht stimmte, fand Bayern die Lücken und kombinierte sich blitzschnell an den Strafraum. Hinzu kam das individuell schlechte Zweikampfverhalten der Römer-Hintermannschaft. Vor allem Ashley Cole wirkte wie ein Schatten früherer Tage.

Zwischen der 20. und 40. Minute schossen die Münchner vier Tore und wirkten wie eine geölte Maschine, die in hohem Tempo ihr Pensum abspulte. Ein Rädchen griff ins andere. Eine Wellenbewegung folgte der anderen. Auch das Pressing funktionierte gerade in diesem Spielabschnitt hervorragend und provozierte immer wieder Ballverluste oder lange Bälle. Es war in dieser Phase Guardiola-Fußball nahe der Perfektion –  begünstigt allerdings durch die im Nachhinein etwas naive Ausrichtung der Roma.

2. Neuer ist da, wenn er gebraucht wird

Es ist nach einem 7:1 vielleicht ein wenig untypisch, den Torwart herauszuheben, aber Neuer bewies auch in diesem klaren Spiel seinen enormen Wert für den FC Bayern. Neuer parierte beim Stand von 1:0 in der 10. Minute glänzend gegen den im Rücken der Dreierkette eingelaufenen Gervinho. Mit einem starken Reflex drehte er den gut platzierten Schuss des Ivorers um den Pfosten. Eine Situation, die den Spielverlauf durchaus hätte verändern können. Es sind diese Szenen, die für einen Bayern-Torwart so entscheidend sind. Weniger die zwei weiteren Klasse-Paraden von Neuer in der zweiten Hälfte, als das Spiel längst entschieden war. Ein Torwart des FC Bayern hat nicht viele Situationen, um sich auszuzeichnen. Oliver Kahn trieb seine Konzentrationsfähigkeit auch deshalb an den Rand des Möglichen. Neuer hatte zu Beginn seiner Zeit in München durchaus Schwierigkeiten mit dieser Umstellung – übertrieb es vielleicht auch deshalb an der ein oder anderen Stelle beim Herauslaufen – wie er selbst offen zugab. Er wollte stärker involviert sein – auch um Rhythmus aufzunehmen. Inzwischen hat er hier ein gesundes Maß gefunden. Seine Parade in der 10. Minute legte den Grundstein für das Feuerwerk, das folgte.

3. Offensive Unberechenbarkeit

Die Offensive des FC Bayern zählt spätestens nach der Rückkehr von Franck Ribéry zu den variabelsten und in der Breite qualitativ hochwertigsten der Champions League. Es ist schwer in diesem Spiel jemanden herauszuheben. 6 Torschützen. 10 Spieler mit mindestens einem Torschuss. Robben (5 Torschüsse), Lewandowski (4), Ribéry (3), Götze (3) und Shaqiri (2) waren dabei die Fleißigsten. Der FC Bayern kann offensiv aus dem Vollen schöpfen. Müller, Götze und Lewandowski ergänzen sich inzwischen grandios mit ihren ständigen Positionsrochaden und kleinen Tempowechseln. Das Trio hat im Moment einen ziemlich einzigartigen Groove gefunden. Die Kombination zwischen Götze und Müller vor dem 2:0 war dafür der beste Beweis.

Taktisch interessant war am Dienstag auch die Ausrichtung von Arjen Robben, der nach wie vor eine stärkere Individualistenrolle inne hat, als die anderen drei genannten. Anders als zuletzt in der Bundesliga agierte Robben in vielen Szenen etwas zurückgezogen und kam offensiv so mit mehr Anlauf. Schön zu sehen im Vorlauf des 1:0, als Roms Linksverteidiger Cole zunächst nach innen gerückt war, um eine Bayern-Kombination zu verteidigen. Als der Ball raus zu Robben ging, war Cole zu weit entfernt, um den Doppelpass mit Lahm und danach den typischen nach innen ziehenden Robben-Move zu verhindern. In der Bundesliga verteidigt den Niederländer so seit Jahren niemand mehr. Wenn er mit Tempo auf einen einzigen Gegenspieler zuläuft ist es meistens schon zu spät. Durch seine situativ etwas tiefere Positionierung provozierte er gegen Rom mehrfach diese 1:1-Duelle.

Wie schon am Wochenende gegen Bremen sorgte auch Ribéry nach seiner Einwechslung noch einmal für einen Rhythmuswechsel im Bayern-Spiel. Der 31-Jährige wirkt antrittsschnell wie lange nicht und sprüht nur so vor Spielfreude. Guardiola hat zur Zeit die freie Auswahl auf den Angriffspositionen und kann verschiedene Varianten testen – immer mit der Gewissheit, dass er nach 50 oder 60 Minuten einen neuen Impuls von der Bank bringen kann. Diese Unberechenbarkeit könnte in dieser Saison Bayerns größter Trumpf werden, wenn alle gesund bleiben.

Nicht unerwähnt bleiben darf nach der Gala gegen Rom der Auftritt von Juan Bernat. Der Spanier hat sich seit dem Saisonstart stetig weiterentwickelt und ist ein wichtiger Fixpunkt im Offensivspiel geworden. Er paart inzwischen sein sicheres Passspiel mit sehr wohl dosierten Vorstößen, immer präziser werdenden Flanken und immer mutigeren Pässen in die Tiefe. Bernat zeigte gegen Rom seine beste Leistung im Bayern-Trikot.

AS Rom – FC Bayern 1:7 (0:5)
AS Rom de Scantis – Torosidis, Yanga-Mbiwa, Manolas, Cole (46. Holebas) – Pjanic (80. Ljajic), de Rossi, Nainggolan – Iturbe, Totti (46. Florenzi), Gervinho
Bank Skorupski, Astori, Parades, Destro
FC Bayern Neuer – Benatia, Boateng, Alaba – Robben, Lahm, Alonso, Bernat – Müller (60. Rafinha), Götze (79. Shaqiri) – Lewandowski (68. Ribéry)
Bank Zingerle, Dante, Höjbjerg, Pizarro
Tore  0:1 (9.) Robben, 0:2 (23.) Götze, 0:3 (25.) Lewandowski, 0:4 (30.) Robben, 0:5 (36.) Müller, 1:5 (66.) Gervinho, 1:6 (78.) Ribéry, 1:7 (80.) Shaqiri.
Karten Gelb: Torosidis, Nainggolan, Iturbe / Bernat
Schiedsrichter Jonas Eriksson
Zuschauer 65.000