Arjen Robben – der Star, der keiner sein will!

Justin Trenner 05.12.2018

20. November 2018 – für den FC Bayern ist es ein stinknormaler Tag. Die Spieler kehren nach und nach aus der Länderspielpause zurück, das Mannschaftstraining findet vor Publikum statt. Auf einem Nebenplatz arbeitet ein weiterer Spieler hart für sein Comeback. Es ist Arjen Robben.

Auch für ihn steht heute nichts mehr auf dem Plan, was für Aufregung sorgen könnte. Doch auf der anderen Seite des Platzes stehen wir. Zwei Blogger, die für Miasanrot.de an diesem Tag einen großen Schritt gehen werden. Von Routine kann hier keine Rede sein. Christian weiß zwar, wie es sich anfühlt, das Idol seiner Kindheit persönlich zu treffen. Vor einem Jahr interviewte er Karl-Heinz Rummenigge.

Für mich ist das allerdings Neuland. Nur Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger stehen in meiner völlig subjektiven Liste der Lieblingsspieler vor Arjen Robben. Später sitzen wir an der Säbener Straße dort, wo regelmäßig Pressekonferenzen gehalten werden. Hinter diesem Raum sind zwei kleine, fensterlose Zimmer. Wir dürfen uns eins aussuchen, um das Interview mit Robben zu führen.

„Der fliegende Holländer“

Gut zwei Stunden verbringen wir alleine dort. Man lässt uns warten. Das sei normal, wird uns später gesagt. In diesen zwei Stunden geht uns viel durch den Kopf. Wie wird er auf uns reagieren? Haben wir die richtigen Fragen ausgesucht? Kommt vielleicht was dazwischen? Schaffen wir alles? Die Vorfreude war riesig, aber zumindest ich war richtig nervös. Was ist, wenn die Ehrfurcht so groß ist, dass ich das Interview verhaue?

Dann passiert es. Im Flur geht das Licht an. Hans-Peter Renner, der uns den Vormittag über begleitete, ruft: „Da kommt er. Der fliegende Holländer!“ Ein breites Grinsen überstrahlt meine nervösen Mundwinkel. Als Robben um die Ecke kommt, hat er ebenfalls ein breites Lächeln im Gesicht. Seine Gelassenheit und seine Ausstrahlung übertragen sich sofort auf mich. Er begrüßt uns freundlich, bietet uns erst den Raum an, den wir vorher ausgesucht haben und kurz danach auch das „Du“.

Von Nervosität ist nichts mehr zu spüren. Kein Stimmzittern, keine nassen Hände, kein Versprecher – einfach nur Vorfreude auf die kommende Zeit mit Arjen Robben. Einem Idol für viele Bayern-Fans. Er hat das Wembley-Tor gemacht. Doch an diesem Tag merke ich erneut, dass es nicht dieses Tor ist, das ihn für mich zu einer Lichtgestalt macht.

„Alleinikow“

Ohne Frage würde er bei vielen nicht so sehr in Erinnerung bleiben, wenn er kein so herausragender Fußballer wäre. Aber das sind andere Spieler auch. Arjen Robben ist vor allem eine besondere Persönlichkeit. Ein Profi durch und durch. Er achtet nicht nur auf seine Ernährung, richtiges Training und eine gute Belastungssteuerung. Er achtet vor allem auch auf Respekt.

Für ihn selbst ist das selbstverständlich. Er wurde eben so erzogen. Immer wieder erzählt er von Erlebnissen aus der Kindheit und davon, dass er zwar immer seinen Kopf durchsetzen wollte, aber Ehrlichkeit und Respekt für ihn eine übergeordnete Rolle spielen.

Auch im Gespräch mit uns wird deutlich, was für ein toller Mensch dieser Arjen Robben ist. Für viele ist er ein Superstar. Auf seinem Konto häufen sich die Millionen, hier und da gab es auch schon Vorwürfe der Arroganz. Vor allem aber ist es sein Tunnelblick auf dem Platz, der ihm irgendwann den Spitznamen „Alleinikow“ einbrachte. Er sei eine Diva, hieß es speziell in den ersten Jahren in München.

Bayern Munich's French midfielder Franck Ribery (L) is greeted by midfielder Arjen Robben (R) after scoring the seventh goal for his team during the German first division Bundesliga football match FC Bayern Munich vs TSG 1899 Hoffenheim in Munich southern Germany on March10, 2012. AFP PHOTO / GUENTER SCHIFFMANN
Mit Ribéry zauberte Robben rund zehn Jahre lang. Nach der Saison ist Schluss. Wahrscheinlich für beide.
(Foto: AFP Photo / Guenter Schiffmann)

Respekt hat Priorität

In seiner langen Karriere sorgte er durch Schwalben auch selbst dafür, dass nicht jeder nachvollziehen kann, weshalb man Respekt mit Arjen Robben verbindet. Doch beschäftigt man sich mit dem Menschen hinter dem Fußballer, so wird klar, dass das kein Star mit Allüren ist. Robben würde am liebsten nur Fußball spielen und den Rest des Tages für seine Familie da sein. Er sieht sich als ganz normalen Menschen und so gibt er sich auch.

Im Interview könnte er uns mit 0-8-15-Antworten abspeisen. Aber er tut es nicht. Nach 25 Minuten ist die Zeit eigentlich vorbei, doch Robben beantwortet weiter unsere Fragen. Er nahm sich die Zeit. Auch deshalb, weil er merkte, dass sich da zwei Menschen intensiv vorbereitet haben. Vor allem aber aus Respekt. Ihm war bewusst, welche Bedeutung dieses Gespräch für uns hat.

Vielleicht ist es das, was ihn von vielen anderen unterscheidet. Auf dem Platz ist er ein Tier. Robben tut während der 90 Minuten und darüber hinaus alles, damit sein Team erfolgreich ist. Ich erinnere mich an diesen Blick, als er vor dem Champions-League-Finale 2013 aus dem Bus ausstieg. Verbissen, ehrgeizig, für alle Szenarien bereit – Robben stand damals stellvertretend für eine Mannschaft, die mit großer Willensleistung ein Jahr nach der größten Enttäuschung der Karriere wieder aufstand.

Ein Mann der vielen Momente

Große Momente und Druck machen ihn stärker, sagt er uns. Er ist ein Spieler, der für den Erfolg über Grenzen geht. Dass auch Schwalben dazu zählen, können nur seine Fans akzeptieren. Weil sie ihn zu sehr schätzen. Der Robben auf dem Platz ist eben ein anderer Mensch. Aber er ist einer, der für den FC Bayern in zehn Jahren sein Hemd zerrissen hat.

Ein Künstler am Ball, der von außen nach innen zieht und den Ball gefühlvoll in den Knick hängt. Aber eben auch ein harter Arbeiter. Ein Mentalitätsmonster, das mit gutem Beispiel vorangeht und viele Spieler mitzieht.

Es gibt Spieler, die man zweifellos mit einem Moment der Karriere in Verbindung bringen könnte. Bei Arjen Robben wäre das wohl der Wembley-Moment. Doch erzählt man die Geschichte dazu nicht, ist es nur halb so viel Wert. Die Geschichte Arjen Robbens ist eine Heldengeschichte. Er ist ein Protagonist, der sein Team in der ersten Saison mit mehreren Traumtoren beinahe zum Triple schießt. Der Manchester-Volley, der Florenz-Hammer – Robben kam, zog nach innen und half dabei, den FC Bayern wieder in die Spitzengruppe Europas zu befördern.

Die Heldengeschichte

Doch für eine gute Geschichte braucht es auch Rückschläge. Die Elfmeter gegen Dortmund und Chelsea 2012, unzählige Verletzungen sowie die Pfiffe einer Minderheit in der Allianz Arena. Schnell wurde er zum gefallenen Helden. Aber er stand auf, putzte sich den Mund ab und katapultierte sich in die Geschichtsbücher des FC Bayern.

Und doch besteht er darauf, dass das nicht sein exklusiver Erfolg war. Angesprochen auf das Robben-Lied der Südkurve und diesen einzigartigen Moment gerät Robben jederzeit ins Schwärmen. Über die Mannschaft, die Fans, den ganzen Klub, aber nicht über sich selbst. Veranstaltungen wie der Ballon d’Or sind ihm unwichtig.

Respektvoll, freundlich, immer auf Augenhöhe und nebenbei ein richtig guter Fußballer. Arjen Robben hat beim FC Bayern viel mehr hinterlassen als einen Champions-League-Titel und sein Tor. Er ist ein Vorbild und eine Inspiration. Von ihm kann man fürs Leben lernen. Seine Persönlichkeit wird beim FC Bayern fehlen. Dass er sein Ende in München ohne großes Aufsehen bei einem Fanclub verkündete, passt zu ihm. Er ist eben der Star, der keiner sein will.

Es wäre schön, wenn Arjen Robben eines Tages zum FC Bayern zurückkehrt. Bis dahin wünschen wir ihm eine möglichst erfolgreiche Restsaison und eine tolle Zeit mit seiner Familie. Servus, Arjen und bis bald!

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